Reliquien der heiligen Elisabeth sind auf der ganzen Welt verstreut. Sie werden in wertvollen historischen Reliquiaren aufbewahrt und zu Festtagen herausgeholt und den Gläubigen gezeigt. Einige dieser Knochen können zweifellos als Fälschungen angesprochen werden. Verehrt werden sie häufig trotzdem.
Man unterscheidet landläufig zwei Arten von Reliquien: Hinterlassenschaften, die vom Körper der Heiligen selbst stammen oder sogenannte Berührungsreliquien. Letztere haben durch die Berührung des Heiligen selbst einen Teil der Heiligkeit in sich aufgenommen, so dass sie selbst als verehrungswürdig angesehen werden.
Die Forschung nach der Echtheit der Reliquien ist meist alles andere als einfach. In normalen Spitälern und Pfarreien reicht die Überlieferung häufig nicht weiter als ins 18. Jahrhundert. In manchen großen Domschätzen sind die Inventare während der Hussiteneinfälle oder während des Zweiten Weltkrieges verloren gegangen.
Es gibt hunderte von Reliquien, deren Herkunft teilweise gut größtenteils aber auch gar nicht rekonstruierbar ist. Aber zwei Geschichten sind durchaus erzählenswert.
Eine spannende Geschichte ist der Verbleib des Hauptes der Elisabeth. Wie schon (Blogpost vom 18.10.2012) erläutert, wurde der Schädel bereits vor der feierlichen Erhebung der Gebeine am 1. Mai 1236 vom restlichen Körper getrennt. Kaiser Friedrich II setzte ihm selbst im Büßergewand gekleidet eine wertvolle Krone auf. Der Kopf wurde danach gesondert aufbewahrt und zu verschiedenen Anlässen gezeigt und durch die Kirche oder die ganze Stadt getragen.
Heute erheben mehrere Orte den Anspruch darauf, im Besitz dieses Schädels zu sein.
Schädelreliquie 1: Unter den Reliquien des Elisabetherinnenkloster bei Wien, wohin die verblieben Leichenteile aus Marburg gebracht wurden, befindet sich ein Schädel.
Schädelreliquie 2: Im Dom von Udine befindet sich ein Haupt, das Elisabeth zugesprochen wird. Es steht auf dem Grabmal des seligen Bertrand von Aquileja. Karl IV, der mit dem Seligen befreundet war, besuchte Udine kurz nachdem er in Marburg gewesen war und könnte es bei dieser Gelegenheit gestiftet haben.
Schädelreliquie 3: In der Erzbischöflichen Kapelle von Besançon wird auch ein Elisabethkopf aufbewahrt, dessen Herkunft aber nicht weiter als ins 19. Jahrhundert zurückgeführt werden kann.
Schädelreliquie 4: In Brüssel befindet sich ein Kopf, der lange für das echte Haupt gehalten wurde, weil auf dem Reliquiar, die Inschrift zu finden ist: „Elisabeth de radice Jesse“ / „Elisabeth aus der Wurzel Jesse“. Fälschlich wurde statt „Jesse“- „Hesse“ gelesen. Die Reliquie sollte also nicht von Elisabeth von Thüringen sondern von der Mutter Johannes des Täufers stammen.
Schädelreliquie 5: Das Elisabethhaupt im kolumbianischen Bogotá soll Anna von Österreich an die Kolonie geschenkt haben. Es handelt sich um den Schädel eines jungen Mannes.
Schädelreliquie 6: Interessanter ist die Kopfreliquie im Historischen Museum in Stockholm.[1] Der Göttinger Historiker Percy Ernst Schramm, einer seiner Forschungsschwerpunkte waren Herrschaftssymbole, konnte in den 1950er Jahren nachweisen, dass es sich bei der Krone, tatsächlich um die des Staufers Friedrich II gehandelt hat.[2] Die Forschung war aufgerüttelt und die Zeit berichtete.[3] Link
Die Frage ist nun, wie kommt der Kopf der heiligen Elisabeth nach Stockholm? In Marburg kann der Schädel bis 1855 urkundlich verfolgt werden. Dann kam der Kopf nach Wien.
Quellen zufolge ist der Kopf als Kriegsbeute während der Eroberung der Feste Marienburg bei Würzburg neben vielen anderen Kunstschätzen in schwedische Hände gelangt und nach Stockholm gebracht worden. Der Reliquienforscher Dickmann erklärt plausibel, dass während des Dreißigjährigen Krieges der Deutsche Orden viele Kunstschätze auf die Marienburg bei Würzburg zu deren Schutz verbrachte.[4]
Der Stockholmer Elisabethschädel wird in der Forschung als echt anerkannt.[5]
Eine zweite spannende Geschichte ist die des sogenannten Bechers der Elisabeth in Coburg. Er ist aus dickwandigem Glas und das florale Muster ist geschliffen. Solche Becher werden in der deutschsprachigen archäologischen Forschung gewöhnlich als „Hedwigbecher“ bezeichnet, nach zwei sehr ähnlichen Gläsern in Krakau und Breslau, die der heiligen Hedwig, Elisabeths Tante, zugesprochen werden.[6]
sog. Glasbecher der hl. Elisabeth in Coburg (Abb.Philipps-Universität Marburg (Hrsg.) Sankt Elisabeth. Fürstin Dienerin Heilige. (Sigmaringen 1982) 145)
Im Mittelalter hat sich der Becher zusammen mit dem Gürtel und einem Löffel der Elisabeth in Besitz der Markgrafen von Meißen bzw. sächsischen Kurfürsten befunden. Sie sollen in der Schloßkapelle in Wittenberg aufbewahrt worden sein. Sie sind offenbar von der Wartburg dorthin gekommen, nachdem Thüringen Mitte des 13. Jahrhunderts an den sächsischen Hochadel gefallen war. Diese Gegenständen waren in regem Gebrauch: Sie wurden den werdenden Müttern der Familie, bei einer Entbindung gegeben, die sich durch deren Beisein eine gefahrlose und leichte Geburt versprachen.[7]
In der Reformationszeit gelangte der Becher in den Besitz Martin Luthers, der ihn bei seinen berühmten Trinkgelagen häufig benutzt haben soll. Wie er nach Coburg kam ist noch unklar.[8]
Theoretisch ist es durchaus möglich, dass Elisabeth so ein Glas besessen hat, denn solche Gläser, werden in der Regel zwischen dem 11. bis in die Mitte des 12. Jahrhundert eingeordnet.[9]
Letztlich ist es für die viele Gläubige nebensächlich, ob die Echtheit eines Fingers oder eines Stoffrestes einwandfrei nachzuweisen ist, schließlich muss ja was dran sein, sonst würde es ja nicht verehrt.
Ob falsch oder echt, spannende Geschichten erzählen diese Gegenstände allemal.
Weiterführende Literatur:
A. Andersen, Das Reliquiar mit der Krone, in: Philipps-Universität Marburg (Hrsg.) Sankt Elisabeth. Fürstin Dienerin Heilige. (Sigmaringen 1982) 513-517
V. Belghaus, Der erzählte Körper. Die Inszenierung der Reliquien Karls des Großen und Elisabeth von Thüringen (Berlin 2005)
S. Beissel, Die Verehrung der Heiligen und ihrer Reliquien in Deutschland im Mittelalter (Nachdruck Darmstadt 1983)
W. Brückner, Zu Heiligenkult und Wahlfahrtswesen im 13. Jahrhundert. Einordnungsversuch der volksfrommen Elisabeth-Verehrung in Marburg, in: Philips-Universität Marburg in Verbindung mit dem Hessischen Landesamt für geschichtliche Landeskunde (Hrsg.), Sankt Elisabeth. Fürstin Dienerin Heilige (Sigmaringen 1981) 117-127
Th. Fuchs, Bericht über den Verbleib der Reliquien der hl. Elisabeth, in: D. Blume-M. Werner (Hrsg.), Elisabeth von Thüringen. Eine europäische Heilige. Katalog (Petersberg 2007) 462-463
U. Geese, Reliquienverehrung und Herrschaftsvermittlung. Die mediale Beschaffenheit der Reliquien im frühen Elisabethkult, Quellen u. Forsch. hessischen Gesch. (Darmstadt u. Marburg 1984)
[1] Zuletzt: B. Reudenbach, Kopf, Arm und Leib. Reliquien und Reliquiare der Heiligen Elisabeth, in: D. Blume-M. Werner (Hrsg.), Elisabeth von Thüringen. Eine europäische Heilige. Aufsätze (Petersberg 2007) 193-202
[2] P.E. Schramm, Kaiser Friedrich II Herrschaftszeichen. Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften Göttingen, Philosophische Klasse 3, Folge 36, (Göttingen 1955)
[3] Chr. E. Lewalter, Stauferkronen in Stockholm. Umwege und Erfolg historischer Forschung, in: Die Zeit 23/ 1955, 9.6.1955
[4] F. Dickmann, Das Schicksal der Reliquien Elisabeths, in: Journal of Religious Culture 141, 2010, 10
[5] Zuletzt: St. Rösler, Inszenierungsstrategien Kaiser Friedrich II am Beispiel des Stockholmer Kopfreliquiars und der Translation der heiligen Elisabeth, in: Kunst-Macht-Öffentlichkeit (Berlin 2008) 23-35
[6] R. Koch, Der Glasbecher der heiligen Elisabeth in Coburg, in: Philipps-Universität Marburg (Hrsg.) Sankt Elisabeth. Fürstin Dienerin Heilige. (Sigmaringen 1982) 273
[7] R. Koch, Der Glasbecher der heiligen Elisabeth in Coburg, in: Philipps-Universität Marburg (Hrsg.) Sankt Elisabeth. Fürstin Dienerin Heilige. (Sigmaringen 1982) 281
[8] R. Koch, Der Glasbecher der heiligen Elisabeth in Coburg, in: Philipps-Universität Marburg (Hrsg.) Sankt Elisabeth. Fürstin Dienerin Heilige. (Sigmaringen 1982) 272
[9] E. Baumgartner/ I. Krueger, Phoenix aus Sand und Asche. Glas des Mittelalters (München 1988) 86-105
Quelle: http://minuseinsebene.hypotheses.org/209