Über das Kommentieren in Wissenschaftsblogs

  Gastbeitrag von Mareike König Es wird viel lamentiert, wenn es um Kommentare bei geisteswissenschaftlichen Blogs geht: Meistens bleiben sie aus, so heißt es, und wenn doch mal jemand kommentiert, dann ist der Inhalt oder der Ton oder beides nicht recht. Entweder Regen oder Traufe, Schweigen im Walde oder umzingelt von Trollen, so scheinen sich die Alternativen gegenwärtig resümieren zu lassen. Das wird deswegen tragisch genommen, weil die Interaktion auf dem Blog mit der Leserschaft in Form von Kommentaren einen neuralgischen Punkt betreffen: Denn Bloggen ist nicht nur Publikation, Bloggen ist auch Kommunikation, genau wie Wissenschaft Publikation und Kommunikation ist. Daher, so eine These, die ich selbst teile, passen Blogs und Wissenschaft eigentlich so gut zueinander. Bleiben dann allerdings Kommentare aus, scheint den Wissenschaftsblogs eine ihrer Grundlegitimationen entzogen. Grund genug, sich dem Thema „Kommentare“ anzunehmen, auch wenn es derzeit mehr Fragen als Antworten gibt: Warum wird so wenig kommentiert? Liegt es an unserer deutschen Forschungskultur? Ist es in anderen Ländern anders? Liegt es an der Zurückhaltung, ja am Misstrauen der Geisteswissenschaftler gegenüber den neuen Medien während in anderen Disziplinen munter diskutiert wird? Wie kann man mehr Interaktivität auf den Blogs generieren? Können provokante Thesen zu Kommentaren anregen, so wie es hier vor kurzem durch den Beitrag von Lilian Landes „Versuchen Sie es doch erstmal mit einem Blog…“ der Fall war? Diese und weitere Fragen werden auf Tagungen und in Blogs gestellt und diskutiert, und auch im Januar 2013 auf der Tagung „Rezensieren – Kommentieren – Bloggen“ wird man sicherlich darüber sprechen. Man könnte aber auch zunächst fragen: Werden Kommentare nicht generell überschätzt? Und: Wird überhaupt so wenig kommentiert? In meinem Beitrag zum Open Peer Review-Buch „historyblogosphere“ von Eva Pfanzelter und Peter Haber habe ich die Anzahl der Blogpostings und die der Kommentare auf der französischen Blogplattform hypotheses.org gegenübergestellt: Das Ergebnis ist gar nicht so niederschmetternd: „Im Jahr 2008 erhielt jeder vierte Beitrag durchschnittlich einen Kommentar, im Jahr 2009 wurde jeder dritte Beitrag kommentiert, 2010 dann jeder zweite Beitrag.“ (Quelle) 2011 gibt es einen “Einbruch”, und nur noch jeder vierte Beitrag erhält statistisch gesehen einen Kommentar. Woran liegt das? Die Diskussion könnte sich in die sozialen Netze verlagert haben (Kommentar von Sebastian Gießmann bei historyblogosphere); das wäre dann ein Teil der „stillen Konversation“, über die ich im Beitrag ebenfalls schreibe: Denn nicht jede Kommunikation über einen Blog oder ein Blogposting findet auf dem Blog selbst statt. Oftmals wird auf Tagungen, in Mails, am Telefon oder in der realen Kaffeeküche über Blogbeiträge gesprochen. Manchmal sogar, selten, in Tageszeitungen [1]. Ein weiterer Grund für die Halbierung der Kommentarzahlen bei hypotheses.org im Jahr 2011 könnte sein, dass die Zahl der Postings zugenommen hat, die nur einen Veranstaltungskalender enthalten, womit Kommentare nicht herausgefordert werden (Vorschlag von Benoît Majerus bei historyblogosphere). Vielleicht wurden aber auch viele ältere Blogbeiträge ohne Kommentare von bereits bestehenden Blogs auf die Plattform migriert. Über die vier Jahre gerechnet ist jedenfalls der Schnitt mit einem Kommentar für ca. jedes dritte Posting gar nicht so schlecht. Interessant wären vergleichbare Zahlen aus anderen Ländern und Disziplinen. Wie dem auch sei: Dies sind Zahlen, die nichts über die Qualität der Kommentare aussagen. Dazu hat vor kurzem John Scalzi ein Blogpost veröffentlicht mit dem Titel: „How to be a good commenter“. Sein Beitrag hat bisher 176 Kommentare provoziert, was am Thema, am ohnehin gut eingeführten Blog (seit 1998!), wie auch an der Formulierung der Thesen liegen kann. Ein Luxusproblem, mag man denken, wenn sich jemand nicht mehr um die Anzahl, sondern um die Qualität der Kommentare auf seinem Blog sorgt. Vermutlich ist man da in den USA einfach weiter. Zehn Fragen soll man sich stellen, so Scalzi, bevor man ein Blogpost kommentiert. Tatsächlich sind es nicht zehn Fragen, sondern allenfalls sieben, einige Gedanken wiederholen sich. Regel Nummer 1 besagt, dass man nur kommentieren soll, wenn man auch etwas zu sagen hat. Schon da bin ich anderer Meinung und würde differenzieren. Ein schlichtes: “Danke für den Beitrag, den ich sehr gern gelesen habe”, ist aus meiner Sicht als Kommentar absolut gerechtfertigt. Daraus entspannt sich dann zwar keine inhaltliche Diskussion, aber ein Feedback ist es allemal, zumal eines, das erfreut. Die weiteren Fragen, die man sich vor dem Posten eines Kommentars stellen soll, lauten: Ist mein Kommentar zum Thema? Kann ich richtig argumentieren? Kann ich meine Meinung belegen? Schreibe ich in anständigem Ton? Will ich wirklich in eine Diskussion eintreten oder will ich diese nur gewinnen? Weiß ich, wann ich aufhören muss? Das ist sicherlich alles wünschenswert und in großen Teilen auch richtig, aber eben unrealistisch. Die Leser/innen von Scalzis Blog haben seine Vorschläge dann auch nicht berücksichtigt: „I have nothing to say and will defend to the death my right not to say it!”, lautet der dritte Kommentar, der zu einem Beitrag über (fehlenden) Humor in deutschen Wissenschaftsblogs überleiten könnte. Letztlich ist es mit den schriftlichen Kommentaren bei Blogbeiträgen nicht anders als mit mündlichen Diskussionsbeiträgen auf Tagungen: Einige sind sehr gut, andere off-topic; einige Diskutanten hören sich gerne selbst reden und wieder andere behaupten einfach irgendwas. Und manchmal herrscht einfach nur Schweigen. Das ist dann nicht das Schlechteste. [1] Twitter für Historiker, in: FAZ, 17.10.2012, S. N4.    

Quelle: http://rkb.hypotheses.org/290

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Hierarchie meets Netz meets Wissenschaft

Web 2.0-Formate in der Wissenschaft leiden an einem chronischen Mangel an Kommentaren, das ist ein offenes Geheimnis. Alle fragen sich, wann wohl die Generation Y – oder nennen wir sie Generation Facebook – in der Sphäre höherer wissenschaftlicher Weihen angekommen sein und sich somit berechtigt fühlen wird, etwa an Rezensionsprozessen im Kommentarformat teilzunehmen, wie sie recensio.net anbietet.

Vielleicht aber gibt es noch ganz andere Hürden: Könnte ein wichtiger Grund für die Web 2.0-Skepsis in den Geisteswissenschaften nicht auch darin liegen, dass gerade im deutschsprachigen Bereich die Hierarchie im Wissenschaftsbetrieb, die sich an Titeln, Meriten und Positionen festmacht, eine traditionell viel wichtigere Rolle spielt als im europäischen Ausland, etwa in Frankreich? Dass in der Professorenschaft die Bereitschaft, sich ohne Würdigung ihrer Stellung gewissermaßen „auf Augenhöhe“ mit Studierenden, Nachwuchswissenschaftler oder Laien auszutauschen, eher gering ist? Und könnte es sogar sein, dass der Nachwuchs dieses Hierarchiebewusstsein frühzeitig erbt und damit die Offenheit im Meinungsaustausch, die wir auf privaten Plattformen boomen sehen, in der Welt der Wissenschaft unter sehr erschwerten Bedingungen und womöglich viel später einen Durchbruch erleben wird, als wir das ahnen?

Letzte Woche publizierte der Spiegel einen Artikel darüber, wie die Generation Y Unternehmenskulturen verändert:

Alles das, was eine hierarchische Organisation ausmacht, wird auf den Prüfstand kommen: Herrschaftswissen, Kontrolle, zentrale Steuerung, Machtspielchen. Stattdessen werden offenes Wissensmanagement, flache Organisationen, gelebte Work-Life-Balance, gute Fehlerkultur, hierarchielose Kommunikation und Vertrauen wichtiger – für Führungskräfte und für Mitarbeiter. Heute gibt es Mitarbeiterbeurteilungen – künftig wird es auch Chefbeurteilungen geben.

Vielleicht sollten wir uns alle darauf einstellen, dass ein fundamentaler Wandel begonnen hat hinsichtlich der Rolle des „Experten“, ob es nun der Chef, der Professor oder der Rezensent ist. Die Aura des „Unantastbaren“, die seine Meinungsäußerung umgibt, bröckelt zunehmend und wird schrittweise abgelöst durch dynamische Meinungsbildungsprozesse, die sich im Netz in der Regel in Kommentarspalten abspielen. Sicher wird dieser Wandel in der Wissenschaft stark verzögert vollzogen werden, aber sollten wir uns nicht darauf vorbereiten? Überlegen und erproben, wie unter den neuen Bedingungen wirksame wissenschaftliche Qualitätssicherung stattfinden kann?

Ob das Angebot von recensio.net als ein solcher Schritt betrachtet werden kann, wollen wir in Sektion 1 der RKB-Tagung besprechen, deren genaue Zusammensetzung in Kürze feststehen wird.

Quelle: http://rkb.hypotheses.org/194

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«Rezensieren – Kommentieren – Bloggen» in München am 31.1./1.2.2013 in München

Die Kollegen Kolleginnen und Kollegen [sorry!] in München werden im Januar nächsten Jahres aus Anlass des zweijährigen Geburtstages von recensio.net das Thema «Rezensieren – Kommentieren – Bloggen» an einer zweitägigen Tagung aufgreifen. Seit einigen Tagen ist dazu ein eigens geschaffener Blog online, auf dem nicht nur über die Konferenz gebloggt werden soll, sondern auch über [...]

Quelle: http://weblog.hist.net/archives/6289

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