Nach dem Zweiten Weltkrieg war Duisburg stark zerstört. Der Wiederaufbau sollte vielmehr ein vollständiger Neuaufbau werden. Es war ein gewollter Bruch mit der Geschichte und mit der gewachsenen historischen Siedlungsstruktur.
Die Bombenangriffe auf Duisburg begannen bereits 1940. Die Stadt glich nach dem Krieg einem Trümmerfeld, wie fast alle Großstädte Deutschlands auch.
Bei einem Beschädigungsgrad von über 60% gilt ein Gebäude als nicht mehr zu retten. Für Duisburg Mitte betraf das 58,4 % des Bestandes. 1947 waren in der Innenstadt 25,2 % der Häuser bereits wieder instand gesetzt und 15, 6% wurden als wieder aufbaufähig eingestuft. Weitere stark zerstörte Stadtteile waren Beeck mit 54,6 % und Untermeiderich mit 57% nicht instandsatzungsfähigen Gebäuden. Der in den 60er Jahren flächensanierte Stadtteil Ruhrort war „nur“ zu 28% nicht mehr aufbaufähig.[1]
Kohle und Stahl machten das Ruhrgebiet in den 50er Jahren zu einem Motor des Wirtschaftswunderlandes Deutschland. Der Reichtum Duisburgs war einer der Gründe, warum hier eine flächige Neugestaltung der Innenstadt überhaupt möglich wurde. Es wurden straßenzugweise Grundstücke aufgekauft und neu überplant. Bei einer Totalzerstörung von 58, 4% des Gebäudebestandes wären 42% der Häuser wieder zu errichten gewesen. Genug, um an die alte Duisburger Altstadt anzuknüpfen. Das wollten die Stadtväter der fünfziger Jahre nicht. Der Wiederaufbau in Deutschland war von einer starken öffentlichen Debatte begleitet, die sich sehr kontrovers über die verschiedenen Konzepte äußerte.
Ein so radikales Aufräumen, wie in Duisburg, war nämlich nicht die Regel. In anderen Städten wurden andere Konzepte durchgeführt und prägen heute Stadt und Menschen. In den stark zerstörten polnischen Städten Warschau, Breslau und Danzig wurden die Altstädte teilweise bis ins kleinste Detail rekonstruierend wieder aufgebaut. Die Stadtzentren stehen heute da, als wären sie niemals Mittelpunkt von Kampfhandlungen gewesen. Eine ähnliche Wiederaufbauleistung leistete man in Rothenburg ob der Tauber, wo 40% der Bebauung zerstört wurden. Rothenburg gilt als ein Inbegriff des deutschen Mittelalters und die Altstadt von Warschau ist seit 1980 Unesco-Weltkultur-Erbe.
Ein anders Konzept wurde im schwäbischen Freudenstadt und im westfälischen Münster verfolgt. Die zentralen und identitätsstiftenden Bauten, wie die Freudenstädter Kirche und in Münster das Rathaus wurden rekonstruiert, die historische Parzellenstruktur wurde beibehalten. In Münster orientiert sich die Gestaltung der Fassaden an den Originalen, sind aber keine Kopien, sondern vielmehr moderne Interpretationen. Wie in den meisten deutschen Städten wurden auch in Köln die Kirchen rekonstruiert. Neben den Kirchen schmerzte den Kölnern besonders der Verlustes des geliebten Rheinpanoramas. Der berühmte Blickfang ist heute durch eine Rekonstruktion des alten Rathauses wieder hergestellt. Der Gedanke der stilistischen Geschlossenheit eines Stadtbildes hat den Ausschlag für den rekonstruierenden Wiederaufbau der Maximilian-Straße in München gegeben. Wir sehen, der Duisburger Weg, auch in Stuttgart oder Kassel verwirklicht, war nicht der einzige Weg.
Unsere Städte haben sich über Jahrhunderte hinweg entwickelt. Auch Duisburg, am Zufluss der Ruhr in den Rhein gelegen, war seit der Seßhaftwerdung des Menschen Siedlungsplatz. Die Stadt taucht in den Schriftquellen im 9. Jahrhundert das erste Mal auf. Im 10. Jahrhundert wurde Duisburg Königspfalz. Königspfalz zu sein bedeutet, zu den wichtigsten Orten des Deutschen Reiches und zugleich zu den Regierungssitzen des Kaisers zu gehören: wie Aachen, Paderborn, Werla, Tilleda, Grone und Trebur. Duisburg ist zudem westlicher Ausgangspunkt des Hellweges, des wichtigsten Landhandelsweges zwischen Rhein und Elbe. Der Zielort Magdeburg an der Elbe definiert sich heute durch „seinen“ Kaiser Otto I. Es ist die große Zeit Duisburgs und Ausgangspunkt einer städtebaulichen Entwicklung. Die Pfalz ging wiederum auf einen Königshof zurück, aber das soll hier nicht Thema sein.
Ich habe einmal Duisburger Stadtansichten aus den unterschiedlichen Jahrhunderten untereinander gestellt. Sie sind alle ungefähr aus der gleichen Perspektive aufgenommen und zeigen die Entwicklung der Stadt in den letzten tausend Jahren. Die Google-Earth-Screenshots habe ich von 3D-Modellen gemacht, die von der Uni-Bochum im Netz-Projekt RuhrZeiten erstellt worden sind. Näheres zum Projekt hier.
Besonders eindrücklich zeigt das Luftbild aus den fünfziger Jahren, was ein Bruch mit seiner Geschichte bedeutet. Ein Loblied auf den Wiederaufbau Duisburgs singt heute niemand mehr.
[1] Die Zahlen stammen aus: G. Schörken, Wiederaufbau in Duisburg nach dem Zweiten Weltkrieg 1945-1960 (maschinenschriftliches Manuskript 1993) S. 32
Ansicht einer 3D-Rekonstruktion der Kaiserpfalz Duisburg um 1000 Screenshot von www.RuhrZeiten.de für Google-Earth
Ansicht einer 3D-Rekonstruktion der Stadt Duisburg um 1200 Screenshot von www.RuhrZeiten.de für Google-Earth
Ansicht einer 3D-Rekonstruktion der Stadt Duisburg um 1566 Screenshot von www.RuhrZeiten.de für Google-Earth
Luftbild der Duisburger Innenstadt von 1924 (Stadtarchiv Duisburg)
Luftbild der Duisburger Innenstadt in den späten 50er Jahren (Stadtarchiv Duisburg)
Literatur:
A. Assmann, Geschichte im öffentlichen Raum: Architektur als Erinnerungsträger, in: A. Assmann, Geschichte im Gedächtnis (München 2007) 96-135
G. Binding, Deutsche Königspfalzen. Von Karl dem Großen bis Friedrich II. (765-1240) (Darmstadt 1996)
A. Blank (Hrsg.) J.H. Withof, Chronik der Stadt Duisburg von den Anfängen bis zum Jahre 1742 (Norderstedt 2008)
L. Heid-, H.-G. Kraume-, K. Lerch-, J. Milz-, H. Pietsch-, G. Tromnau-, K.-D. Vinschen, Kleine Geschichte der Stadt Duisburg (Duisburg 1996)
G. Krause (Hrsg.), Stadtarchäologie in Duisburg 1980-1990, Duisburger Forschungen 38 (Duisburg 1992)
J. Milz, Neue Erkenntnisse zur Geschichte Duisburgs, Duisburger Forschungen 55 (Duisburg 2008)
G. Schörken, Wiederaufbau in Duisburg nach dem Zweiten Weltkrieg 1945-1960 (maschinenschriftliches Manuskript 1993) liegt auch gedruckt vor
Zeitzeugenbörse Duisburg e.V. (Hrsg.), Bomben auf Duisburg (Erfurt 2012)