[Autor: Florian Kucharzewski | Studierender | Universität Duisburg-Essen]
Unter den sog. „neuen Medien“, die sich zum historischen Lernen und den Einsatz im Geschichtsunterricht in hervorragender Weise eignen, sind das WDR ZeitZeichen und sein Ableger der Stichtag wahrscheinlich die betagtesten Vertreter. Vor einigen Jahren aber wurden die beiden gewöhnlichen Radiosendungen in die „digitale Zukunft“ überführt und zu Podcasts aufgewertet, die nun auf unterschiedlichen Wegen abrufbar sind. Natürlich werden die Sendungen auch weiterhin täglich auf den diversen Radiosendern des WDR übertragen, doch lassen sie sich nun auch zum Nachhören im mp3-Format über die – teilweise leider sehr unübersichtlichen – Websites des WDR kostenfrei aufrufen und herunterladen. Noch einfacher ist aber ein ebenfalls kostenloses Abonnement über den iTunes Store, mit dem, bei entsprechenden Einstellungen, die neuesten Folgen automatisch geladen werden können. Diese letztgenannten Bezugsquellen ermöglichen es, dass auch Geschichtsinteressierte, die außerhalb des eigentlichen Sendegebiets des WDR ansässig sind, das ZeitZeichen und den Stichtag bequem nutzen können.
Ursprünglich waren das ZeitZeichen und der Stichtag zwei voneinander unabhängige Sendungen mit jeweils eigenständiger Themenauswahl. Inzwischen wurde diese Aufteilung aber aufgegeben und der Stichtag in eine, auf rund vier Minuten gekürzte, Version des ZeitZeichens (das ca. 15min lang ist) umgewandelt. Somit behandeln heute beide Sendungen an einem Tag jeweils das gleiche geschichtliche Thema, jedoch in unterschiedlicher Länge und Ausführlichkeit. Die Themenfelder sind dabei sehr umfangreich. Meist werden, anlässlich eines runden Jahrestages, bekannte oder auch bislang eher wenig beachtete Ereignisse aus den Bereichen Geschichte und Politik, Leben und Werk bedeutender Persönlichkeiten sowie Alltags- und Kulturgeschichte in den Sendungen besprochen.
Die Darstellungsweise orientiert sich an üblichen Radioformaten, greift aber gleichzeitig einige Hörspielelemente auf. Es handelt sich also um eine Kombination mehrerer Elemente: Ein berichtender Erzähler führt in das Thema ein, gibt im Laufe der Sendung zusätzliche, wichtige Informationen und sorgt für die nötigen Überleitungen zu den weiteren Elementen. Passende Musikstücke und Soundeffekte sollen eine lebendige Atmosphäre schaffen, die es dem Zuhörer ermöglichen soll, in die vergangene Welt einzutauchen. Auch originale Tondokumente, sofern vorhanden, werden immer wieder in die Sendung integriert. Im Falle weiter in der Vergangenheit liegender Themen, bei denen entsprechend keine Tonaufzeichnungen vorliegen können, werden auch übersetzte Originalquellen von Sprechern hörspielartig eingesprochen. Schließlich nehmen auch Interviews mit Historikern, Experten und Zeitzeugen eine wichtige Rolle im Aufbau der Sendung ein. Mit diesen Mitteln werden dem Zuhörer geschichtliche Themen in vergleichsweise kurzer Zeit sehr informativ und in einer sicherlich auch für Schülerinnen und Schüler ansprechenden Art und Weise nähergebracht
Wie lassen sich das ZeitZeichen und der Stichtag nun für das historische Lernen im Unterricht nutzen?
Zunächst einmal können die Sendungen natürlich gut als Einstiegsimpulse für eine Unterrichtstunde bzw. eine längere Unterrichtsreihe eingesetzt werden, um die Motivation der Schülerinnen und Schüler zu fördern und ihr Interesse für das neue Unterrichtsthema zu wecken. Dadurch dass die Sendungen, wie oben beschrieben, in zwei verschiedenen Längen verfügbar sind, ergibt sich für Lehrerinnen und Lehrer außerdem eine gewisse Flexibilität, sodass die Sendungen auch in engere Zeitpläne sinnvoll integriert werden können. Im Anschluss an das gemeinsame, ggf. zweimalige Anhören, können die thematischen Inhalte dann auf vielfältige Weise, etwa im Rahmen eines Lehrergesprächs oder einer offenen Diskussion etc. besprochen werden.
Doch die Sendungen können auch zum Ausgangspunkt einer eigenständigen Rekonstruktion von Vergangenheit durch die Schülerinnen und Schüler werden, da die Sendungen eine ganze Fülle thematischer Anregungen liefern. Aufgrund der zeitlichen Beschränkung des Formats, werden nämlich viele Aspekte nur angerissen, sodass sich die Gelegenheit bietet, diese im Unterricht z.B. durch eigene Recherche zu vertiefen. Die nur in Ausschnitten verwendeten Tondokumente oder Originalquellen beispielsweise können von den Schülerinnen und Schülern gesucht und anschließend umfassender behandelt werden. Oder es lassen sich zu bestimmten Unterthemen Expertengruppen bilden, die sich dann jeweils in ihre Einzelbereiche einarbeiten und später ihre Ergebnisse der gesamten Klasse präsentieren können. Die methodischen Möglichkeiten, um sich auf Basis der Sendungen Vergangenheit zu rekonstruieren, sind also sehr vielfältig.
Außerdem können (und sollten!) die Sendungen auch selbst als eigenständige Geschichtsprodukte aufgefasst und damit zum eigentlichen Gegenstand der historischen Auseinandersetzung im Rahmen des Schulunterrichts gemacht werden. Die Sendungen sind selbstverständlich auch selbst Teil der historischen Kultur und greifen, wie alle Geschichtsprodukte, ebenfalls bestimmte Wertungen und Geschichtsbilder auf und transportieren diese weiter. Die Sendungen dürfen also nicht als zwingend objektive Wahrheit verstanden werden, da sie selbst nur Rekonstruktionen von Vergangenheit darstellen, die eben unter dem Einfluss gesellschaftlicher, politischer und kultureller Gegebenheiten entstanden sind. Daher gilt es, diese vermittelten Wertungen und Geschichtsbilder im Unterricht kritisch zu analysieren und zu hinterfragen. Mittels einer solchen Dekonstruktion der Geschichtsprodukte ZeitZeichen und Stichtag, lässt sich somit das Geschichtsbewusstsein der Schülerinnen und Schüler schärfen, um sie dann langfristig zu kompetenten Akteuren innerhalb der historischen Kultur werden zu lassen.
Es zeigt sich also, dass die beiden Sendungen ZeitZeichen und Stichtag zahlreiche Anknüpfungspunkte für eine, auch tiefergehende, Beschäftigung im Rahmen des Geschichtsunterrichts bieten. Dabei erfordern sie keine außergewöhnliche Vorbereitung oder Einarbeitungszeit von Lehrern und Schülern, wie es etwa bei manchen anderen Smartphone-Apps zu historischen Themen oder anderen Formen des elektronischen Lernens der Fall ist. Im Gegenteil, sie sind leicht zu beziehen und lassen sich dann einfach und gewinnbringend in den Unterricht integrieren. Auch ist es nicht nötig, dass jeder Schüler mit einem geeigneten mobilen Endgerät versorgt ist, was ja in Zeiten von Sparhaushalten nicht immer leicht zu realisieren ist.
Vom Einsatz im Unterricht abgesehen, wäre es darüber hinaus auch sinnvoll, den Schülerinnen und Schülern ein Abonnement dieser Sendungen zu empfehlen, um ihnen so die Möglichkeit zu geben, bei Interesse, ihren geschichtlichen Horizont auf unkomplizierte Weise in der Freizeit (z.B. beim Joggen oder während einer langweiligen Zugfahrt usw.) zu erweitern.
Website des WDR ZeitZeichen:
http://www.wdr5.de/sendungen/zeitzeichen.html
Website des WDR Stichtag:
http://www1.wdr.de/themen/archiv/stichtag/
Quelle: http://zwopktnull.hypotheses.org/82