Wie bereits zuvor unter den New Dealern ging die Sozialdemokratie nach dem Tod des Dritten Wegs auch am eigenen Erfolg zugrunde. Alle ihre politischen Siege - Minderheitenrechte, Umwelt- und Klimaschutz, Arbeitsmarktreform, etc. - gingen in den Mainstream über und wurden von ihren konservativen Rivalen übernommen, so wie die Sozialdemokraten ab 1992 den rechten Konsens übernommen hatten - und die Rechten ab 1952 den sozialdemokratischen. Nirgendwo ist das deutlicher zu sehen als in Deutschland, wo Angela Merkel 2005 den Fehler beging, diese Erfolge offen anzugreifen und dafür beinahe die sicher geglaubte Kanzlerschaft verlor. Das würde ihr nie wieder passieren. Stattdessen überließ sie diese Aufgabe bei der nächsten Gelegenheit 2009 dem Unglücksraben Westerwelle, der auch prompt über zwei Drittel seiner Wählerschaft verlor. Merkel hingegen warf die Rolle als toughe Reformerin ab, entmachtete politisch unbequeme Weggefährten wie Friedrich Merz und legte sich jene Aura der mütterlichen Zuverlässigkeit zu, die sie seither noch über jede Wahl gebracht hat. Wechselnd inszenierte sie sich als Wegbereiterin eines größeren Sozialstaats (Elterngeld), Klimakanzlerin (lang, lang ist's her), Hüterin Europas (lang, lang ist's her) und Flüchtlingsretterin (auch nicht mehr en vogue).
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Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2018/08/glanz-und-elend-der-sozialdemokratie.html