aventinus varia Nr. 38 [24.02.2013]: Ratio und Religio. Zum Verhältnis von Vernunft und Glaube in der christlich-mittelalterlichen Philosophie [=PerspektivRäume Jg. 2 (2011) Heft 1, S. 61-70]

Schon die Heilige Schrift lehrt, dass der Mensch in der Lage sei, kraft seines Verstandes und seines Glaubens eine „untrügliche Kenntnis der Dinge“ zu erwerben. Doch ist Gott hier der Ursprung allen Wissens und nur dem Gottesfürchtigen wird es zuteil. http://www.aventinus-online.de/varia/ideengeschichte/art/Ratio_und_Relig/html/ca/view

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2013/02/3886/

Weiterlesen

Projektskizze: Schülerhilfe via Social Network

Erreichbarkeit von jugendlichen Klientel via Internet/Facebook Fiktive Projektskizze zur Nutzung von Sozialen Netzwerken in der Sozialarbeit mit Bezug zu Theorien des Sozialraums oder der Lebenswelt-Orientierung. Im Rahmen des Seminars: “Facebook: ‘Soziale Medien’ für soziale Arbeit?” im WS 2012/13 am Fachbereich Sozialwesen der Hochschule Fulda. Einrichtung, Träger: Die Institution unterstützt Familien, in denen u.a. beide Elternteile berufstätig sind und somit wenig Zeit bleibt, ihren Kindern bei schulischen Aufgaben oder alltäglichen Problemen helfend zur Seite zu stehen. Es besteht außerdem die Möglichkeit, dass Klient/innen die Einrichtung [...]

Quelle: http://medienbildung.hypotheses.org/1683

Weiterlesen

aventinus historia Nr. 7 [23.02.2013]: Johannes Aventinus bei den “Selbstzeugnissen im deutschsprachigen Raum” der Freien Universität Berlin

Das nach Art einer Quellenkunde für autobiographische Texte aufgebaute Kompendium “Selbstzeugnissen im deutschsprachigen Raum” des Berliner Fachbereichs für Geschichts- und Kulturwissenschaften bietet auch ein ausführliches Biogramm zu Johannes Aventinus. http://www.geschkult.fu-berlin.de/e/jancke-quellenkunde/verzeichnis/a/aventin/index.html

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2013/02/3882/

Weiterlesen

Datenpublikation und die Rolle der Informationswissenschaft

In seinem Editorial für die aktuelle Ausgabe des Journal of the American Society for Information Science and Technology reflektiert Blaise Cronin, Chefredakteur dieser für die Informationswissenschaft zentralen Zeitschrift, die Rolle von Daten im Publikationsprozess und stellt fest:

„Data are not simply addenda or second-order artifacts; rather, they are the heart of much of the narrative literature, the protean stuff, that allows for inference, interpretation, theory building, innovation, and invention.” (Cronin, 2013)

Für die Digitalen Geisteswissenschaften, die zu großen Teilen darauf basieren, geisteswissenschaftliche Gegenstände und Bezugsmaterialien möglichst feingliedrig in maschinenlesbare Daten umzuwandeln, um sie mit digital grundierten Methoden durchforschbar zu machen, steckt darin wenig Neues. Das Stichwort Datenpublikation, die die Publikation der Erkenntnisse und Schlussfolgerungen begleitet, und die damit verbundenen Standards markieren daher fraglos ein wichtiges Thema auch für die Digitalen Geisteswissenschaften. Diese müssen ebenfalls grundsätzlich das klären, was die Wissenschaftskommunikation aller Disziplinen, bzw. die Akteure, die diese Kommunikationen professionell organisieren, derzeit mehr oder weniger intensiv umtreibt:

(1)    [H]ow data are to be handled and incorporated into the scholarly workflow […]

(2)    [H]ow and under what conditions authors should make their data available for others to validate, replicate, or reuse as they see fit

Cronin befindet sich damit (erwartungsgemäß und per Zitation bestätigt) in Einklang mit den von Christine L. Borgman ebenfalls in JASIST vor knapp einem Jahr formulierten Grundprinzipien für die Verbreitung von Forschungsdaten (Borgman, 2012):

-            To reproduce or to verify research
-            To make the results of publicly funded research available to the public
-            To enable others to ask new questions of extant data
-            To advance the state of research and innovation

Es ist offensichtlich, dass passende wissenschaftliche Standards zum ersten Prinzip vorrangig innerhalb der Community ausgehandelt werden müssen, dass das zweite Prinzip sehr stark mit der generellen Frage von Open Access verwoben ist, dass das dritte Prinzip vor allem wissenschaftsethisch eine weiterführende Forschung auf gemeinsamen Datengrundlagen betont und schließlich der vierte Aspekt etwas allgemeiner die Förderung von Wissenschaft und Innovation an sich als Ziel verfolgt. All das deutet auf einen notwendigen Metadiskurs darüber hin, welchen Sinn die Publikation von Daten haben kann und soll.

Cronin schreibt zutreffend:

„Humanists and social scientists of all stripes are faced with similar challenges relating to image collections, demographic statistics, economic time series data, literary corpora, social media metroics, etc.: To every field its data trove.” (Cronin, 2013)

Gerade weil der Data Turn jede Disziplin ergreift und man sich neue und vielleicht sogar die interessanteren Ergebnisse zukünftig vor allem aus der Wechselbeziehung von Daten aus unterschiedlichen Feldern vorstellen kann, scheint ein interdisziplinärer Dialog zu den Standards der Datenpublikation und –nachnutzbarkeit geboten.

Die Informationswissenschaft (bzw. Bibliotheks- und Informationswissenschaft) versucht sich naheliegend als Vermittlungsdisziplin zu etablieren. Cronin ist beizupflichten, wenn er meint: „we should avoid advocating procrustean policies“, wenn dies disziplinäre Dateninseln oder die Einschränkung der Data Diversity auf sehr restriktive Vorgaben zur Folge hat. Andererseits wird unter anderem hinsichtlich kommender Forschungskonzepte die Frage, wie heterogene Datenbestände direkt aufeinander bezogen werden, metadisziplinär relevant. Dabei geht es tatsächlich nicht um „an airtight set of requirements or a single, mulitpurpose data availability policy.” Wohl aber um eine Verständigung auch zu fachübergreifenden (Nach)Nutzungsmöglichkeiten von Datenbeständen.

Cronin will als Redakteur von JASIST natürlich erst einmal klären, wie Datenpublikation in seiner eigenen Zeitschrift überhaupt aussehen kann. Nichtsdestotrotz sollte man meines Erachtens darüber hinaus und besonders auch aus der Perspektive der Digital Humanities nicht nur dazu reflektieren, wie Datenpublikationsprozesse in den Digitalen Geisteswissenschaften möglichst nach den Prämissen Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Forschung, Open Access sowie Nachnutzbarkeit für weitere Forschungen innerhalb eines jeweils konkreten disziplinären Rahmen gestaltet sein sollen. Sondern – angeregt vom vierten Grundprinzip bei Christine L. Borgman – ebenso überlegen, wie sich interdisziplinär auch über die Digital Humanities hinaus möglichst verbindliche Normen zur (auch verschränkten) Nutzung von Datenbeständen entwickeln lassen.

Da das Problem alle gleichermaßen betrifft, wenn auch unterschiedlich ausdifferenziert, könnte man in der jetzigen Frühphase Lösungen, Standards und Empfehlungen kooperativ nicht zuletzt mit der Maßgabe entwickeln, das zukünftige interdisziplinäre Wechselwirkungen direkt unterstützt werden. Die Debatte darum, ob die Digitalen Geisteswissenschaften eine neue Wissenschaftsdisziplin oder eine neuer Methodenbereich sind (vgl. exemplarisch diesen Kommentar von Charlotte Schubert) zeigt meiner Ansicht nach, dass wir die hier entstehenden Forschungsperspektiven ohnehin disziplinär übergreifend denken müssen. An dieser Stelle eröffnet sich nicht zuletzt die Möglichkeit, sich sehr zukunftsgerichtet zu profilieren.

Ich vermute stark, dass das, was wir derzeit unter den verschiedenen Digital- und eHumanities-Synonyma diskutieren, erst den Einstieg in viel grundlegendere Transformationen der Wissenschaft an sich darstellt. Daraus ergibt nach meinem Verständnis eine Gestaltungspflicht. Als Bibliotheks- und Informationswissenschaftler sehe ich für die Frage nach der Integration der formalisierten Datenpublikation in die Prozesse der Wissenschaftskommunikation einerseits meine eigene Disziplin als Vermittlungswissenschaft in der Verantwortung, sind doch die Prozesse der Sammlung, Erschließung und Vermittlung von Informationen traditionell ihr Kerngebiet. Zudem erscheint es mir andererseits als sehr sinnvoll, wenn die Fachcommunities einen entsprechenden Dialog aktiv suchen. Denn der interdisziplinäre Erkenntnistransfer kann erfahrungsgemäß nur gelingen, wenn er auf gegenseitigem Verstehen beruht.

Quellen

Borgman, Christine L. (2012): The conundrum of sharing research data. In: Journal of the American Society for Information Science and Technology. 63 (6), S. 1059-1078. DOI: 10.1002/asi.22634

Cronin, Blaise (2013): Thinking About Data. Editorial. In:  In: Journal of the American Society for Information Science and Technology. 64 (3), S. 435-436. DOI: 10.1002/asi.22928

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=1419

Weiterlesen

[Guest post] Wikipedia & Local History: a case study by Conny Reichling


On February 7, 2013 an UGR Symposium on eLearning took place at the University of Luxembourg at Campus Walferdange. Bob Reuter invited Agnès Prüm (about Moodle), Benoît Majerus (about Twitter) and me to talk about our eLearning experiences in the classroom.

During the summer semester 2011 Sonja Kmec and I animated a seminar using Wikipedia as a tool to work on local history. I presented our experiences at the eLearning colloquium as a case study on “Using Wikipedia as a tool in local history”.

One of the objectives of the seminar was to confront the toolbox (methods of historical analysis and ways of dissemination) of a historian with the possibilities given by the Web 2.0. Compared to the tools a historian would traditionally use, the Web 2.0 blurs the line between author and reader. Everyone can become an author on the Web 2.0 if he or she wishes. Knowledge is travelling faster and is somewhat democratized, providing there is no censorship and there is Internet access. Students were thus encouraged not simply to consume historical texts, but to participate themselves in the production of knowledge. Another purpose of using Wikipedia as a tool for feedback on existing literature and generation of new knowledge was to consolidate the presence of local history on the Internet.

We chose Wikipedia for its dynamic features (as opposed to a blog or a journal) and for its democratic quality control (see TED talk by Jimmy Wales). Students were asked to create or edit a Wikipedia encyclopedia entry about Luxembourgian local history and benefit from the comments added and alterations made to their article in order to complete or correct their final work, which consisted in a traditional scientific essay.

In the course of this experiment with new transmedial methods, Wikipedia became the link between grey literature of difficult access and the Web 2.0 providing information on as good as every subject. Although, the general malaise regarding the use of Wikipedia in an academic environment is still very present in comments made by our students in the anonymous evaluation of your course, such as “I wouldn’t want my work published somewhere else than wiki – meaning a serious webpage” or “Je trouve que le travail sur wikipédia [n’] est absolument pas nécessaire, surtout parce que les profs nous ont interdit d’utiliser ce site”.

Because historiography on Luxembourg – like most local history – is mostly done by laymen and therefore the output consists mainly of so-called grey literature, Sonja and I chose to involve local historians in this project from the start and invited them to attend the seminar by distributing flyers. We recruited 32 participants (13 auditeurs libres and 19 ‘regular’ history students). Although these numbers appeared to be nicely balanced, the students felt somehow threatened by the (mostly) elderly people attending and actively contributing to the seminar. This is very clear from the anonymous evaluation at the end of the term, as the following quotes show: “Zu viele auditeurs libres!!” and “Je pense que le mixe entre étudiants jeunes et séniors était difficile dans ce cours, en particulier à cause du travail sur les ordinateurs.” While some students were obviously more computer literate that most auditeurs libres, this was not the case for all students. While the attending local historians had no qualms about asking for IT advice during class, students did not ask questions during the seminar, but preferred to send emails as to the proper use of Wikipedia afterwards. This may be linked to peer pressure, as their need for help would discriminate them from their own age group or it may be related to their refusal to give up and wish to experiment some more after class.

The participants were to study a geographical site in Luxemburg of their choice and write a few small encyclopedic entries, a bibliography and a scientific paper as well as to discuss their research methods in an oral presentation during the seminar. In order to motivate the students a little bit more, we offered the possibility to publish the best papers – with the author’s name – on a homepage dedicated to this seminar. 5 out of 32 papers met the criteria for publishing, but only two accepted to be published online.

One side product of the seminar consists in the confrontation blurring between historical facts such as learned by the students and the memories (Erinnerung und Gedächtnis) recounted by the older people attending the class. This lead to a more critical understanding of Oral History and written sources, the authority of which were increasingly questioned. Thus we’ve added a session about Oral History and its methods and pitfalls.

Despite the fact that students evidently use Wikipedia very commonly as a source for their work at the university, they are very reluctant when it comes to actually working with Wikipedia. We also noticed that the administrators of Wikipedia are very active and very fast in moderation contributions. The students were free to work on Wikipedia in French, German, English and Luxemburgish, knowing that the Luxembourgian Wikipedians knew about this project and the moderators weren’t quite as severe as on the French Wikipedia for instance where articles not meeting the Wikipedia guidelines would be removed without any warning. On the Luxembourgish Wikipedia, the moderators monitored the entries made by the students and would intervene via comment when things had to be modified.

Most of their critics regarding the students’ Wikipedia contributions concerned the lack of respect of the encyclopedic writing style. Most of the students did indeed copy-paste their scientific papers into the Wikipedia entry without using the proper posting guidelines. This resulted sometimes in heavy editing by more seasoned Wikipedians.

None of the participants was a Wikipedia contributor before the seminar; most remain reluctant towards the active use of Wikipedia. Only a few auditeurs libres and students are still active Wikipedians one year after the seminar took place.

Another idea worth keeping in mind for the years to come is to work closer with the researchers from educational sciences (Bob Reuter) and pick up on their offer to see the seminar scientifically through combining the teaching process with the learning process more thoroughly.

Conny Reichling (on twitter @connyreichling)

 

Quelle: http://majerus.hypotheses.org/645

Weiterlesen

Rezension “Johannes Cassian – Unterredungen mit den Vätern, Bd. 1″

Rezension Gabriele Ziegler (Übers.): Johannes Cassian. Unterredungen mit den Vätern – Collationes Patrum 1: Collationes 1-10 (= Quellen der Spiritualität 5), Münsterschwarzach: Vier-Türme-Verlag, 2011. 366 S., ISBN: 978-3-89680-705-2, EUR 29,90.   Die Collationes Patrum gehören, seit Benedikt von Nursia sie seinen Mönchen zur Lektüre empfahl, zur eisernen Ration monastischen Schrifttums. Ihr Autor, der um 360 im Gebiet der Donaumündung am Schwarzen Meer geborene Johannes Cassian, verfasste sie nach 415 in seinem Alterssitz, dem von ihm gegründeten Kloster Sankt Victor in der Nähe von Marseille. [...]

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/2780

Weiterlesen

Wirtschaftspolitik im Dritten Reich, Teil 3

Von Stefan Sasse

Teil 1 und Teil 2 finden sich hier. 

Fritz Todt, 1940
Für den bevorstehenden Krieg aber stellte sich die chaotische Organisation als großes Problem dar. Nicht weniger als drei Personen hatten Kontrolle über die Wirtschaft, ohne dass ihre Kompetenzen geregelt wären. Für Hitler war dies vorteilhaft, weil er den ständigen Kompetenzkampf seiner Untergebenen brauchte, um selbst unangefochten an der Spitze zu stehen, aber für die Organisation des Krieges war es vollkommener Unfug. Georg Thomas, der Leiter des Wirtschaftsrüstungsamts, erklärte die Organisation zur „Missgeburt“. Neben ihm kontrollierten Göring als Leiter der Vierjahresplanbehörde und Fritz Todt als Generalbevollmächtiger für das Bauwesen die Wirtschaft. 

Zu diesem organisatorischen Chaos kam, dass die Wehrmacht insgesamt kaum als einsatzfähig beschrieben werden kann. Sie besaß nur einen geringen Vorrat an Munition – vielleicht zwei, maximal drei Monate – und nicht die Möglichkeiten, genügend zu produzieren. Gleiches galt für Ersatzteile und modernes Equipment; viele Flugzeuge und Fahrzeuge waren bereits veraltet (was sich natürlich gegen das noch ältere polnische Equipment nicht so dramatisch auswirkte). Am Ende des Polenfeldzugs waren rund 50% des Fahrzeugbestands und große Teile der Luftwaffe nicht mehr einsatzbereit. Die Vermutung, dass ein beherzter Angriff der Alliierten den Krieg für Deutschland hätte dramatisch enden lassen, liegt zumindest nicht vollständig fern. Es sollte bis zum Frühjahr 1940 dauern, bis die Wehrmacht wieder die Stärke erreicht (und überschritten) hatte, die sie vor dem Polenfeldzug besessen hatte. Gleichzeitig wurde die bestehende Marine von der Royal Navy gejagt und verlor fast jede Begegnung. 

Großadmiral Raeder, Initiator des Plan Z
Der erfolgreiche Polenfeldzug öffnete den Nationalsozialisten aber eine gänzlich andere Ressource: Arbeit. Anfangs noch auf Freiwilligenbasis, bald aber mit Zwang, wurden polnische Arbeiter in der Rüstungsindustrie eingesetzt und erlaubten so das massenhafte Einziehen von deutschen Arbeitern in die Wehrmacht, ohne die Produktivität (noch weiter) absinken zu lassen. Eine andere Ressource dagegen wurde bereits im Herbst 1939 empfindlich knapp: Eisenerz. Die polnischen Vorräte, die man erbeutet hatte, halfen nicht lange weiter, und aus Frankreich konnte aus naheliegenden Gründen nichts mehr importiert werden. Die wichtigste Quelle war Schweden, aus deren Bergwerken das Erz in die ganzjährig eisfreien norwegischen Häfen transportiert und von dort innerhalb der Drei-Meilen-Zone nach Deutschland verschifft wurde. Die Briten konnten das kaum zulassen, und so begann ein Wettlauf um die Kontrolle der norwegischen Handelsrouten, der im Frühjahr 1940 durch den Skandinavienfeldzug entschieden wurde, bei dem die Deutschen Norwegen besetzten und sich damit das schwedische Erz bis Kriegsende sicherten. Gleichzeitig aber kostete dieser Erfolg das Deutsche Reich einen Großteil seiner Überwasserflotte, die nie ersetzt werden konnte und beschleunigte den Ausbau der U-Bootflotte und das Ende des größenwahnsinnigen Plan Z – das erste Programm der Vorkriegszeit, das der Realität des Kriegsdrucks zum Opfer fiel. 

Unter dem Eindruck dieser katastrophalen Unzulänglichkeiten wurde im Frühjahr 1940 Fritz Todt zum Reichsminister für Bewaffnung und Munition ernannt, wodurch ihm technisch gesehen die gesamte Wirtschaft unterstand. Sicher war er vor Störfeuer Görings jedoch nie, der als Oberbefehlshaber der Luftwaffe genug Einfluss behielt, auch wenn seine Vierjahrplanbehörde rapide an Einfluss verlor. Die deutsche Industrie, allen voran die „Wehrwirtschaftsführer“ IG Farben, Krupp und Thyssen verweigerten sich jedoch einer Zentralisierung der Wirtschaft und wollten weiterhin das Rentabilitätsprinzip erhalten (was zu großen Gewinnen und dem kommunistischen Mythos vom kapitalistischen Krieg führen würde). Erst ab 1943 würde es in größerem Umfang Schließungen von nicht kriegswichtigen Betrieben geben. 

Unterzeichnung des Hitler-Stalin-Pakts 1939
Der Sieg gegen Frankreich entspannte die Lage für die Wehrmacht erneut. Die vielen Kriegsgefangenen, die französischen Ressourcen und die Zwangsarbeiter erlaubten das Freistellen weiterer deutscher Arbeiter, die auch zunehmend durch Frauen ersetzt wurden. Der nun anstehende Luftkrieg über England zeigte aber erneut die Unzulänglichkeiten der deutschen Planung: Niemand hatte vor 1940 ernsthaft die Überlegung aufgestellt, wie die britische Royal Air Force bekämpft werden könnte. Stattdessen war die deutsche Luftwaffe auf Bodenunterstützung ausgelegt worden. Das Fehlen vernünftiger Flugzeugtypen sowohl für strategische Bombardements als auch das Erringen der Luftherrschaft führten zur Niederlage Deutschlands in der „Luftschlacht um England“ und einer nachhaltigen Verkrüppelung der Luftwaffe selbst. Aufgrund der effektiven englischen Seeblockade fehlten dem Deutschen Reich zahlreiche kriegswichtige Ressourcen, vor allem Grundnahrungsmittel wie Getreide, Verhüttungsmetalle und seltene Metalle sowie Öl und Kautschuk. Der einzige größere Handelspartner, der verblieb, war die Sowjetunion. Sie stellte besonders Öl und Getreide als Teil des Hitler-Stalin-Pakts von 1939 zur Verfügung. Das Fehlen besonders der Getreideimporte nach dem Einfall in die Sowjetunion war nur durch die bewusste Hungerpolitik zu kompensieren, der Millionenen von Kriegsgefangenen und Zivilisten zum Opfer fielen, die aber immerhin die „Heimatfront“ beruhigte. 

Erneut zeigten sich im Verlauf des Jahres 1941 deutliche Schwächen der deutschen Kriegswirtschaft auf. In der gesamten Führungselite, besonders aber in der Wehrmacht, herrschte eine Verachtung für die „amerikanischen“ Methoden der Massen- und Fließbandfertigung vor, die nach Ansicht der Wehrmacht nur minderwertiges Material hervorbrachte (vergleiche Artikel „Folgenschwere Fehleinschätzung“). Stattdessen setzte man auf eine breite Palette komplexer und qualitativ hochwertiger, aber aufwändig herzustellender Systeme, was im Kriegsverlauf zunehmend Probleme bereiten würde. Da die Vierjahrpläne zudem eine feste Gewinnmarge für die Unternehmer vorsahen, gab es für die Kriegswirtschaft keinerlei Anreize zur Rationalisierung und sparsamen Ressourcenverbrauch. Teilweise wurden Ressourcen sogar heimlich von Rüstungsproduktionen weg in die wesentlich profitablere Konsumindustrie gelenkt. Todt weitete daher seine Befugnisse deutlich aus und unterwarf die Industrie ab 1941 einer wesentlich strikteren Kontrolle. 

Hochkomplexes Waffensystem: Panzerkampfwagen Tiger
Das System, das Todt sich als Konsequenz ausdachte, war das so genannte „Ausschusssystem“. Es löste die beiden Hauptprobleme auf einen Schlag, indem es der Wehrmacht die Kontrolle über den Rüstungsprozess entzog und gleichzeitig Anreize für rationales Wirtschaften schuf. Wenn Hitler oder ein anderer zuständiger Funktionär ein Projekt – etwa einen neuen Panzertyp – abgesegnet hatten, wurde dieses Projekt dem sogenannten „Hauptausschuss“ zugewiesen. Dieser legte fest, welche verschiedenen Teile benötigt wurden (etwa Munition, Chassis, Ketten, etc.) und wies diese den „Sonderausschüssen“ zu, die sich um die Beschaffung kümmerten. Auf diese Art und Weise wurde die Industrie wesentlich effizienter ausgelastet. Sie war aber immer noch nicht vor plötzlichen Prioritätenwechseln durch „Führerbefehl“ gefeit, der wie immer als chaotischer Faktor eingreifen konnte. Für ihn beeinflussende Untergebene wie Göring, Dönitz oder Rommel war dies natürlich ein geeignetes Mittel, um direkt Ressourcen für ihre Projekte zu bekommen. Gleichzeitig arbeiteten die Ausschüsse, unabhängig von Anforderungen, daran, die verschiedenen verwendeten Systeme zu vereinheitlichen. So waren bisher Munition und Ersatzteile selten kompatibel; Flugabwehrgeschütze der Wehrmacht verwendeten einen anderen Typ als die der Marine. Die Vereinheitlichungsanstrengungen schufen hier deutliche Produktivitätsgewinne. 

Nach Todts Tod übernahm Albert Speer die Rüstungsindustrie und erreichte weitere Produktivitätssteigerungen, indem er etwa „Sparingenieure“ einsetzte, die Rohstoffverschwendung eindämmten. Besonders erhellend ist folgende Episode: Speers Recherchen ergaben, dass viele Betriebe nur eine Schicht fuhren, während gleichzeitig in gigantischem Ausmaß neue Kapazitäten gebaut wurden. Speer ließ diese Neubauten sofort stoppen und stattdessen drei Schichten fahren. Für die Gewinne der Unternehmer und Hitlers Prestige war das ein schwerer Schlag, aber die Produktivität steig erneut deutlich an. 

Luftabwehr in Berlin
Letztlich glichen diese Produktivitätssteigerungen aber zu einem großen Teil nur die Verluste an industrieller Substanz durch die alliierten Luftangriffe aus. Obwohl diese deutlich weniger effizient waren, als ihre Planer es sich erhofft hatten (sie minderten die Produktivität maximal um 30%, eher deutlich weniger, und entfalteten gegen Japan eine um ein vielfaches verheerendere Wirkung) fraßen sie doch Kapazitäten, schon allein, weil Deutschland in die Luftabwehr zu investieren gezwungen war. Nichts destrotz stiegen die Produktionsraten bis 1944 kontinuierlich an, ein Phänomen, das die Alliierten nach 1945 zu emsigen Nachforschungen antrieb. Zwei Faktoren erwiesen sich als entscheidend: zum einen trafen die Luftangriffe nur Endmontagebetriebe und nicht die wirtschaftliche Basis, vor allem die Infrastruktur (deren Zerstörung 1945 brachte die Wirtschaft denn auch zum Erliegen), und zum anderen war die deutsche Wirtschaft vor 1943 schlicht katastrophal ineffizient gewesen. 

Nicht, dass sich dieses Grundproblem jemals wirklich beseitigen ließ. In einem für die deutsche Kriegswirtschaft typischen Akt stieg die Produktivität für die einzelnen Produkte – etwa Jagdflieger oder Panzer – dramatisch an, in Extremfällen um bis zu 600 Prozent. Gleichzeitig aber konzentrierte man sich so auf diese ingenieurtechnischen Höchstleistungen, dass andere Bereiche darunter litten. So stellte man, teils an entlegensten Orten, zwar hochmodernes Gerät her (etwa den Düsenstrahljäger), gleichzeitig wurden aber keinerlei Ersatzteile gefertigt oder ausgeliefert, was das Material effektiv nutzlos machte. Je weiter die Zerstörungen und ab 1944 Gebietsverluste voranschritten, desto mehr war die Industrie auf hastige Improvisationen angewiesen. Spätestens ab März 1945 war das ganze System endgültig und nachhaltig zusammengebrochen, konnten keine Lieferungen mehr getätigt oder Systeme mehr verbunden werden. Der Materialmangel war allumfassend und brachte das Wirtschaftsleben zum fast vollständigen Erliegen – ein wichtiger Faktor bei dem später entstehenden Mythos um die Stunde Null und dem Totalbeginn, den die alliierten Besatzungsmächte durchzuführen gezwungen waren. 

Albert Speer in Nürnberg, 1946
Die Wirtschaftspolitik der Nationalsozialisten war, man kann es kaum anders sagen, grotesk. Das vollständige Chaos, das sie kennzeichnete, und seine chronische Ineffizienz hätten in einem Staat, der nicht die bereits komplett industrialisierte Gesellschaft des Deutschen Reichs aufwies, katastrophale Folgen für die Bevölkerung gehabt – ein Experiment, das sich am Beispiel der Sowjetunion oder Chinas unter Mao Tsetung gut nachverfolgen lässt. So aber blockten die Wirtschaftsführer viele der für sie negativen Maßnahmen ab, bremsten sich die Bürokratien gegenseitig aus und verschoben sich beständig Kompetenzen und Prioritäten. Es liegt der Schluss verführerisch nahe, dass eine effizientere Wirtschaftsordnung dem Zweiten Weltkrieg eine gänzlich andere Richtung hätte geben können, aber dieser Schluss führt in die Irre. Der gesamte Krieg ist ein höchst irrationales Unterfangen. Hätten die Nationalsozialisten rational gehandelt, wären sie zu dem Schluss gekommen, dass die angestrebten Ziele unmöglich waren und von ihnen abgekommen, kurz: sie wären nicht die Nationalsozialisten gewesen. Der Zweite Weltkrieg, wie Deutschland ihn führte, ist kaum ohne die spezifischen Strukturen vorstellbar, die die Wirtschaft zu dem chaotischen, ineffizienten Komplex machten, der sie war. 


Bildnachweise: 
Fritz Todt - Bundesarchiv, Bild 146-1969-146-01 / Röhn / CC-BY-SA
Raeder - Imperial War Museum (gemeinfrei)
Pakt - National Archives & Records Administration (gemeinfrei)
Tiger - unbekannt (CC-BY-SA 3.0)
Flak - Bundesarchiv, Bild 101I-649-5387-09A / Vieth / CC-BY-SA
Speer - Charles Alexander (gemeinfrei)

Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2013/02/wirtschaftspolitik-im-dritten-reich_21.html

Weiterlesen

Podcasts zum Thema Bildungsarbeit mit Zeitzeugeninterviews

Im Rahmen der Sonderausgabe unseres LaG-Magazins entstanden, das die Tagung "Erfahrungen - Konzepte - Perspektiven. Zeitzeugenberichte in der Bildungsarbeit zur NS- und DDR-Geschichte" dokumentiert, wurden Interviews mit Stefanie Plappert (Wollheim Memorial) und Zeitzeugeninterviews des Wollheim Memorials und Kathrin Steinhausen (Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde) zu Zeitzeugen-Interviews geführt.

Weiterlesen

Quelle: http://lernen-aus-der-geschichte.de/Lernen-und-Lehren/content/11042

Weiterlesen