Online-Petition zum Ende der Denkmalförderung in NRW
Die Deutsche Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte hat eine Online-Petition zur angekündigten Streichung von Denkmal-Fördermitteln bis 2015 durch rot-grüne Landesregierung NRW gestartet.
Zur Online-Petition geht es hier:
Der Inhalt hier wortwörtlich wiedergegeben:
“An die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen: Nehmen Sie die angekündigte Streichung der Landeszuschüsse für die Archäologie und Denkmalpflege zurück!
Was soll passieren?
Das Land Nordhein-Westfalen will sich bis 2015 ganz aus der Finanzierung der Archäologie zurückziehen und hat bereits für 2013 drastische Mittelkürzungen vorgenommen.
Wie läuft es bisher?
In NRW wird die Archäologie / Bodendenkmalpflege von den zwei großen kommunalen Verbänden im Rheinland (LVR) und in Westfalen (LWL) getragen, und die Stadt Köln kümmert sich selbst um ihr Gebiet. Bislang wurden die Kosten für die Ausgrabungen und die nötige Nachsorge hälftig von den kommunalen Trägern (LVR, LWL und Stadt Köln) übernommen, die andere Hälfte bezahlte das Land NRW. Die Summe der Landesmittel lag bisher bei knapp 12 Millionen Euro pro Jahr.
Um was geht es?
Überraschend wurde dieser Landeszuschuss von der neuen Regierung für 2013 drastisch gekürzt, nämlich auf 10 Millionen Euro. 2014 sollen nur noch 3,3 Millionen Euro zur Verfügung stehen, und 2015 will das Land ganz aus der Mitfinanzierung der Archäologie aussteigen. Diese Kürzungen können von den kommunalen Verbänden und der Stadt Köln natürlich nicht ausgeglichen werden. Für viele Bodendenkmäler führt das zur undokumentierten Zerstörung, weil das Geld für die nötigen Rettungsgrabungen und ihre Dokumentation fehlt. In den Fachämtern werden die Gelder fehlen, die Funde fachgerecht zu konservieren und restaurieren. Bestenfalls verschwinden Funde und Grabungsakten im Magazin, weil die Mittel fehlen, die Ergebnisse für die Öffentlichkeit aufzubereiten und in den Museen den Bürgern zu zeigen. Auch viele Baudenkmäler könnten nicht mehr saniert werden, die historische Bausubstanz zahlreicher Städte wäre in Gefahr.
Die Gefährdung unseres kulturellen Erbes
Kulturgutschutz und -pflege ist eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft, sie ist als Pflicht im Gesetz verankert. Dem Staat kommt daher eine besondere Fürsorgepflicht zu. In unserem föderalen System stehen die Bundesländern in der Verantwortung. Die Verlagerung von Aufgaben von der Landesebene auf die Kommunen, ohne dort gleichzeitig für die nötige Mittelausstattung zu sorgen, ist verantwortungslos. Wie glaubwürdig aber ist ein “öffentliches Interesse”, wenn die Landesregierung dafür bald nicht mehr einen Cent ausgeben will? Das bevölkerungsreichste Bundesland Deutschlands mit hoher Wirtschaftskraft, zahlreichen Bauvorhaben und einer dynamischen Entwicklung setzt ein fatales Zeichen, wenn es sich ganz aus seiner Verantwortung für die Pflege und den Schutz seiner Bodendenkmäler davonstiehlt. Das archäologische Archiv im Boden zeugt von unserer gemeinsamen Geschichte und Kultur, es ist ein hohes Gut der Allgemeinheit. In NRW ist es über die Museen und den Tourismus und als Teil der Identität und der Lebensqualität ein wirtschaftsrelevanter Standortfaktor.
Begründung: Kürzungen hätten dramatische Folgen
Das bundesweite Votum der Wissenschaftler und Kultur-Experten ist einhellig: Alle führenden Archäologen in NRW haben auf die dramatischen Folgen der geplanten Kürzungen hingewiesen. Der Verband der Landesarchäologen der Bundesrepublik Deutschland bittet um die Rücknahme der Kürzungen. Auch Kulturstaatsminister Bernd Naumann bezeichnete die Streichungen als „kulturpolitische Bankrotterklärung“. Gudrun Kopp, MdB aus Ostwestfalen-Lippe und Parlamentarische Staatsekretärin beim Bundesentwicklungsminister sagt: “Das wäre das Ende für Denkmalpflege und ein Sündenfall an der Historie unserer Region.”
Die Petition der Deutschen Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte e. V. (DGUF)
Wir bitten die Landesregierung, ihre geplanten und für 2013 schon umgesetzten Mittelkürzungen betreffend Archäologie und Denkmalpflege zurückzunehmen. Wir appellieren an die Fraktionen und Abgeordneten des Landtags von NRW, ihre Verantwortung wahrzunehmen und den Kurs der Landesregierung zu korrigieren. Wir bitten die Landespolitiker, sich erneut mit den Experten – auch der DGUF – an einen Tisch zu setzen und, begleitet von fachlichem Rat, bessere Alternativen zu erwägen.
Wir bitten Sie, die an der Geschichte und Kultur des Landes NRW interessierten und für das Land engagierten Bürger, diese Petition durch Ihre Unterschrift zu unterstützen!
gez. Die DGUF (für den Vorstand und Beirat: Rengert Elburg, Diane Scherzler M.A., Dr. Erich Claßen, Dr. Frank Siegmund, Dr. Gerhard Ermischer)”
Bitte unterzeichnen!
Der Link noch einmal hier:
Weiterführende Links:
http://kristinoswald.hypotheses.org/562
http://storify.com/krosworldia/kultur-ist-kein-luxus-sie-ist-eine-notwendigkeit
http://archaeologik.blogspot.de/2013/03/ende-der-denkmalforderung-nrw-online.html
Porträt von Matthes & Seitz
Konferenzankündigung (Uni Bamberg): “Krise der europäischen Vergesellschaftung? Soziologische Perspektiven.” (11./12.04.2013)
Die europäische Integration führte insbesondere seit den 1990er Jahren zu einer grundlegenden Transformation der sozialen Beziehungen und der Lebenssituation der Menschen in Europa. Während sich das Leben der Menschen in der Nachkriegszeit vorrangig im Rahmen von Nationalstaaten abspielte, geht die … Weiterlesen
Filmbesprechung: Unsere Mütter, unsere Väter, Teil 2/2
Teil 1 findet sich hier.
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Greta und Viktor |
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Wilhelm Winter im Schützengraben |
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Greta und Charlotte bei einem Frontauftritt Gretas |
Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2013/03/filmbesprechung-unsere-mutter-unsere_24.html
Ausstellung: "Merkur & Co. – Kult und Religion im römischen Haus"
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Abb. 1: Lebensbild, Kulthandlung am Hausaltar |
Anhand von 150 Originalfunden aus der Schweiz wird die römische Religion im privaten Rahmen vermittelt.
Abb. 2: Gorgo |
Abb. 1 u. 2: Historisches Museum Baden
Quelle: http://provinzialroemer.blogspot.com/2013/03/ausstellung-merkur-co-kult-und-religion.html
Ein Frontispiz sagt mehr als 1000 Worte (I): Johan Nieuhof: Gezandtschap der Neêrlandtsche Oost-Indische Compagnie, aan den grooten Tartarischen Cham (1665)
Die Serie “Ein Frontispiz/Bild sagt mehr als 1000 Worte” hält Beobachtungen bei der (ersten) Sichtung von vor 1700 publizierten Texten zu China fest.
In den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts unternahm die Vereenigde Oostindische Compagnie (VOC) große Anstrengungen, das portugiesische Monopol in Macau (Aomen 澳門) zu brechen, 1603 und 1607 scheiterten Versuche, Macau einzunehmen. In den 1620ern versuchte man erneut, Macau zu erobern und sich auf den Pescadoren festzusetzen. Während diese Versuche scheiterten, gelang es 1624, auf Formosa einen Stützpunkt einzurichen (Fort Oranje (ab 1627: Fort Zeelandia; [heute Anping 安平/Distrikt Tainan 臺南]) der bis 1661 gehalten werden konnte. Um Zugang zum China-Handel zu bekommen, schickte die VOC wiederholt Gesandtschaften nach Beijing, die erste war 1655-1657 unter Pieter de Goyer (fl. 1655-1657) [1] und Jacob de Keyser (fl. 1655-1657). Hofmeister, vor allem aber als Zeichner und Schreiber dieser ersten Expedition war Johan Nieuhof (auch Joan Nieuhoff, 1618-1672 [2])
Zwei Schiffe der VOC, die Koudekerke und die Bloemendaal verließen Batavia am 19.7.1655 mit Kurs Guangzhou 廣州, die Koudekerke erreichte den Hafen von Guangzhou am 4.9.1655, die Bloemendaal am 05.10.1655. Von Guangzhou aus machte man sich im März 1656 auf die etwa 2400 km lange Reise nach Beijing 北京, wo die Gesandtschaft am 16.7.1656 eintraf und rund drei Monate blieb. Am 16.10.1656 verließ die Gesandtschaft Beijing und erreichte, kam am 28.1.1657 Guangzhou und kehrte von dort nach Batavia zurück. Das Ziel der Gesandtschaft, der freien Zugang zum chinesischen Markt, wurde nicht erreicht – die Niederländer ‘durften’ alle acht Jahre eine Handelsdelegation in Verbindung mit einer Tributgesandtschaft nach China schicken und nur in dieser Zeit in Guangzhou Handel treiben. [3]
Nieuhofs Het Gezandtschap der Neêrlandtsche Oost-Indische Compagnie, aan den grooten Tartarischen Cham, den tegenwoordigen Keizer van China, die 1665 in niederländischer Sprache erschien [4], gibt eine ausführliche Beschreibung dieser Reise – und darüber hinaus eine Beschreibung des Landes und seiner Geschichte. Der Band wurde – wie Nieuhofs andere Bücher – von seinem Bruder Hendrik auf der Basis von Joans Skizzen und Aufzeichnungen herausgegeben. Das Besondere an diesem Band sind die etwa 150 Abbildungen, die darin enthalten sind – und die einen ‘authentischen Blick’ auf China versprachen. Nicht zuletzt die Abbildungen machten den Titel schnell zu einem ‘Bestseller’, es gab nicht nur mehrere Ausgaben in niederländischer Sprache, sondern auch Übersetzungen ins Deutsche, ins Englische, ins Französische und ins Lateinische, u.a.:
- niederländische Ausgaben: Amsterdam 1665, Antwerpen 1666, Amsterdam 1670, Amsterdam 1693
- französische Ausgabe: Leyde/Amsterdam 1665
- deutsche Ausgaben: Amsterdam 1666, Amsterdam 1669
- lateinische Ausgabe: Amsterdam 1668
- englische Ausgaben: London 1669, London 1673
Joan Nieuhoff: L’ Ambassade de la Compagnie orientale des Provinces Unies vers l’ Empereur de la Chine, ou Grand Cam de Tartarie [...] (Leyde: de Meurs 1665) | Copyright: Max Planck Institute for the History of Science | CC-BY-SA
Von den beiden englischen Ausgaben und der in Antwerpen 1666 veröffentlichten Ausgabe abgesehen, erschienen alle Versionen bei Jacob van Meurs [5]. Die Frontispize dieser Ausgaben unterscheiden isch nur durch den in dem in eine Art Vorhang eingefügten Titel in unterschiedlciehn Sprachen.
Das Frontispiz kann als Programm für Nieuhofs Bericht und Beschreibungen gelesen werden für einen der ersten Texte eines ‘Augenzeugen’, der außerhalb katholischer Missionarskreise stand: Oben steht – klein und unauffällig ins Bild gefügt – der Titel, zusammen mit den drapierten Stoffbahnen bildet er gleichsam den Theatervorhang, der sich vor einem seltsamen Schauspiel hebt.
Im Zentrum der Komposition – quasi auf der Bühne – entfaltet sich die Szene, die den größten Teil der Darstellung einnimmt. Da sitzt der Kaiser auf einem mit geflügelten Drachen reich verzierten Thronsessel. Er hat eine Hand in die Hüfte gestützt, die andere ruht auf einem Globus. Der Globus zeigt Teile Zentralasiens, Indien, Südostasien, China, Japan und den Umriss Westaustraliens (soweit er von den Fahrten des Dirk Hartog (1616), des Frederick de Houtmann (1619) und des Abel Tasman (1644) bekannt war – der Norden Asiens und der Pazifik verlieren sich im Schatten.
Der Kaiser ist ein junger Mann, seine Gesichtszüge sind ebenmäßig, er trägt einen kleinen Kinnbart und einen Schnurrbart. Die Augenbrauen über schmalen, gerade stehenden Augen zeigen einen eleganten Schwung. Auf dem Kopf trägt er eine Art Kappe mit zwei Pfauenfedern, die nach rechts unten (vom Betrachter aus gesehen) hängen. Er trägt ein langes Kleid aus einem gemusterten Stoff, das mit drei Knöpfen geschlossen (Knopfleiste vom Halsansatz bis unter den Arm) wird, und eine lange Kette aus großen Perlen mit einer Quaste.
Rund um den Thron stehen Diener /einer hält einen Schirm über den Kaiser), Bewaffnete und Würdenträger – direkt rechts und links neben dem Thron zwei Beamte mit langen Perlenketten. Alle tragen Kopfbedeckugnen, bei einigen hängt im Rücken der Zopf herunter.
‘Realistischer’ Blick?
- Zur Zeit der VOC-Gesandtschaft regierte der Shunzhi 順治-Kaiser (1638-1661; r. 1644-1661), der erste Kaiser der Qing-Dynastie, der bei der Ankunft der Gesandtschaft 17 oder 18 Jahre alt war.
- Die Kaiser und hohe Beamte trugen zur Hofkleidung eine lange Perlenkette (chaozhu 朝珠), deren 108 Perlen auf buddhistische Gebetsperlen verweisen [6].
- Die Federn (lingzhi 翎枝) waren Auszeichnungen, die Beamten für besondere Verdienste verliehen werden konnten. In der Regel waren es Pfauenfedern (konque ling 孔雀翎, auch kongqiao ling). Die höchste Auszeichnung war die dreiäugige Pfauenfeder, sanyan hua ling 三眼花翎. Diese genoß höchstes Ansehen, während die zweiäugige (shuangyan hua ling 雙眼花翎) und die Pfauenfeder mit einem Auge (單眼花翎) in der späten Qing-Zeit auch käuflich waren. [7]. Auf Kaiserporträts der Qing-Zeit (sowohl auf den sog. Ahnenporträts als auch auf weniger formellen Darstellungen) werden die Kaiser stets mit Kopfbedeckung gezeigt, allerdings ohne Pfauenfedern. Die Darstellung ähnelt weniger der üblichen Form der Kaiserporträts, sondern eher dem “conterfeytsel vande oude onder-koning/portrait du vieux vice-roy” (S. 80)
Im Vordergrund – also vor der Bühne im Parterre – , finden sich vier weitere Figuren – ohne Kopfbedeckungen, eher ärmlich gekleidet. In der Mitte liegt eine Gestalt in einem einfachen langen Kleid mit einem sehr dicken Holzbrett um den Hals auf dem Boden. Die Arme der Figur, die zu Füßen des Liegenden sitzt, und die der Figur ganz links sind durch Ketten gefesselt. Alle drei haben dichtes Haar, das am Oberkopf zu einem Zopf zusammengebunden ist. Ganz anders erscheint die Figur rechts außen, die zwar ebenfalls nur in Tücher gehüllt ist, aber wirres Haar und einen wirren Bart trägt.
‘Realistischer’ Blick auf China?
- Die ab 1645 proklamierten Gesetze (tifaling 剃髮令 “Haarschneidedekrete”) befahlen den Han-Chinesen, den Großteil des Kopfes kahl zu scheren und das verbleibende Haar zum Zopf (bianzi 辮子) zu flechten. Die Durchsetzung stieß auf großen Widerstand, eine flächendeckende Umsetzung gelang erst in den 1660ern, also nach Nieuhofs Aufenthalt in China. Ausgenommen von dieser Regelung waren buddhistische Mönche, die vollständig kahl geschoren waren, und daoistische Priester, die Haar und Bart nicht schoren.
Diese Veränderung beschreibt Nieuhof im Abschnitt über das Aussehen der Chinesen (dt. Ausg. S. 289, frz. Ausg. S. 47 , nl. Ausgabe (1665) S. 57, engl. Aus. (1669) S. 209) - Die Figur mit dem Halsbrett findet sich bei Nieuhof noch einmal in der ‘Beschreibung Chinas im Kapitel über Gaukler und Bettler (frz. Ausg. S. 36, nl. Ausgabe (1665) S. 36, dt. Ausg. (1666) S. 267); in der englischen Version (1669) ist die Abbildung spiegelverkehrt (S. 171)). Allem Anschein nach findet sich nur in der deutschen Version eine kurze Beschreibung der Szene:”Unter andern Possen und Triegereyen / womit die Bettler in ·Sina· den Leuten das Geld vexieren / habe ihch auchzum offtern in unterschiedenen Städten und Dörffern / gesehen / daß sie den Hals durch einen grossen viereckten Stein / der ihren gantzen Leib wol zuschmettern konte [sic!] / gesteckt / und also auff der Erden gelegen; massen im beygefügten Kupffer recht lebendig abgebildet.” (S. 268)Bei dem ‘Stein’ handelt es sich um den sogenannten “Kang” (frz. cangue, von port. canga ‘Joch’, chin. mujia 木枷 oder jiasuo 枷鎖) wurde bis ins frühe 20. Jahrhundert zur Bestrafung eingesetzt (ähnlich dem in Europa verbreiteten Pranger). Der Apparat bestand aus zwei Teilen, die zusammen ein schweres, flaches Brett mit einem Loch in der Mitte bildeten. Die Öffnung war so bemessen, dass der Delinquent atmen und schlucken konnte, aber mit seinen Händen nicht an den Mund kam (und daher beim Essen Hilfe brauchte). Je nach Schwere des Verbrechens war das Halsholz unterschiedlich schwer, das jeweilige Strafmaß war seit dem Da Ming lü 大明律 von 1397 geregelt. Darstellungen dieser Bestrafung sind in der westlichen China-Literatur sehr häufig. [8]
Die Darstellung ist Programm: Einerseits wird in dem Band ausführlich die Gesandtschaft, die vor allem mit Beamten und Würdenträgern zusammentraf beschrieben, andererseits gibt es auch Informationen über ‘das gemeine Volk’ und dessen Sitten und Gebräuche. Anders als bei (in den nächsten Posts dieser Reihe zu diskutierenden) Texten von – in der Regel – jesuitischen Autoren fehlen hier sämtliche Bezüge auf göttliche Allmacht und/oder religiöse Symbole.
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[1] Zur Biographie: “Goyer [Pieter de]” in Van der Aa e.a., Biographisch Woordenboek der Nederlanden, Deel 7 (1862), 328. ↑
[2] Nieuhof verbrachte den größten Teil seines Lebens fern seiner niederländischen Heimat: im Dienst der Geoctroyeerde West-Indische Compagnie (WIC) 1640-1649 in Brasilien, danach im Dienst der VOC – und später als Privatmann – auf dem indischen Subkontinent, auf Ceylon, in China und auf den Molukken. ↑
[3] Dazu (mit Literaturhinweisen und kursorischen Verweisen auf Quellen im VOC-Archiv) Friederike Ulrichs: Johan Nieuhofs Blick auf China (1655-1657). Die Kupferstiche in seinem Chinabuch und ihre Wirkung auf den Verleger Jacob van Meurs. (=SInologica Coloniensia 21, Wiesbaden: Harrassowitz 2003) 10 f. ↑
[4] Links zu zahlreichen Digitalisaten → Bibliotheca Sincia 2.0. ↑
[5] Zur Biographie: “Moers [Jacob van]” in: A.J. van der Aa, Biographisch woordenboek der Nederlanden. Deel 12. Tweede stuk. J.J. van Brederode, Haarlem 1869. ↑
[6] S. Patricia Bjaaland Welch: Chinese Art. A Guide to Motifs and Visual Imagery (Tokyo/Rutland/Singapore: Tuttle 2008) S. 257. ↑
[7] H. S. Brunnert/V. V. Hagelstrom: Present day political organization of China (New York : Paragon (s. l. s. a.; Vorwort datiert “Foochow, 1911″), Nr. 950, S. 498. ↑
[8] Zwei Beispiele aus dem 19. Jahrhundert: Plate 13 in Mason/Dadley (engr.): The punishments of China (1804) und eine Photographie von John Thomson (Nr. 13, Abb. unten links) in Bd. 3 seiner Illustrations of China and Its People (1874). Der Mann mit dem Halsbrett findet sich in einer der in den 1980ern von Leonard Blussé (wieder)entdeckten Skizzen. R. L. Falkenburg bezeichnet diese Skizze als Darstellung von “bedelaars en acrobaten (afb. 13)”, also “Bettlern und Akrobaten” ohne weiter zu kommentieren. Vgl.R. L. Falkenburg: “Johan Nieuhofs beelden van China” in: L. Blussé and R. Falkenburg (ed.): Johan Nieuhofs beelden van een Chinareis, 1655-1657 (1987) 63, Abb. S. 70 unten. (Online: Leiden University Repository) ↑
Crowdsourcing in der Renaissance? Aber ja!
Was denn, Crowdsourcing ist doch so ein neumodischer Kram? Was hat denn das mit der „echten“ Kunstgeschichte zu tun (außer ARTigo natürlich)?
Crowdsourcing ist nicht zwingend an das Internet gebunden, obwohl es hier besonders effektiv funktioniert. Aber es gibt auch physisches Crowdsourcing. Und das fand beim Bau der Kuppel von Florenz statt. Die Geschichte geht so:
Im Jahr 1296 beschlossen die Florentiner, eine größere Kirche zu bauen. Es sollte etwas Repräsentatives, noch nie Dagewesenes sein. Man baute eine Weile, geriet in Geldnot, die Pest brach aus, prozessbedingt waren verschiedene Baumeister beteiligt, kurz: aufgrund einiger Unwägbarkeiten kamen die Bauarbeiten nicht recht voran.
Der folgende Überblick zeigt den Crowdsourcing-Prozess, der damals stattfand:
- Die Planung des Doms geriet sehr groß, dessen war man sich bewusst. Deshalb wurde 1367 die Bürgerschaft an der Entscheidung beteiligt, die sich für die sog. „große Lösung“ entschied. Diese von Vielen getragene Entscheidung war damals wie heute unüblich (oder kennen Sie ein Großprojekt aus der Neuzeit, bei dem die Bürger vorher gefragt werden, ob sie es wollen?)
- Jetzt wurde also an einen großen Dom gebaut: Die Öffnung über der Vierung betrug ca. 44 Meter im Durchmesser, und keiner wusste, wie sie zu verschließen war. Mit den vorhandenen Technologien ging das nicht. Also wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben, der sich an Künstler und Architekten wandte. Die Fragestellung, wie die Vierung überwölbt werden könnte, wurde über florentinische Kaufleute an den Höfen Europas verbreitet. Bei einem physischen Crowdsourcing-Prozess ist es besonders wichtig, sich an die richtige Crowd zu wenden, um möglichst gute Lösungsvorschläge zu erhalten. Beim Internet macht es die Masse, aber das gab es ja noch nicht.
- Als die Teilnehmer dann im Jahr 1420 in Florenz anreisten, trug jeder von ihnen seine Lösung vor. Dabei waren auch “wilde” Vorschläge, wie die Idee, die Kuppel mit Erde auszufüllen. Beim Sammeln von Vorschlägen ist aber zunächst jeder einzelne willkommen und danach wird aussortiert; das geschah auch in Florenz. Hier blieb der Vorschlag Brunelleschis übrig.
- Filippo Brunelleschi war eigentlich Quereinsteiger. Als gelernter Goldschmied, der sich im Selbststudium mit der Baukunst beschäftigte, kam er auf die Lösung (auch typisch für Crowdsourcing-Projekte: Lösungen finden häufig Experten, die a) mehrere Interessensgebiete haben und/oder b) auf die Lösung auch durchaus abseits ihres Haupt-Interessensgebiets kommen).
- Üblich ist in Crowdsourcing-Prozessen die Auszahlung einer Prämie für die beste Lösung. Auch dies war in Florenz der Fall. Dort wurden 200 Goldflorine dafür ausgesetzt.
Wie man sehen kann, ist Crowdsourcing nichts Neues. Diese Form der Zusammenarbeit, bei der mit den verfügbaren Mitteln nach der besten Lösung für ein Problem gesucht wird, gibt es schon lang. Wenn Ihnen weitere Beispiele aus der Kunstgeschichte dazu einfallen, können Sie mir das über die Kommentarfunktion gerne mitteilen.
Weitere Artikel: Crowdsourcing – Was ist das und was macht das?
Quellen:
Fanelli Giovanni und Michele: Die Kuppel Brunelleschis. Geschichte und Zukunft eines großen Bauwerks, Florenz 2004
Gassmann, Oliver: Crowdsourcing. Innovationsmanagement mit Schwarmintelligenz, 2. Auflage, München 2013
Vasari, Giorgio: Das Leben des Bildhauers und Baumeisters Filippo Brunelleschi, in: ders.: Leben der ausgezeichnetsten Maler, Bildhauer und Baumeister von Cimabue bis zum Jahre 1567, übers. und hrsg. von Ludwig Schorn und Ernst Förster, 6 Bde., Stuttgart / Tübingen 1832-1849 [Reprint Worms 1983], Bd. 2, 1. Teil, S. 156-226
Quelle: http://games.hypotheses.org/987
Filmbesprechung: Unsere Mütter, unsere Väter, Teil 1/2
Die fünf Freunde feiern, Frühsommer 1941 |
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Tom Schilling als Friedhelm Winter |
Viktor Goldstein und der Anführer der polnischen Partisanen |
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Friedhelms Einheit richtet "Partisanen" hin |
Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2013/03/filmbesprechung-unsere-mutter-unsere.html
“Wer klug ist, bedenkt den Streisand-Effekt”
Klaus Graf, Wissenschaftler, Archivar, Blogger und Redaktionsmitglied von de.hypotheses.org hat einen ”offenen Brief an die FAZ in Sachen Unterlassung” geschrieben. In diesem lesenswerten Text erklärt er, keine Unterlassungserklärung abzugeben, mit der er sich verpflichten sollte, die Veröffentlichung und Verbreitung der Behauptung zu unterlassen, dass Frau Schmoll “die Freundin und/oder die Lebensgefährtin von Frau Annette Schavan sei”. Zur Abmahnung durch die FAZ hatte er bereits zuvor in zwei Beiträgen Stellung genommen((1)).
In seinem offenen Brief geht Klaus Graf über die eigentliche Causa hinaus, streift das Leistungsschutzrecht, Fragen von Open Access und plädiert für einen fairen Umgang mit Bloggenden allgemein. Ein weiterer Grund, warum dieser Text, der programmatischen Charakter hat, von allen Bloggenden gelesen werden sollte. Darin heisst es:
Es ist genau dieser Einschüchterungseffekt, der mich so wütend macht. Ich wünsche mir natürlich nicht, für meine mitunter wirklich etwas harten Formulierungen in Archivalia und andernorts abgemahnt zu werden. Ich wünsche mir, dass man mit Augenmaß und Gelassenheit vorgeht, wenn ein Blogger (oder Internetautor) etwas schreibt, was einem nicht gefällt. Wer klug ist, bedenkt den Streisand-Effekt. Ich plädiere in Archivalia und als Mitarbeiter von Wissenschaftsblogs auf de.hypotheses.org und als Redaktionsmitglied dieses Blogportals dafür, dass Wissenschaftler bloggen sollen. Zugleich informiere ich – vor allem in einer Artikelreihe Blog & Recht in Archivalia – über rechtliche Rahmenbedingungen. Der Beitrag zu möglichen Persönlichkeitsrechtsverletzungen und erster Hilfe bei Abmahnungen steht noch aus. Wie kann ich glaubhaft für das Bloggen werben, wenn die FAZ wegen einer solchen Nichtigkeit abmahnt? Nicht jeder ist so robust wie ich. Soll man zu Wissenschaftsskandalen wie der Causa Schavan und dem merkwürdigen Treiben der sogenannten Qualitätsjournalisten einschließlich Ihrer Mitarbeiterin Schmoll den Mund halten, weil man Angst davor hat, abgemahnt zu werden?
Der gesamte Text des offenen Briefes von Klaus Graf findet sich hier: http://archiv.twoday.net/stories/326207397/