Der Spiegel berichtet in seiner jüngsten Print-Ausgabe über den Computereinsatz in der Schule (“Gefangen in der Kreidezeit”, Nr. 20/2012, S. 124-127) im Allgemeinen und über Lernvideos nach dem Flipped Classroom-Prinzip im Speziellen. Auch Focus Schule hat neulich wegen der segu-Lernvideos bei segu angeklingelt. Das Thema Flipped Classroom oder (etwas verkürzt) vorbereitendes Lernen mittels Online-Videos scheint also in der Öffentlichkeit angekommen.
Kurz einige Informationen zu Flipped Classroom: Wie im Spiegel dargestellt, kommt die Idee aus den USA, wo sie bereits weite Verbreitung gefunden hat; von dort ist die Bezeichnung Flipped Classroom oder Inverted Classroom entlehnt. Was “umgekehrtes Klassenzimmer” bedeutet, wird im ZUM Wiki erklärt:
Die ursprüngliche Idee ist, dass die Lehrer ihre Vorträge, die sie sonst als Frontalunterricht vor den Schülern gehalten haben, aufnehmen. [...] Die Filme oder Screencasts werden im Internet zur Verfügung gestellt und die Schüler haben als Hausaufgabe, sich diese Filme anzuschauen. In der Schule bekommen die Schüler Aufgaben gestellt, die zu den Vorlesungen passen. Es werden also Unterricht und Hausaufgaben vertauscht.
In Deutschland gibt es noch relativ wenige Angebote zum Flipped Classroom; wichtige Informationen geben der Blog Inverted Classroom in Deutschland (und die dazugehörige jährliche Tagung in Marburg; die nächste: #icm13), sowie bereits mit einem Fokus auf den Geschichtsunterricht die einschlägigen Beiträge im Blog Medien im Geschichtsunterricht; darunter eine Anleitung zum Erstellen von Geschichtslernvideos.
Beim Edu-Camp im März 2012 in Köln wurde segu auf die Möglichkeiten von Lernvideos aufmerksam, ist auf den (bereits rollenden) Zug aufgesprungen und hat inzwischen fünf Lernvideos produziert. In die segu-Lernvideos sind schriftliche Aufgaben für individuelles Lernen im Offenen Geschichtsunterricht integriert, sie lassen sich aber auch für das Lernen nach dem Flipped Classroom-Prinzip im lehrerzentrierten Unterricht einsetzen. Die Erfahrungen aus Sicht des segu-Projekts zeigen: Es ist zwar aufwändig, eigene Lernvideos zu erstellen (und es braucht vor allem ein gutes Mikrofon!), aber erstens war es ein interessanter Prozess und zweitens finden die Videos (gemessen an den Klicks) Zuspruch. Ein wichtiger Hinweis: Die segu-Lernvideos zeigen keine bewegten Bilder (etwa von einer dozierenden Lehrperson), sondern bedienen sich der Methode des Screencastings (im Grunde eine abgefilmte PowerPoint-Präsentation) und benutzen dabei Public Domain- oder Creative Commons-Bildmedien. Erfreulich aus Sicht der OER (Open Educational Resources | freie Bildungsmedien) ist, dass sowohl Youtube als auch iTunesU die Creative Commons Lizenzierung unterstützen. Die segu-Lernvideos sind jeweils unter CC abgelegt und eignen sich insbesondere auch für die Verwendung auf Tablets oder Smartphones; dabei sollten Kopfhörer verwendet werden (die Schüler_innen heute meist selbst mit in die Schule bringen).
Sicher: Das auditiv-visuelle Lernen mittels Lernvideos nach dem Flipped Classroom Prinzip bietet Schüler_innen einen motivierenden Zugang zum historischen Lernen. Aber es handelt sich um ein stark gelenktes und tendenziell auf reproduktives Lernen ausgerichtetes Lernarrangement (auch wenn die Aufgaben in den segu-Lernvideos immer Anforderungsbereich II und teilweise auch Anfordeurngsbereich III erreichen). Kurz eine Frage zu Flipped Classroom bzw. zum Einsatz von Lernvideos im Geschichtsunterricht: Welches Potenzial bieten Lernvideos für den Geschichtsunterricht? Die Frage richtet sich sowohl auf Aspekte des praktischen Einsatzes als auch grundsätzlich auf lerntheoretische Überlegungen. Für den weiteren Ausbau der segu-Lernplattform sind Ihre/Eure Kommentare interessant – um herauszuhören, ob sich die Mühe lohnt, weitere Lernvideos zu erstellen.
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