Transfer und Dissemination von Wissen im 17. Jahrhundert

Erasmus Finx, genannt Erasmus Francisci (1627–1694) war ein überaus produktiver – und zu seiner Zeit viel gelesener – Autor, der als Polyhistor betrachtet wurde [1] Der Vielschreiber wurde im 19. Jahrhundert eher kritisch gesehen, wie die Kurzcharakterisierung von Jakob Franck in der Allgemeinen Deutschen Biographie zeigt:

[Francisci] war der erste deutsche Büchermacher von Profession, aber so wie seine Schriften meist an der Tagesordnung waren, so sind sie jetzt fast alle vergessen und verschollen, weil er eben nur darauf ausging, Bücher zu machen und dabei vor allem darauf bedacht war, der neugierigen Menge zu gefallen, für sie Merkwürdigkeiten aus allen Weltgegenden zusammen zu schleppen und diese geschmacklos durch breite moralische Gespräche oder einen fortlaufenden Geschichtsfaden, so gut es eben gehen wollte, mit einander zu verbinden. [2]

Einer der umfangreichsten Texte war Franciscis Ost- und West-Indischer wie auch Sinesischer Lust- und Stats-Garten(1668), [3] In Form von Gesprächen, die sich über mehrere Tage hinziehen, werden “die Wunder der neuen Welt, die tropische Natur und alle Märchen [...] die damals über sie im Schwange gingen” [4] abgehandelt – und mit mehr als 60 Tafeln illustriert. Darin findet sich Alltägliches, Überraschendes, Skurriles und Phantastisches in einer nachgerade überwältigenden Fülle, die schon der vollständige Titel des Werks andeutet (s. Abb.):

Erasmus Francisci: Ost- und West-Indianischer wie auch Sinesischer Lust- und Stats-Garten

Erasmus Francisci: Ost- und West-Indianischer wie auch Sinesischer Lust- und Stats-Garten (1668)

Erasmi Francisici Ost- und West-Indischer wie auch Sinesischer Lust- und Stats-Garten. Mit einem Vorgespräch Von mancherley lustigen Discursen ; In Drey Haupt-Theile unterschieden.
Der Erste Theil Begreifft in sich die edelsten Blumen/ Kräuter/ Bäume/ Meel- Wasser- Wein- Artzney- und Gifft-gebende Wurtzeln/ Früchte/ Gewürtze/ und Specereyen/ in Ost-Indien/ Sina und America:
Der Ander Theil Das Temperament der Lufft und Landschafften daselbst ; die Beschaffenheit der Felder / Wälder / Wüsteneyen; die berühmten natür- und Künstliche Berge / Thäler / Hölen; imgleichen die innerlichen Schätze der Erden und Gewässer; als Mineralien / Bergwercke / Metallen / Edelgesteine / Perlen und Perl-Fischereyen; folgends unterschiedliche wundersame Brunnen / Flüsse / Bäche / lust-reiche Seen / schau-würdige Brücken; allerley Meer-Wasser / abentherliche Meer-Wunder; Luft- Spatzier- Zier- Kauff- und Kriegs-Schiffe:
Der Dritte Theil Das Stats-Wesen/ Policey-Ordnungen/ Hofstäte/ Paläse / denckwürdige Kriege / Belägerungen/ Feldschalchten / fröliche und klägliche Fälle / Geist- und weltliche Ceremonien / merckwürdige Thaten und Reden der Könige und Republicken daselbst. Wobey auch sont viel leswürdige Geschichte / sinnreiche Erfindungen / verwunderliche Thiere / Vögel und Fische / hin und wieder mit eingeführet werden.
Aus den fürnemsten / alten und neuen / Indianischen Geschicht- Land- und Reisbeschreibungen / mit Fleiß zusammengezogen / und auf annehmliche Unterredungs-Art eingerichtet.

Sieht man über die dem Leser des 21. Jahrhunderts doch sehr fremde Sprache  hinweg und ignoriert die im Gespräch immer wieder erhobenen Zeigefinger, so schnell klar, dass der Lust- und Stats-Garten eine bisher kaum beachtete Fundgrube ist, wenn es darum geht, (Wissens-)Transferprozesse näher zu beleuchten. Francisci schöpft aus einer Fülle von Material, das er, wohl um die Verlässlichkeit seiner Ausführungen zu untermauern, dem Leser vorstellt. Das Literaturverzeichnis überschreibt er mit:

“Was für ·Authores· bey diesem Werkce angezogen seyn / weiset nachgesetzter ·Catalogus· Darinn auch / denen zu Liebe / die eines oder andres irgend nachzushclagen begehrten / die ·Editio·nen (etliche wenige ausgenommen) beygefüget worden.” [5]

Der “Catalogus” enthält rund 270 Titel, die zwischen der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts und 1668, dem Jahr, in dem der Stats-Garten erschien, veröffentlicht worden waren. Bei etwa 60 Prozent der Titel wird das Erscheinungsjahr genannt, beim Rest fehlt das Datum. Das älteste der aufgelisteten Werke ist aus dem Jahr 1524 [6]); das jüngste Georg Horns Orbis Imperans … aus dem Jahr 1668 [7].

Beschränkt man sich auf die Literatur, die Francisci heranzieht, um über China und ‘Chinesisches’ im weitesten Sinne zu berichten, gewinnt man den Eindruck, er habe stets die ‘aktuellsten’ Titel benützt – von Mendoza abgesehen, finden sich vor allem Titel aus den 1650er und 1660er Jahren. Doch dieser Schluss ist vorschnell, betrachtet man den “Catalogus” genauer, wird erkennbar, dass Francisci Zugriff auf eine gut bestückte Bibliothek gehabt haben dürfte – ob die vorhandene Ausgabe die jeweils aktuellste war, spielte dabei keine Rolle …

Die derzeit in Arbeit befindliche Auswertung des “Catalogus” verspricht interessante Einblicke in Prozesse der Wissensdissemination – wird im Stats-Garten doch der Versuch unternommen, Wissen, das bis dahin (aus einer Reihe von Gründen) der res publica literaria vorbehalten war, einem interessierten allgemeineren Publikum zugänglich zu machen.

[1] Zur Biographie: Friedrich Wilhelm Bautz: Finx, Erasmus, genannt Francisci. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon. Band 2. (Hamm: Bautz 1990) Sp. 35 f.; Gerhard Dünnhaupt: “Erasmus Francisci.” In: Philobiblon 19 (1975), 272-303; zum Werk: Gerhard Dünnhaupt: “Erasmus Francisci.” In: Personalbibliographien zu den Drucken des Barock. Band 2. (Stuttgart: Hiersemann1990) 1514–1549.

[2] Franck, Jakob, „Francisci, Erasmus“, in: Allgemeine Deutsche Biographie 7 (1878), 207 [Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd118534629.html?anchor=adb.

[3] Bibliographische Daten: VD 17 23:231724G.

[4] Franck, Jakob, „Francisci, Erasmus“, in: Allgemeine Deutsche Biographie 7 (1878), 207 [Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd118534629.html?anchor=adb.

[5] Francisci, Stats-Garten (1668) Catalogus [unpaginiert]

[6] Hernán Cortés: Praeclara de nova maris Oceani Hyspania narratio, Carolo Romanorum imperatori anno D. 1520. transmissa etc. per Petrum Savorgnanum ex hyspano idiomate in latinum versa (Norimbergae: Frideribus Peypus 1524), bibliographische Daten: VD16 C 5309 / VD16 A 2839

[7] Bibliographische Daten: VD17 3:308871V.

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/234

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Heinrich Deisl: Sub- und Populärkultur in Wien 1955-1976

Spannende Neuerscheinung, die letzten Sonntag im FM4-Sumpf vorgestellt wurde:

Deisl, Heinrich: Im Puls der Nacht. Sub- und Populärkultur in Wien 1955-1976. Wien: Turia + Kant, 2013, ISBN 978-3-85132-685-7 [Verlags-Info]

Auf untergründiger Spurensuche nach dem Sound einer Stadt: 'Im Puls der Nacht' ist sowohl Buch wie ein längerfristig angelegtes Projekt, das mittels Poptheorie, Cultural Studies und Oral History zum ersten Mal eine Popkulturgeschichte Wiens seit 1955 bloßlegt. Der erste Band reicht von der »guten alten« Kaiserzeit bis zum Vorabend des Wiener »Summer of Love«, traversiert den Art Club, den Herrn Karl, die Informelle Gruppe und die Musicbox, macht Station bei Locations wie der Steffl Diele und dem Strohkoffer, die Musik dazu kommt von Max Brand, Anton Karas und Novak’s Kapelle.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/235476713/

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Dan Diner stellt die „Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur“ am DHI Warschau vor

Prof. Dr. Dan Diner bei der Vorstellung der Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur. Prof. Dr. Dan Diner (Leipzig) war am 15. Oktober 2012 im DHI Warschau zu Gast und stellte in einer Abendveranstaltung die ersten zwei erschienenen Bände der insgesamt siebenbändigen Ausgabe der „Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur“ vor. Dieses Editionsvorhaben ist Teil des seit 2007 an der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig durchgeführten Forschungsprojekts „Europäische Traditionen–Enzyklopädie jüdischer Kulturen“. Der Herausgeber stellte die Grundlinien und Arbeitsprinzipien der Enzyklopädie vor, an der über 500 renommierte internationale Fachwissenschaftler und Fachwissenschaftlerinnen mitarbeiten. Herr Diner führte aus, dass der in dem Lexikon präsentierte enzyklopädische Kanon Ausdruck einer komplexen Konfiguration dreier ineinander verschränkter Perspektiven sei: Zum einen gehe es um die Innensicht der jüdischen Selbstverständigung; ferner um die Außensicht, die mithilfe von wissenschaftlichen Disziplinen auf das jüdische Thema gelenkt werde und letztlich um die Perspektive der universellen Bedeutung jüdischer Existenzerfahrung, die genau genommen über Juden und Judentum hinausweise. Ferner unterstrich er, dass es sich bei dieser Enzyklopädie um ein originäres Werk handele und in ihr keine früheren Enzyklopädien fortgeschrieben würden, obgleich sie zweifelsohne von der Tradition der jüdischen Enzyklopädiekultur beeinflusst sei. Das vorgestellte Werk beschränke sich auf ca. 800 Artikel, wobei es  Schlüsselartikel, Dach- und Einzelartikel gebe. Die Liste der Lemmata sowie die inhaltlichen Zielvorgaben für die Artikel wurden innerhalb des o.g. Akademieprojekts unter der Leitung des Herausgebers erarbeitet. Nach der äußerst anregenden Projektvorstellung erläuterte Prof. Diner detailliert die Zusammenarbeit zwischen Herausgeber und Autoren und beantwortete zahlreiche interessierte Fragen.    

Quelle: http://mws.hypotheses.org/1810

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Wegen Überfüllung geschlossen?

Achtung, es folgt ein mehr oder weniger überflüssiger Bericht zur aktuellen Befindlichkeit – nicht seriös!
Zugegeben, die Überschrift trügt: der Lesesaal meiner Lieblingsbibliothek (HLB in Wiesbaden) ist noch nicht wegen Überfüllung geschlossen, aber gut Platz findet man inzwischen kaum noch. Woher kommen eigentlich diese ganzen Leute? Und was arbeiten die alle hier? Ich dachte, als hipper Student geht man dafür ins Starbucks (oder bin ich da falsch informiert?). Da trauere ich doch schon manchmal den Zeiten der wenigen Besucher hinterher, Altersdurchschnitt 70 (aber erst, wenn drei Mittzwanziger da waren) und regelmäßige Hustenanfälle. Gut, recht überlegt, ist es mir vielleicht doch so, mit all den Studenten und ohne die Viren, etwas lieber – wenn nur mehr Platz wäre.

Quelle: http://csarti.net/2013/01/wegen-uberfullung-geschlossen/

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Das Community-Management stellt sich vor (2)

Inger Brandt

Hier nun der zweite und letzte Teil zum Who-is-Who im Community-Management von de.hypotheses.org!

Seit 2011 bin ich am Deutschen Historischen Institut Paris, von Beginn an bin ich bei de.hypotheses dabei, und mittlerweile dürfte der Eine oder Andere mir digital oder analog über den Weg gelaufen sein.

Neben grafischen Arbeiten wie der Gestaltung von Headern für einzelne Blogs – als Beispiele wären hier Germano-Fil, Digital Humanities am DHI Paris oder La Grande Guerre zu nennen – habe ich die Tagung Weblogs in den Geisteswissenschaften oder: Vom Entstehen einer neuen Forschungskultur mitorganisiert, im Rahmen derer am 9. März letzten Jahres in der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München der offizielle Startschuss für das deutschsprachige Blogportal de.hypotheses fiel. Die Veranstaltung stieß auf großes Interesse, nicht nur in der Blogger-Szene, auch die Presse in Form von SZ und FAZ berichtete, und wir waren einen Tag lang trending topic bei Twitter.

Seit dieser Zeit bin ich Teil des Community-Management-Teams, zu dem dann im November mein Kollege Sebastian Gießmann stieß. Ich übernehme im Besonderen die technischen Fragen rund um das Bloggen mit WordPress. In diesem Zusammenhang beantworte ich Fragen einzelner Bloggender, pflege das Portal und führe auch selbst Schulungen zu WordPress durch. Anfang Oktober 2012 hatte ich zum Beispiel die Gelegenheit, den Teilnehmern der Dresdner Summer School eine Einführung in die Grundlagen des Bloggens zu geben. Die Teilnehmer bloggten dann auch gleich selbst drauf los, insgesamt entstanden auf diese Weise über 30 Beiträge. Offenbar konnte ich nicht nur einige von den Vorteilen des wissenschaftlichen Bloggens überzeugen, sondern auch den einen oder anderen mit meiner Begeisterung anstecken, was mich besonders gefreut hat!

Über diese Aufgaben hinaus schreibe ich in loser Folge auch eigene Beiträge hier im Redaktionsblog, entweder zu besonderen Terminen wie dem eben genannten, oder im Rahmen der Serie Guck mal, wer da bloggt! und fertige Übersetzungen an, hier zum Beispiel in Zusammenarbeit mit Mareike König.

Facebook, Google+ und Co. – auch hier mische ich mit, mal für de.hypotheses.org, mal für die das DHI Paris. Und das nächste Twitter-Ereignis steht schon vor der Tür: Der Science Tweetup zum 50. Jahrestag des Elyséevertrages am 22. Januar 2013 im Heinrich Heine Haus in Paris.

Und warum mache ich das Alles, diese Arbeit für ein Portal wissenschaftlicher Blogs der Geistes- und Sozialwissenschaften, wo ich doch eigentlich Volkswirtin bin? Zum einen kann ich die 10 Gründe „Warum Bloggen?“ die Mareike König hier (Folie 14) zusammengestellt hat, nur unterstreichen. Zum anderen ist es die pure Begeisterung an den neuen Medien und an Kommunikation, ob digital oder analog: meine Arbeit macht mir einfach Spaß!

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Foto: Hauke Fischer

Quelle: http://redaktionsblog.hypotheses.org/902

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Scheidungsgrund: Ehebruch

Das ABGB von 1811 erkennt den Ehebruch als einen gesetzmäßigen Grund für eine Scheidung von Tisch und Bett an. Der oder die Beklagte musste jedoch von einem Gericht des Ehebruchs schuldig erklärt worden sein. Dass in solchen Gerichtsprozessen die Ausgangssitutation der Klägerin bzw. des Klägers keine einfache war, beschreibt Chrysostomus Fauller in seiner 1827 veröffentlichten vierbändigen Sammlung von Gesetzen, Verordnungen und Vorschriften  für die Polizeiverwaltung im Kaisertum Österreich:

Der Ehebruch kann, den Fall als eine verheirathete Person mit der Unzucht Gewerbe treibt, ausgenommen, nie von Amtswegen, sondern allein auf Verlangen des beleidigten Theiles in Untersuchung gezogen, und bestrafet werden. Selbst dieser ist zu einer solchen Forderung ferner nicht berechtiget, wenn er die ihm bekannt gewordene Beleidigung ausdrücklich verziehen, oder stillschweigend dadurch nachgesehen, daß er von der Zeit an, da ihm solche bekannt geworden, durch sechs Wochen darüber nicht Klage geführet hat. Auch die bereits erkannte Strafe erlischt, sobald der beleidigte Theil sich erkläret, mit dem Schuldigen wieder leben zu wollen. Doch hebt eine solche Erklärung die schon erkannte Strafe in Ansehung der Mitschuldigen nicht auf. (§. 248. 2. Thl. St. Ges. B.)

Fauller, Chrysostomus: Gesetze, Verordnungen und Vorschriften für die Polizei=Verwaltung im Kaiserthume Oesterreich. Erschienen in den Jahren 1740 bis Ende 1825, und in alphabetisch=chronologischer Ordnung zusammengestellt, mit vorzüglicher Rücksicht auf Nieder=Oesterreich, Bd. 1, Wien 1827,S. 316.

Quelle: http://ehenvorgericht.wordpress.com/2013/01/18/scheidungsgrund-ehebruch/

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Symposion: A Tribute to Otto Neurath

Otto Neurath, Nationalökonom und Austromarxist wurde u.a. für seine Piktogramme berühmt; kommende Woche findet in Wien (Künstlerhaus, 24.-26.1.2013) ein Symposion zu seinen Ehren statt, bei dem neben vielen anderen auch Günther Sandner referieren wird, dessen Neurath-Biographie demnächst bei Zsolnay erscheinen soll.

Download des Programms (PDF): http://www.zeitlose-zeichen.at/download/ZZ_symposion.pdf

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/233330880/

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Aktuelle Ausschreibungen

Mit der Bitte um Bekanntmachung und Weiterleitung! International applications welcome!

Am Institut für Sprach- und Literaturwissenschaft der Technischen Universität Darmstadt sind zum nächstmöglichen Zeitpunkt zwei
Professuren (W3 und W2) für Digital Philologies
zu besetzen.

In den vergangenen zehn Jahren hat das Institut die Digital Humanities mit Schwerpunkten in der anglistischen Corpus- und Computerlinguistik sowie der germanistischen Computerphilologie aufgebaut und seine Position durch intensive, international vernetzte Forschungen sowie einen bilingualen Master of Arts-Studiengang Linguistic and Literary Computing etabliert. Die Digital Humanities in der spezifischen Ausprägung der Digital Philologies sollen nunmehr durch einen Verbund von insgesamt drei Professuren am Institut weiter profiliert werden. Die bereits vorhandene germanistische Computerphilologie (Rapp) soll mit den Professuren (1) W3 Linguistik mit Schwerpunkt Corpus- und Computerlinguistik sowie (2) W2 Literatur- und Kulturwissenschaft mit Schwerpunkt Digitale Literaturwissenschaft/Digital Cultural Studies zu einem dezidierten philologiebasierten Cluster Digital Humanities komplettiert werden.
Von den zukünftigen Stelleninhaberinnen/den zukünftigen Stelleninhabern wird erwartet, dass sie ausgewiesen sind in den Digital Humanities und das entsprechende Fachgebiet in ganzer Breite in Forschung und Lehre vertreten und sowohl für die bestehenden Studiengänge des Instituts (Master of Arts Linguistic and Literary Computing, Master of Arts Germanistik, Joint Bachelor of Arts-Teilfach Germanistik, Master of Education Deutsch, Lehramt an Gymnasien Deutsch) als auch für die Einrichtung eines neuen Bachelor of Arts Digital Philologies aktiv Verantwortung übernehmen.
Mindestens zwei der nachfolgend genannten Forschungsschwerpunkte werden jeweils vorausgesetzt:

(1) W3 Linguistik mit Schwerpunkt Corpus- und Computerlinguistik (Kenn-Nr. 514)
• Empirische Methoden in der Linguistik
• Verschränkung quantitativer und qualitativer Methoden in Corpus- und Computerlinguistik
• Digitale Lexikographie
• Text- und Diskurslinguistik
• Wissenskommunikation
• Register- und Varietätenlinguistik

(2) W2 Literatur- und Kulturwissenschaft mit Schwerpunkt Digitale Literaturwissenschaft/Digital Cultural Studies (Kenn-Nr. 515)
• Literatur und digitale Textanalysen und deren Vermittlung
• Visualisierung
• Literaturwissenschaft als Kulturwissenschaft
• Buchgeschichte, Materialforschung
• Textualitätsforschung
• Digitale Editionsphilologie
• Digitalisierungsprozesse, Aspekte des digitalen Umgangs mit dem kulturellen Erbe
• Traditionen und Ordnungen des Wissens, seiner Vernetzung und seine Visualisierung

Vorausgesetzt werden ferner eine fachlich einschlägige Habilitation oder gleichwertige wissenschaftliche Leistungen in einer philologischen Disziplin mit entsprechendem Nachweis der universitären Lehrbefähigung. Außerdem werden die Bereitschaft zur interdisziplinären Kooperation sowie Erfahrung in der Drittmitteleinwerbung erwartet.
Die Einstellung erfolgt im außertariflichen Angestelltenverhältnis mit einer qualifikationsabhängigen Vergütung in Anlehnung an die W-Besoldung. Diese wird zwischen Bewerber/in und Hochschulleitung verhandelt. Professorinnen und Professoren, die bereits in einem Beamtenverhältnis stehen, können in einem solchen weiterbeschäftigt werden. Es gelten ferner die Einstellungsvoraussetzungen der §§ 61 und 62 Hessisches Hochschulgesetz.
Die Technische Universität Darmstadt strebt eine Erhöhung des Anteils der Frauen am Personal an und fordert deshalb besonders Frauen auf, sich zu bewerben. Bewerberinnen oder Bewerber mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 oder diesen Gleichgestellte werden bei gleicher Eignung bevorzugt.
Bewerbungen sind mit den üblichen Unterlagen unter Angabe der jeweiligen Kenn-Nummer an die Dekanin des Fachbereichs Gesellschafts- und Geschichtswissenschaften, Frau Prof. Dr. phil. M. Knodt, Marktplatz 15, Residenzschloss, 64283 Darmstadt, zu senden.
Kenn.-Nr. 514
Bewerbungsfrist: 24.02.2013

The Department of Linguistics and Literary Studies of Technische Universität Darmstadt seeks to fill the following vacancies
2 Professorships (W3 and W2) in Digital Philologies

In the past ten years, the Department has established the Digital Humanities with foci in English Corpus and Computational Linguistics as well as German Computer Philology. Throughout this period, the Department has consolidated its position in the digital humanities through internationally networked research activities and the installation of a bilingual Master of Arts program Linguistic and Literary Computing. The specific profile of Digital Humanities as Digital Philologies is going receive further impetus by the installation of a cluster of three professorships representing this discipline. Together with the already existing professorship for German Computational Philology (Andrea Rapp), the two new professorships will form a philology-based cluster of Digital Humanities at TU Darmstadt: (1) W3 Linguistics with a focus on corpus and computational linguistics and (2) W2 Literary Studies and Cultural Studies with a focus on Digital Literary Studies / Digital Cultural Studies.
The prospective postholders are expected to have a succinct research profile in the Digital Humanities and to fully represent the field in research as well as teaching in the courses of studies offered by the department (Master of Arts Linguistic and Literary Computing, Master of Arts Germanistik, Joint Bachelor of Arts Germanistik, Master of Education German, Lehramt an Gymnasien Deutsch). They should furthermore take responsibility for the introduction of a Bachelor of Arts program Digital Philologies.
Expertise in at least two of the following research foci must be demonstrated respectively:

(1) W3 Linguistics with a focus in corpus and computational linguistics (Code-No. 514)
• Empirical methods in linguistics
• Quantitative and qualitative methods in corpus and computational linguistics
• Digital lexicography
• Text and discourse linguistics
• Scientific communication
• Linguistic register and variety studies

(2) W2 Literary Studies and Cultural Studies with a focus on Digital Literary Studies/Digital Cultural Studies (Code-No. 515)
• Literary studies and digital text analysis plus its teaching
• Visualisation
• Literary studies as cultural studies
• Book history, materiality research
• Textuality
• Digital scholarly editing
• Processes of digitalisation, digital treatments of cultural heritage data
• Traditions and orders of knowledge networks and knowledge visualisation

Applicants are expected to hold a Habilitation or a track record of equivalent scientific work relevant to one of the research profiles described above. A proven record of excellent teaching at university level is likewise expected. Furthermore, openness for interdisciplinary collaboration and experience in acquiring research funding are expected.
The position is tenured with a remuneration package commensurate with experience and qualifications, following the German “W-Besoldung”. The regulations for employment are specified under §§ 61 and 62 HHG (Hessisches Hochschulgesetz).
The Technische Universität Darmstadt intends to increase the number of female faculty members and encourages female candidates to apply. In case of equal qualifications applicants with a degree of disability of at least 50 or equal will be given preference.
Applications using code number 514/515 (including a CV, list of publications, copies of relevant diplomas, a record of teaching activities and academic accomplishments) are to be sent to the Dean of the Department of Linguistics and Literary Studies, Frau Prof. Dr. phil. M. Knodt, Marktplatz 15, Residenzschloss, 64283 Darmstadt.
Code. No. 514
Application deadline: 24-Feb-2013

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=1228

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Kampf den Mythen oder: Das böse Erwachen. Über historische Mythen und historisches Vergessen in Dänemark

Dass Geschichte als Vehikel der Politik genutzt wird, ist schon seit langem eine Binsenweisheit, das Nationalismus aus der Kombination von konstruierter Geschichte, erlebter Gegenwart und Zukunftserwartung besteht, ebenfalls. Dass beide Elemente aber auch im Jahre 2012 noch immer aktiv das Bewusstsein der dänischen Bevölkerung beeinflussen, kommt den Dänen erst in diesen Tagen zum ersten Mal schmerzlich zu Bewusstsein. Anlass des bösen Erwachens ist die Suche der dänischen Presse nach Schlagzeilen in der Saure-Gurken-Zeit. So warb z.B. der dänische Rundfunk Danmarks Radio in der Vorweihnachtszeit in deren Enthüllungsserie Detektor mit dem Aufmacher Folkeskolens historiebøger lyver, die Volksschulbücher in Geschichte lügen. Ausgangspunkt war die Feststellung, dass alle Schulbücher in Dänemark an der völlig falschen Behauptung festhielten, die Erde sei im Mittelalter als flache Scheibe gedacht worden und es sei erst Columbus gewesen, der mit diesem Mythos aufgeräumt habe. Diese Meinung gilt in der Wissenschaft (auch in Dänemark) spätestens seit 1945 als vollständig widerlegt, hält sich aber in der öffentlichen Meinung hartnäckig. [caption id="" align="alignleft" width="500"] Statue des dänischen Nationalhelden Absalon in Kopenhagen
Flickr, CC-BY-NC-ND NFR[/caption] Man könnte dieses sicherlich als Petitesse abtun, wäre da nicht die Tatsache, dass das Schulbuchwissen in Dänemark seit 2006 durch eine von Politikern besetzte Schulbuchkommission, der so genannten Kanonkommission, definitiv bestimmt wird und einer strengen politischen Aufsicht unterliegt. Und hier brachte eine Nachfrage bei den Mitgliedern der Kommission Erstaunliches zu Tage. Niemand, nicht einmal die ehemalige Vorsitzende des dänischen Geschichtslehrerverbandes, hatte (angeblich) jemals davon gehört, dass man sich auch im Mittelalter die Erde als Kugel vorgestellt habe: Lene Rasmussen gab unumwunden zu, dass ihr die Idee der Kugelgestalt der Erde im Mittelalter neu sei. Aber wenn dem so wäre, so könnte man den Kanon an der Stelle ändern und zusehen, wozu man dieses gebrauchen könne. Gerade der letzte Nachsatz, wozu man das gebrauchen könne, macht den kritischen Punkt deutlich. Vermittelt wird nicht das neueste, wissenschaftlich fundierte Geschichtswissen. Geschichte ist vielmehr ein Vehikel, das die dänische Gegenwart vor der Folie der finsteren Vergangenheit zu erklären hilft.
Es gibt nur wenige Momente, wo die Suche nach Schlagzeilen den gesellschaftlichen Konsens, dass man eigentlich schon alles wisse, durchbricht. Das geschah Mitte August 2012, als bei Ausgrabungsarbeiten im Zuge des U-Bahnbaus in Kopenhagen frühmittelalterliche Siedlungsreste gefunden wurden. Das ist für sich genommen nicht erstaunlich und kam für die Stadthistoriker auch nicht überraschend, wie eine Nachfrage an der Universität Kopenhagen ergab. Allerdings war dieser harmlose Nebensatz der Aufmacher aller dänischen Tageszeitungen am 17. August 2012, gilt es doch als ausgemachtes “Grundwissen”, dass der bedeutende Roskilder Bischof Absalon (der Held in Saxos Gesta Danorum aus dem Anfang des 13. Jahrhunderts) die Stadt Kopenhagen “gegründet” und erbaut habe, ein Grundwissen, das spätestens durch die Weihnachtsserie Absalons Hemmelighed (Absalons Geheimnis) des dänischen Rundfunks, die erstmals 2006 ausgestrahlt wurde, wirklich jedem dänischen Kind ein Begriff ist. Auch das ist eigentlich nicht besonders bedenklich. Allerdings hängt der gesamte dänische Nationalmythos an der Person Absalons, als dem weisen Herrscher und Ratgeber des Königs, der Dänemark vor den besonders verhassten Deutschen als wahren Nachfolgern des römischen Imperiums herausgehoben hat. Kratzt man für Kopenhagen an der Gründergestalt Absalon, so kratzt man gleichzeitig an dem dänischen Nationalheld par excellence, mit unabsehbaren Folgen. Das Gleiche gilt für die seit 2010 verstärkt in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückte Aufarbeitung des preußisch-dänischen Krieges von 1864 und die Schlachten von Düppel und Alsen. Die Bestseller des dänischen Autors Tom Buk-Swienty, die in den letzten Jahren erschienen sind, bieten wissenschaftlich nichts Neues, haben die breite Öffentlichkeit aber in helle Aufregung und Erstaunen versetzt. Diese drei Beispiele machen deutlich, dass sich die dänische Geschichtswissenschaft in ihrem Verhältnis zur Nation und dem öffentlichen Nationalismus in einer schwierigen Position befindet. Auf der einen Seite wurde und wird sie noch immer politisch vereinnahmt, wird nur das in den Schulen gelehrt, was “nutzbringend” erscheint. Auf der anderen Seite befindet sich die Forschung in Dänemark selbstverständlich vielfach auf hohem, internationalen Niveau und kommt in ihren eigenen Recherchen heutzutage weit über die nationale Sichtweise hinaus – nur, dass das nicht nach außen dringt. Die Kluft zwischen der Forschung und dem “Wissen” der Öffentlichkeit ist heute breiter denn je. Ein Gastbeitrag von Carsten Jahnke. Der Mittelalter- und Hansehistoriker Carsten Jahnke ist seit 2008 Universitätslektor am SAXO-Institut an der Universität Kopenhagen. Er promovierte mit einer Arbeit über Heringsfang und -handel im Ostseeraum des Mittelalters und forschte im Rahmen seines Habilitationsprojekts über Netzwerke in Handel und Kommunikation an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert am Beispiel zweier Re­valer Kaufleute. Nach langen Jahren in Kiel ist er seit 2004 an der Universität Kopenhagen tätig. Momentan widmet er sich u.a. der Schifffahrts- und Wirtschaftsgeschichte des Ostseeraums, dänisch-brandenburgischen dynastischen Verbindungen im Mittelalter, aber auch nationalen Mythen und ihrer Aufarbeitung.    

Quelle: http://nordichistoryblog.hypotheses.org/1265

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