
Quelle: http://fyg.hypotheses.org/29
Geschichtswissenschaftliche Blogs auf einen Blick
Quelle: http://fyg.hypotheses.org/29
Taggen bedeutet, dass Anwender eine Datei mit Schlagworten versehen. Diese Schlagworte können als Suchbegriffe bei der Suche nach der Datei wiederverwendet werden.
Ein großer Unterschied bei der Organisation von persönlichen Dateien zwischen einer hierarchischen Kategorisierung und Tagging liegt in der Exklusivität bei der Kategorisierung und der Multiplizität beim Taggen (Civan et al., 2009). Jedes einzelne Tag bedeutet nämlich einen eigenen Zugang zur Datei, wodurch Anwender von der Multiplizität profitieren können, da ihnen mehrere Suchwege zur Verfügung stehen und dadurch die Wahrscheinlichkeit höher ist, die Datei wiederzufinden.
Das Hauptproblem beim Taggen ist die Inkonsistenz. Je umfangreicher eine Menge an Dateien in einem Tagging-System ist und je mehr Tags vergeben werden, desto inkonsistenter ist die Tagauswahl bei den Nutzern. Inkonsistenzen entstehen z.B. durch Schreibfehler, verschiedene Groß-/Kleinschreibung oder unterschiedlich verwendeter Numerus.
Wash und Rader (2008) ermittelten, dass Nutzer besonders zwei Heuristiken für die Auswahl von Tags anwendeten:
Bei der Wiederverwendung ist interessant, dass die zuletzt getroffenen Auswahl von Tags eines Nutzers einen großen Einfluss auf zukünftige Tagauswahlen hat, während die Tatsache, dass ein Tag auf einer Website vorher verwendet wurde wenig Einfluss hat. Zwar wurde dies bei der Auswahl von Tags in Bezug auf Bookmarks auf delicious.com festgestellt, ich kann mir aber vorstellen, dass sich dieser Effekt auch beim Taggen von Bildern messen lässt.
Weiterhin stellten Golder und Habermann (2006) fest, dass Benutzer Ausdrücke verwendeten, die mit ihnen selbst in Verbindung stehen (subjektive Tags, Selbstreferenz, Aufgabenorganisation) sowie kategoriale Ausdrücken. Das legt nahe, dass Tagger Informationseinheiten ausführlicher verarbeiten, während sie mehrere Verbindungen zwischen den Informationen und ihnen selbst herstellten. Auch erinnerten sich Nutzer an mehr Einzelheiten unter Tagging-Bedingungen als unter Nicht-Tagging Bedingungen (Budiu, Pirolli und Hong, 2009).
Bei der Suche nach Dateien stellt die Exklusivität eines Kategorisierungs-Schemas sicher, dass sich eine Information an einem bestimmten Platz befindet. Das unterstützt eine systematische und erschöpfende Suche (Civan et al., 2009) und bedeutet folgendes: In einem hierarchischen System bedeutet Finden auch wirklich Finden und damit ist der Prozess der Suche beendet. In einem Nicht-hierarchischen System schließt sich dem Finden ein Verifikationsprozess an, der zusätzlichen kognitiven Aufwand bedeutet, weil der Nutzer sich bei der Suche in einem Nicht-hierarchischen System über die Identität der gefundenen Datei nicht sicher sein kann.
Civan et al. (2008) zogen den Schluss, dass beide Modelle – sowohl das der hierarchischen Organisation als auch das der nichthierarchischen durch Tags – jeweils ihre eigenen Vor- und Nachteile haben. Einem einzigen Modell können sie nicht den Vorzug geben, meinen aber, dass eine Kombination hilfreich sein könnte, weil ein Taggingsystem in Verbindung mit einer hierarchischen Organisationsstruktur Teil-Ganzes-Beziehungen oder Beziehungen vom Typ Spezialisierung – Generalisierung auszudrücken vermag. Abschließend bemerken sie: “The ultimate model of information organization may be neither “place this” nor “label this”, but instead, “this is how I see things””.
Ob sich wohl der letzte Teil der Aussage “…how I see things.” aus den Tags von Bilddatenbanken sichtbar machen lässt?
Literatur:
Qin Gao: An Empirical Study of Tagging for Personal Information Organization: Performance, Workload, Memory, and Consistency. In: International Journal of Human-Computer Interaction, 27/7-9, 2011, S. 821-863
Aus der o.g. Studie habe ich insbesondere verwendet:
Andrea Civan, William Jones, Predrag Klasnja, Harry Bruce: Better to Organize Personal Information by Folders Or by Tags?: The Devil is in the Details. In: Proceedings of the American Society for Information Science and Technology, 45(1), 2008, S. 1-13
http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/meet.2008.1450450214/abstract
Emilee Rader and Rick Wash: Influences on Tag Choices in del.icio.us. In: Proceedings of the 2008 ACM Conference on Computer Supported Cooperative Work, S. 239-248
http://dl.acm.org/citation.cfm?id=1460601
http://www.rickwash.com/papers/conference/influences-delicious-cscw.html
Quelle: http://games.hypotheses.org/765
Die professionelle Geschichtswissenschaft ist immer beides zugleich: Ganove und Gendarm. Sie ist, blickt man in der Geschichte zurück, oft daran beteiligt, die Vergangenheit im Dienste der jeweiligen Gegenwart (oder des jeweiligen politischen Systems) umzudeuten. Und ebenso oft ist sie eifrig damit beschäftigt, die Indienstnahme der Vergangenheit durch die Gegenwart herauszuarbeiten und zu kritisieren. Beides gleichzeitig ist möglich, weil auch die Wahrung professioneller Standards nicht verhindern kann, der Geschichte einen gewünschten Sinn zu unterlegen: Politisierte Geschichtsschreibung (mit einer starken Interpretation) ist eben nicht notwendigerweise schlechte (oder unwissenschaftliche) Geschichtsschreibung. Ganz im Gegenteil, würde ich sagen: Wer sich einzig darauf konzentriert, alle wissenschaftlichen Standards zu beachten und möglichst viele Fußnoten zu machen, erzeugt mit ziemlicher Sicherheit eines – nämlich langweilige Geschichtsschreibung. Und damit überlässt man das Feld der Deutungen denjenigen, die weniger Skrupel und mehr manipulative Ziele haben. Außerdem verschließt man durch Verlangweiligung den unendlich bereichernden Erfahrungsschatz, den die Vergangenheit bietet, für alle, die keine professionellen Historiker sind. Und das ist in gewissem Sinne auch politisch. Geschichtsschreibung ist also immer politisch – und das ist gut so.
Aber nicht nur die professionelle Geschichtsschreibung ist immer politisch. Das ist auch jede gedeutete Vergangenheit (und anders als eine gedeutete ist Vergangenheit nicht verfügbar). Wenn beispielsweise das Dritte Reich damit erklärt wird, dass die Nationalsozialisten vor und nach 1933 propagandistisch und medial so erfolgreich waren, dann geschieht dreierlei: Erstens werden die damaligen Wähler und Unterstützer der NSDAP entmenschlicht, indem sie zu manipulierten, irrationalen Wesen degradiert werden. Zweitens wird der Einfluss unterschlagen, den damals diejenigen Kreise hatten, die die Nationalsozialisten weder gewählt noch gemocht haben, sie aber Januar 1933 ans Ruder brachten. Drittens wird implizit so eine Linie von damals Richtung heute gezogen, die uns Heutigen über die Menschen von damals erhebt: Wir sehen im Vergleich zu unseren Vorgängern so viel reifer, so viel klüger aus! Das ist vielleicht die schlimmste Folge einer Geschichtsschreibung, die die Erfahrungen und Deutungsweisen früherer Menschen nicht ernst genug nimmt: dass sie uns gefährlich selbstgerecht macht…
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Prof. Dr. Ute Daniel ist Professorin für die Geschichte des 19./20. Jahrhunderts und der Frühen Neuzeit an der Technischen Universität Braunschweig. Ihre Forschungsinteressen liegen auf der europäischen Kultur- und Sozialgeschichte des 18. bis 20. Jahrhunderts und auf Theoriefragen der Kulturgeschichtsschreibung, zu denen sie 2001 das „Kompendium Kulturgeschichte“ vorgelegt hat. Sie ist seit 2006 Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen.
Quelle: http://gid.hypotheses.org/121
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Quelle: http://dhd-blog.org/?p=1112