Nationalenzyklopädie versus Wikipedia – Norwegens Store Norske Leksikon: SNL.no


The Library: Encyclopedias, 1964
Flickr Commons, LSE Library (public domain)

Spätestens seit Anfang des neuen Jahrtausends kämpfen viele Verlage mit einbrechenden Verkaufszahlen ihrer Enzyklopädien und Lexika, wie zuletzt der Verlag Encyclopaedia Britannica, der 2010 aufgrund niedriger Nachfrage die letzte 32-bändige Ausgabe seines prestigeträchtigen Nachschlagewerks herausgegeben hat.

Druckausgabe des Store Norske Leksikon

Druckausgabe des Store Norske Leksikon

Auch in Norwegen kämpfte der durch die beiden größten Verlage des Landes, Aschehoug und Gyldendal, gegründete Kunnskapsforlaget mit sinkenden Umsätzen. 1978–1981 gab er die erste Ausgabe des Store Norske Leksikon [Großes Norwegisches Lexikon] heraus, das die beiden vorherigen großen Standardenzyklopädien Aschehougs konversasjonsleksikon und Gyldendals Store Konversasjonsleksikon vereinte. Die vierte Ausgabe von Store Norske Leksikon, die von 2005–2007 herausgegeben wurde, war bereits die letzte Printausgabe des Lexikons und wurde von einer kostenpflichtigen Online-Ausgabe  abgelöst. Doch auch die Online-Ausgabe erbrachte nicht die erhofften Gewinne, da sie in direkter Konkurrenz zum Enzyklopädiegiganten Wikipedia stand. 2010 kündigte Kunnskapsforlaget an, dass der Betrieb der Online-Version des Lexikons eingestellt werde, worauf eine Debatte über die Zukunft der ›norwegischen Nationalenzyklopädie‹ folgte. Ausgelöst wurde diese vor allem durch die Aussage der norwegischen Kulturministerin Anniken Huitfeldt, die sagte, sie halte es nicht für die Aufgabe des Staates, die Verantwortung für die Netzausgabe des Store Norske Leksikon zu übernehmen. In einem Interview mit dem norwegischen Fachblatt der Buchbranche Bok & Samfunn äußerte sie ferner: »Es braucht starke Argumente, damit der Staat sich an der Finanzierung eines nationalen Lexikons beteiligt. Eine solche Anfrage ist durch den Kunnskapsforlaget gekommen, und wir werden sie selbstverständlich genau abwägen, aber ich habe meine Zweifel daran, wie richtig das ist. Es wird um viel Geld gehen, und Netzlexika wie Wikipedia sind eine interessante Alternative. Ich bemerke, dass viele negativ gegenüber Wikipedia eingestellt sind, aber ich teile diese Auffassung nicht.«

Onlineversion des Store Norske Leksikon

Onlineversion des Store Norske Leksikon

Die humanistische Bildungsorganisation Fritt Ord [Freies Wort] und die Sparebankstiftelse DnB Nor übernahmen daraufhin das Lexikon und geben es seitdem in Zusammenarbeit mit den Universitäten, der norwegischen fachliterarischen Autorenvereinigung und der norwegischen Wissenschaftsakademie unter dem Projektnamen Norsk nettleksikon [Norwegisches Netzlexikon] heraus. SNL.no beinhaltet sowohl das Store Norske Leksikon als auch das Store Medisinske [Große Medizinische] und das Norsk Biografisk Leksikon [Norwegische Biografische Lexikon], alles drei fachliterarische Standardwerke. Die Zielsetzung des Projekts formuliert seine Redakteurin Ida Jackson wie folgt: »Das norwegische Netzlexikon arbeitet für Wissen für alle, ein freies Internet, digitale Bildung und Forschungsvermittlung auf gut Norwegisch.« Im Redaktionsblog des Lexikons, Lille Norske [Kleines Norwegisches], schreibt sie ferner: »Ein Lexikon ist kein Buch. Ein Lexikon ist keine Internetseite. Ein Lexikon ist Inhalt. Das Wichtige ist nicht schönes Papier oder ein Goldrücken. Das Wichtige sind nicht Teilen-Knöpfe zu Facebook und Twitter. Das Wichtige sind die Artikel, die Links zwischen den Kapiteln und die Metadaten zu den Artikeln. Es sind die Texte.«

An der hier nur kurz skizzierten Debatte um Store Norske Leksikon zeigen sich grundlegende Legitimationsprobleme der traditionsreichen Lexika und Enzyklopädien im Zeitalter von Wikipedia und Google. Gerade für eine solch kleine Nation wie Norwegen scheint der sich anbahnende Verlust der Nationalenzyklopädie so schmerzhaft zu sein, dass sogar nicht-staatliche Organisationen enorme Summen in die Hand nehmen – laut Aftenposten investierten Fritt Ord und Sparebankstiftelsen DnB Nor je 15 Millionen Kronen ins Lexikon –, um nicht vollkommen von einer ›Weltenzyklopädie‹ wie Wikipedia überschattet zu werden.

Funktionen von snl.no

Funktionen von snl.no

Neben der symbolischen Bedeutung des Lexikons ist es jedoch vor allem die Frage nach inhaltlicher Qualität, die die norwegische Debatte anfeuerte und die ähnliche Debatten außerhalb Norwegens bereits leitete und leiten wird; wie auch in Deutschland, wo die Brockhaus-Enzyklopädie vor ähnlichen Schwierigkeiten steht. Store Norske Leksikon und damit auch SNL.no ist im Gegensatz zu Wikipedia eine Primärquelle, aus der mit Angabe eines Autors zitiert werden kann und die durchweg ›echte‹ Literaturangaben enthält. Wikipedia hingegen wird kontinuierlich – und kostenlos – aktualisiert. Hierin liegt der wohl größte Vorsprung von Wikipedia vor SNL.no, den die norwegische Redaktion jedoch in zweierlei Hinsicht einholen will. Zum Einen sollen viele neue Akademiker für die Online-Publikationen des Store Norske Leksikon gewonnen werden: »Akademiker, Forscher und Fachautoren sollen lernen, dass das Netz ein Teil der Öffentlichkeit ist, kein Schimmelpilz hinter dem Sofa«, wirbt Ida Jackson. Zum Anderen bietet SNL.no die Möglichkeit, nach einer Registrierung Änderungsvorschläge und Aktualisierungen abzugeben – ähnlich wie bei Wikipedia –, die jedoch von einem der 300 Fachexperten und nicht nur per ›Schwarmintelligenz‹ redigiert werden. Genau in diesem Punkt liegt die eigentliche Innovation des internetbasierten Lexikons SNL.no. Es stellt nicht nur eine fundierte und qualitätsgesicherte Quelle für u.a. Schüler, Studenten und Wissenschaftler dar, es versucht zudem das Renommee eines traditionsreichen Nachschlagewerkes auf eine moderne Publikationsform zu übertragen und rüttelt an alten, behäbigen Verhaltensweisen einer Wissenschaftswelt ›von gestern‹. Die Hauptredakteurin von Store Norske Leksikon kündigt deshalb in einem Interview mit Aftenposten an: »Du wirst sehen können, ob ein emeritierter Professor wirklich an der Diskussion teilnimmt. Früher konnte man sich hinter einer lebenslaufbasierten Autorität verstecken. Aber das, was im Netz Legitimität verleiht, ist Handlung. Fachverantwortliche, die nicht antworten oder mehr als drei Tage brauchen, um zu antworten oder Anwesenheit zu zeigen, wollen wir immer los werden. Diejenigen, die sich so aufführen, wollen wir einfach nicht haben.«

Letztendlich ist der Fortbestand des kostenlosen SNL.no jedoch weiterhin von der Finanzierung abhängig und es bleibt zu hoffen, dass die derzeitige Kulturministerin Hadia Tajik sich mehr für das norwegische Online-Nachschlagewerk einsetzt als es ihre Vorgängerin getan hat und die Verantwortung für die Unterstützung eines so löblichen Bildungsprojekts auch beim Staat sieht.

Quelle: http://nordichistoryblog.hypotheses.org/1115

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DRadio Kultur: Feuerfest und Donauwalzer – Eine Lange Nacht in Alt-Wien, 1.12.2012

Kommenden Samstag im Deutschlandradio Kultur (1.12.2012, 00:05-3:00; Wiederholung: Deutschlandfunk, 1.12.2012, 23:05-2:00): Ein dreistündiges von Andreas Kloner gestaltetes Hörspiel.

Ankündigung:

Feuerfest und Donauwalzer
Eine Lange Nacht in Alt-Wien
Von Andreas Kloner

Der Begriff "Alt-Wien" ist Schimäre. Ein "guter Schmäh", würde man in Wien sagen. Mit dem Abbruch der Wiener Stadtmauern ab 1858, an deren Stelle in den Folgejahren die Wiener Ringstraße entstand, blickten die Bewohner recht bald auf ein Wien zurück, das es in dieser romantischen Gestalt und Unbeschwertheit nie gegeben hat.

Im Mittelpunkt dieser Verklärung stand die unmittelbare Vergangenheit, die sogenannte Biedermeierzeit in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Hier war es möglich, dass Ewigkeitskünstler wie Ludwig van Beethoven sowie die Altersgenossen Franz Schubert, Josef Lanner und Johann Strauß Vater sich über den Weg laufen und mit ihrer Musik zur Romantisierung dieser Zeit das Ihrige dazu beitragen konnten.

In Wirklichkeit diente diese zum Teil vordergründig fröhliche Musik lediglich als Sedativum, um einer tristen und lebensbedrohenden Realität innerhalb und außerhalb der Stadtmauern Wiens entkommen zu können: Das Wien der Biedermeierzeit war beherrscht vom Spitzelwesen unter der Ägide eines Fürsten Metternich, von tödlichen Krankheiten wie der Cholera, der Lungenschwindsucht und der Syphilis, vom unsäglichen Gestank der offenen Fleischerläden und jener Exkremente, den Tausende von Pferden tagtäglich in den engen Gassen und Straßen innerhalb der Stadt zurückließen. Soweit es die Zensur zuließ, waren es Theaterleute wie Johann Nestroy oder Ferdinand Raimund, die in ihren Dramen der Stadt und deren Einwohnern einen ironischen Spiegel der herrschenden Zustände vorgehalten haben.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/219027802/

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Tagung "Literatur zwischen Staatenbeschreibung und Statistik", Konstanz…

Spannendes Programm (PDF): Kommende Woche findet an der Uni Konstanz die Tagung Literatur zwischen Staatenbeschreibung und Statistik. Narrative des (Nicht-)Wissens in Mitteleuropa (1750–1850) statt. Die Vorträge:

Gunhild Berg, Marcus Twellmann
Begrüßung und Einleitung

Martin Gierl
Johann Christoph Gatterers Ideal einer allgemeinen Weltstatistik (1773)

Justus Nipperdey
Ehre durch Zahlen. Publizistische Rangstreitigkeiten im späten 18. Jahrhundert

Lioba Keller-Drescher
Volks-Kunde und Landesbeschreibung – das statistisch-topographische Bureau als Transaktionsraum ethnographischen Wissens

Justin Stagl
Die Entstehung der Ethnologie aus der Protostatistik

Christine Lebeau
Standardisierung oder Spezialstatistik? Ignaz de Luca im Kontext (um 1790)

Fanny Billod
Die Tafeln zur Statistik der österreichischen Monarchie (1829) und die Institutionalisierung der tabellarischen Statistik in der Habsburgermonarchie zu Beginn des 19. Jahrhunderts

Péter Őri
Power and demography. The ideology and practice of population censuses in Hungary, 1770–1850

Borbála Zsuzsanna Török
Die Fabrikation statistischen Wissens. Martin Schwartner und sein Umfeld

Mirna Zeman
Zahl und Stereotyp – Numerisch-deskriptive Vermessungen Kroatiens um 1800

Michael Neumann
‚… ein Volk in seinem innern Leben kennen lernen‘. Erhebung und Aufzeichnung mündlichen Wissens in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts

Annette Werberger
‚Statistik-Shmistik‘ – Yitskhok Leybush Perets‘ statistische Reise in die Region Tomaszów (1890)

Martin Knoll
Topografien von Fortschritt und Rückständigkeit. Joseph von Hazzis Statistische Aufschlüsse über das Herzogthum Baiern

Patrick Eiden-Offe
Oppositionelle Statistik in Zeitschriften des Vormärz

Mark Potocnik
Balzacs administrative Statistik

Johannes Scheu
Wider den Homme moyen. Zur Soziologie des Einzelfalls. 1830–1880

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/219027796/

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TextGrid sucht Software-Architekten für das Repository

Im Arbeitspaket “Betrieb und Softwarepflege Repository”, betreut von der SUB Göttingen, sucht TextGrid für den Bereich Technisches Qualitätsmanagement

eine/n wissenschaftlich-technische/n Software-Architekt/in in Teilzeit (75%, TV-L 13) .

Aufgaben sind u.a.

  • die innovative Weiterentwicklung der TextGrid-Middleware in Zusammenarbeit mit der GWDG, Weiterentwicklung der TextGrid Indizierungs-Infrastruktur für die Recherche in Bezug auf Ausfallsicherheit, Skalierbarkeit und Performanz
  • die wissenschaftliche Konzeption, technologische Begleitung und Dokumentation verschiedener TextGrid Publikations-Prozesse und -Workflows
  • und die Konzeption und Umsetzung von Monitoring-Konzepten für die TextGrid-Infrastruktur in Bezug auf Ausfallsicherheit, Skalierbarkeit und Performanz.

Vorausgesetzt werden u.a.

  • Hochschulstudium der Informatik oder vergleichbare Qualifikation
  • Erfahrungen im Aufbau von (verteilten) Repositorien, z.B. mit Fedora, iRODS etc.
  • Erfahrungen mit Lucéne und SOLR
  • Programmierkenntnisse und grundlegendes Verständnis von Service-Architekturen wie z.B. SOAP und REST
  • Gute Kenntnisse in XML und verwandten Themen, wie TEI, XSLT, XPATH
  • Gute Kenntnisse in RDF
  • Sehr gute Kenntnisse in Linux

Bewerbungsschluss ist der 10.12.2012.

Stellenausschreibung und weitere Infos hier.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=1117

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