The Force of Fiction

...to understand the past differently: These are some of the forces of fiction. It also reminds us that reality never speaks for itself; the narrative choices and the language used are not neutral.

The post The Force of Fiction appeared first on Public History Weekly.

Quelle: https://public-history-weekly.degruyter.com/6-2018-5/the-force-of-fiction/

Weiterlesen

“Per Brettspiel in die Vergangenheit”. Historische Realität in Spielwelten

 

Computerspiele als Vermittlungsinstanzen von Geschichte und Medien der Geschichtskultur sind Untersuchungsfelder, mit denen sich die Geschichtsdidaktik schon seit Längerem befasst. Die Geschichtswissenschaft hat dieses Forschungsfeld ebenfalls seit ein paar Jahren für sich entdeckt.1 Die Frage nach der Modellierung von Geschichte im Brettspiel, dem kleinen analogen Bruder der Computerspiele, wurde dagegen bislang kaum gestellt. Gibt es auch beim guten alten Brettspiel Spezifika in der Darstellung historischer Phänomene?

 

“German Games” in der Geschichte

Deutschland hat die weltweit größte Brettspielgemeinde, jährlich erscheinen etwa 400 bis 500 neue Spiele auf dem Markt. In der Spielebranche sind deutsche Brettspiele in den letzten Jahren zu Exportschlagern geworden. Ein knappes Fünftel der Spiele, die seit 1979 mit dem Kritikerpreis “Spiel des Jahres” ausgezeichnet wurden, weist ein historisches Setting auf. Beim “Deutschen Spielpreis”, einem seit 1990 verliehenen Publikumspreis, liegt die Quote in der Kategorie “bestes Familien- und Erwachsenenspiel” mit 19 von 23 prämierten Spielen noch deutlich höher. Die meisten dieser Spiele gehören in die Kategorie Strategiespiel, bei denen durch elegante Spielmechanismen versucht wird, das Glückselement einzuschränken. Da die AutorInnen überwiegend aus Deutschland stammen, werden diese Spiele häufig als “German Games” bezeichnet. Auch aus diesem Grund hat sich auf dem Brettspielemarkt eine ethische Übereinkunft etabliert, im Unterschied zu Computerspielen auf kriegerische Aspekte und Thementableaus zu verzichten.2 Stattdessen rangieren historisch anmutende Spielszenarien aus dem Mittelalter auf dem ersten Platz, gefolgt von Antike und Früher Neuzeit.

Vergangenheit als übersichtlicher “Spiel-Raum”

Anders als Computerspiele stellen Brettspiele ihre “Gemachtheit” offen aus. Das Spielfeld ist dabei der zentrale Verständnishintergrund, der für die Spieler in der Vogelperspektive den Handlungsraum konstituiert, lokalisiert und gleichzeitig die Bewegungsmöglichkeiten einschränkt. In konsequenter Reduktion repräsentiert dabei das Spielfeld das “Ganze” der möglichen Spielzüge. Die Überschaubarkeit gewährleistet nicht der Computer, sondern muss von allen SpielerInnen bewältigt werden können. Damit wird durch die Spiellogik des Brettspiels Geschichte als Abfolge einer gewissen Regelhaftigkeit präfiguriert. Gleichzeitig konstituiert das Spielfeld in seiner Begrenzung einen Spielraum, der Möglichkeiten und Alternativen der Akteure bereithält und in kontrafaktischen Szenarien Geschichte ergebnisoffen hält. Die Beschränkung der Anzahl der Spieler auf in der Regel zwei bis vier Personen limitiert den Kreis historischer Akteure.

Geschichte als Transmissionsriemen

Historische Settings sorgen im Brettspiel nicht nur für die Identifikation des Spielers mit der spezifischen Spielwelt. Sie fungieren als Transmissionsriemen für die Akzeptanz von als stimmig empfundenen Regelwerken. Geschichte als Folge von Entscheidungssituationen und die Unterbrechung von Geschichtsabläufen von regelkonformen Katastrophen, Zufällen und Überraschungen verleihen dem Spiel Plausibilität. Spiellust und Spielfluss präfigurieren dabei eine hohe Ereignisdichte und das lange Offenhalten möglichst ähnlicher Aktionsradien und Handlungsspielräume für alle SpielerInnen. Die überwiegende Situierung der Spielszenarien in traditionelle Gesellschaften mit Aufgabenstellungen wie etwa Handel mit Ressourcen und Aufbau von Infrastrukturen, korreliert dabei in besonderer Weise mit der regelhaften Zuweisung verschiedener Handlungsmöglichkeiten und Aktionsradien. Die Abbildung von historischer Realität spielt also im Brettspiel eine noch viel untergeordnetere Rolle als in Computerspielen. Für beide ist aber die Frage nach deren Wirkung auf Geschichtsvorstellungen ein Forschungsdesiderat.

“Geschichte” und Spiel: Ein Aushandlungsprozess?

Für Brettspiele sei daher eine erste These gewagt: Die SpielerInnen schätzen insbesondere den reduzierten Glücksfaktor der Autorenspiele, bei denen das gemeinsame Studieren und Anwenden des oft komplexen Regelwerks selbst Teil des Spiels ist. Damit wird im Brettspiel eine Vorstellung von Geschichte als eine Abfolge personeller Entscheidungen und Aushandlungen gefördert, die in überschaubarer Spielzeit und Personenanzahl regelbasiert zum Erfolg führen und einen eindeutigen Sieger hervorbringen. Zugleich wird mit dem Spielende auch ein Ende der Geschichte definiert, das dem “Sieger” überdies die Anerkennung der Mitspieler sichert – ein schönes Gefühl bis zur nächsten Partie.

 

 

Literatur

  • Bernhardt, Markus: Das Spiel im Geschichtsunterricht. 2. Auflage, Schwalbach/Ts. 2010.
  • Deterding, Sebastian: Wohnzimmerkriege. Vom Brettspiel zum Computerspiel. In: Nohr, Rolf F. / Wiemer, Serjoscha (Hrsg.): Strategie Spielen. Medialität, Geschichte und Politik des Strategiespiels. Münster u.a. 2008, S. 87-113.
  • Scheuerl, Hans: Das Spiel. Untersuchungen über sein Wesen, seine pädagogischen Möglichkeiten und Grenzen. 12. Auflage, Weinheim / Berlin 1994.

Externe Links

 



Abbildungsnachweis
 © Johannes Dennhöfer (Studentischer Mitarbeiter am Lehrstuhl für Didaktik der Geschichte an der Universität Erlangen-Nürnberg).

Empfohlene Zitierweise
Bühl-Gramer, Charlotte: “Per Brettspiel in die Vergangenheit”. Historische Realität in Spielwelten. In: Public History Weekly 2 (2014) 25, DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2014-2253.

Copyright (c) 2014 by De Gruyter Oldenbourg and the author, all rights reserved. This work may be copied and redistributed for non-commercial, educational purposes, if permission is granted by the author and usage right holders. For permission please contact: julia.schreiner (at) degruyter.com.

The post “Per Brettspiel in die Vergangenheit”. Historische Realität in Spielwelten appeared first on Public History Weekly.

Quelle: http://public-history-weekly.oldenbourg-verlag.de/2-2014-25/per-brettspiele-die-vergangenheit-historische-realitaet-spielwelten/

Weiterlesen

Bespaßung vs. Behandlung: Kino und Geschichtsunterricht

 

Fiktionale Spielfilme mit historischen Inhalten gehören zu den prominentesten Feldern öffentlicher Geschichtskultur. Doch ihr Erfolg auch beim jugendlichen Publikum geht zurück. Kein Grund, das Kino nicht zum Lernort für Geschichte und Medienrezeption zu machen.

 

Filme prägen Geschichtsbilder

“So viel Geschichte wie heute war nie …” konstatierte Klaus Bergmann schon im Jahr 1993,1 zahlreiche andere AutorInnen schlossen sich seither dieser Meinung an. Zuletzt pointierte Josef Memminger die Situation mit Blick auf regionale Geschichtskultur sogar nochmals: “Überall Geschichte!”2 Gilt es, über den allgemein formulierten Anspruch hinaus die Ubiquität von Geschichte zu belegen, führen HistorikerInnen gerne Beispiele wie PC-Spiele, Mittelaltermärkte oder touristische Angebote an. Am weitaus häufigsten genannt werden jedoch Film und Fernsehen. Gerade in fiktionalen Formaten habe Geschichte Konjunktur. In seiner auflagenstarken Einführung “Geschichte unterrichten” urteilt beispielsweise Michael Sauer: “Die meisten Menschen bekommen das, was sie über Geschichte wissen, durch Filme bzw. über das Fernsehen vermittelt.”3

Kino – die Zahlen sprechen für sich

Doch ein genauerer Blick auf die Erfolgsstatistiken des Kinomarktes lässt erhebliche Zweifel an dieser für ihn so wirk-optimistischen Sichtweise zu. Nimmt man die deutschen Kinos als Basis, so zeigt sich, dass Filme mit historischen Inhalten keineswegs so populär sind, wie dies immer wieder in epochenwissenschaftlichen oder geschichtsdidaktischen Werken postuliert wird. An den Kinokassen feiern vor allem Komödien, Actionfilme und Romantisches große Erfolge. Im Jahr 2013 fand sich unter den zwanzig erfolgreichsten Produktionen kein wirklicher “Geschichtsfilm”.4 Quentin Tarantinos Django Unchained, drittmeist besuchter Film des Jahres, ist wohl als provokante Sonderform anzusehen, der aber dem Genre noch am nächsten steht. Ähnlich gestaltete sich das Bild in den Jahren davor. Bestenfalls spielte Geschichte in erfolgreichen Filmen eine Nebenrolle, etwa in den Ice Age-Filmen. Wenn Geschichte hingegen – um in der Filmsprache zu sprechen – die Hauptrolle spielt, erreicht die Produktion nur selten die Top Ten eines Jahres. Zuletzt gelang dies in Deutschland im Jahr 2011 dem mit mehreren Oscars ausgezeichneten Film The King´s Speech (2,4 Millionen Besucher). Auch der aktuelle Erfolg der Literaturverfilmung Der Medicus – etwa 3 Millionen verkaufte Tickets – widerspricht dem grundsätzlichen Befund nicht. “So viel Geschichte wie heute war nie” trifft für die aktuelle Situation in den Kinos, immerhin den Orten, für die Spielfilme klassischerweise gemacht werden, nicht mehr zu. Erfolgsjahrgänge wie am Beginn der 2000er Jahre mit Gladiator (2000, Besucher: 3.428.564), Pearl Harbour (2001, 4.626.573), Good Bye, Lenin (2003, 6.439.777), Das Wunder von Bern (2003, 3.683.310) und anderen liegen vergleichsweise lange zurück. Und schon damals waren Kinder und Jugendliche nicht die Hauptbesuchergruppe jener Filme.5

Und im Fernsehen?

Der Wandel in der Mediennutzung trägt zu dieser Entwicklung sicher seinen Teil bei. Zur Produktion aufwändiger Spielfilme gibt es inzwischen zahlreiche Alternativen. Aber auch bei den erfolgreichen US-Fernsehserien finden sich kaum Reihen, die sich mit “Geschichte” beschäftigen. Zu nennen sind bestenfalls Produktionen wie Spartacus (Starz) oder Rome (HBO). Ihnen dient unser Themenfeld aber vorrangig dazu, DarstellerInnen in weitgehend unbekleidetem Zustand zu zeigen und brutalste Gewalt zu inszenieren. Sex and Crime dominieren. Die von den Feuilletons gelobten Serien wie bspw. House of Cards hingegen thematisieren aktuelle gesellschaftliche Fragen. Geschichte ist also, zumindest in fiktionalen Produktionen für Film und Fernsehen keineswegs so omnipräsent. Heißt das nun, dass eine Beschäftigung mit dem Themenbereich nicht mehr lohnt? Das glaube ich nicht. Vielmehr sollten gerade Lehrkräfte das Potential des Kinos, das noch immer seine Attraktivität für Kinder und Jugendliche nicht verloren hat, in den Blick nehmen.

Gemeinsames Sehen im Dunkeln

Auch wenn Spielfilme mit historischen Inhalten allgemein derzeit weniger erfolgreich sind, ist das Angebot groß. Vor allem kleinere europäische Produktionen erscheinen regelmäßig. Dies aufzunehmen und mit SchülerInnen – auch außerhalb der regulären Unterrichtszeit – einmal einen Film gemeinsam im Kino zu besuchen, bietet Möglichkeiten zur vertieften Diskussion. Dieses Potential sollte gerade der Geschichtsunterricht nutzen, wenn er Lernenden bewusst machen will, dass Geschichte tatsächlich über die aktuelle Geschichtskultur in das Leben der SchülerInnen einzuwirken vermag. Nach der Vorstellung kann, eventuell sogar noch im Kinosaal, über den Film diskutiert werden: War das überhaupt ein “Geschichtsfilm”? So kann das Kino als gemeinsamer Ort des Sehens im Dunkeln als Ort kultureller Praxis in den Unterricht eingebunden werden. Sicher eine Bereicherung für oft ausschließlich kognitiv und intellektuell ausgerichteten Geschichtsunterricht.

Wider die Bespaßung

Neben dieser Sonderform des Besuchs im “Lichtspielhaus” können Filme allerdings auch im alltäglichen Unterrichtsgeschehen genutzt werden. Auf den ersten Blick erfolgt dies inzwischen häufig, jedoch häufig nur in unzureichender Form. Zu oft werden Filme noch immer nur vor dem Beginn längerer Ferien genutzt, um die Zeit bis zum Schulende zu überbrücken. Eine kritische und analysierende Beschäftigung mit dem Gezeigten findet nicht mehr statt. Gleiches gilt, wenn während des Schuljahrs ein Spielfilm bestenfalls als angeblicher Beleg für das historische Geschehen genutzt wird. So kann ein kurzer Ausschnitt aus Sophie Scholl gerade nicht den Widerstand gegen den Nationalsozialismus “abdecken”. Erst wenn Spielfilme ernst genommen und als zentrale Manifestationen der Geschichtskultur behandelt werden, trägt der Unterricht tatsächlich zum kritischen Medienkonsum heutiger Jugendlicher bei – auch wenn Geschichte im kommerziellen Massenkino derzeit keine exponierte Rolle spielt.

 

 

Literatur

  • Kühberger, Christoph (Hrsg.): Geschichte denken. Zum Umgang mit Geschichte und Vergangenheit von Schüler/innen der Sekundarstufe I am Beispiel “Spielfilm”. Empirische Befunde – Diagnostische Tools – Methodische Hinweise, Innsbruck 2013.
  • Meier, Mischa / Simona Slanicka: Antike und Mittelalter im Film. Konstruktion – Dokumentation – Projektion, Köln 2007.
  • Wehen, Britta Almut: “Heute gucken wir einen Film”. Eine Studie zum Einsatz von historischen Spielfilmen im Geschichtsunterricht, Oldenburg 2012.

Externe Links

 



Abbildungsnachweis
Filmnächte am Elbufer, Freilichtkino und Konzerte © Netguru (Wikimedia Commons)
Empfohlene Zitierweise
Kuchler, Christian: Bespaßung vs. Behandlung: Kino und Geschichtsunterricht. In: Public History Weekly 2 (2014) 15, DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2014-1682.

Copyright (c) 2014 by De Gruyter Oldenbourg and the author, all rights reserved. This work may be copied and redistributed for non-commercial, educational purposes, if permission is granted by the author and usage right holders. For permission please contact: julia.schreiner (at) degruyter.com.

The post Bespaßung vs. Behandlung: Kino und Geschichtsunterricht appeared first on Public History Weekly.

Quelle: http://public-history-weekly.oldenbourg-verlag.de/2-2014-15/bespassung-vs-behandlung-kino-und-geschichtsunterricht/

Weiterlesen