Die politische Dimension des vegetarischen Aktivismus in den 1870er Jahren

Ob in Bezug auf die Ernährung das Private politisch ist, hängt heute stark davon ab, ob Vegetarier/innen und Veganer/innen ihren Ernährungsstil in Bezug zur globalen Ressourcenverteilung setzen oder thematisieren, dass auch in westlichen Gesellschaften die Hanf- oder Chiasamen-Snacks längst nicht für alle leistbar sind. Vegetarismus und soziale Fragen waren auch in den 1870er Jahren miteinander verbunden. Unabhängig von der Positionierung dazu, hatte das Engagement in Vereinen und der Öffentlichkeit jedoch eine politische Dimension. Sich aktiv für die Verbreitung des Vegetarismus einzusetzen, bedeutete für die Vegetarier/innen im 19. Jahrhundert nicht nur, mit den herrschenden Ernährungsgewohnheiten zu brechen, sondern auch, frisch erkämpfte bürgerliche Rechte auszuüben. Die Gründung der ersten Vegetarier/innen-Vereine fällt in die Zeit der zunehmenden politischen Partizipation breiterer Bevölkerungsgruppen und ist im Kontext der Etablierung der Presse- und Versammlungsfreiheit sowie dem Vereins- und Petitionsrecht zu betrachten.

Das Vereinsrecht
In der absolutistischen Habsburgermonarchie war das Vereinsrecht Teil der Polizeigesetzgebung und wurde strikt gehandhabt[1]. Nach dem Konzessionsprinzip bedurften Vereinsgründungen der Zustimmung der Behörden, diese war zu Beginn des 19. Jahrhunderts vor allem wirtschaftlichen Vereinigungen und Wohltätigkeitsorganisationen vorbehalten, deren Tätigkeit sich mit den ökonomischen Interessen der Herrscher deckte.

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Quelle: https://veggie.hypotheses.org/114

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Vegetarische Weihnachten

Das Vegetarianer-Kochbuch von Baltzer, eine Garnitur poröser* Wäsche oder doch lieber einen Geschenkkorb aus dem Reformhaus mit Bananen und Trockenfrüchten? Die Vegetarier/innen vor hundert und mehr Jahren legten Wert darauf, Weihnachten im Einklang mit ihrer Überzeugung und ihrem Lebensstil zu feiern. Dabei spiegeln die vegetarischen Festivitäten – auch wenn weder Weihnachtsgänse noch Karpfen serviert wurden – die allgemeinen Feiertraditionen und ihren Wandel wider.

Fastenzeit und Weihnachtsessen
Der Advent war bis 1917 – zumindest offiziell – eine Fastenzeit, in der außer an Sonntagen kein Fleisch gegessen werden sollte. Das bedeutete nicht unbedingt, dass vegetarische Speisen auf den Tisch kamen, da die beliebtesten Fastengerichte Fische und andere Wassertiere sowie Schildkröten, Frösche und Schnecken in allen Variationen waren. Auch die kräftigen Biersuppen riefen bei den meist abstinenten Vegetariern des 19. Jahrhunderts wohl kaum große Begeisterung hervor.
Am 24. Dezember galten bis zum Abend die Fastenregeln, worin der in Österreich traditionelle Weihnachtskarpfen seinen Ursprung hat.

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Quelle: https://veggie.hypotheses.org/102

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Der Vegetarianer-Club 1876-1881

Nach Gustav Struves Tod im Jahr 1870 blieb es einige Jahre ruhig um die Wiener Vegetarier. Franz Kubiczek und Adolf Zedtwitz publizierten zum Thema, aber erst im November 1876 wurde „nach mehreren vergeblichen Bemühungen, einen Verein von Vegetarianern zu gründen” mit dem Vegetarianer-Club erneut eine Organisation ins Leben gerufen[1]. Im Jänner 1879 wurde der Club als Verein angemeldet[2].Der Club lud in diesen Jahren regelmäßig zu Vorträgen, am häufigsten sprach der (stellvertretende) Vorstand Franz Chimani.

Franz Chimani
Der Orthopäde Franz Chimani (ca. 1832-1891) engagierte sich stark für die Verbreitung der Schwedischen Heilgymnastik in Wien und Niederösterreich und für regelmäßiges Turnen bei Kindern. Die Schwedische Heilgymnastik wurde in den 1810er Jahren von Pehr H. Ling (1776-1839) entwickelt. In Deutschland und Österreich wurde sie in den 1850er Jahren bekannt, eine weite Verbreitung scheiterte aber daran, dass Anhänger der von Johann F.

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Quelle: https://veggie.hypotheses.org/95

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Gustav Struve und der Wiener Verein für Freunde der natürlichen Lebensweise

1869 übersiedelte Gustav Struve (1805-1870), einer der Mitbegründer der deutschen vegetarischen Bewegung, nach Wien. Hier initiierte er die Gründung des Vereins für Freunde der natürlichen Lebensweise (Vegetarianer) und brachte den Wiener/innen in Vorträgen die vegetarische Ernährung näher.  Struve war bereits zu Beginn der 1930er Jahre von Jean Jacques Rousseaus Roman Emile zum Vegetarismus inspiriert worden und hatte seine neu gewonnene Überzeugung in dem Roman Mandaras Wanderungen (1833) verarbeitet[1]. Der liberale Jurist und Publizist beteiligte sich – ebenso wie seine gleichfalls vegetarisch lebende Frau Amalie (1824-1862) – in Deutschland an der Revolution von 1848. Nach deren Scheitern ging das Ehepaar Struve zuerst in die Schweiz und 1851 in die USA ins Exil. Struve nahm am amerikanischen Bürgerkrieg auf Seiten der Nordstaaten und Sklavereigegner/innen teil.

Gustav und Amalie Struve
Gustav und Amalie Struve

Nach einer Amnestie 1862 kehrte er im Jahr darauf nach Deutschland zurück, wo er seine schriftstellerische und journalistische Arbeit wieder aufnahm. 1868 gründete Struve mit Gleichgesinnten die Vegetarische Gesellschaft Stuttgart, ein Jahr später veröffentlichte er mit Pflanzenkost, die Grundlage einer neuen Weltanschauung ein umfangsreiches Werk zum Vegetarismus, in dem er die unterschiedlichen Gründe für eine fleischlose Ernährung ebenso darlegte wie Überlegungen zur Etablierung einer rein vegetarischen Gesellschaft[2].



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Quelle: http://veggie.hypotheses.org/84

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Die ersten Wiener Vegetarier

Bevor sich Vegetarier/innen gemeinsam in Vereinen für eine fleischlose Lebensweise einsetzten, waren es Einzelpersonen, die mit Zeitschriftenartikeln und Broschüren die vegetarische Idee verbreiteten. Für Wien sind Adolf Zedtwitz und Franz Kubiczek als vegetarische Vorkämpfer zu nennen. Beide entschieden sich Ende der 1860er Jahre, kein Fleisch mehr zu essen und waren von da an publizistisch aktiv.

Adolf Zedtwitz (1823-1895)

Adolf Zedtwitz wurde 1867 Vegetarier, davor war er krankheitsbedingt mit der Naturheilkunde in Kontakt gekommen – eine sehr üblicher vegetarischer Lebenslauf im 19. Jahrhundert. Zedtwitz litt Zeit seines Lebens an den Nebenwirkungen einer Behandlung mit Quecksilber[1]. Zu den Gründen der Quecksilber-Anwendung finden sich in zeitgenössischen biografischen Artikeln keine Angaben, im 18. und 19.

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Quelle: https://veggie.hypotheses.org/44

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Das Forschungsprojekt

Am 13. Februar 1870 meldete die Neue Freie Presse: „Unter dem Vorsitze des Herrn Gustav Struve hat sich vorgestern ein Verein der Freunde der natürlichen Lebensweise constituiert.“ Für den darauffolgenden Sonntag wurde eine erste Sitzung angekündigt, bei der unter anderem ein Vortrag zur „ökonomischen Seite der Pflanzenkost“ auf der Tagesordnung stand. Auch wenn diese Vereinsgründung nicht als Beginn einer kontinuierlichen, organisierten Vegetarier/innen-Bewegung Wiens betrachtet werden kann, zeigt sie, dass der „Vegetarianismus“ (so der zeitgenössische Terminus) im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts auch in der Hauptstadt der Habsburgermonarchie angekommen war.
Rund dreißig Jahre darauf hatte sich in Wien eine lebendige vegetarische Szene etabliert. Mehrere Restaurants boten fleischfreie Speisen an, im ersten Reformhaus konnten Interessierte „Pflanzenbutter“ oder vegetarische Kochbücher erstehen und verschiedene Vereine luden zu Vorträgen rund um das Thema Vegetarismus ein. Weitere dreißig Jahre später war zwar die Zahl der Mitglieder im Wiener Vegetarierverein nicht signifikant gestiegen, fleischlose Ernährung war aber über die vegetarische Community hinaus buchstäblich in vieler Munde: Zeitungen druckten vegetarische Rezepte ab und vor allem die Vitaminforschung hatte dazu beigetragen, dass die Ernährungsempfehlungen revidiert wurden und Obst und Gemüse zu Lasten von Fleisch einen höheren Stellenwert im Speiseplan bekamen.

Die NS-Herrschaft bedeutete in vieler Hinsicht das Ende der „ersten“ vegetarischen Bewegung in Wien: trotz Anbiederungsversuchen von Funktionären des Wiener Vegetariervereins und teilweise ideologischen Verbindungslinien duldeten die Nationalsozialisten keine alternativen Lebens- und Gesellschaftsentwürfe.

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Quelle: https://veggie.hypotheses.org/19

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