Lesenswerte Überlegungen zum Begriff der Bildung und der Bedeutung, die Listen dabei zukommt, hat schon vor einiger Zeit Klaus Ratschiller angestellt; ich versuche, seinen Beitrag zusammenzufassen:
Bildung ist nach Ratschiller die Fähigkeit, ausdrücken zu können, was einen heimsucht, was einen nicht loslässt, das Vermögen, die Fragen und Probleme, die einen verfolgen, in all ihren Dimensionen formulieren und entfalten zu können. Solange man seine Heimsuchungen nicht ausdrücken kann, leidet man an einer individuellen Sonderbarkeit,
[s]ie auszudrücken, heißt aber: ihnen selbst eine individuelle Ganzheit zuzusprechen, nicht sich. Eine wichtige Rolle im Bildungsprozess spielen
Fürsprecher: Im Gegensatz zu Ratgebern sind sie nicht
Repräsentant einer größeren Einheit und sagen nicht,
was man lesen und wissen sollte, um dazuzugehören, sondern sprechen
in eigenen Namen und in Hinblick auf die jeweilige
Heimsuchung;
Fürsprecher sind (...) Freunde, jedenfalls Freundliche, die auf etwas verweisen, was größer ist als sie.
Solcherlei Fürsprecher verfassen nun nicht einen feststehenden Kanon, sondern Listen von dem, was für sie
unverzichtbar genug erscheint, wenn [sie] nach der Gestalt [ihres] Problems such[en], von Büchern, AutorInnen, Filmen also beispielsweise.
Eine Liste ist eine kleine Fluchtlinie, die zwischen den Fallen der repräsentativen Wahl und der beliebigen Auswahl einen Ausweg bahnt; und, warum sollte
nichts Neues und Widerständiges daraus entstehen?
Ratschiller, Klaus: Bildung ohne Gedächtnis: Vom Kanon zu den Listen, in: Mitteilungen des Instituts für Wissenschaft und Kunst, 63.2008, Nr. 3-4, S. 4047.
Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/133339337/