aventinus interna Nr. 4 [²28.06.2013]: Die Aufgabenverteilung innerhalb der Geschäftsführung nach den Ende Mai 2013 erfolgten Neuwahlen

Nach den Neuwahlen der Geschäftsführung und dem Ausscheiden der Kollegen Stefan Schnupp und Stefanie Laske beschloss die Geschäfts­führung eine neue Aufgabenverteilung, die auch Kollegen Yves V. Grossmann als Redakteur für abteilungsübergreifende Aufgaben einbindet. http://bit.ly/11SBkrO

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2013/06/4541/

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Bericht zum Vortrag von Juliette Sibon: Die Juden des europäischen Mittelmeerraumes im späten Mittelalter aus wirtschaftshistorischer Perspektive. Quellen, Methoden und neue Ergebnisse

Am Montag, dem 10. Juni war es wieder so weit: Viele Lehrende und Studierende des Historischen Seminars der WWU sowie Auswärtige versammelten sich um abermals einem Vortrag aus der Reihe „La jeune génération des médievistes français invitée à Münster“ zu lauschen. Dieses Mal war Juliette Sibon geladen, die ausführlich über ihr Forschungsprojekt und ihr innovatives Forschungskonzept referierte. Sibon ist Maître de conférences im Fachbereich „Geschichte, Zivilisationen, Archäologie und Kunst in der antiken und mittelalterlichen Welt“ der Universität von Albi. Hier beschäftigt sie sich innerhalb der Forschergruppe JACOV-FRAMESPA mit dem, was bereits in ihrer Promotionsschrift im Mittelpunkt stand – die öffentliche und wirtschaftliche Rolle der Juden im Mittelalter. Sibons Ansatz fällt dabei durch ihr neuartiges und unkonventionelles methodisches Vorgehen auf, welches sie zu neuen Quellen führt oder ihr zumindest neue Perspektiven auf bereits bekannte Quellen eröffnet. Interessante Forschungsergebnisse sind die Folge. Ergebnisse, die uns einen realistischeren und weniger stereotypisch-idealisierten Blick auf das Leben der Juden im Mittelalter ermöglichen.

Nach Sibon kann man die Geschichtsschreibung über die mittelalterlichen Juden traditionellerweise in zwei Arten unterteilen. Während die einen Historiker eine scheinbar schicksalhafte, weil sich ewig wiederholende Geschichte einer unterdrückten und diskriminierten Minderheit erzählen, malen die anderen Forscher ein dem völlig entgegengesetztes und geradezu idyllisches Bild eines harmonischen Zusammenlebens der drei großen, im Okzident vorherrschenden Religionen, dem Christentum, Judentum (und Islam).

Sibon wendet sich gegen diese beiden, ihrer Meinung nach fruchtlosen Forschungsparadigmen. Die historischen Analysen der Lebensumstände der mittelalterlichen Juden sollen von jeglichem teleologischen Ballast und jedweder fatalistischen Redeweise befreit werden. Man solle eine „Geschichte der Juden“ statt einer „Jüdischen Geschichte“ schreiben, in der die mittelalterlichen Juden als gewöhnliche soziale Gruppe und nicht als Schicksalsgemeinschaft verstanden und untersucht werden.

Als Quellengrundlage dient ihr dabei ein Fundus an lateinischen und neuerlich auch frisch restaurierten und transkribierten hebräischen Texten, die in ihrer Gattung von Literatur über Rechts- bis hin zu Alltagsdokumenten reichen. Dass Sibon vor allem letztgenannte Quellen überhaupt in einer für ihre Forschungsfrage relevanten Art nutzen kann, ist vor allem den neuen Blickwinkeln zu verdanken, die von den ‚neueren’ historischen Subdisziplinen der Kultur-, Sozial- und Regionalgeschichte ausgingen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass auch Sibons wirtschafts- und sozialhistorischer Ansatz deutlich von diesen fruchtbaren Perspektiven profitiert und getragen ist. Es gelingt ihr die speziellen Zugänge jener historischen Teildisziplinen einzufangen und zu verbinden, was ihr Ergebnis ungemein facettenreich, fundiert und breit erscheinen lässt.

Sibon zeigt, dass die Juden u. a. wegen ihrer wirtschaftlichen bzw. finanzpolitischen Funktion in den Städtegemeinschaften der damaligen Zeit – ENTGEGEN DER LANDLÄUFIGEN ANNAHME – außerordentlich gut vernetzt waren und sein mussten. Sie standen eben nicht am Rande der Gesellschaft sondern waren ein fester Bestandteil von ihr. Dies zeigt Sibon exemplarisch anhand des (jüdischen) Geldleihers Bondavin auf. Bondavin war ein sozial integrierter, ehrvoller und angesehener (jüdischer) Bürger innerhalb der Städtegemeinschaft Marseilles des 12. und frühen 13. Jahrhunderts. Vielen Juden der Oberschicht dieser Region ging es – freilich mit einigen wenigen Ausnahmen – ähnlich. Sie waren integrierte Mitglieder der Städtegesellschaft. Dies wird vor allem dadurch bezeugt, dass sie – in vielen wenn auch nicht allen Städten – gegenüber den Christen trotz ihrer verschiedenen Religionszugehörigkeit einen nahezu gleichen Rechtstatus genossen und mit der christlichen Elite eng verbunden waren. Sie waren Bürger oder zumindest fester Bestandteil der Gemeinschaft der jeweiligen Stadt. Man scheute sich nicht mit ihnen zu handeln, gemeinsam (bzw. gar unter ihnen) zu arbeiten oder – ganz allgemein – zusammen zu sein.

Wir danken Juliette Sibon für ihren interessanten Vortrag.

Yannis Krone

Dieser Bericht ist im Rahmen der Lehrveranstaltung “Einführung in die französischsprachige Geschichtsforschung – aktuelle Tendenzen (Lektüre, Übersetzung, Diskussion mit französischen Gästen)” entstanden, welche die Vortragsreihe begleitet.

Quelle: http://jeunegen.hypotheses.org/821

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Der Körper als Gedächtnis? Potenziale und Grenzen praxistheoretischer, alltags- und körpersoziologischer Zugänge zu sozialem Erinnern und Vergessen – Ein Tagungsbericht von Anja Kitzler

In weiten Teilen der interdisziplinären Diskussion rund um die Themenfelder des Gedächtnisses, des Erinnerns und Vergessens werden vorwiegend Bewusstseinsvorgänge und mentale Prozesse als gedächtnishafte Äquivalente herangezogen und verhandelt. Die Soziologie verfügt jedoch darüber hinaus über eine Reihe von Theorieangeboten, die … Weiterlesen

Quelle: http://soziologieblog.hypotheses.org/5077

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Nützliche Software Teil 2: Ideen bewegen? Prezi

Heute will ich mich einem klassischen Problem von Historikern annähern: die visuellen Begleitung von Vorträgen. Wenn überhaupt benutzen wir Powerpoint, um Überschriften, Thesen oder Bilder an die Wand zu projizieren. Der Zuhörer hofft inständig, dass der Referent die Folien schnell genug abspielt und sie in seinen Vortrag integriert. Ansonsten kommt es zu einem hektischen vor- und zurückgeklicke. Bilder oder Textbausteine werden häufig als simple Illustrationen des gesprochenen Wortes verstanden. Eine visuelle Entwicklung (oder Begleitung) der Gedanken findet nicht statt. Wie auch, immerhin hat Powerpoint zwar viele Diagramme und Tabellen zu bieten, aber es ist und bleibt eine Slideshow. Die Darstellung der Leitidee eines Vortrages ist nicht möglich. Diese Lücke versucht seit ein paar Jahren Prezi zu schließen. Dieses Präsentationswerkzeug will eine Alternative zu Powerpoint anbieten und “Ideen bewegen”.

Die Anwendung

Nach meiner ersten Einführung in die Welt der Software kommt nun eine Anwendung zur Sprache, die besonders für Seminare oder Vorlesungen geeignet ist: Prezi ist ein plattformunabhängiges cloud-abhängiges Präsentationsprogramm und basiert auf der Flash-Technologie. Es ermöglicht die Erstellung von dynamischen 2D Präsentationen. Die Cloudfunktion erlaubt es dem Benutzer ortsunabhängig auf seine Präsentationen zuzugreifen und sie über das Internet mit anderen zu teilen. Die Anwendung ist mit einigen Einschränkungen (man kann alle Präsentationen nur öffentlich abspeichern) kostenlos. Die fertige Präsentation wird heruntergeladen und als Datei auf einem Mac oder Windows PC abgespielt. Zusätzlich gibt es für zahlende Kunden (ab 5€/Monat mit einer Education License) einen Standaloneclient mit dem auch eine Offlinebearbeitung möglich ist. Das kommerzielle Projekt wurde 2007 in Ungarn gestartet und hat laut eigenen Angaben über 18 Millionen Nutzer und 250 Millionen Views. Ich selbst habe es durch einen technikaffinen Kommilitonen kennengelernt (Danke Benjamin!). Natürlich gibt es einige Kritikpunkte an der Software, die vor allem die  Nachbearbeitung von fertigen Projekten oder die Kompatibilität des Flashformates thematisieren. Das sind aber schon weiterführende Probleme, die uns nicht beschäftigen sollen. Vielmehr möchte ich die Vorstellung des Programms mit eigenen Überlegungen zu meiner Doktorarbeit verknüpfen. Ich stelle hier einen noch nicht gehaltenen Vortrag über die Grundlagen meiner Arbeit online

Die Visualisierung

Bevor ich zu meinen eigenen Ideen komme, möchte ich sagen, dass Prezi viele Formatvorlagen mitbringt. Ich habe für den ersten Gebrauch vorhandene Motive verwendet (keine Angst, Farben und Schriften lassen sich leicht ändern). Allerdings ist mein Vortrag noch nicht fertig. Mit diesem Blogeintrag will ich euch gleichzeitig an meinem Arbeitsprozess beteiligen. Aber nun zu meinem Vortrag. Im Gegensatz zu einer Powerpointslideshow samt diesem ironischen Beispiel, wird auf den ersten Blick eine Idee ersichtlich um was es mir geht: den Baum der Erkenntnis. Wie wächst aus meinem Erkenntnisinteresse ein Projekt? Was sind seine Wurzeln? Welchen (geistigen) Dünger verwende ich und wie stabil ist der Stamm. Immerhin möchte ich am Ende der Arbeit eine reife Frucht in Form eines Titels ernten. Wie an diesen Fragen und der Folie schnell klar wird, kann ich für meinen Vortrag ein Narrativ visualisieren und die einzelnen Schritte deutlicher voneinander unterscheiden. Ich erhoffe mir dadurch eine klarer Diskussion im Anschluß an das Referat.

Ein wichtiger Aspekt ist für mich die Hervorherbung einzelner Aussagen durch das Heranzoomen. Als Beispiel dient die Folie “Methode”. Zunächst erkläre ich meine generelle Position bezüglich des akteurszentrierten Ansatzes. Danach vergrößere ich ein Zitat über das Wesen von Parteien aus Sicht der Politikwissenschaft, um anschließend methodische Bausteine (Organisationstheorie, Diskursgeschichte, Denkstil, Vergleich) zu diskutieren. Durch die Zoomfunktion erhoffe ich mir eine bessere Kontextualisierung von Quellen/Zitaten/Bildern innerhalb meines Referates. Wenn ich mir klaren darüber bin welche Beispiele ich verwende, werde ich das Zoomverfahren auch für die Quellenbeispiele einbauen. Das ist leicht möglich, weil sowohl PDFs, Bilder, Wortdateien oder auch Youtubevideos ohne Probleme eingebunden werden können. Eine weitere Möglichkeit ist die Verwendung von Diagrammen zur visualisierung von Gedankenprozessen oder Zusammenhängen. Eine kleine Auswahl der Vorlagen seht ihr hier:

Vollbildaufzeichnung 28.06.2013 115849.bmp

 Fazit

Das Programm ist kostenlos und lässt sich intuitiv bedienen. Mit Hilfe der Vorlagen können selbst Anfänger in wenigen Stunden eine sinnvolle 2D Präsentation erstellen. Es gibt zwar einige kleinere Mankos in der Bedienung und der Formatierung der fertigen Dateien. Mein Fazit ist aber durchaus positiv und ich habe sogar gehört, dass die Anwendung unter Studenten immer beliebter wird, zumindest bei uns an der HU Berlin. Wobei durch die bekannten Differenzen zwischen den digital natives und den digital immigrants sicherlich auch Probleme entstehen können. Wer Powerpoint ablehnt, wird Prezi nur noch als Showeinlage betrachten. Das mag natürlich sein, aber ein Vortrag muss kein einschläfernden Monologen sein. Es sollte immer – sowohl sprachlich als auch visuell – unterhalten und zur Diskussion anregen. Eine gute Präsentation trägt ihren Teil dazu bei, solang sie nicht die Vortragskunst ersetzt. Mir persönlich hat das Programm geholfen meine eigenen Gedanken stärker zu kontextualisieren und mich zu fragen: warum streiche ich etwas hervor oder an welche Stelle innerhalb des visuellen Narrativs bringe ich welches Argument. Achja: und es hat Spaß gemacht mit Bildern und Effekten zu arbeiten!  Wie der Vortrag den Zuhörern gefallen hat, kann ich leider noch nicht sagen. Ich halte meine Leser aber auf dem Laufenden.

Quelle: http://konservativ.hypotheses.org/159

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Bei ARTigo gibt’s Überraschendes zu entdecken

al-JazariWährend mein Rechner minutenlang mit Rechenoperationen beschäftig ist, habe ich gerade ein paar Bilder in ARTigo getaggt und dabei einen schönen Fund gemacht:

Beim Taggen der Abbildung links war mir klar, dass es sich um eine Art technische Zeichnung handeln musste und tatsächlich: Das Bild ist betitelt mit “Hydraulischer Apparat”, datiert auf 1205 und von al-Jazari.

Es handelt sich hier um ein sehr frühes Dokument, dass der Technischen Dokumentation zuzuordnen ist. Als erstes Buch in deutscher Sprache gilt übrigens das Feuerwerksbuch von 1420, das also gut 200 Jahre später erschien.

Noch frühere erhaltene Hinweise auf Planungen (so ca. 2000 v. Chr.) sind von der Konstruktion größerer Gebäude in Mesopotamien erhalten: Hier wurde der Grundriss eines Tempels in eine Statue eingekerbt. Oder Landkarten wurden in Tontafeln geritzt, die damit Auskunft über die Lage von Häusern und Feldern, dem Bewässerungssystem und weiteren Landschaftsmerkmalen, wie Bergen und Überschwemmungsgebieten Auskunft geben.

Spätere Dokumente sind Vitruvs Zehn Bücher der Architektur (um 25 v. Chr.), die von italienischen Architekten im 15. Jahrhundert verwendet wurden. Auch Leonardo da Vinci hat Maschinen konstruiert und gilt als Erfinder der Explosionszeichnung.

Solche Funde, wie der den ich in ARTigo gemacht habe, sind rar und deshalb habe ich mich besonders darüber gefreut. Also taggen Sie doch auch mal ein paar Bilder. Vielleicht entdecken Sie dabei was Schönes.

Siehe auch: Erst lesen – dann einschalten! Zur Geschichte der Gebrauchsanleitung, Hrsg. Joachim Kallinich und Clemens Schwendner, Berlin 1997
Ausstellungskatalog zur gleichnamigen Ausstellung im Museum für Kommunikation Berlin.

Quelle: http://games.hypotheses.org/1109

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Der Ort des Brünner Lecturkabinetts

Das Avertissement des Brünner Lecturkabinetts gibt als Ort das Freyherrlich Waldorfischen Haus auf dem Getreidmarkt N.ro 436 aus; nun gab es in Brno tatsächlich einen Platz, der so hieß und die Online-Enzyklopädie Brna.cz gibt bei ihrem kurzem Eintrag zu Bianchis Kabinett auch den heutigen Namen dieses Platzes an: Obilní trh. Das Problem dabei: Dieser Platz wäre außerhalb der damaligen Stadtmauern gelegen und der Umgebungsplan von Brno von 1815 kennt ihn noch nicht.

Eine Lösung des Rätsels bringt ein weiterer Eintrag im Intelligenzblatt: Demnach standen mehrere Bücher [z]um Verkauf auf dem großen Platz in dem Freyherrl. Waldorfischen Haus, in dem Lecturkabinet des Herrn von Bianchy (WIZ); dies ist nun leicht, denn der große Platz (also: náměstí Svobody) ist nun tatsächlich der zentrale Platz Brünns und der Plan Brünns von 1794 verzeichnet auch das Haus:

Lecturkabinett_Bruenn

Sonst sei schon mal verraten, dass es Bianchi auch in Brünn gelang, nicht wenig Schulden - in der Höhe nämlich von mehr als 1200 Gulden - zu machen und dass sein Kabinett gerade mal 1 1/2 Jahre, von Anfang 1774 bis Mitte 1775 aktiv war.

Wochentlicher Intelligenz-zetl aus dem Fragamte der Kaiser-Königl. privilegirten Lehen-Bank zu Brünn in Mähren (WIZ), 13.1.1774, Nr.2, unpaginiert.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/434212809/

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Aktuelle Stunde II: Erlebnis Archiv

Im Anschluss wirbt die Archivpädagogin des Archivs des Landschaftsverbands (ALVR) Dr. Bettina Bouresh für das seit 2006 laufende Programm „Erlebnis Archiv“, das inzwischen jährlich ca. 50 Studierende des Fachs Geschichte von sechs rheinischen Universitäten mit dem Beruf der Archivarin / des Archivars  vertraut macht. Weiterhin werden rheinische Archive gesucht, die bereit sind in den Sommersemesterferien Studierende als Praktikanten aufzunehmen.

Meine Damen u Herren, sehr geehrte Kolleginnen u Kollegen,
die Gunst der Aktuellen Stunde beim Rhein. Archivtag erlaubt es, hinzuweisen auf ein Seminar, das wir im Archivberatungs- und Fortbildungszentrum und im Archiv des LVR vor 7 Jahren krëiert haben und das mittlerweile zum festen Bestandteil der Angebote unseres Hauses geworden ist.

Ich möchte Ihnen kurz „Erlebnis Archiv“ vorstellen, ein Blockseminar für rheinische Geschichtsstudenten, das viele von Ihnen kennen, weil sie mit dabei sind und weil wir Sie alle brauchen, die noch nicht dabei sind.

„Erlebnis Archiv“ hat zum Ziel, Studierende des Faches Geschichte aus 6 rheinischen Universitäten (RWTH Aachen, die Universitäten Bonn, Essen-Duisburg, Düsseldorf, Köln und Wuppertal) in einem zweitägigen Kompaktseminar in Brauweiler in die Archivkunde einzuführen und ihnen anschließend ein 4wöchiges Praktikum in einem rheinischen Archiv zu vermitteln. Die Studenten, KEINE angehenden Lehrer, sondern mit zukünftigen BA / MA-Abschlüssen – unter ihnen sicher potentielle Kollegen der Zukunft – erhalten in abwechslungsreichen 2 Tagen Einblicke in die Archivwelt, für die meisten sind es tatsächlich die ersten Eindrücke. Anschließend schwärmen sie aus in die rheinischen Archive.
Das Seminar hat an den beteiligten Unis inzwischen einen festen Platz am Ende des Sommersemesters, das Praktikum folgt in der Zeit zwischen Ende Juli bis Anfang Oktober, also den Sommersemesterferien. Vor Beginn des Wintersemesters Anfang Oktober gibt es einen „Evaluationstag“, der bis auf wenige Ausnahmen zu durchwegs positivem Echo führt.
In diesem Jahr, dem 7. in Folge, haben wir 52 Anmeldungen zu verzeichnen. Auf der Liste der in dieser Sache mit uns zusammenarbeitenden Archive stehen mittlerweile über 60 Archive aus dem Rheinland.

Warum ich Ihnen das berichte?
Ich möchte dringend an Sie appellieren, sich an diesem erfolgreichen Format zu beteiligen und uns für das kommende Jahr rechtzeitig Praktikantenplätze zu „reservieren“. Wir sind uns der Schwierigkeiten bewusst, im Sommer Praktika anzubieten, deshalb bedarf es erfahrungsgemäß langer Vorlaufzeiten und Planung. Lassen Sie uns doch einfach eine kurze Nachricht zukommen – und wir wenden uns im Herbst an Sie, bevor wir die Listen für das nächste Jahr ausschreiben. Aus dieser Liste von Archiven, die einen Praktikantenplatz (oder sogar mehrere) anzubieten haben, dürfen sich die Studierenden 3 Archive ihrer Wahl aussuchen. Wir versuchen bei unserer letztendlichen Verteilung der Praktikantenplätze all diese Wünsche möglichst zu berücksichtigen.

Auf diese Weise führen wir Jahr für Jahr zwischen 30 und 50 Studierende im Rheinland an die Archive ihrer Region heran. – Wenn wir mehr Archive = Praktikantenplätze haben, könnten es auch mehr Studierende sein. Die Studenten lernen Archive kennen sowohl als interessanten Arbeitsort für ihre Studien – so mancher entscheidet sich nach der Teilnahme an „Erlebnis Archiv“ für eine Abschlussarbeit im Archiv. Immer größer wird jedoch, das ist ein erkennbarer Trend, das Interesse der angehenden Historikerinnen und Historiker am Archiv als attraktivem Berufsziel.

Für uns also Gelegenheit, unserer Nachwuchs in Augenschein zu nehmen und näher kennenzulernen – eine Begegnung, die erfahrungsgemäß in den meisten Fällen beiden Seiten Gewinn bringt und Spaß macht.
Die beteiligten Archive nutzen die 4 Wochen, um den Studenten kleine Aufgaben zu überlassen – natürlich um den Preis des Betreuungsaufwandes. Es ist aber jedes Jahr von neuem schön zu beobachten, wie die Studenten sich diesem für sie neuen Feld öffnen mit sichtlicher Begeisterung. Das Wichtigste und Eindrücklichste, so berichten viele, ist für sie die Erfahrung, als Kollegen auf Zeit angenommen und ernst genommen worden zu sein.

Für die Archive ist das Besondere an diesem Seminar + Praktikums-Paket das koordinierte Vorgehen. Sechs rheinische Universitäten und mehr als 60 Archive arbeiten zusammen! Programmausarbeitung und Vorlauf werden für alle vom Archivberatungs- und Fortbildungszentrum erledigt. Als Archive leisten wir einen von den Universitäten hoch geschätzten Beitrag im Rahmen der beruflichen Orientierung der Studierenden. – Dies sind Lorbeeren, die wir zusammen ernten mit vergleichsweise wenig Aufwand. Von außen werden wir wahrgenommen als Archive, die sich aktiv um Bildung und Zukunft und Zusammenarbeit bemühen – ein Image, das sich zu pflegen lohnt.

Bei Interesse zur Teilnahme am Seminar „Erlebnis Archiv“ und Angebot eines Praktikumsplatzes bitte eine Nachricht an:
Dr. Bettina Bouresh
Mail: bettina.bouresh@lvr.de

Quelle: http://lvrafz.hypotheses.org/1130

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Sofortmaßnahmen – „Erste Hilfe“ nach Bombenschäden

Die Maßnahmen, die man im Sommer 1943 unmittelbar nach dem verheerenden Feuersturm ergriff, dienten dazu, so viele Menschen wie irgend möglich zu retten und den ersten Schritt zur Wiederherstellung der Ordnung zu unternehmen. Doch erreichten die Flächenbrände in Hamburg Dimensionen, angesichts derer die in der Vorkriegszeit für den Luftschutz ausgearbeiteten Systeme an ihre Grenzen stießen. Auch wenn das Inferno für viele Zeitgenossen einem Weltuntergang gleichkam, konnte man zumindest das Ausmaß sowie einige der Langzeitfolgen dieser Katastrophe etwas begrenzen. Welche Handlungsspielräume gab es und was wurde durch deren Ausschöpfung erreicht?

Luftschutz

Schon vor Beginn des II. Weltkrieges hatten die Verantwortlichen geahnt, dass die technischen Innovationen in der Luftfahrt das Risiko von Bombenangriffen gegen die Städte erhöhten. Dementsprechend hatte man im Rahmen des Luftschutzes Vorkehrungen getroffen, mit denen man die Auswirkungen begrenzen wollte. Dies betraf sowohl die Prävention als auch Planungen für die Durchführung von Sofortmaßnahmen im Ernstfall. Da der Luftkrieg ein vollkommen neues Mittel der Kriegsführung war, konnte jedoch kaum jemand im Voraus ahnen, welche Szenarien genau man zu erwarten hatte. Daher kamen die Verantwortlichen im Verlauf des II. Weltkrieges nicht umhin, ihren Luftschutz an die tatsächlich eintretenden Gegebenheiten anzupassen. In Deutschland geschah dies auch und gerade unter dem Eindruck des Schocks infolge der so genannten „Operation Gomorrha“ in Hamburg.

Schutzräume

Bereits bei Kriegsbeginn hatte man Luftschutzräume eingerichtet, in denen die Menschen sich im Falle eines Angriffs sicher fühlen sollten. Es gelang in Hamburg ebenso wie in vielen anderen deutschen Großstädten nicht, für die ganze Bevölkerung Plätze in den besonders gut ausgestatteten öffentlichen Schutzräumen zu schaffen. Daher mussten viele Menschen bei Bombenangriffen auf ihre behelfsmäßig ausgebauten Hauskeller ausweichen, die nur einen sehr unzureichenden Schutz boten. Bei Flächenbränden konnten sich in diesen Räumen giftige Gase entwickeln, an denen die Insassen erstickten, sofern sie diese Keller nicht umgehend verließen. Die fatalen Folgen dieser Mängel sollten die Bewohner Hamburgs im Sommer 1943 auf grausame Weise zu spüren bekommen. Ausgerechnet die Kellerräume, die sie zu ihrem eigenen Schutz aufgesucht hatten, wurden für Tausende zur tödlichen Falle.

Organisationsstrukturen im Luftschutz

Ebenfalls vor Kriegsbeginn hatte man die Organisation der Sofortmaßnahmen für den Fall von Bombenangriffen genau geregelt. Hierbei war es zum Einen wichtig, die vorgesehenen Abläufe genau einzustudieren und damit das angemessene Verhalten im Ernstfall zur Routine werden zu lassen. Zum Anderen war man jedoch auf Spielräume angewiesen, um sich an unvorhersehbare Gegebenheiten anpassen zu können. Daher waren einerseits kommunale und staatliche Institutionen erforderlich, die Personal und Logistik bereitstellten, um umfangreichere Einsätze durchzuführen. Andererseits wurde die Schadensbegrenzung vor Ort durch schnelles Eingreifen entscheidend durch dezentrale Strukturen erleichtert. Gerade in Deutschland spielte der Einsatz der Bewohner vor Ort neben den Einrichtungen des professionellen Katastrophenschutzes eine entscheidende Rolle. Im Rahmen der so genannten „Luftschutzdienstpflicht“ waren im „Dritten Reich“ alle erwachsenen und gesunden Bewohner zur Mitwirkung verpflichtet. Damit waren die luftschutzbedingten Eingriffe in das Privatleben der Menschen besonders massiv. Dass Menschen angesichts der primitiven Ausstattung, die dafür zur Verfügung stand, bei Großangriffen ihr Leben riskierten, nahm die NS-Führung billigend in Kauf. Für das Regime waren diese Organisationsstrukturen nicht nur aus praktischen Erwägungen heraus notwendig, sondern man sah darin vielmehr noch eine zusätzliche Chance, die Kampfmoral im totalen Krieg zusätzlich zu erhöhen. Bei kleinen Bombenangriffen mochten die Einsätze dieser so genannten „Selbstschutzgemeinschaften“ aus Hausbewohnern und Belegschaften von Betrieben durchaus eine gewisse Wirksamkeit entfalten. Mit Flächenbombardements und deren verheerenden Folgen waren sie jedoch überfordert.

Brandbekämpfung

Um Menschenleben zu retten und Zerstörungen zu begrenzen, war es zunächst einmal erforderlich, die durch Tausende von Phosphor- und Stabbrandbomben ausgelösten Brände zu bekämpfen. Zunächst war es an den „Selbstschutzgemeinschaften“, Brände im Keim zu ersticken, zumindest aber deren weitere Ausbreitung zu verhindern. Die mit Fahrzeugen und professionellem Löschmaterial ausgerüstete Feuerwehr sollte dann eingreifen, wenn die Löschkräfte vor Ort ein Feuer nicht unter Kontrolle bringen konnten.

Aufgrund der wiederholten massiven Bombardements im Juli und August 1943 stießen alle Beteiligten dieses Brandbekämpfungssystems an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Die professionelle Feuerwehr war in ihrer Mobilität eingeschränkt, weil Trümmer und Brände kein Durchkommen mehr ermöglichten. Darüber hinaus fielen zahlreiche Fahrzeuge den Flammen zum Opfer. Die „Selbstschutzgemeinschaften“ konnten mit ihren primitiven Löschmitteln – einfache Handspritzen gegen herkömmliche Brandbomben und Sand gegen Phosphor – der umfassenden Brandentwicklung keinen Einhalt mehr gebieten. Je länger die Großangriffsserie dauerte, desto stärker wurden bei allen Löschkräften die Erschöpfungssymptome. Wenn es angesichts der Konzentration der abgeworfenen Brandbomben kaum möglich war, Brände zu löschen, so konnte man zumindest deren Ausbreitung eindämmen. Vor allem bei den ersten Bombenangriffen vor dem 27. Juli 1943 konnte man hier noch eine entscheidende Wirkung erzielen. Die vorübergehende Eindämmung der Brände verschaffte eine Atempause im Wettlauf gegen die Zeit und ermöglichte es zahlreichen Bewohnern, sich und einen Teil ihrer Habe in Sicherheit zu bringen, bevor es zu spät war.

Hilfe für die Opfer

Mit mehr als 30.000 Toten gehörte die „Operation Gomhorra“ zu den folgenschwersten Bombenangriffen gegen deutsche Städte im II. Weltkrieg. Doch angesichts der Dimensionen des Brand-Infernos hätte es noch um einiges schlimmer kommen können, wenn nicht die trotz allem bestehenden Handlungsspielräume zur Rettung von Menschenleben ausgeschöpft worden wären.

Rettung und Bergung

Durch die sehr gut funktionierende mobile medizinische Versorgung konnten zahlreiche Verletzte überleben und vor dauerhaften gesundheitlichen Beeinträchtigungen bewahrt werden. So waren eingesetzten Pflegekräfte angemessen darauf vorbereitet, Verletzungen durch Phosphor und Stabbrandbomben wirkungsvoll zu behandeln. An die Belastungsgrenzen stieß man jedoch bei der Rettung von Bombenopfern, die entweder verschüttet oder vom Flammenmeer eingeschlossen waren. Hierfür musste man schnell handeln, gleichzeitig jedoch mit Sorgfalt vorgehen, um die Betroffenen nicht zusätzlich zu gefährden. Angesichts der allgemeinen Überlastung kam daher für viele Opfer jede Hilfe zu spät. Die Bergung der Toten stellte die städtischen Institutionen lange nach Ende der Großangriffsserie vor erhebliche Belastungen. Die Leichen mussten geborgen und umgehend entfernt werden, um den Ausbruch von Seuchen sowie eine Beeinträchtigung der Moral der Bevölkerung zu vermeiden. Tatsächlich verlief die Seuchenbekämpfung trotz der sommerlichen Witterung erfolgreich. Ob dies auf die Wirksamkeit der Bergungsaktionen oder eher darauf zurückzuführen ist, dass es die meisten Toten in den schwer zerstörten Stadtteilen gab, die ohnehin weitgehend unbewohnbar geworden waren, lässt sich im Nachhinein kaum noch nachvollziehen.

Versorgung der Obdachlosen

Um die Moral der Bevölkerung zu stabilisieren und den Ausbruch sozialer Unruhen zu vermeiden, war es unerlässlich, die Obdachlosen, die oftmals ihre gesamte Habe verloren hatten, umgehend mit dem Nötigsten zu versorgen. Unverzüglich sollten kommunale Institutionen und NS-Wohlfahrtsorganisationen Nahrungsmittel, Getränke und eine Grundausstattung mit Ersatz-Hausrat für die Ausgebombten bereitstellen. Durch die besonderen Bedingungen des Hamburger Feuersturms waren viele Obdachlose zusätzlich akuter Lebensgefahr ausgesetzt. Daher funktionierte das ursprünglich ausgearbeitete Versorgungssystem nicht, das die Ausgebombten zu den bereits vorbereiteten Sammelunterkünften leiten sollte, in Hamburg nur sehr unzureichend. Tatsächlich verließen in Hamburg zahlreiche obdachlos gewordene Menschen fluchtartig die Stadt in Richtung Umland, nachdem sie dem Inferno entronnen waren. Es kam zu chaotischen Zuständen auf den Bahnhöfen. Doch es gelang Behörden und NS-Wohlfahrtsorganisationen rasch, die  Obdachlosen auf dem Land mit dem Lebensnotwendigen – vor allem mit Nahrungsmitteln – zu versorgen. Unterkünfte konnten ebenfalls zeitnah bereitgestellt werden. Trotz des durch das Inferno hervorgerufenen Chaos gerieten diejenigen, die durch den Feuersturm in Hamburg ihr Zuhause verloren hatten, aufgrund dieser wirkungsvollen Maßnahmen nicht in eine die existenziellen Lebensgrundlagen dauerhaft bedrohende Notsituation. Das Wichtigste war, dass die Lebensmittelversorgung der Obdachlosen durch die großzügigen Sonderzuteilungen zu keinem Zeitpunkt gefährdet war.

Wiederherstellung von Ordnung und Normalität

Sobald man die unmittelbare, mitunter lebensbedrohliche Notsituation infolge der Bombenangriffe unter Kontrolle gebracht hatte, ging es darum, die Grundlagen für die Wiederaufnahme eines geregelten Alltagslebens zu schaffen. Durch entsprechende effiziente Sofortmaßnahmen konnte man mit einem geringen Aufwand an Personal und Logistik schnell eine Wiederherstellung der lebenswichtigen Grundfunktionen bewirken. So gelang es, die Auswirkungen der Bombenangriffe in den als lebensnotwendig oder kriegswichtig eingestuften Bereichen zeitlich und räumlich erheblich zu begrenzen.

Trümmerbeseitigung

Um die für die Wiederaufnahme des öffentlichen Lebens entscheidenden Verkehrswege wieder nutzbar zu machen, mussten die dort befindlichen Trümmer umgehend beseitigt werden. Dazu gehörte auch das Entfernen einsturzgefährdeter Ruinen, die ein erhebliches Sicherheitsrisiko darstellen konnten. Wollte man zudem mit den Ressourcen effizient haushalten, war es erforderlich, den Schutt bestmöglich wiederzuverwerten. Somit kam der Trümmerbeseitigung auch bei der Schaffung der Grundlagen für eine langfristige Bewältigung der Bombenkriegsfolgen eine Schlüsselrolle zu.

Die Enttrümmerung war also eine anspruchsvolle, mit hohem personellem und logistischem Aufwand verbundene Aufgabe. Aufgrund der flächendeckenden Zerstörung ganzer Stadtteile durch den Feuersturm war es unmöglich, alle Trümmer zeitnah zu entfernen. Doch indem die Verantwortlichen klare Schwerpunkte beim Freiräumen der lebenswichtigen Hauptverkehrswege setzten, gelang es in diesem Bereich eine beachtliche Wirksamkeit zu entfalten. Das Abräumen des Schutts auf den total zerstörten Grundstücken wurde damit zur Nachkriegsaufgabe.

Behelfsmäßige Reparaturen

Während des Krieges war aufgrund des Mangels an Personal, Baumaterialien und finanziellen Mitteln nicht an einen groß angelegten Wiederaufbau zu denken. Dennoch gab es bei den begrenzten Schäden beträchtliche Handlungsspielräume für behelfsmäßige Instandsetzungen. Um hierbei mit dem geringstmöglichen Aufwand eine größtmögliche Wirksamkeit zu erzielen, konzentrierte man sich sehr gezielt auf die lebensnotwendigen und kriegswichtigen Bereiche. Entscheidende Ergebnisse brachten diese Reparaturen vor allem bei der Infrastruktur, bei lebenswichtigen öffentlichen Gebäuden sowie bei der Industrie. Gerade das Beispiel des Hamburger Feuersturms zeigt, dass es trotz schweren und flächendeckenden Bombenschäden während des Krieges möglich war, die Grundfunktionen einer Metropole aufrechtzuerhalten.

Sofortmaßnahmen und Ausbeutung von Zwangsarbeitern

Die frühen Publikationen zum Hamburger Feuersturm in den 1950er und 1960er Jahren betonen den vorbildlichen Einsatz der deutschen Bevölkerung und das dabei angeblich gelebte Gemeinschaftsgefühl. Erst in den letzten Jahren wurde herausgearbeitet, dass diese Sichtweise einseitig ist. Es ist an der Zeit, dass der Einsatz von Zwangsarbeitern, die auch bei diesen Kraftakten ausgebeutet wurden, größere Beachtung findet.

Der Zwangsarbeiter-Einsatz für jene Maßnahmen, die mit der Bewältigung von Bombenkriegsfolgen zu tun hatten, war in Hamburg keine improvisierte Notlösung, auf die man erst 1943 zurückgriff. Vielmehr war die menschenunwürdige Ausbeutung dieser billigen Arbeitskräfte von langer Hand geplant worden. Schon seit 1938 mussten Häftlinge des KZ Neuengamme unter lebensfeindlichen Bedingungen schuften, um in dem dortigen Klinkerwerk dringend benötigte Baustoffe zu produzieren, die für Zwecke des Luftschutzes und der Behebung von Bombenschäden zum Einsatz kommen sollten. Als die Intensität des Bombenkrieges zunahm, wurden über das ganze Stadtgebiet verteilt dezentrale Zwangsarbeiter-Lager eingerichtet, um die Arbeitskräfte zeitnah an den Einsatzorten bereitstellen zu können.

Zwangsarbeit spielte vor allem in denjenigen Bereichen der Sofortmaßnahmen eine entscheidende Rolle, in denen die physische oder psychische Belastung für deutsche Arbeitskräfte eine Belastung der allgemeinen Kriegsmoral hätte bewirken können. Zugleich handelte es sich um Tätigkeiten, die weder ein ausgeprägtes Fachwissen voraussetzten, noch sicherheitsrelevante Bereiche der Kriegswirtschaft berührten. Daher griff man vor allem bei der Bergung der Leichen und bei der Schutt-Beseitigung verstärkt auf Zwangsarbeiter zurück. Es ist daher davon auszugehen, dass die Wiederherstellung der Lebensgrundlagen nach dem Feuersturm durch den Einsatz der Zwangsarbeiter erheblich erleichtert und beschleunigt wurde. Daher ist es an der Zeit, die Arbeit dieser Menschen bei der Erinnerung an die Bombenangriffe angemessen zu würdigen.

Quelle: http://ueberlebenhh.hypotheses.org/34

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Irische Geschichte, Teil 5: Bürgerkrieg und Spaltung

Von Stefan Sasse

Teil 1 findet sich hier. In ihm wurde beschrieben, wie Irland seit der Personalunion mit der englischen Krone eine wechselhafte Beziehung mit England unterhielt und vor allem durch seine inneren Konflikte gespalten war, die entlang der Konfessionsgrenzen und Besitzverhältnisse verliefen. In Teil 2 wurde deutlich gemacht, wie die Politik der britischen Regierung und des Parlaments eine immer stärkere Wechselwirkung mit Irland entwickelten, in dem sich eine nationalistische Bewegung zu bilden begann und stets an Boden gewann. Als Großbritannien sich für die Selbstverwaltung Irlands, die Home Rule, entschied, hatten die Devolutionisten, die die totale Unabhängigkeit wollten, bereits deutlich an Boden gewonnen. Teil 3 beschrieb die zunehmende Gewaltbereitschaft zwischen den Unionisten in Ulster und den Nationalisten im Rest des Landes und die Konflikte um die Home Rule und wie diese Konflikte durch den Ersten Weltkrieg erst vertagt und dann verschärft wurden. In Teil 4 wurde gezeigt, wie die Iren den bewaffneten Kampf gegen die Briten aufnahmen und bereits in diesen Tagen der inner-irische Konflikt zu einer Art verdeckten Bürgerkrieg wurde. Auch die irische Nationalbewegung spaltete sich über das Ergebnis des Konflikts - die Teilung Irlands und den Dominion-Staus - und begann den bewaffneten Kampf gegeneinander.

Soldaten der irischen Armee auf einem Schiff
Prinzipiell war für die Counties im Norden Irlands vorgesehen, dass die Grenzen provisorisch waren und dass eine Kommission sie entlang der Präferenz der Bewohner festlegen würde. Diese Regelung war stark im Interesse der neuen Irischen Republik, denn die Unionisten im Norden stellten nicht auch nur annähernd in der gesamten Fläche der sechs Counties die Mehrheit; wenn die Kommission auch nur bei der Hälfte eine unionistische Mehrheit gefunden hätte, wäre dies eine Überraschung gewesen. Ein solcherart zusammengesestutztes Nordirland aber wäre praktisch nicht lebensfähig gewesen; eine winzige Enklave am Nordostzipfel des Landes, von den lebenswichtigen Verbindungen der Industriegebiete (die unionistisch und protestantisch waren) und dem sie versorgenden Umland (das eher nationalistisch und katholisch war) abgeschnitten. Der aufkeimende Bürgerkrieg zwischen den Vertragsgegnern um Éamon de Valera und den Befürwortern um Michael Collins aber enthob Großbritannien dieses Problems. 


Um britische Hilfe im Kampf gegen die Rebellen zu erhalten, akzeptierte die Regierung in Irland schnell den Status Quo. Nordirland wurde mit den Vertragsgrenzen unabhängig vom Rest Irlands und bekam von Großbritannien die Selbstverwaltung zugestanden. Im Gegenzug erließ London der Irischen Republik die Schulden, die es im Teilungsvertrag übernommen hatte (was ein für die internationale Anerkennung entscheidender Schritt gewesen war) und versorgte es mit Waffen und Munition für den Kampf gegen die Rebellen. 

Regierungstruppen
Der eigentliche Bürgerkrieg begann im Sommer 1922. Die ersten freien Wahlen der Irischen Republik erbrachten eine solide Mehrheit für die Sinn Féin, die den Vertragsschluss befürwortete und zu diesem Zeitpunkt effektiv unter Kontrolle Michael Collins stand. Die IRA selbst war über den Vertrag gespalten; die Mehrheit unterstützte auch hier Collins' Regierung. Nachdem Terroristen der vertragsfeindlichen IRA bei einem Anschlag in London den pensionierten General Henry Hughes Wilson ermordeten drohte die Regierung in London damit, Schritte gegen die Rebellen zu ergreifen wenn Collins dies nicht selbst unternahm. Nachdem die vertragsfeindliche IRA auch noch den irischen General JJ O'Connel kidnappte, ließ Collins die Hochburg der Rebellen in Dublin angreifen und erobern. Innerhalb kürzester Zeit wurde im ganzen Land gekämpft. Die Ironie der Situation dürfte den Briten gefallen haben, denn die Iren wandten nun die Taktiken, mit denen sie zuvor die Briten bekämpft hatten, gegeneinander an. 

Während die Regierung versuchte, die Rebellen aufzugreifen und gefangenzunehmen oder zu töten (was ihnen wegen der Kenntnis des Landes und der Spaltung des Landes besser gelang als den Briten während des Unabhängigkeitskriegs, lauerten die IRA-Rebellen den Anführern der Republik auf und versuchten sie zu ermorden. Auch Michael Collins selbst fiel einem solchen Hinterhalt zum Opfer. Insgesamt aber verzeichnete die IRA wesentlich weniger Erfolg im Kamof gegen ihr republikanisches Pendant, das die Taktiken aus eigener Anschauung viel zu gut kannte. Die Republik schreckte nicht davor zurück, Exekutionen an Gefangenen durchzuführen um so Rache für Anschläge zu nehmen und führte immer wieder konzentrierte Schläge gegen die Kommandostruktur der Rebellen durch. Der militärische Anführer der IRA, Liam Lynch, fiel im April 1923 einem solchen Angriff zum Opfer. Die neue Führung der IRA unter Frank Aiken und Éamon de Valera drängte daraufhin auf Frieden, und die IRA legte die Waffen nieder. Ein Friedensvertrag allerdings wurde nie geschlossen, und der entstehende Friede war von höchst brüchiger Natur, schon alleine, weil viele IRA-Anführer (unter anderem de Valera) verhaftet wurden.  

Denkmal für die erschossenen IRA-Kämpfer in Ballyseedy
Trotz des gerade erst beendeten Bürgerkriegs und des offensichtlichen Siegs der Republik wurden sofort nach Ende der Feindseligkeiten erneut Wahlen abgehalten - ein Schritt, der die liberale und demokratische Natur der neuen irischen Republik unterstrich, besonders, da auch die Vertragsgegner an den Wahlen teilnehmen durften (selbst diejenigen, die im Gefängnis saßen). De Valera und seine Vertragsgegner gewannen rund ein Drittel der Stimmen; die unter dem Banner der "Cumann na nGaedheal" (Bündnis der Gälen) angetretenen Vertragsbefürworter gewannen allerdings eine komfortable Mehrheit, die sie bis 1932 halten konnten. Auch die ersten Schritte der neuen Regierung waren angesichts der gerade erst überstandenen Verwerfungen im Kampf gegen Großbritannien und dem Bürgerkrieg erstaunliche Leistungen des liberalen Staatsgedankens: eine neue Polizei wurde geschaffen um die verrufene RIC zu ersetzen, und die gewählten lokalen County Councils wurden aufgelöst und durch von der Zentralregierung ernannte County Managers ersetzt. 

Die Polizei, die "Garda Síochána" (Hüter des Friedens), war unbewaffnet und politisch neutral - erneut, angesichts des gerade überstandenen Bürgerkriegs eine erstaunliche Entwicklung. Die Ersetzung der County Councils dagegen kann nicht gerade als besonders demokratisch gelten, da an ihre Stelle ernannte Beamte traten. Gleichzeitig aber war der Schritt notwendig, um den Zugriff der Regierung auf das ganze Land zu gewährleisten, denn viele der Councils waren noch voller Vertragsgegner, und praktisch alle waren bis auf die Knochen korrupt und verhinderten eine vernünftige Verwaltung des Landes. Gleichzeitig blieben viele Notstandsgesetze weiter in Kraft, die während der sporadisch stattfindenden IRA-Attacken jeweils eingesetzt wurden, um Verdächtige en masse gefangenzusetzen und abzurteilen. Gleichzeitig allerdings wurden bis 1924 alle Gefangenen aus dem Bürgerkrieg, auch etwa de Valera, entlassen. 

Kevin O'Higgins
Die Vertragsgegner formierten sich 1926 in einer eigenen Partei, der " Fianna Fáil" (Republikanische Partei), die allerdings - wie damals die IPP - ihre Sitze nicht einnahm und das Parlament boykottierte. Der Schritt bedeutete jedoch gleichzeitig auch die Trennung vom militanten Arm der Vertragsgegner, der IRA, die ohne politische Vertretung blieb. Diese Boykotthaltung wurde 1927 aufgegeben, als die IRA General Kevin O'Higgins ermordete, der im Bürgerkrieg für die Exekutionen zuständig gewesen war. Die "Fianna Fáil" machte damit klar, dass sie die IRA nicht mehr unterstützte, die daraufhin in der Irischen Republik stark an Einfluss verlor und sich mehr und mehr auf terroristische Anschläge verlegte.

In Nordirland dagegen nahm die IRA eine andere Entwicklung. Sie hatte bereits während des Unabhängigkeitskriegs in Opposition zu den Unionisten gestanden und diese mindestens ebenso erbittert wie die Briten bekämpft. Der Friedensvertrag 1920 sorgte eher für eine Verschärfung dieses Konflikts als für seine Auflösung. Die IRA in Nordirland war fest entschlossen, den Vertrag zu bekämpfen und die Vereinigung beider Landesteile mit Gewalt zu erwirken. Die RIC, die im Gegensatz zur Irischen Republik nicht aufgelöst wurde, erhielt bald Unterstützung durch die Ulster Special Constablery (USC), während die Regierung den Notstand ausrief und mit Kriegsrecht gegen die IRA zu Felde zog. Die USC bestand dabei fast vollständig aus den alten Ulster Volunteers, so dass die alten religiösen und politischen Konflikte nahtlos ins Polizeisystem übertragen wurden: die katholische IRA bekämpfte entschlossen die protestantische USC. In den Kämpfen zwischen 1920 und dem Ende des Bürgerkriegs im Süden 1923 starben hunderte von Menschen. 

Sinn Féin Plakat gegen die RUC
Die Gewalt schuf ein allgemeines Klima der Furcht, und die Repressalien der nordirischen Regierung gegen die katholische Minderheit (die pauschal der Unterstützung der IRA verdächtigt wurde) trieb viele Katholiken in die Emigration über die Grenze, was die Zurückgebliebenen nur noch mehr isolierte. Die Versuche der nordirischen Regierung, mit der Auflösung der USC und der Schaffung der "Royal Ulster Constabulary" (RUC) eine religiös gemischte Einheit mit beruhigender Wirkung zu schaffen scheiterte trotz des Transfers vieler katholischer Polizeibeamter von der RIC zu der neuen RUC; die katholische Bevölkerung akzeptierte die RUC niemals als "ihre" Polizei und entfremdete sich zunehmend von dem neuen nordirischen Staat, eine Entwicklung, die durch die Diskriminierungspolitik der nordirischen Regierung noch weiter verstärkt wurde. 

Die zwei Hauptinstrumente dieser Diskriminierung waren das auch aus den USA bekannte "Gerrymandering", bei dem die Grenzen der Wahlbezirke so gezogen wurden, dass Mehrheiten für die unionistischen Parteien gesichert waren - entweder stopfte man möglichst viele Katholiken zu unionistischen Mehrheiten und neutralisierte so ihre Stimme, oder man fasste die mehrheitlich katholisch bewohnten Bezirke solcherart zusammen, dass sie starke Enklaven mit stabilen, wenn auch schmalen protestantischen Mehrheiten enthielten. Dieses undemokratische System wurde durch die zweite Säule noch verschärft, die das Wahlrecht auf "primary tenants" (die eigentlichen Mieter; die damals besonders om sozial niedrig stehenden, katholischen Milieu weit verbreiteten Untermieter wurden dadurch ausgeschlossen), deren Frauen und Landbesitzer beschränkte und den (protestantischen) Firmen mehrfaches Stimmrecht hab. Dieses System, das in Großbritannien in den 1940er Jahren abgeschafft wurde, bestand in Nordirland bis 1969 und garantierte bis in die 1960er Jahre hinein die unumschränkte Herrschaft der Protestanten über die katholische Minderheit.

Die katholische Minderheit wurde zudem ökonomisch diskriminiert. Weder war sie in den mittleren und oberen Verwaltungsrängen präsent, noch fanden sie Anstellung in den wichtigsten Branchen wie dem Schiffbau oder dem Maschinenbau. Die Entfremdung vom Staat wurde nur dadurch in Grenzen gehalten, dass Nordirland im Gegensatz zur Irischen Republik den Trend Großbritanniens zum Wohlfahrtsstaat mitmachte, der den armen Katholiken ein soziales Fangnetz bot. In der Irischen Republik dagegen hielt sich der Staat sehr zurück und senkte im Gegenzug die Steuern stark ab.

Literaturhinweise: 
Richard English - Armed Struggle - The history of the IRA 
T. R. Dwyer - Michael Collins
Michael Collins (DVD, Spielfilm)
The Wind that shakes the Barley (DVD, Spielfilm)


Bildnachweise: 
Soldaten auf Schiff - National Library of Ireland on The Commons (gemeinfrei)
Regierungstruppen - unknown - personal collection (gemeinfrei)
Ballyseedy - Patrick McAleer (CC-BY-SA 2.5)
Kevin O'Higgins - unbekannt (gemeinfrei)
Plakat - Ógra Shinn Féin (CC-BY-SA 3.0)

Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2013/06/irische-geschichte-teil-5-burgerkrieg.html

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