Der konstruierte Gegensatz #dhiha5
Das pars pro toto des deutschen Bildungsideals ist das Buch. Das gedruckte Buch mit seinem Geruch nach Papier und Druckerschwärze, wenn man es neu aus der Plastikfolie pult. Das liebevolle ehrwürdige Streichen über die farbechte Hochglanzabbildung und auch das ins Regalstellen wird zelebriert. Das Regal im Wohnzimmer wird vom intellektuellen Abendgast demonstrativ besichtigt und die außergewöhnlich gute Sortierung gelobt.
In einer nicht lange zurückliegenden Tagung wurde in einem Vortrag empfohlen, doch lieber ein Buch in die Hand zu nehmen als zu bloggen. „Ein gutes Buch lesen“ ist noch immer der Inbegriff eines gelungenen, stilvollen Abends, am besten noch mit einem Glas Wein.
Ich selbst wuchs im Ostdeutschland der 90er Jahre auf. Als ich 1989 in die Schule kam, war ich noch sehr stolz auf meine Schulbücher, bereits ein Jahr später wurden im Unterricht Kapitel übersprungen und Lieder aus dem Musikbuch nicht mehr gesungen. Zwei Jahre später wurde in den Schulen so richtig aufgeräumt und Schuttmulden voller Bücher standen auf dem Schulhof. Ich war acht Jahre alt und entsetzt.
Man braucht nicht zwingend solche eindrücklichen Erinnerungen, um zu begreifen, dass es Bücher gibt und Bücher. Den kritischen Umgang mit Literatur lernt man in der Schule oder spätestens im Proseminar. Aber die Mär vom „guten Buch“ ist fest verankert in unseren Köpfen und das hat seine kulturellen Gründe. Die gedruckte Schriftlichkeit war nun einmal lange Zeit der einzige Informationsträger. Die Wertung, dass gedruckte Bücher mehr wert seien als digitale, hält keiner Debatte stand. Was nichts daran ändert, dass es so gesehen wird. Diese Tatsache wird mit der Zeit anders gesehen werden, zwangsläufig.
Andersherum wird, meines Erachtens, die Digitalisierung das gedruckte Buch nicht ablösen. In der Archäologie und in der Kunstgeschichte sind großformatige Beilagen, von z.B. Plänen oder hochqualitative Abbildungen von z.B. Gemälden etc. obligatorisch. An Bildschirmen kann man diese Dinge nicht (vielleicht noch nicht) anständig abbilden. Aber nicht nur deswegen werden gedruckte Bücher nicht aussterben.
Es ist der konstruierte Gegensatz zwischen gedruckten und digitalen Medien, der mich stört. Es gibt keinen Gegensatz. Das Buch ist ein Informationsträger, genau wie Zeitschriften, CDs, DVDs, Schallplatten, epubs, pdfs und am Ende auch Blogs.
Alle diese Dinge sollten nach ihren Inhalten bewertet werden und nicht nach ihrem Geruch nach Papier und Druckerschwärze, wenn man es aus der Plastikfolie pult.
Liturgische Handschriften des Deutschen Ordens im Ordensland Preußen und in der Ballei Böhmen-Mähren. Ein Vergleich

Missale des Deutschen Ordens (Fragment). GStA Berlin, Hs 85, Nr. 361. Foto: Anette Löffler
Liturgische, mittelalterliche Handschriften gelten gemeinhin als omnipotent: überall vorhanden, überall verfügbar und inhaltlich ziemlich gleichartig, ein Stück Massenware. Die Omnipotenz zeigt sich unter anderem bereits an der großen Anzahl von Faksimiles einzelner liturgischer Handschriften.[1] Die Erschließung liturgischer Codices in den Bibliotheken weist jedoch auf die trotz ihrer äußerlichen Gleichartigkeit sehr unterschiedliche Liturgieausprägung hin.[2] Inzwischen gibt es eine weitreichende Forschung zu diesem Thema aus kodikologischer, theologischer, historischer und musikwissenschaftlicher Sicht.[3]
Die oben aufgeführte Verallgemeinerung muss bezüglich des Deutschen Ordens sehr stark relativiert werden. Natürlich waren die notwendigen liturgischen Texte in den meisten Ordenskirchen vorhanden, aber überliefert haben sich nur sehr wenige. Dies gilt gleichermaßen für die Balleien im Reich wie für das Ordensland Preußen. Insgesamt ca. 50 liturgische Handschriften und ca. 300 liturgische Fragmente des Deutschen Ordens sind heute bekannt.[4] Die Balleien Böhmen und Mähren sowie Preußen nehmen hier zwei Extrempositionen ein. Während jedoch für Böhmen nur wenige Forschungsergebnisse bezüglich liturgischer Codices zumal des Deutschen Ordens, vorliegen,[5] ist Preußenland vergleichsweise gut erschlossen.[6]
Aus diesen insgesamt wenigen heute noch vorhandenen Handschriften und Fragmenten auf die Liturgie und ihre regionale Ausprägung zu schließen, ist schwierig, aber absolut notwendig. Ein Vergleich von zwei Ordensregionen verdeutlicht die unterschiedlichen Überlieferungsbedingungen… [Den vollständigen Artikel können Sie h i e r als pdf-Datei ansehen oder herunterladen].
[1] Eine Zusammenfassung unter http://www2.bsz-bw.de/bibscout/A/AM/AM40000-AM97400/AM58000-AM59900/AM59000/AM.59050.
[2] Über die Handschriftenkataloge zu liturgischen Codices siehe in http://www.manuscripta-mediaevalia.de/hs/hs-online.htm. In den letzten Jahren sind verstärkt auch Kataloge liturgischer Fragmente erschienen. Siehe hierzu Maria Kapp: Handschriftenfragmente im Stadtarchiv Goslar. Teil I: Die liturgischen Fragmente, Goslar 1994. Weiter: Handschriften in Goslar, bearbeitet von Maria Kapp. Wiesbaden 2001 (= Mittelalterliche Handschriften in Niedersachsen, Kurzkatalog 5). Ausgewählte liturgische Fragmente aus der Bischöflichen Zentralbibliothek Regensburg. Aus Anlass des fünfzigjährigen Bestehens des Liturgiewissenschaftlichen Instituts Regensburg (Institutum Liturgicum Ratisbonense), hg. von Karl Joseph Benz, unter Mitarbeit von Raymond Dittrich. (Bischöfliches Zentralarchiv und Bischöfliche Zentralbibliothek Regensburg, Kataloge und Schriften, hg. von Paul Mai, Band 23) Regensburg 2007. Konrad Wiedemann / Bettina Wischhöfer: Einbandfragmente in kirchlichen Archiven aus Kurhessen-Waldeck (Schriften und Medien des Landeskirchlichen Archivs Kassel 21). Kassel 2007.
[3] Hier sei nur auf einige Beispiele verwiesen: Hanns Peter Neuheuser: Rechtssicherung durch Sakralisierung. Die Eintragung von Rechtstexten in liturgische Handschriften, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte Kanonist. Abt. 121 (2004), S. 355-405. Paula Väth: Die spätmittelalterlichen liturgischen Handschriften aus dem Kloster Salem (Europäische Hochschulschriften, 28, 178), Frankfurt a. M. et al. 1993.
[4] Diese werden heute in der Staatsbibliothek Bamberg, der KBR Brüssel, der BPGAN Danzig, der ULB Darmstadt, der ULB Fulda, der WLB Stuttgart, der Seminarbibliothek Pelplin, der BM Laon, der KB Stockholm, der StB Olmütz, dem GStA Berlin, dem PfarrA Wissembourg, dem Archiv Utrecht, im HStA Marburg, Pfarrarchiv Lengmoos, Musée La Chartreuse in Molsheim sowie im Zentralarchiv des Deutschen Ordens Wien aufbewahrt.
[5] Hana Vlhovä: Katalogisierung und Edition mittelalterlicher liturgischer Handschriften aus Böhmen, in: Die Erschließung der Quellen des mittelatlerlichen liturgischen Gesangs, hg. von David Hiley, Wiesbaden 2004, S. 217-240.
[6] Zu den Katalogen der liturgischen Fragmente siehe Fußnote 47. An Spezialuntersuchungen Henryk Piwoński: Kult swiętych w zabytkach liturgicznayh Krzyżaków w Polsce (Heiligenverehrung in liturgischen Schriften der Deutschordensritter in Polen), in: Archiwa, Biblioteki i Musea Kościelne 42 (1983), S. 284-346. Ders.: Indeks sekwencij w zabytkach liturgicznych Krzyzakow w Polsce (Index sequentiarum in monumentis liturgicis Cruciferorum in Polonia), in: Archiwa, Biblioteki i Muzea Kościelne 51 (1985), S. 221-244. Waldemar Rozynkowski: Krzyżackie księgi liturgisczne w parafiach diecezij: Chełmińskiej, Pomezańskiej, Warmińskiej oraz Włocławskiej po 1466 roku, in: Kościół w Polsce, hg. von Jan Walkusz (Dzieje i kultura 4), Lublin 2005, S. 237-246.
Zeitschriftenartikel zu Ehestreitigkeiten um 1783 erschienen
Der Kodifizierung neuen Rechts im ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhundert widmet sich das aktuelle Heft der Zeitschrift Geschichte und Region/Storia e regione. Wie die Herausgeberinnen im Editorial vermerken, ist der “Fokus der Fragen [...] darauf gerichtet, in welcher Relation das neue zum alten Recht stand, welche politischen und gesellschaftlichen Veränderungen es intendierte und sowohl in der Administrierung als auch in der Nutzung mit sich brachte, für wen es von Vorteile bzw. von Nachteil war, welche Hürden und Grenzen sich in der Umsetzung – wiederum mit welchen Folgen auftun konnten.”
Insgesamt sechs Beiträge befassen sich mit diesem Fragenkomplex, darunter auch der von Andrea Griesebner und mir gestaltete Artikel über Ehestreitigkeiten vor dem Wiener Erzbischöflichen Konsistorium und dem Magistrat der Stadt Wien.
Aus dem Editorial:
In den 1780er Jahren traten mit dem Ehepatent von 1783, dem Erbfolgepatent und schließlich dem ersten Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch von 1786 (später Josephinisches Gesetzbuch) die ersten Ergebnisse des österreichischen Kodifizierungsprozesses des “bürgerlichen Rechts” in Kraft. Das Ehepatent regelte die Zuständigkeiten zwischen weltlicher und kirchlicher Macht hinsichtlich der Ehegerichtsbarkeit völlig neu. Was diese neuen Kompetenzen für die betroffenen Eheleute bedeuteten, analysieren Andrea Griesebner und Georg Tschannett anhand eines Vergleichs von Ehescheidungsprozessen, die bis 1783 vor dem Wiener Erzbischöflichen Konsistorium und nach Inkrafttreten des Ehepatents vor dem Wiener Magistrat ausgehandelt wurden. Das Ehepatent stellte zwar nicht das Dogma der Unauflösbarkeit des Ehebandes in Frage und ermöglichte daher für katholische Eheleute nach wie vor nur eine Scheidung von Tisch und Bett. Doch hatten die Ideen der Aufklärung insofern Eingang in den Gesetzestext gefunden, als eine Scheidung zunächst nur noch möglich war, wenn sich die Eheleute einverständlich darauf einigten und das Urteil über einen ausreichenden Scheidungsgrund daher nicht dem Eherichter zukam. Diese Praxis ging allerdings an der Lebenswirklichkeit zerstrittener Ehepaare vorbei und stärkte die Position desjenigen Ehepartners, der sich gegen eine Scheidung stellte – in den meisten Fällen handelte es sich dabei um den Ehemann.

Gedenksymposium für Edith Saurer, Wien 26./27.4.2013
Aus dem Programm (PDF):
Margareth Lanzinger, Siegen
Edith Saurer, Liebe und Arbeit. Geschlechterbeziehungen im 19. und
20. Jahrhundert. Hg. von Margareth Lanzinger
Regina Schulte, Bochum
Edith Saurer und die Zeitschrift Historische Anthropologie
Josef Ehmer, Wien / Meinrad Ziegler, Linz
Der Edith-Saurer-Fonds zur Förderung geschichtswissenschaftlicher Projekte
Gabriella Hauch, Wien
Der erwartungsdichte Morgen die Realität des Abends.
Zur Wissenschafterin Edith Saurer (19422011)
Ulrike Kampl, Tours
Eine ménage à trois um 1700 Eine Frau, ein Priester und ein Geist. Liebe auf Umwegen in Paris um 1700
Soziologischer Wochenrückblick im Zeitraum 01.-15. April 2013
In der ersten Aprilhälfte gab es besonders viele Meldungen im Bereich der Bildungspolitik. Ebenso beschäftigten uns Fragen zu Merkmalen der Demokratie. Auch über Kriminalität im Alter gab es eine interessante Meldung, passend zu unserem aktuellen Call. Darüber hinaus erfahrt ihr … Weiterlesen
Online-Petition gegen Planungsstopp beim Kölner Stadtarchiv
Seit Anfang des Monats ist die Zukunft des Kölner Stadtarchivs Gegenstand politischer Diskussionen, die zu einem faktischen Planungsstopp geführt haben und sogar vor einer neuen Standortortdebatte nicht Halt machen.
Ziel der Petition ist es die Fortführung der Planungen zu erreichen, damit das Kölner Stadtarchiv Ende 2017 seinen Neubau am Eifelwall beziehen kann.
Wie man sich auf eine wissenschaftsnahe Stelle (nicht) bewirbt
Shawncampbell | CC BY 2.0
Vor kurzem war ich an dem Auswahlprozess für mehrere Stellen in einer kleinen Organisation beteiligt. Es ging um Stellen im Wissenschaftsmanagement in den Geistes- und Sozialwissenschaften. Beim Durcharbeiten der vielen hundert eingegangenen Bewerbungen fiel mir einiges auf, das vielleicht für andere nützlich sein könnte. Ich habe, allerdings nicht ganz ernsthaft, den Stil eines Bewerbungsratgebers gewählt, gerade weil – wie deutlich werden wird – die allermeisten Bewerbungsratgeber im Fall von wissenschaftlichen und wissenschaftsnahen Stellen nichts zu taugen scheinen. Natürlich gilt: Alle Meinungen und Empfehlungen sind subjektiv und können nicht ohne weiteres verallgemeinert werden. Vielleicht helfen sie aber, die eigenen Bewerbungsunterlagen noch einmal kritisch durchzuschauen.
1) Lassen Sie sich Zeit! Und: Holen Sie sich Rat!
Nichts ist überflüssiger als eine schlampige Bewerbung, die innerhalb weniger Tage nach Erscheinen der Stellenanzeige bei der ausschreibenden Organisation (fortan: Arbeitgeberin) ankommt. Nutzen Sie die Länge der Bewerbungsfrist aus – mein Tipp wäre: etwa eine Woche vor Bewerbungsschluss, und sicher nicht am letzten Tag, an dem die Nerven der mit Bewerbungen überschwemmten Arbeitgeberin blank liegen. Geben Sie die Bewerbung Freunden zu lesen. Vielleicht investieren sie ein bisschen in ein professionelles Coaching. Allerdings muss es jemand sein, der sich mit wissenschaftlichen Stellen auskennt. Wichtig ist ein kritisches Gegenüber, das die inhaltlichen, stilistischen und formalen Schwächen der Bewerbung ohne falsche Rücksicht zur Sprache bringt, und Ihnen keine Sprechblasen in den Text diktiert.
2) Im Anschreiben: Bewerbungslyrik entsorgen
„Sie suchen einen kommunikationsstarken, kompetenten und engagierten Mitarbeiter, der mit X, Y und Z ihr Team bereichert? Dann sollten Sie mich kennenlernen!“. Solche Standardformulierungen aus dem Bewerbungsratgeber beeindrucken vielleicht den Recruiter einer Werbeagentur. In einem Anschreiben, mit dem Sie sich auf eine wissenschaftliche oder wissenschaftsnahe Stelle bewerben, haben sie nichts zu suchen. Schreiben Sie sachlich, präzise, und immer nur das, was relevant (siehe 4) und nachprüfbar (siehe 5) ist. Abgedroschene Vokabeln aus dem Bewerbungsratgeber vermeiden, wie etwa „dynamisch“, „aufstrebend“, „zukunftsweisend“, „innovativ“, „exzellent“, „Leadership/Soft Skills“, „fundiert“, „kompetent“ oder „robust“. Und bitte nichts „unheimlich spannend“ finden! „Mein Name ist …“ wirkt komisch, Sie bewerben sich ja nicht telefonisch. Bitte alle Selbstverständlichkeiten und Plattitüden weglassen: „Erfahrungen im gemeinschaftlichen Arbeiten in themenspezifischen Arbeitsgruppen“ oder „Fundierte theoretische und methodische Kenntnisse verschiedener Fachgebiete“ werden vorausgesetzt und beeindrucken niemanden. Gehaltsvorstellungen sind bei wissenschaftlichen und wissenschaftsnahen Stellen, die im öffentlichen Dienst bzw. analog hierzu ausgeschrieben werden, fehl am Platz.
3) Warum Sie nur genau eine Chance haben
Viele Bewerber/innen scheinen sich nicht im Klaren darüber zu sein, dass ihre Bewerbung im Extremfall eine von Hunderten ist. Die Arbeitgeberin liest die Bewerbungen daraufhin, so viele wie möglich schnell und begründbar aussortieren zu können. Ein Problem und Ihre Bewerbung liegt auf dem Ablehnungsstapel. Das heißt einerseits, dass Sie alles, was sie mitteilen wollen, im Anschreiben mitteilen müssen. Die Arbeitgeberin durchforscht weder den Lebenslauf noch die übrigens Materialien nach dort verborgenen Schätzen. Sie wird keine Informationen nachfordern und auch keine Dokumente im Internet herunterladen. Wenn was fehlt: durchgefallen. Andererseits: Das Anschreiben wirklich kurz halten. Die wichtigsten Informationen passen auf eine Seite. Das geht, wenn man sich nur auf das bezieht, was gefragt ist (siehe 4) und die Arbeitgeberinnen-Perspektive einnimmt (siehe 6). Es wirkt außerdem nicht seriös, wenn Sie sich auf zwei Stellen gleichzeitig bewerben, die ein sehr unterschiedliches Profil haben.
4) Es ist egal, was sie können, wenn es nicht nachgefragt ist
Was mich besonders erstaunt hat, war, wie wenig die Bewerber/innen auf die Job Description, d.h. das Anforderungs- und Aufgabenprofil der Stellen eingegangen sind. Was Sie in Ihrer Magister- oder Doktorarbeit an erstaunlichen Erkenntnissen gewonnen haben, und mit welchen verantwortungsvollen Aufgaben Sie im Laufe Ihrer Karriere bereits betraut worden sind, ist nur dann von Interesse, wenn diese Dinge etwas mit der Stelle zu tun haben, auf die Sie sich bewerben. Konzentrieren Sie sich auf die Stellenbeschreibung und die erwarteten Qualifikationen, und zeigen Sie mit konkreten Beispielen, auf welche Weise Sie hier der oder die Richtige sind. Hier ist durchaus auch Platz, offen zuzugeben, dass Sie die eine oder andere Anforderung noch nicht erfüllen. Verweisen Sie dann auf ähnliche Herausforderungen, die Sie bereits gemeistert haben. Schließlich: Auch Hobbies sind nur von Belang, wenn sie einen Zusammenhang mit der Stelle haben.
5) Behaupten kann man viel
Wenig überzeugend ist es, sich in höchsten Tönen, aber höchst unkonkret anzupreisen. Es reicht nicht aus, sich Teamfähigkeit, Organisationserfahrung, Interdisziplinarität (hierzu Nr. 8) oder interkulturelle Kompetenz mit dem pauschalen Hinweis auf die Arbeitsstationen zuzuschreiben, auf denen diese Qualifikationen erworben wurden. Ob Sie ein „kluger Kopf“ sind, erweist sich aus dem, was Sie (überprüfbar) gemacht oder geschrieben haben, und gerade nicht dadurch, dass Sie es betonen. Ganz schlecht: Den Text der Ausschreibung wiederholen, und dann behaupten, dass Sie das alles können. Auf „umfassende Expertise“ „überragend“, „exzellent“, „großes Talent“ verzichten, ebenso auf „Begeisterung“, „Hingabe“, „hohe Pflichterfüllung“, „perfekte Besetzung“. Jede Übertreibung rächt sich, sobald sich die Arbeitgeberin den Lebenslauf vornimmt und feststellt, dass die „profunden Kenntnisse“ in einem Praktikum gewonnen wurden. Bescheidenheit ist nach wie vor eine Tugend.
6) Versetzen Sie sich in die Arbeitgeberin
Diejenigen, die Bewerbungen lesen, möchten sehen, dass sich die Bewerber/innen nicht nur mit den erwarteten Aufgaben und Fähigkeiten beschäftigt haben, sondern sich auch die wissenschaftlichen Aufgaben und Ziele der Arbeitgeberin angesehen haben. Dabei wird man selbst mit einem aufmerksamen Studium der Webseite diese Aufgaben und Ziele nicht hundertprozentig verstehen. Es fehlt die Kenntnis der Organisation von innen. Deswegen Vorsicht mit Aussagen über die Organisation. Auf jeden Fall nicht deren Selbstdarstellung von der Webseite abschreiben, sondern in eigenen Worten (vorsichtig) formulieren, Informationen gibt es im Internet genug. Die Arbeitgeberin ist auch nicht darauf angewiesen, ob Sie die Tätigkeit der Organisation „begeistert“ oder Sie sich „gänzlich damit identifizieren“ können. Sie muss Sie interessant finden, nicht umgekehrt.
7) Auf Formalia und Gesamteindruck achten
Die Arbeitgeberin geht davon aus, dass Sie lesen können. Wenn in der Ausschreibung steht, dass die Bewerbung als „eine PDF-Datei“ eingereicht werden soll, dann „eine PDF-Datei“ einreichen. Zwei oder drei Dateien gehen vielleicht noch, aber nicht fünf (oder vierzehn!). Und auch keine Word-Datei oder ein JPEG (abfotografierte Zeugnisse oder Arbeitsproben? Geht gar nicht!). In so einem Fall bringt es auch ganz sicher keine Extrapunkte, die Bewerbung in Papierform vorbeizubringen. Unregelmäßige Einrückungen im Lebenslauf sind keine Nebensache – sie deuten darauf hin, wie Sie später Dokumente gestalten werden. Bei elektronischen Bewerbungen das Motivationsscheiben nicht in die E-Mail kopieren, das kann nur schief gehen, wenn es die Formatierung zerhaut. Ein kurzes E-Mail-Anschreiben mit Hinweis auf die Anlagen genügt. Die Bewerbung sollte einfach, klar und gut aufgebaut aussehen. Hintergrundbild, farbige Verzierungen, aufwendige grafische Gestaltung können grandios daneben gehen, wenn Sie kein entsprechendes Talent besitzen. Ein Bild kann man beifügen, kann es aber auch lassen – fragen Sie ihr kritisches Gegenüber, und verzichten Sie im Zweifelsfall darauf! Ganzseitige Porträts sind jedenfalls unangebracht. Den Lebenslauf im „amerikanischen“ Stil – die neuesten/letzten Erfahrungen als erstes. Kindergarten, Grundschule und Gymnasium interessieren grundsätzlich nicht, es reicht, mitzuteilen, wann und wie das Abitur zustande kam.
8) Achtung mit dem I-Wort
Besonders beliebt war das Wort „interdisziplinär“ – natürlich auch, weil es in der Ausschreibung genannt wurde. Aber: wenn Sie Politikwissenschaft und Theaterwissenschaften studiert haben, macht Sie das interdisziplinär? Sie haben disziplinübergreifend studiert und dabei verschiedene Fächer kennengelernt. Interdisziplinär haben Sie aber nur dann wirklich gearbeitet, wenn Sie in konkreten Forschungsarbeiten die unterschiedlichen, oft unvereinbaren Erkenntnisinteressen mehrerer Disziplinen in mühevoller Arbeit zusammengebracht haben. Das müssen Sie zeigen. Interdisziplinarität ist anstrengend und konfliktreich und nicht etwas, was Sie beim Besuch etwa eines kulturwissenschaftlichen Seminars einfach so mitnehmen.
Ein Beitrag von Christian Boulanger
Quelle: http://gab.hypotheses.org/695
Franz Schausberger: Konservative Geschichtsschreibung at its worst
Legenden vom “alten Meister” – die Anfänge des Daoismus
Das Wirken des als historische Person nicht fassbaren “alten Meisters” – im Chinesischen Laozi (bzw. Lao Zi) 老子, im Westen meist Lao Tse oder “Lao-tse” geschrieben – ist ähnlich legendenumwoben wie die Anfänge und die Überlieferung der ihm zugeschriebenen Lehre, des philosophischen Daoismus (daojia 道家).
Über die hinter der Bezeichnung “alter Meister” möglicherweise stehende Person schrieb Wolfgang Bauer in seiner Geschichte der chinesischen Philosophie:
“Hinter diesem unverbindlichen Namen [...] kann sich natürlich jede beliebige Persönlichkeit verstecken. Durch das Epitheton ‘alter’ wurde aber von vornherein der Anspruch erhoben, daß er der eigentliche Urvater des Daoismus sein sollte. Wer immer dieser Laozi gewesen ist (falls bei ihm überhaupt ein historischer Kern existiert) – ein solcher Urvater und der Verfasser des Daoismus kann er nicht gewesen sein.”1
Erst in späterer Zeit wurde dem Laozi die Autorschaft des Daodejing 道德經 (“Buch vom Weg und von der Wirkkraft”) zugeschrieben. Der Überlieferung zufolge habe ihn seine Mutter “zweiundsiebzig Jahre lang unter dem Herzen [getragen] und ihn dann aus der linken Achselhöhle geboren”2 Nach dem von Sima Qian 司馬遷 (145-86 v. Chr.) verfassten Shiji 史記 (“Aufzeichnungen des Hofschreibers”) soll Laozi ein älterer Zeitgenosse des Konfuzius gewesen sein. Sein Familienname soll Li 李 gewesen, sein Vorname Dan 聃. Zur möglichen Identität der historisch nicht fassbaren Figur gibt es mehrere Theorien3.
Die Ikonographie zeigt Laozi häufig auf einem Wasserbüffel (beziehungsweise einem Ochsen) reitend und spielt damit auf sein “Verschwinden” an. Der Überlieferung nach soll er als Archivar am Hof der Zhou 周 tätig gewesen sein. Angesichts der weitverbreiteten Korruption und der schwindenden Macht der Zhou soll er den Untergang des Reiches vorhergesehen haben und aus Enttäuschung darüber nach Westen geritten sein. Am Hangu-Paß 函谷關 (in der heutigen Provinz Henan) habe er für den dortigen Grenzwächter seine Lehren niedergeschrieben.4. Dieses bekannte Motiv regte Bertolt Brecht zu seiner “Legende von der Entstehung des Buches Taoteking auf dem Weg des Laotse in die Emigration” an.5
- Wolfgang Bauer: Geschichte der chinesischen Philosophie. Konfuzianismus, Daoismus, Buddhismus. Herausgegeben von Hans van Ess (München 2001) 89.
- Wolfram Eberhard: Lexikon chinesischer Symbole. Die Bildsprache der alten Chinesen (München: 5. Aufl., 1996) 173 f (“Lao-tse”), Zitat ebd., 174.
- Stanford Encyclopedia of Philosophy, Art. “Laozi. 1. The Laozi Story”, Alan Chan, (http://plato.stanford.edu/entries/laozi/#LaoSto)
- Patricia Welch: Chinese Art. A Guide to Motifs and Visual Imagery (Singapore 2008) 170 (“Old, bewhiskered male in simple robes riding an ox”). – Vgl. auch Eberhard: Symbole, 174.
- Vgl. Heinrich Detering: Bertolt Brecht und Laotse (Göttingen 2008), 11-13. Zu Brechts Text und zu dessen vom britischen Brecht-Experten John Willett (1917-2002) stammender englischer Übertragung vgl. auch http://www.tao-te-king.org/brecht.htm
Quelle: http://wenhua.hypotheses.org/380