Valentin Groebners Lob der Netzunabhängigkeit

Heute veröffentlicht Valentin Groebner in der FAZ (6.2.2013, S.N5/Paywall) seine Überlegungen zum wissenschaftlichen Publizieren im Internet; selbstverständlich argumentiert er differenziert und weiss, dass viele Klagen über angebliche Nachteile netzspezifischer Wissenschaft so alt sind wie die Wissenschaft selbst, letzten Endes reiht er sich aber doch in die Phalanx der (gemäßigten) NetzskeptikerInnen ein, wenn er die mangelnde Dauerhaftigkeit von Netzinhalten und unzulängliche Filterfunktionen besonders hervorhebt. Verifizierung und Stabilisierung von Informationen - die Groebner als Aufgabe gedruckter Medien betrachtet - sind selbstverständlich auch digital möglich und kein Privileg des Papierbuchs; was Groebner als Kriterium nachhaltiger Wissenschaft bezeichnet, nämlich "Netzunabhängigkeit", worunter er die Produktion kohärenter, gefilterter und verifizierter Informationen im gedruckten Medium versteht, lässt sich für mich auch als Pendelbewegung im digitalen Universum darstellen: Auf der einen Seite das Surfen in der Welt der (wissenschaftlichen) Blogs, Diskussionslisten und der Weiterverbreitung von Informationen in ebendiesen Blogs und sozialen Netzwerken, auf der anderen Seite das konzentrierte Lesen, sei's eines kurzen PDFs am Bildschirm oder eines längeren E-Books in zurückgelehnter Haltung am Reader. Der von Groebner an anderer Stelle stärker akzentuierte Gegensatz "Vernetzen" versus "Isolieren. Konzentrieren. Fokussieren" ist auf jeden Fall diskutierenswert und anregend, wobei ich allerdings im Unterschied zu Groebner Wissenschaft nicht so eindeutig der letzteren Begriffsreihe zuordnen würde, und schon gar nicht annehme, dass für letztere Reihe Papier eine wichtige Rolle spielen muss.

(Mehr zum Papierbuch von mir hier und auf Science ORF.)

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/235552133/

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Die Kapuziner in der Schenkenschanz (1635)

Im Jahr 1635 gelang den spanischen Truppen am Niederrhein noch einmal ein großer Coup: Völlig überraschend nahmen rund 500 Soldaten der geldrischen Garnison am 28. Juli 1635 die Schenkenschanz ein. Diese Landspitze, die durch die Aufspaltung des Rheins in die Waal und den Nederrijn entstanden war, hatte eine immense strategische Bedeutung, zumal in dieser Gegend die Grenze zwischen dem Herzogtum Kleve und den Generalstaaten verlief. Letztere hatten diesen Ort schon früh im Achtzigjährigen Krieg besetzt und zu einer starken Festung ausgebaut – sie galt als das Tor zu den Niederlanden. Auf den Erfolg der Spanier, der eine unmittelbare Bedrohung darstellte, leiteten die Generalstaaten umgehend Maßnahmen zur Wiedergewinnung dieser zentralen Position ein: Bereits wenige Tage später begann die Belagerung der Schenkenschanz.

Ungeachtet dieser fortwährenden kriegerischen Auseinandersetzungen setzten die Spanier auch bald schon ein konfessionspolitisches Zeichen. Denn im Herbst 1635 wurden die ersten Kapuzinerpatres in die Schenkenschanz entsandt; es sollte offenbar der Grundstein für einen Konvent des Ordens gelegt werden, der im Schutz der Garnison seine gegenreformatorische Wirkung entfalten sollte. Man versprach sich einige Gestaltungsmöglichkeiten, denn um den Konvent entspann sich sofort eine Konkurrenz zwischen den rheinischen und den flämischen Kapuzinern.

Selten wird die Bedingtheit von militärischem Erfolg und dessen konfessionspolitischer Ausnutzung so sinnfällig wie hier. Dabei kann man sich fragen, ob die Einrichtung eines Konvents zumal in dieser frühen Phase nicht vor allem einen symbolischen Charakter hatte. An ein echtes gegenreformatorisches Wirken war in dieser Situation gar nicht zu denken. Das lag aber nicht nur an der Belagerung durch die niederländischen Truppen; auch die nach wie vor starken generalstaatischen Garnisonen in den Städten des Herzogtums Kleve verdeutlichten, wie militärisch unentschieden die Lage nach wie vor war. So wurde mit der Kapuzinerresidenz vor allem ein Zeichen gesetzt gegen die „widrige Religion“ – und dies ließ sich auch als unmittelbare Antwort verstehen auf die evangelische Kirche, die erst im Jahr 1634 im Bereich der Schenkenschanz gebaut worden war.

Natürlich ist mir klar, daß diese Episode nicht zum Dreißigjährigen Krieg gehört, sondern zum Konflikt zwischen der spanischen Krone und den Generalstaaten. Doch spielte sich dieser Krieg zeitgleich auch auf Reichsboden ab, und gerade der Niederrhein war die Region, in der sich die Heere beider Konflikte auf engstem Raum begegneten. Als Hinweis auf den Themenkomplex von Konfessionalisierung und Krieg ist die Gründung dieses Kapuzinerklosters allemal wichtig genug.

Die Geschichte der Kapuziner in der Schenkenschanz war ausgesprochen kurz. Die Belagerung dauerte noch bis Ende April 1636, dann fiel die Feste wieder an die Generalstaaten – und das war auch das Ende des Konvents. Einschlägige Informationen dazu finden sich im Nordrheinischen Klosterbuch. Lexikon der Stifte und Klöster bis 1815, Teil 2: Düsseldorf bis Kleve (hrsg. von Manfred Groten, Georg Mölich, Gisela Muschiol, Joachim Oepen), das in Kürze erscheinen wird. (An der Stelle gilt mein Dank dem Autor Manuel Hagemann und dem wiss. Fachredakteur Wolfgang Rosen dafür, daß ich freundlicherweise den einschlägigen Artikel vorab einsehen konnte.)

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/82

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“Faire société / Ligaturen des Sozialen” – Deutsch‐Französische Sommerschule für Nachwuchswissenschaftler/innen (10.-14.09.13; Bewerbung bis 17.02.13)

Wie kommt es, dass menschliches Zusammenleben in der Regel – erstaunlicherweise! – einigermaßen reibungslos funktioniert, dass es nicht in Chaos und Anomie versinkt? Die zunächst ebenso einfache Antwort lautet: Soziale Ordnung – mit anderen Worten: Gesellschaft – wird durch Institutionen … Weiterlesen

Quelle: http://soziologieblog.hypotheses.org/4222

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Adressbüros: Merkur-Artikel im Self-archive

Ich kann nun erfreulicherweise meinen letzten Monat im Merkur erschienen Artikel im Self-archive zur Verfügung stellen:

Tantner, Anton: Adressbüros. Von Suchmaschinen im analogen Zeitalter, in: Merkur. Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken, H. 764, 67.2013/1, S. 34-44.
http://tantner.net/publikationen/Tantner_Adressbueros_Merkur_2013.pdf

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/235551544/

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Wirtschaftspolitik im Dritten Reich, Teil 2

Von Stefan Sasse


Wagenkolonne Hitlers in Wien, 1938
Die Unseriosität des nationalsozialistischen Finanz- und Währungssystems wurde auch dadurch deutlich, dass ab 1935 keine Haushaltspläne mehr veröffentlicht werden durften. Auf diese Art hoffte das Regime, die kritische Haushaltslage zu verschleiern. Da diese Verschleierung, die Mefo-Wechsel und die politische Preisfestsetzung eine seriöse Bewertung der Reichsmark kaum möglich machten, blieben ausländische Investitionen ins Dritte Reich praktisch vollständig aus. Dies führte zu einer chronischen Devisenknappheit, die Importe extrem verteuerte und die ohnehin betriebene Autarkiepolitik zu einer faktischen Notwendigkeit werden ließ. Gleichzeitig sorgte die wirtschaftliche Konzentration auf den Rüstungssektor dafür, dass das Reich auch nicht allzu viele Güter exportieren konnte, was weiter zu der Devisenknappheit beitrug. Die Goldreserven der Reichsbank waren jedenfalls 1938 praktisch vollständig aufgebraucht, ebenso die vorhandenen Devisen. In dieser Situation erwies sich der "Anschluss" Österreichs für die Stabilisierung des deutschen Finanzsystems als wahrer Segen. 

Als im März 1938 deutsche Truppen die Schlagbäume zu Österreich niederrissen und das Land mit dem Deutschen Reich zum "Großdeutschen Reich" vereinten, transferierten Sonderkommandos so schnell wie möglich alle Goldreserven der österreichischen Zentralbank nach Berlin. Dieser Zuschuss von Goldreserven ermöglichte es dem Dritten Reich, seine ruinöse Aufrüstungspolitik bis 1939 fortzuführen, einem Zeitpunkt, an dem der ausbrechende Krieg jegliche Hemmungen beseitigte und zu einer beispiellosen Beuteökonomie führte.

Albtraum der Nazis: Bank-Run auf Sparkasse, 1932
Ein weiteres Problem der nationalsozialistischen Wirtschaftspolitik betraf die Börsen. Sie waren den Nationalsozialisten ohnehin suspekt; das inkohärente NS-Ideologiegebäude hasste sowohl den Kapitalismus (obwohl man sich in der Realität seiner durchaus versicherte) als auch die Juden, und beide waren an den Börsen in konzentrierter Form zu finden. Doch auch den Nationalsozialisten war klar, dass es ganz ohne Börsen nicht gehen konnte. Ohne sie würde die Kapitalversorgung der Unternehmen praktisch unmöglich sein (wenn man nicht den Weg der kompletten Verstaatlichung gehen wollte, der niemals diskutiert wurde). Die resultierenden Maßnahmen waren entsprechend ein Kompromiss und nicht besonders tragfähig. Zum Einen wurde die Zahl der Handelsplätze von 21 auf 9 reduziert, zum anderen die Börsenvorstände gleichgeschaltet und alle Juden aus ihnen entfernt. Diese Maßnahmen führten zu einer deutlichen Verringerung des Börsenaufkommens und reduzierten die Attraktität des deutschen Börsenstandorts deutlich. Besiegelt wurde diese Entwicklung 1934 mit der Verpflichtung, Wertpapiere ausschließlich an seiner jeweiligen Heimatbörse zu handeln. 

Dies war jedoch nicht alles: um mehr Kapital bei den Unternehmen zu belassen, wurde die Ausschüttung von Dividenden an die Aktionäre per Gesetz begrenzt. Auf diese Art und Weise hatten die Unternehmen wesentlich mehr Kapital zur Verfügung, um ihre Investitionen in die Rüstungsindustrie durchzuführen. Gleichzeitig gab es aber praktisch keinen Anreiz für neue Emissionen mehr, was den Kapitalmarkt praktisch verkrüppelte. Im Gegenzug überfluteten die Nationalsozialisten den Anleihenmarkt geradezu mit Staatsanleihen, zu deren Aufnahme die Börsenteilnehmer teils geradezu gezwungen waren. Die Börsen hatten auf diese Art und Weise eine starke Reduzierung des privaten Geldumlaufs hinzunehmen, während gleichzeitig analog zu den Mefo-Wechseln ein Schattensektor etabliert wurde, der der Wirtschaft wie ein Mühlstein um den Hals hing und immer größer wurde. All diese Entwicklungen mussten vor einer breiten Öffentlichkeit verborgen werden, um Runs auf Banken und Börsenplätze wie während der Weltwirtschaftskrise zu verhindern.

BDM Ernteeinsatz
Gänzlich andere Probleme bereitete den Nationalsozialisten die Rohstoffversorgung. Die Autarkiemaxime verlangte gemäß der Blut-und-Boden-Ideologie eine Sebstversorgung mit Nahrungsmitteln durch einen starken primären Sektor der Landwirtschaft. Das Deutsche Reich war aber in den 1930er Jahren bereits ein industrialisierter Staat, der keine starke Bauernschicht mehr brauchte. Das Land exportierte Getreide und importierte andere Nahrungsmittel. Diesem Handel gedachten die Nationalsozialisten ein Ende zu bereiten, indem sie sätmliche Landwirtschaftsverbände gleichschalteten und die verbreitete Landflucht eindämmten. Dabei wurden der Gruppe der ostelbischen Junker viele Privilegien zugestanden, die zu einer deutlichen Schlechterstellung von Beschäftigten in der Landwirtschaft führten. Das Verbot, Höfe ab einer bestimmten Größe zu verkaufen, zwang die Menschen auf dem Land zu bleiben. Die landwirschaftliche Produktion wurde außerdem deutlich subventioniert. Trotzdem gelang es nicht einmal, das Niveau von 1913 zu halten; die Vernichtung landwirtschaftlicher Nutzfläche durch den Bau von Befestigungsanlagen und Autobahnen und vor allem der massive Mangel an Dünger und modernen Maschinen ließ die Landwirtschaft effektiv auf einem Niveau des 19. Jahrhunderts stecken. Viele landwirtschaftliche Rohstoffe mussten über ausländische Staaten bezogen werden. Selbst mit der Hinzunahme des Sudetenlandes, Österreichs und des Memellands 1939 erreichten die Nationalsozialisten nur eine Selbstversorgerquote von 83%. 

Das Deutsche Reich war kein besonders rohstoffreicher Staat. Zwar gab es einige Eisen- und Kohlefördergebiete; an die Bedürfnisse eines industrialisierten Staates reichten deren Fördermengen aber nie heran, besonders nicht, seit die schlesischen Gebiete größtenteils durch den Versailler Vertrag verloren gegangen waren. Da dem Land die Devisen fehlten, mit denen man hätte größere Mengen Rohstoffe auf dem normalen Handelsweg importieren könnte, musste man zu so genannten "Clearing"-Verträgen greifen, zu denen aber bei weitem nicht alle Länder bereit waren (besonders die größeren nicht). Bei einem Clearing-Vertrag werden Lieferungen gegeneinander verrechnet - eine moderne Form des Tauschhandels. Besonders die Länder des Balkans und Skandinaviens entwickelten sich hier zu wichtigen Handelspartnern Deutschlands. Für den Rüstungssektor nahm besonders Schweden eine zentrale Rolle ein, dessen Eisenerze für die Rüstungsindustrie überlebenswichtig waren. Die grundsätzliche Devisenknappheit und Autarkiepolitik sorgten dafür, dass das Ausmaß des gesamten Außenhandels während der Friedensjahre praktisch nicht anstieg. Bedenkt man, auf welchem Niveau der Außenhandel wegen der Weltwirtschaftskrise war, so ist das ein erbärmliches Zeugnis der NS-Wirtschaftspolitik. 

Hermann Göring (l., neben Hitler)
In der Führungsspitze der Partei stellten derlei Überlegungen jedoch keinerlei Rolle. Hitler gab stattdessen 1936 die Order, einen Vierjahresplan auszuarbeiten. Bevollmächtigter hierfür wurde Hermann Göring, der damit weisungsbefugt auch für das Wirtschaftsministerium wurde und eine nie dagewesene Machtfülle auf seine Person vereinte, die er auch weidlich nutzte, um seine eigenen Taschen zu füllen. Hitler gab für den Vierjahresplan genau zwei Direktiven aus: 
1) Die deutsche Armee muss in vier Jahren kriegsbereit sein. 
2) Die deutsche Wirtschaft muss in vier Jahren kriegsbereit sein. 
Viel weiter gingen seine Überlegungen nicht. Diese Vorgaben waren reiner politischer Wille, sie fanden keinerlei Entsprechung in der Realität. Die deutsche Wirtschaft war bei weitem nicht leistungsfähig genug, um diese Ziele zu erfüllen. Hermann Göring, beileibe kein Volkswirtschaftler von Hause aus, kümmerte sich ebenfalls wenig um wirtschaftliche Gegebenheiten, sondern setzte mit brachialer Gewalt alle Ziele um.

Da es beim Vierjahresplan allein um die militärische Leistungsfähigkeit ging, wurden zivile Wirtschaftsführer in die militärischen Strukturen eingebunden, um so die privatwirtschaftlichen Interessen weitgehend auszuschalten. Die Unterstellung des gesamten Projekts an die Militärführung, ohne dass eine einheitliche Organisation erkennbar wäre (Göring verwaltete den Vierjahresplan auf ad-hoc-Basis) sorgten dafür, dass die gesamte Aufrüstung äußerst chaotisch verlief. Die drei Teilstreitkräfte - Heer, Luftwaffe, Marine - meldeten jeweils einen Bedarf an, der die Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft ausreizen musste. Die Marine etwa stellte den ehrgeizigen Plan Z auf, mit dem die deutsche Marine 1945 die Größe der britischen erreichen würde. Ein so größenwahnsinniger Plan musste das Gefallen Hitlers finden, der folgerichtig Großadmiral Raeder auch sein Placet dazu gab. Göring, dem die Luftwaffe als Steckenpferd unterstand, wünsche sich natürlich eine nie dagewesene Luftwaffe, während den Beteiligten klar war, dass die Wehrmacht letztlich für eine Kontinentalmacht wie Deutschland das wichtigste Gerät blieb. Die Folge dieses Gerangels um Kompetenzen waren ständige Improvisationen und Prioritätenänderungen, je nachdem, welcher Lobbyist sich gerade einen Führerbefehl erschleichen konnte, der die gesamte Rohstoffverteilung durcheinander brachte. Dass in diesem heillosen Chaos überhaupt eine halbwegs vernünftige Armee entstand ist bemerkenswert. 

Modell der Graf Zepellin
Alle Beteiligten besaßen zudem eine unglaubliche Besessenheit mit Prestigeobjekten, die militärisch völlig sinnlos waren, aber in ihrer Gigantomanie Maßstäbe setzten. So verschwendete die Marine massenhaft Ressourcen in einem unzureichend durchdachten Flugzeugträger (die "Graf Zeppelin"), der nie fertiggestellt wurde, baute die Luftwaffe Flugzeugprototypen, die eklatante Schwächen hatten, aber auf irgendeinem Feld einen Superlativ darstellten und lieferten sich die Panzerkonstrukteure einen Wettlauf um den größten und schwersten Panzer, der in so albernen Konstruktionen wie dem "Maus" mündete. Mangels moderner, tauglicher Prototypen, für die dank dieser völlig fehlgeleiteten Prioritäten keine Ressourcen bereitstanden, wurden dafür in hohen stückzahlen veraltete Modelle produziert, etwa der Sturzkampfbomber Ju-87, der nur gegen einen Feind ohne einsatzfähige Luftwaffe wirklich effektiv war. Für einen modernen Konflikt essenzielle Techniken wie die Funkmesstechnik, moderne Produktionsabläufe und Ähnliches wurden dagegen sträflich vernachlässigt. 

Geradezu aberwitzig aber mutet die Aussetzung des Rentabilitätsprinzips durch Göring an. Im sicheren Wissen, dass die Rohstoffe bei weitem nicht ausreichend waren, um die gesteckten Ziele zu erreichen, ordnete er an, dass keine Gedanken mehr an die Rentabilität von Unternehmungen verschwendet werden sollten. So sollte die Schwerindustrie etwa selbst dreißigprozentiges Eisenerz verhütten. Die Industriellen weigerten sich, das mitzumachen, und so baute Göring seinen eigenen schwerindustriellen Komplex auf, indem ohne Rücksicht auf wirtschaftliche Rentabilität produziert werden konnte. Finanziert wurden diese Maßnahmen auf Pump, über Enteignungen und Mefo-Wechsel. Innerhalb kürzester Zeit fraß sich der Vierjahresplan durch die Substanz der deutschen Wirtschaft. Ohne einen massiven Influx von neuen Rohstoffen würde die Produktion nicht über 1940 hinaus aufrechtzuerhalten sein. Nicht mehr wehren konnten sich die Industriellen gegen direkte Befehle, ihre Produktionskapazitäten auf ein Maß auszuweiten, das den Bau all dieser Projekte erlaubte - ohne die notwendigen Rohstoffe oder Arbeiter zu besitzen, wohlgemerkt. Im Gegenzug berechneten die Industriellen absurd überhöhte Preise, eine Maßnahme, die sie bereits mit den Mefo-Wechseln ergriffen hatten und die die verdeckte Inflation im Reich immer weiter in die Höhe trieb. Das Deutsche Reich hatte gigantische Überkapazitäten geschaffen, die gewissermaßen im Leerlauf liefen.

Adolf Hitler auf der Prager Burg, 1939
Die letzte große Gelegenheit für die wirtschaftlichen Planer, den unvermeidlichen Zusammenbruch noch einmal auf friedliche Art und Weise hinauszuzögern, war die Zerschlagung der Tschechoslowakei. 1939 besetzten die deutschen Truppen in einem Bruch des Münchner Abkommens Prag, spalteten die Slowakei als nominell unabhängigen, wirtschaftlich und politisch aber Deutschland unterworfenen Staat ab und plünderten die Ressourcen Tschechiens ("Böhmen und Mähren"), dessen vorherhige Mobilisierung gegen einen erwarteten deutschen Angriff nun eine große Menge fertiger Rüstungsgüter in deutsche Hände brachte. Spätestens im Sommer 1939 aber war absehbar, dass die Wirtschaft nicht mehr lange auf diese Art würde funktionieren können. Hjalmar Schacht war seinen Posten als Reichsbankpräsident inzwischen los. Die Ausplünderung unterworfener Nationen war für die Nationalsozialisten der einzig gangbare Weg, um ihren wirtschaftlichen Raubbau aufrecht zu erhalten.

Literaturhinweise:
Bernhard Chiari - Ökonomie und Expansion
Rolf Walter - Vom Merkantilismus bis zur Gegenwart
Harold James - Die Deutsche Bank im Dritten Reich
Wolfgang König - Volkswagen, Volksempfänger, Volksgemeinschaft
Sabine Groß - Made in Germany

Bildnachweise:
Wagenkolonne - Bundesarchiv, Bild 146-1972-028-14 / CC-BY-SA
Bank-Run - Bundesarchiv, Bild 102-12023 / Georg Pahl / CC-BY-SA
BSM-Einsatz - Bundesarchiv, Bild 183-E10868 / CC-BY-SA
Hermann Göring - Bundesarchiv, Bild 146-1980-048-11A / CC-BY-SA
Modell - Raboe001 (CC-BY-SA 2.5)
Prager Burg - Bundesarchiv, Bild 183-2004-1202-505 / CC-BY-SA

Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2013/02/wirtschaftspolitik-im-dritten-reich_5.html

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Digitalisierung als Schutz vor Archiv-Diebstählen? Erörterungen im Nachgang zum dänischen Aktenklau-Skandal

Kollege Zimmermann drüben auf dem Umstrittenen Gedächtnis hat kürzlich die im letzten Herbst aufgeflogene Diebstahlserie im dänischen Reichsarchiv pointiert zusammengefasst. Die Lektüre hat mich nochmal selbst zum Nachlesen und -denken gebracht und ich bin auf einige Aspekte gestoßen, die von dem konkreten Fall auf die größere Thematik “Digitalisierung von Archivmaterial” verweisen. Eine interessante Facette der in Dänemark geführten und durch den Archivklau ausgelösten Debatte verweist auf die Digitalisierung der Akten als einen möglichen Schutz vor solchen Diebstählen. Tatsächlich haben mehrere Politiker die Frage aufgeworfen, ob nicht eine weitgehende Digitalisierung der Bestände eine Lösung sein könnte. In die gleiche Richtung argumentiert ein dänischer IBM-Vertreter in einem YouTube-Video, der fordert, die “wichtigen Teile” des Archivs als Reaktion auf den Diebstahl zu digitalisieren (das Video ist nur für des Dänischen Kundige zu verstehen…):

Ausgehend von der Idee der Digitalisierung als Diebstahlschutz lässt sich der IT-Experte auch über die allgemein zu konstatierenden Vorteile der elektronischen Verfügbarkeit im Netz aus – die Argumente sind sattsam bekannt (Nutzung am heimischen Bildschirm durch den Otto-Normal-User, Aktivieren der Schwarmintelligenz mittel social tagging etc.). Allerdings scheint dem guten Mann nicht bewusst zu sein, dass die Digitalisierung der Bestände schon längst im Gang ist und seit gut 20 Jahren schon läuft. Nun gut – die Frage wäre aber auch, was denn “wichtige Teile” eines Archivs sein sollen. Selbstverständlich werden Prioritäten verschiedener Art festgelegt, wobei eine nicht zu unterschätzende materieller Art ist: Abnutzung durch Gebrauch und sonstiger Verschleiss sind Argumente, die neben inhaltliche treten. Generell lässt sich natürlich sagen: Was viel genutzt wird, ist am frühesten angegriffen, und sollte geschützt werden. Die Vorstellung, dass die Originale in Zukunft nie wieder oder nur in seltenen Ausnahmefällen die Magazine verlassen, ist indes abwegig.

Reichsarchivar Asbjørn Hellum hat die Forderungen nach einer Totaldigitalisierung als unrealisierbar zurückgewiesen, zumindest wenn es bei den bisherigen Mittelzuweisungen und Personalkapazitäten bliebe. Nachdem die von Robert Zimmermann bereits beschriebenen neuen Sicherheits- und Überwachungsregularien nicht auf Vorliebe stießen, kam dennoch die als naiv zu bezeichnende Idee, den Diebstahlschutz mithilfe des Dokumenten- und Buchscanners zu lösen, auf. Das Reichsarchiv sah hat nach dem Diebstahlskandal immer wieder die Frage “warum digitalisiert man nicht einfach die Sammlungen?” erhalten. Daher sah man sich zur Produktion eines kleinen Videos auf seinem YouTube-Kanal veranlasst, in dem man die Forderungen als Ausgangspunkt nahm, um die Digitalisierungsstrategien und -möglichkeiten des wichtigsten dänischen Archivs zu erläutern (leider wiederum nur auf Dänisch, aber es ist ganz hübsch anzusehen, wie der PR-Chef da durch das Magazin fährt!):

Der Chef für die Öffentlichkeits- und Vermittlungsarbeit Jeppe Bjørn geht hier auf die seit 20 Jahren währenden Bemühungen zur Bewahrung der Archivbestände durch Digitalisierung ein und meint, in der besten aller Welten würde man den Inhalt aller Aktenkartons mit dem Scanner einlesen, doch bei einer Zahl von drei Millionen solcher Kartons (die ja zudem ständig weiterwächst) stellt sich die Frage nicht. Dennoch setzt man seit längerem darauf, die auf Dänisch als “e-arkivalier” bezeichneten Quellen dem Publikum im Netz leicht zugänglich zu machen. Es gibt eine eigene Seiten für das digitale Material, unter arkivalieronline.dk finden sich über 18,85 Millionen Einzelbilder von den verschiedensten Akten. Stolz wird auf der Nachrichtenseite des Archivs über die Fortschritte bei der Arbeit an dieser Online-Quellenpräsenz berichtet.

Indes kann man nicht übersehen, dass eine so einfach klingende Forderung wie “digitalisiert die Archive!” (wie oben im ersten YouTube-Video) nicht nur die inhaltlichen, materiellen und monetären Probleme gewärtigen muss. Bei aller Offenheit für Neuerungen sind Archivarinnen und Archivare durch die umfassenden Änderungen ihres Arbeitsumfeldes stark gefordert. Viele Fragen, die sich der forschenden Benutzerseite stellen, stellen sich ihnen aus anderer Perspektive. Das Anforderungsprofil an den Archivarberuf ändert sich rasant und bringt bei allen Chancen auch Unsicherheiten mit sich. Auf einem dänischen Archivar-Gruppenblog werden diese Fragen aufgegriffen und offen auf Fragezeichen, die in Zusammenhang mit der Digitalisierungsdebatte auftauchen, eingegangen.

So viele Möglichkeiten die neuen Technologien also bieten – sie arbeiten nicht von selbst und der Umgang mit ihnen erfordert einiges an Umdenken und an Planung. Bei der Setzung der Prioritäten folgt man sicherlich gewissen Prämissen (nicht immer ist klar, welchen), doch werden diese aus der Sicht  vieler unbefriedigend sein oder unpassend gewählt sein. Angesichts der Masse an Quellenmaterial und der Menge an Fragestellungen wird man, etwas binsenweise gesprochen, nie allen gerecht werden. Aber die Frage ist: Wer oder was gibt letztendlich den Ausschlag bei der Benennung solcher Prioritäten?

Quelle: http://nordichistoryblog.hypotheses.org/1316

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Der Hype um das Internet, die digitale Welt und der ganze Rest #rkb13

Die Titelgrafik der RKB-Tagung basiert auf einem Design von Moma Propaganda, São Paolo. www.momapropaganda.com.br

 

Die RKB-Tagung in München ist gerade vorüber. Wer nicht dabei sein konnte, hatte via Twitter und über hypotheses.org die Möglichkeit “live” dabei zu sein und auf dem neuesten Stand zu bleiben. Nun freut es umso mehr, dass sich die Süddeutsche Zeitung ausgiebig mit dem Thema der Wissenschaftskommunikation befasst (Ausgabe 29 vom 4.2.2013, S. 9).

Exempli gratia ist der Publikationsprozess, samt vorgelagerter Erarbeitung von Informationen, wobei die Reduktion auf den Begriff “filtern” eher zu pauschalisierend ist, bis zur Thesenentwicklung und anschließendem Schreibprozess. Schlagwörter wie “Open Access” dürfen in diesem Zusammenhang nicht fehlen. Der Rückgriff auf die Infrastrukturen als Allheilsbringer der Geisteswissenschaften geht dann doch etwas weit. Hier werden wissensgenerierende Methoden zu stark mit dem Output der Wissenschaften verknüpft, mit dem Paper, mit dem Buch, mit der Online-Publikation. Denn auf einen solchen Output hinzuarbeiten, dürfte keinem Infrastrukturprojekt als Ziel dienen. Wenn dies so wäre, dann würden Infrastrukturen zu stark an einzelne Projekte und Forschungsvorhaben gebunden sein. Das dem nicht so ist, sollte klar werden, schaut man auf die heterogene Nutzerlandschaft, die gesamten Geisteswissenschaften.

Aber allein durch die Nutzung digitaler Tools wie Mendeley, Geobrowsern oder Visualisierungsumgebungen wie Gephi beginnt keine neue Epoche. Die Fragestellungen sind – ja, sie dürfen es auch explizit sein – die gleichen wie zuvor. Denn das bestätigen oder verwerfen alter Thesen ist ein guter Anfang um schließlich neue Fragestellungen zu entwickeln und diese auch an einer großen Masse an Daten überprüfen zu können. Erst an dieser Stelle kommt die Infrastruktur ins Spiel, deren Rolle zwar zentral ist, die aber den nach wie vor analogen Vorgang der Hypothesenbildung wenn überhaupt nur ein wenig unterstützen kann. Das bedeutet, dass das überaus kreative Vorgehen und Arbeiten in der Wissenschaft nach wie vor nicht von Maschinen ersetzt werden kann.

Der Spiegel schrieb im April 1957 im Zusammenhang mit Roberto Busas Corpus Thomisticus von “Text-Analyse durch Elektronen-Gehirne” (S. 62) und die innerkirchliche Diskussion – zu den vom Teufel persönlich entsandten Maschinen – blieb nicht aus. Vielleicht ist die aktuelle Diskussion davon nicht so weit weg. So klingt es zumindest etwas esoterisch, wenn vom “magischen [...] Vorsprung” durch Technik geschrieben wird; im SZ-Artikel und auch in den Tweets.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=1248

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#HistMonast oder: Über das Verschlagworten von Tweets

Für immer mehr Wissenschaftler ist das Twittern bereits Teil ihres Alltags geworden – ein Teil ihrer Kommunikation mit  Kollegen und/oder einer breiteren Öffentlichkeit. Zunehmend beteiligen sich auch Historiker und Kunsthistoriker daran; Mareike König hat dazu im letzten Jahr einen sehr lesenswerten Leitfaden für Historiker/innen verfasst. Auch zur Geschichte von Klöstern und Orden wird bereits von einigen Wissenschaftlern getwittert – und es werden immer mehr; darunter sind auch einige Autoren unseres Blogs. Einige haben sich nun neu angemeldet, einige hatten bereits einen Account und nutzen Twitter [...]

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/1336

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