Editionsprojekt zu thüringischen Leichenpredigten

Vor einigen Tagen ist AutoThür freigeschaltet worden. Es handelt sich dabei um eine digitale Edition autobiographischer Texte aus Thüringer Leichenpredigten, die in einem eigenen Portal von der Forschungsstelle für Personalschriften in Marburg präsentiert werden. Verantwortlich dafür zeichnet ein leistungsstarkes Team unter der Leitung von Eva-Maria Dickhaut. Gefördert wird das Projekt durch die Mainzer Akademie der Wissenschaften und der Literatur.

Das Editionsprojekt ist nicht speziell auf die Zeit des Dreißigjährigen Kriegs zugeschnitten. Aber viele Biographien berühren die Jahre und Jahrzehnte dieses Kriegs. Teilweise handelt es sich um Lebensläufe, die sich mitten im Krieg entfalten. Andere Biographien starten in der Kriegszeit und finden ihre Lebensmitte dann weit im späten 17. Jahrhundert. Gerade diese Beispiele erscheinen mir hochinteressant, weil es die Generation vorstellt, die durch die Kriegsjahre früh im Leben geprägt wurde und diesen Erfahrungshorizont in die Nachkriegsphase einbrachte. Von welcher Seite man es auch betrachten mag, wird dieses Projekt in vielen Fällen auch für die Forschung des Dreißigjährigen Kriegs von Belang sein.

Die Edition bietet das Digitalisat der gedruckten Leichenpredigt inklusive einer Transkription. Die naheliegende Frage steht im Raum: Braucht man letzteres? Nun ist die Qualität der Vorlagen so gut, daß dies nicht der hinreichende Grund ist. Allerdings zeigt die Erfahrung im universitären Unterricht, daß frühneuzeitliche Drucke mit ihrem Schriftbild mitunter erhebliche Probleme bereiten. Nicht daß man diesen Schwierigkeiten immer aus dem Weg gehen muß. Aber um inhaltlich Boden gut zu machen und rascher zur inhaltlichen Analyse zu kommen, ist es schon praktisch, eine Umschrift zu haben. Vor allem aber bietet die Transkription die Möglichkeiten, den Text auszuzeichnen. Hier sind vor allem Personen- und Ortsnamen getaggt worden. Erstere verweisen auf die GND, letztere werden in einer Landkarte identifiziert. Auf einer Karte werden im weiteren auch die verschiedenen Lebensstationen einer jeden Biographie veranschaulicht; ein Personennetzwerk, aufgeschlüsselt nach den Kategorien Familie, Ausbildung, Beruf und Sonstiges zeichnet die soziale Verortung nach, während eine Zeitleiste die einzelnen biographischen Stationen vermerkt.

Was fehlt, ist eine weitergehende inhaltliche Kommentierung sowie eine zusammenhängende Kontextualisierung, etwa im Rahmen einer Einleitung. Nun geht dies streng genommen über den Rahmen einer Edition hinaus, und sicher erfordert dies besonders aufwendige Recherchen, zumal die in den Leichenpredigten Genannten historisch nicht unbedingt zu den prominenten Persönlichkeiten zählen, die über weitere Literatur rasch zu ermitteln sein dürften. Gleichwohl wird erst eine solche Arbeit erkennen lassen, wie wichtig und wie aussagekräftig diese Quellen sind. Daß hier ein durchaus lohnenswerter Ertrag zu erhoffen ist, hat die Arbeitsgruppe auch schon gezeigt, indem sie schon vorher im Rahmen einer monatlichen Artikelserie „Leben in Leichenpredigten“ beispielhafte Interpretationen vorstellte.

Wichtig ist aber, daß jetzt neben den vielen anderen Datenbanken, in denen die Arbeitsstelle vor allem verschiedene Kataloge, Verzeichnisse und einschlägige Literatur aufbereitet, auch Leichenpredigten selbst im Volltext ediert werden. Den Marburgern ist viel Schwung zu wünschen, daß sie nun die Edition weiter vorantreiben. Genauso wünschenswert ist aber auch eine noch stärkere Anbindung dieses Projekts an die Forschung, damit umso deutlicher wird, welchen Stellenwert Leichenpredigten im Rahmen der frühneuzeitlicher Geschichte eingenommen haben.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/263

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Die Generalstaaten im Dreißigjährigen Krieg: eine vergessene Geschichte

Die Geschichtsschreibung ist an der Stelle sehr entschieden: Krieg führten der Kaiser und seine Verbündeten gegen die Pfälzer, Dänen, Schweden, Franzosen. Nur mit den Generalstaaten (in den Quellen meist „Staaten“ oder wie heut noch einfach und fälschlich „Holländer“ genannt) gab es so gut wie keine Berührungspunkte. So weit, so falsch. Denn es gibt immer wieder Hinweise darauf, daß niederländische Soldaten in großer Anzahl und keineswegs ‘zufällig’ im Reich agierten.

Gerade am Niederrhein gab es zahlreiche Basen für niederländische Einheiten, und diese Region war ohnehin der Bereich, in dem sich der Achtzigjährige und der Dreißigjährige Krieg überlappten. Die Operationen „staatischer“ Einheiten richteten sich aber nicht nur gegen spanische Stützpunkte, sondern griffen weit ins Reichsgebiet aus – ein Umstand, den die Forschung bislang vernachlässigt hat. Dabei ist durchaus bekannt, daß viele Reichsfürsten, zumal die katholischen, sich sehr davor scheuten, in das „niederländische Wesen“ verstrickt zu werden: Der Krieg im Reich sollte sich auf keinen Fall mit dem Kampf der Generalstaaten gegen die Spanier vermischen. Diese politische Doktrin ist in der Forschung weithin bekannt und mag ein wichtiger Grund dafür sein, daß dieses Thema bislang nicht in entsprechender Weise gewürdigt worden ist.

Ich selbst habe vor einigen Jahren dieses Thema von kurkölnischer Warte aus berührt (Der Krieg in der „Wetterecke der europäischen Politik“: Kurköln und die Kriegführung der Liga unter dem Feldherrn Tilly (1621-1630), in: Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins 98 (1997/98), S. 29-66). Mittlerweile aber sehe ich die Dimension generalstaatischer Aktivitäten differenzierter und auch deutlich vielfältiger als zunächst angenommen. Nun strebe ich gar nicht an, die Generalstaaten gleichsam als offizielle Kriegspartei in diesen Konflikt einzuführen. Aber es gab deutliche Verstrickungen. Nur hat man deswegen kein großes Aufheben darum gemacht; gerade die betroffenen Landesobrigkeiten hielten es offenbar für nicht opportun, dieses Thema oben auf die Agenda zu setzen. Dasselbe gilt auch für die Generalstaaten selbst.

Und so wurde diese Problematik auch in der Aktenüberlieferung zwar nicht verschwiegen, doch deutlich zurückgedrängt. Nun ist es, wie ich finde, an der Zeit, diese vergessene Geschichte prononcierter, als bislang geschehen, zu bearbeiten. Im September findet in Bonn eine Tagung zum Thema „Krieg und Kriegserfahrung am Rhein. Der Westen des Reiches im langen 17. Jahrhundert (1568-1714)“ statt, auf der ich mich zum Thema Generalstaaten äußern werde. Erschöpft ist dieser Themenkomplex damit jedoch noch lange nicht. Weiteren Aspekten werde ich mich auch künftig verstärkt zuwenden.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/229

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Pommersche Gravamina, Teil VI – politische Destabilisierung

Ein letztes Mal zu der Flugschrift, in der die Gesandtschaft des Herzogtums Pommern auf dem Regensburger Kurfürstentag auf die unerträglichen Zustände in ihrem Land hinwies. Jenseits der Gravamina über die Ausschreitungen der in Pommern einquartierten Truppen ist ein Aspekt festzuhalten, der meist unausgesprochen mitschwingt, in wenigen Passagen dieser Beschwerdeschrift dann auch explizit benannt wird. So heißt es an einer Stelle: „Vnd lassen sich zum 30. theils der Officirer noch wol verlauten / daß sie / vnd nicht der Landsfürst vber die Vnterthanen im Lande zu gebiethen haben.“ (S. 9, Nr. 30) Was hier formuliert wird, ist nichts weniger als der Anspruch des Militärs, die landesherrliche Souveränität völlig an die Seite zu drücken und die obrigkeitlichen Kompetenzen für sich selbst zu reklamieren.

An der Machtlosigkeit des Herzogs von Pommern war gar nicht zu zweifeln. Wer konnte der kaiserlichen Armee widerstehen, die in den vergangenen Jahren jeden Gegner im Feld besiegt hatte (die unglückliche Belagerung vor Stralsund lassen wir hier mal außen vor) und allein durch ihre schiere Masse jeden Widerstand zu erdrücken schien? Am Ende der Flugschrift findet sich eine Beilage, die ein Verzeichnis der in Pommern stationierten Truppen enthält: Dort ist von 19 Regimentern Infanterie und Kavallerie mit insgesamt 163 Kompagnien die Rede. Natürlich waren dies erst einmal Einheiten, über deren Ist-Stärke kaum Klarheit zu erzielen war. Doch auch wenn Abgänge durch Krankheit und Desertion die Truppenstärke reduziert hatte, blieb eine gewaltige Militärmacht im Lande. Auch dies gehörte zum Prinzip Wallensteinscher Kriegführung: Es wurden so viele Einheiten in ein Territorium gelegt, daß Widerstand zwecklos war – und mit der militärischen Dominanz ließen sich auch politische Ziele erreichen.

Pommern selbst befand sich in einer besonders schwierigen Situation. Herzog Bogislaw XIV. war der letzte Vertreter des Greifenhauses, seine Ehe kinderlos: Das Herzogtum stand also vor einer offenen Nachfolge, und die Prätendenten begannen bereits, sich in Position zu bringen – kein Wunder, war das Territorium an der Ostseeküste mitsamt der Odermündung auch von besonderem strategischen Wert: für den südlichen Nachbarn Brandenburg, für das von einem dominium maris Baltici träumende Schweden wie auch für eine kaiserliche Politik, die ihren Feldherrn zum „Admiral der baltischen und ozeanischen Meere“ bestimmte. Angesichts dieser Machtinteressen war Wallensteins Urteil über Bogislaw fatal: Der Herzog von Pommern sei ein einfältiger Herr, ja einen armen Tropf nannte er ihn ein anderes Mal (Golo Mann, S. 361).

So besehen erschien die massive Truppenpräsenz des kaiserlichen Heeres in Pommern durchaus sinnvoll. Und doch wird man über den speziellen Fall Pommerns hinaus sehen müssen, daß es viele Maßnahmen gab, die unabhängig von einem übergeordneten Machtkalkül das Herzogtum erschütterten: Wenn kaiserliche Offiziere Zölle erhoben und neue Zölle einführten, den pommerschen Untertanen eigene Pässe ausstellten und über sie auch „in causis ciuilibus“ Gerichtsurteile verhängten (S. 9 f., Nr. 27, 30-32) – von den Eingriffen in die konfessionellen Verhältnisse des Landes gar nicht zu reden (vgl. Pommersche Gravamina, Teil II) –, dann wird deutlich, daß eine Einquartierung immer auch eine potentielle politische Destabilisierung bedeutete. Jede Landesobrigkeit sah sich nun einer konkurrierenden Herrschaftsinstanz gegenüber, die die Macht hatte, die landesherrliche Souveränität auszuhöhlen und Kompetenzen an sich zu ziehen.

Wenn also Feldmarschall Torquato Conti, der Kommandeur über die kaiserlichen Truppen in Pommern, von einer pommerschen Delegation ultimativ die Zahlung der Ausstände für seine Truppen forderte, und „solten sie sich auch biß auffs Hembde außziehen müssen“ (so wurde er in der Flugschrift zitiert: S. 16), so war dies nicht nur eine brüske Drohung, sondern auch der klare Verweis darauf, daß der Herzog in diesem Land nicht mehr viel zu sagen hatte.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/159

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Latein in der Feldkorrespondenz

„Mitunter kamen die lateinischen Weisheiten ihm bequem.“ So Golo Mann in seiner Wallenstein-Biographie über den Protagonisten (S. 408). Und tatsächlich findet man über das gesamte Werk verteilt immer wieder Zitate aus der Korrespondenz des Feldherrn, in der entsprechende Sentenzen auftauchen. „Amor et dominium non patitur socium“, räsonnierte Wallenstein über die damaligen Machtkonstellationen, besonders mit Blick auf Schweden. „Fronte capillata est, post haec occasio calva“ war sein warnender Satz an die Vertreter Stralsunds, den Widerstand gegen die kaiserliche Belagerungsarmee nicht mehr allzu lange aufrecht zu halten. Was ist nun mit diesen lateinischen Sprüchen anzufangen?

Für den Biographen Mann bietet es zunächst die Möglichkeit, eine weitere Facette der Persönlichkeit Wallensteins zu beleuchten. Der oft als dämonisch, kalt und berechnend dargestellte Feldherr hatte eben auch seine Schrullen, und dazu gehörte offenbar die Eigenheit, den alltäglichen Schriftverkehr mit ein wenig Bildungssubstrat zu unterfüttern. Wallenstein hatte, wie es sich für einen Adligen gehörte, ein wenig studiert und auch eine Cavalierstour absolviert, die ihn bis Italien geführt hatte. Gleichwohl wird man ihm sicher nicht gerecht, wollte man in dieser Manier nur ein Protzen mit angelernten lateinischen Sprüchen sehen. Natürlich war er im Kreise der Reichsfürsten ein Emporkömmling, doch seine Akzeptanz konnte und wollte er mit diesen Latinismen nicht erhöhen. Vielmehr tat der Herzog von Friedland das, was allgemein verbreitet war: Lateinische Einsprengsel finden sich in der Korrespondenz des 17. Jahrhunderts allenthalben.

Daß die Kanzleien dieser Zeit längst von Schreibern bevölkert waren, die eine solide Ausbildung genossen hatten, dabei nicht nur in der klassischen Literatur bewandert waren, sondern auch Latein als Idiom der Gelehrten beherrschten, ist keine Neuigkeit. Hier fällt aber auf, daß auch im Schriftverkehr der Militärs lateinische Sentenzen häufig auftauchten. Natürlich waren die Offiziere ganz überwiegend Herren von Stand, und viele von ihnen hatten ähnlich wie Wallenstein eine gewisse Bildung genossen. Doch die Feldkorrespondenz, die im Alltag des Kriegs entstand und ihn reflektierte, bot kaum Anlaß für geistige Feinsinnigkeiten. Das hinderte die Offiziere nicht, in ihren Schriftstücken immer wieder lateinische Versatzstücke einzuflechten. Dies gilt auch für einen Kommandeur wie Pappenheim, dessen Bild in der Literatur vor allem das des draufgängerischen Kavalleristen ist. (Vor einiger Zeit hab ich einmal die andere, gelehrte Seite Pappenheims nachzuzeichnen versucht.)

Über diese gelehrten Anflüge einiger Militärs hinaus ist aber auch zu beobachten, wie sehr die Briefschaften in diesen Jahren von lateinischen Ausdrücken und Halbsätzen geprägt waren. Für Philologen und Germanisten nicht überraschend, doch frage ich mich, inwieweit nicht auch Historiker aus dieser Beobachtung Erkenntnisse ableiten können. Lassen sich bestimmte Wendungen häufig erkennen? Aus welchen literarischen oder lexikalischen Bereichen sind diese Latinismen entnommen: vor allem aus der Jurisprudenz, der Theologie, der Geschichtsschreibung oder auch der Dichtung? Und gibt es bestimmte thematische Kontexte, in denen derartige Versatzstücke auftauchen? Mir selbst sind keine Arbeiten dazu bekannt (vielleicht habe ich Forschungen übersehen?), aber mir erscheint die Mühe lohnenswert, Untersuchungen in dieser Richtung voranzutreiben.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/142

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Pommersche Gravamina, Teil V – Menschenfresserei

Nr. 52 der Pommerschen Gravamina: Aufgrund der rigorosen Eintreibung von Kriegssteuern durch die Besatzer verlieren die Menschen im Land ihre Lebensgrundlagen; allenthalben breitet sich Hunger aus. Man behilft sich damit, junge Triebe und Knospen von den Bäumen zu ernten, manche essen „wie das Viehe“ Gras, ja manche werden mit Gras im Mund verhungert aufgefunden. Die Not treibt die Menschen sogar dazu, sich vom Fleisch der Toten zu sättigen, und einige haben sogar „jhr eygenen Eltern Fleisch gefressen“. Vor zwei Monaten, so der Bericht in dieser Flugschrift, habe „ein Weib jr Kind schlachten / selbiges kochen / vnd sich also deß Hungers erwehren wollen“.

Mit diesem Passus ist in der Schilderung der Exzesse seitens der kaiserlichen Söldner und der Not, die die Bevölkerung erleiden mußte, ein Höhepunkt erreicht. Schon auf dem Titelblatt findet sich die Formulierung, „wie gantz Tyrannisch / Vnchristlich vnd Barbarisch“ das Militär sich verhalten habe, und am Ende der Gravamina wird das Verhalten der kaiserlichen Truppen derart bewertet, „daß es auch Tartarn vnnd Türcken nicht so gar arg gemacht haben würden“ (S. 15). Die Wortwahl macht bereits deutlich, daß in den Augen der pommerschen Gesandtschaft die Militärs nicht einfach nur über die Stränge geschlagen haben, sondern daß sie alle verbindlichen Normen verletzt und Greuel verübt haben, wie sie allenfalls in der Welt der Barbaren üblich sein konnten (siehe zu dieser Thematik auch meinen Aufsatz im Sammelband Kriegsgreuel). Die Folgen dieser Exzesse münden in einer Hungersnot, die die Menschen immer mehr verzweifeln läßt und zu immer radikaleren Mitteln der Sättigung antreibt, wobei die „vnnatürlichen Speisen“ von Knospen und Gräsern bis zum Fleisch der Toten und dann der getöteten eigenen Kinder reicht.

Deutlich sichtbar wird hier in der Darstellung die dramaturgisch aufgebaute Klimax. Vor einigen Jahren hat Daniel Fulda Anthropophagieberichte aus dem Dreißigjährigen Krieg dahingehend gedeutet, daß sie auch dazu dienten, das nicht für möglich gehaltene Ausmaß von Gewalt und Exzeß zu beschreiben, das eben auch jede göttliche Ordnung verletzt (im Sammelband Ein Schauplatz herber Angst, 1997). Dabei arbeitet er auch die „ästhetische Faszination“ dieses Tabus heraus und auch die rhetorische Technik in der Darstellung, deren Steigerungsprinzip sich genau in dieser Form auch in der pommerschen Schilderung wiederfinden läßt.

Mit diesem Ansatz wird natürlich in keiner Weise darüber entschieden, ob die Schilderung der pommerschen Verhältnisse übertrieben oder gar völlig fiktiv ist (was auch D. Fulda nicht behauptet). Letztlich läßt sich dies nicht beweisen – aber eben auch nicht abstreiten, und die Not der Menschen in diesen Zeiten mag tatsächlich auch Fälle von Kannibalismus befördert haben. Wichtig bleibt aber doch zu sehen, daß die Schilderungen in diesen Beschwerden nicht einfach nur berichteten, wie es war, sondern durchaus einer spezifischen Rhetorik folgten, einer Rhetorik zumal, die als solche auch identifiziert und verstanden werden wollte, eben um das schier unermeßliche Elend in Worte zu kleiden, das die Menschen damals in Pommern erlitten.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/157

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Kriegserklärungen im 17. Jahrhundert

Irgendwie fing der Krieg an und breitete sich immer weiter aus. Zwar gilt der berühmte Fenstersturz von 1618 in Prag als Auslöser für die Konflikte, die wir dann unter dem Begriff des Dreißigjährigen Kriegs zusammenfassen. Doch einen „regulären“ Beginn des Kriegs, will heißen: eine eigentliche Kriegserklärung, gab es nicht, konnte es angesichts der Konfliktparteien und unterschiedlichen Interventionsmuster mit ihren jeweiligen Legitimationsstrategien auch nicht so einfach geben. Nun hat vor einigen Jahren Bernd Klesmann zum Problem der Kriegserklärungen eine Studie vorgelegt.

Unter dem Titel „Bellum solemne“ untersucht er in seinem Buch Kriegserklärungen im 17. Jahrhundert. Das Augenmerk der Untersuchung liegt dabei auf den Jahrzehnten nach dem Dreißigjährigen Krieg; vor allem die ludovizianischen Kriege stehen im Mittelpunkt. Dazu geht Klesmann auch auf das Phänomen der Reichsacht ein, ein zentrales Instrument der Reichsgerichtsbarkeit bei reichsinternen Konflikten, das bekanntermaßen gerade in der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs von großer Bedeutung war. Und auch den Weg in den Dreißigjährigen Krieg, wie er sich seit 1618 entwickelte, zeichnet er nach (138 ff.). Ansonsten gibt es noch mit der französischen Kriegserklärung aus dem Jahr 1635 einen Fall, der sich auf die Zeit des Dreißigjährigen Kriegs bezieht. Doch ist dies alles nicht ein bißchen wenig für einen Beitrag im Rahmen des dk-blogs?

Wenn man tatsächlich allein die Seiten zusammenzählt, die strikt auf Phänomene aus der Zeit zwischen 1618 und 1648 bezogen sind, mag man enttäuscht sein. Doch dies erscheint mir zu bösartig, und vor allem wird man der Anlage des Buches nicht gerecht. Denn es ist eben charakteristisch für diese Studie, daß sie weder erst um 1618 beginnt noch – was ohnehin viel häufiger passiert – mit dem Stichjahr 1648 aufhört. Vielmehr umfaßt Klesmanns Ansatz das gesamte Jahrhundert und führt argumentative Linien über mehrere Jahrzehnte zusammen. Das Buch bringt einen dazu, diesen zeitlich erweiterten Kontext ernst zu nehmen und – aus der Sicht des am Dreißigjährigen Krieg Interessierten – eben auch die Entwicklung der späteren Jahrzehnte einzubeziehen. Genau in diesem Ansatz, die Zäsur von 1648 zu ignorieren, liegt auch ein Gewinn in dieser Studie.

Darüber hinaus können manche Interpretationen, die an Beispielen der zweiten Jahrhunderthälfte ausgeführt werden, sicherlich auch auf Verhältnisse in der Phase des Dreißigjährigen Kriegs angewendet werden. So dürften sich Stichworte wie die „Ehre des Staates“ und Formen der Ritualisierung in diesen Konfliktverläufen (S. 273 ff.) genauso wie Aspekte der rhetorischen Gestaltung (3. Kapitel) anhand von Material aus früheren Jahrzehnten exemplifizieren lassen. Um den Gedanken abschließend noch einmal aufzugreifen: Die magische Schwelle von 1648 zu überschreiten und die weitere Entwicklung miteinzubeziehen, kann man bei Bernd Klesmann lernen. Und wer sich dann noch für die davorliegende Entwicklung interessiert, kann nun auf die jüngst erschienene Habilitationsschrift von Anuschka Tischer zurückgreifen („Offizielle Kriegsbegründungen in der Frühen Neuzeit: Herrscherkommunikation in Europa zwischen Souveränität und korporativem Selbstverständnis“).

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/225

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Pommersche Gravamina, Teil IV – Kommunikationsprobleme

Ein weiteres Mal zu der Flugschrift, in der die pommersche Gesandtschaft ihre Beschwerden auf dem Regensburger Kurfürstentag schriftlich fixiert hatte. An dieser Stelle möchte ich aus der Masse der vorgetragenen Ausschreitungen, die das Land infolge der Quartiernahme durch Wallensteins Truppen zu ertragen hatte, einen Punkt herausgreifen. Das Gravamen Nr. 43 erwähnt, daß das Oberkommando über die einquartierten Truppen „nun ein geraume Zeit her frembden vnd außländischen Personen“ anvertraut worden sei. Nun sei es aber schwierig, in Pommern jemanden zu finden, der der italienischen Sprache mächtig sei, und so könne man die Beschwerden nicht wirklich vorbringen.

Nicht explizit genannt, aber gemeint war hier Torquato Conti, der als Feldmarschall das Oberkommando innehatte. Er war Italiener, und sicherlich waren auch weitere Offiziere in seinem engeren Umfeld Italiener. Für die kaiserliche Armee war dies nicht ungewöhnlich, wie die Karrieren von Piccolomini, Gallas und Montecuccoli zeigen. Ob Conti nur Italienisch konnte und nicht auch zumindest ein wenig Deutsch verstand, sei an der Stelle einmal dahingestellt. (Natürlich gab es in seiner Feldkanzlei Sekretäre, die den Schriftverkehr auf Deutsch erledigten; am Ende der Flugschrift ist ja ein solches Schreiben von Conti mitabgedruckt.) Das pommersche Gravamen verweist jedoch auf den Umstand, daß der Krieg Angehörige vieler europäischer Nationen ins Reich brachte – und damit die direkte Verständigung nicht nur unter den Militärs, sondern eben auch zwischen fremdsprachigen Militärs und der einheimischen Bevölkerung schwierig wurde.

Tatsächlich gibt es vielfache (Selbst-)Zeugnisse, in denen man sich über die fremdartigen Nationen wunderte. Dies betraf Italiener, Spanier und Franzosen genauso wie Iren, Engländer und Schotten und nicht zuletzt die als sehr fremdartig wahrgenommenen Finnen und Lappländer; hinzu kamen auch „Croaten“ und „Pollacken“, wobei diese Begriffe nicht nur eine Volkszugehörigkeit, sondern vielfach auch die Waffengattung der leichten Reiterei bezeichneten. Dieses Aufeinandertreffen war nicht zwangsläufig von Konflikten geprägt, aber wie die pommersche Flugschrift verdeutlicht, konnte es doch Kommunikationsstörungen geben, die den Umgang miteinander deutlich erschwerten.

Gerade die Situation, in der Vertreter einer Landschaft ihre Suppliken vor einem Kommandeur vortragen wollten und merkten, daß sie mit ihrer geübten Rhetorik einfach aufgrund der Sprachbarriere nicht weiterkamen und die üblichen Mechanismen von Supplik und Gnadenerweis nicht mehr greifen konnten, läßt erkennen, wie hilflos und ausgeliefert man sich womöglich den Militärs gegenüber empfand. Daß diese Hilflosigkeit in der Sprachlosigkeit begründet war, zeigt im Weiteren, wie gefährlich diese Konstellation war: Wenn man gar nicht mehr miteinander reden konnte und die Kommunikation in einem totalen Desaster endete, war der Schritt von der Sprachlosigkeit hin zur Sprache der Gewalt nicht mehr weit. Dies ist der Kern des Problems, der in Gravamen Nr. 43 angesprochen wird.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/155

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Pommersche Gravamina, Teil III – Profitmaximierung

In der Flugschrift der pommerschen Kriegs-Gravamina von 1630 wird das ganze Panoptikum der Schrecken ausgebreitet, die sich infolge der Einquartierung ergaben. Neben den Exzessen, die die Söldner verübten, werden aber auch Mechanismen deutlich, wie das Militär in diesem Krieg Gewinn machte. Daß Männer sich dafür entschieden, in den Krieg zu ziehen, hatte viel weniger etwas mit Patriotismus oder dem Kampf für die eigene Konfession zu tun; viel mehr spielte das Streben nach Gewinn eine Rolle. Das gilt für den einfachen Söldner genauso wie für den Adligen, der als Offizier diente. Wie ließen sich aber in einem Feldzug Profite erzielen, die den Weg in den Krieg attraktiv erscheinen ließen?

Mehr Geld konnten die Militärs bekommen, indem sie sich einfach über die Kontributionsordonanz hinwegsetzten. So war festgelegt, daß die Gage, die dem Oberst zustand, auch den Anteil enthält, der für die Hauptleute festgeschrieben war (S. 4, Nr. 5). Allerdings hat kein Oberst, Oberstleutnant oder Oberstwachtmeister jemals von seiner Gage einen Hauptmann bezahlt – für diesen mußten eigens Mittel aufgebracht werden, und der Oberst behielt den Hauptmannsanteil für sich. Ähnliches war bei der Bezahlung für den Stab vorgesehen, der aus dem Quantum für die Kompagnie genommen werden sollte. Doch auch dies funktionierte nicht, die Mittel für den Stab mußten extra bezahlt werden (ebd.). Und schließlich wurden die Kompagnien, „wann sie schon nit complet seyn / dannoch vor complet“ bezahlt. Auch wenn die Artillerie gar nicht vorhanden war, mußten für Artillerie Kriegssteuern aufgebracht werden (ebd.).

War dies noch eine plumpe Trickserei bei der Abrechnung der Kontributionen, eröffnete die Eintreibung dieser Kriegskontributionen weitere Möglichkeiten. Laut Gravamen Nr. 7 kam es vor, daß ganze Trupps von Soldaten, „ja wol gantze Compagnien“ ausgeschickt wurden, die „einen geringen Rest / von 1. 2. oder 3. Thalern“ an Kriegssteuern eintreiben sollten (S. 4). Man kann sich leicht vorstellen, daß bei solchen Aktionen die tatsächlichen Ausstände nur den Vorwand boten, um deutlich höhere Werte einzukassieren. Daß diese Verfahren auch nicht ohne Zwang und Gewalt abliefen, machen andere Gravamina deutlich: Dann konnte die Eintreibung der Kontributionen oftmals in reine Plünderungen ausarten, so daß die Salvaguardien, die womöglich von der eigenen Armee ausgestellt worden waren, erst recht nur noch ein Stück Papier waren.

Es ging also nicht immer nur um die großen Kriegsunternehmer, die ganze Regimenter und Armeen für einen Kriegsherrn vorfinanzierten und unterhielten. Auch schon für die unteren Offiziersränge bis hin zu den einfachen Söldnern boten sich hinreichend Gelegenheiten, Profite zu generieren und den Krieg zu einem guten Geschäft zu machen. Daß er vielfach zu derartigen Praktiken gezwungen wurde, weil die regulären Soldzahlungen oftmals monatelang nicht erfolgten, steht auf einem anderen Blatt.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/153

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Der Soldat: Schutz oder Übel? Eine Etymologie

“miles dicitur a malo arcendo. ergo hodierni non sunt milites, quia omne malum adferunt.” – Eigentlich erwartet man von den Soldaten, daß sie für den Schutz der Bevölkerung sorgen und Unheil abwehren. Doch in diesen Zeiten ist alles anders, denn nun es ist das Militär, das allem Übel Tür und Tor öffnet. Daher kann man eigentlich nicht mehr von Soldaten sprechen, weil ihr Handeln dem Verständnis des Wortes widerspricht.

Der oben zitierte Satz stammt von Georg Mengershausen, einem Ratsherrn und Steuereinnehmer der Stadt Göttingen im 17. Jahrhundert. Er hat ein umfangreiches Tagebuch hinterlassen, in dem er weniger das eigene Leben als vielmehr die Ereignisse seiner Zeit, so wie sie ihm vorkamen, aufgeschrieben hat – ein faszinierendes Zeitzeugnis (StA Göttingen, AB III 5). Dem zweiten Band (von vieren insgesamt) hat er die eingangs zitierte Sentenz vorneweg gestellt, gleichsam ein Motto für das, was in diesen Jahren passierte. Dieser Band des Diariums setzt im April des Jahres 1631 ein und reicht bis zum Dezember desselben Jahres; in dieser Zeit kam es nicht nur zur Zerstörung Magdeburgs, sondern auch in Göttingen erlebte man hautnah, was die Präsenz von Militär für Beschwernisse mit sich brachte – eine Erfahrung allerdings, die den Erlebnishorizont der vergangenen Jahre erweiterte, als man schon einmal eine Besatzung von Soldaten der Ligaarmee in den Mauern der Stadt hatte.

Ob Mengershausen sich wirklich für die Etymologie des Wortes miles interessiert hat, bleibt fraglich. Ihm ging es wohl eher um die Pointe in diesem Sinnspruch, durch die letztlich das Verkehrte-Welt-Motiv variiert wird – statt zu beschützen, bringt das Militär nur Unheil. Eine Erkenntnis, die womöglich das Zeitgefühl und die Wahrnehmung der eigenen Lebenswirklichkeit widerspiegelt.

Offen bleibt, woher Mengershausen diese Sentenz und diese Etymologie kennt. Im Diarium ist zwar ein Hinweis gegeben, dessen Abkürzungen allerdings für mich kaum lesbar und daher auch nicht zu identifizieren waren. Weitere Nachweise sind nur äußerst spärlich. Ich habe eine Stelle im „Speculum vitae humanae“ (zuerst 1468) von Rodericus Sancius de Arevalo / Rodericus Zamorensis nachweisen können. Aber darauf bezieht sich Mengershausen offenbar nicht. Auch gibt es in Spinozas „Tractatus theologico-Politicus de officiis hominum circa ius naturae“, Lund 1685, eine Referenz, doch auf dieses spätere Werk kann sich der Göttinger natürlich nicht berufen haben. Die großartige Sammlung der “Proverbia sententiaeque Latinitatis medii ac recentioris aevi” von Hans Walther hat mir in dem Fall nicht weitergeholfen.

Wenn jemand aber eine Idee hat oder einen weiteren Nachweis kennt, wäre ich für einen Hinweis dankbar. Denn daß allein das „Speculum vitae humanae“ als Ursprung dieser Etymologie in Frage kommen soll, will mir nicht ganz einleuchten. Die Ableitung „miles a malo arcendo“ ist übrigens nicht haltbar, wobei die sprachgeschichtliche Wurzel des Wortes miles ohnehin nicht geklärt ist (vgl. Walde / Hofmann: Lateinisches etymologisches Wörterbuch, Heidelberg 1938, S. 87).

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/165

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Rheinische Klöster im Dreißigjährigen Krieg

Soeben ist der zweite Band des Nordrheinischen Klosterbuchs ist erschienen; vor einigen Wochen hatte ich bereits auf die Kapuziner in der Schenkenschanz hingewiesen. Das vorliegende Lexikon behandelt die kirchlichen Einrichtungen in der Vormoderne, alphabetisch organisiert von Düsseldorf bis Kleve, und bietet einen kursorischen Überblick über Schicksale dieser kirchlichen Institute. Dieses Werk stellt auch für alle, die sich mit dem Dreißigjährigen Krieg beschäftigen, höchst aufschlußreiche Befunde vor. Denn Kriegszeiten konnten immer auch einen bedeutenden Einschnitt in der Geschichte eines Klosters bedeuten, was nicht überrascht, da Konvente, Klöster und Stifte attraktiv waren für jede Truppe, die Unterkunft suchte und Versorgung benötigte; ein Beispiel bietet das 1640 von Truppen Hessen-Kassels besetzte Kalkar (S. 589, 2.1.4).

Erwartet habe ich die übliche Geschichte von harten Kriegskontributionen, von Plünderungen und Zerstörungen und ebenso von konfessionspolitischen Eingriffen. Tatsächlich gibt es auch eine Reihe von Einrichtungen, denen genau dieses Schicksal widerfahren ist. Das Chorherrenstift St. Maria in Goch erlebte immer wieder Verwüstungen, so daß auch die Chorherren zeitweise ausweichen mußten (S. 406), ähnlich schwierig waren die Geschicke der Kartäuser in Jülich (S. 549) und erst recht diejenige des Kanonissenstifts in Essen-Rellinghausen (S. 321 f.). Einigermaßen glimpflich verlief die Geschichte des Kollegiatstifts Kleve, doch auch hier waren Einbußen und Rückschläge nicht zu vermeiden (S. 694). Somit passen diese Befunde durchaus in das allgemeine Narrativ vom Niedergang einer einstmals prosperierenden rheinischen Landschaft, die durch jahrzehntelange kriegerische Auseinandersetzungen derartige Einbußen hatte hinnehmen müssen, daß die Konsolidierung erst wieder im 18. Jahrhundert gelang – wenn überhaupt, denn für viele Städte leitete das 17. Jahrhundert eine Phase des Niedergangs ein, die erst durch die Industrialisierung im 19. Jahrhundert überwunden werden konnte.

Auffällig ist jedoch, daß das Narrativ vom Niedergang einige Male durchbrochen wird. So gab es eine Reihe von Klöstern, die allem Anschein nach gut durch die Krisenjahrzehnte kamen und diese offenbar ohne große Verluste überstanden. Die Geschichte des Klosters in Hamminkeln verlief in „gewohnten beschaulichen Bahnen“ (S. 450), und ähnlich unbehelligt von Kriegsereignissen kamen die Kapuziner in Essen durch diese Jahrzehnte (S. 293). Andere Beispiele zeigen sogar, daß die Zeit des Dreißigjährigen Kriegs eine Phase war, in der Neugründungen unternommen wurden, die sich durchaus behaupten konnten: Bot die Krisensituation dieser Zeit mitunter auch Chancen? Beispielsweise wurde 1625 in Emmerich eine Sodalität der Devotessen gegründet (S. 206 f.), was nicht nur aufgrund des Zeitpunkts inmitten des Kriegs auffällt, sondern auch eben durch den Standort: In Emmerich lag eine Garnison der Generalstaaten, die im Herzogtum Kleve ohnehin einige starke Stützpunkte unterhielten und diese Militärmacht auch konfessionspolitisch einzusetzen verstanden. Dies bekam der Konvent der Fraterherren in Emmerich zu spüren (S. 211) und ebenso die Jesuiten (S. 221 f.), aber eben nicht die Devotessen. Erfolgreich waren ebenfalls die Franziskaner im Jahr 1624 in Kempen (S. 636), und ebenso glückte ihnen die Gründung eines Konvents direkt nach Kriegsende in Erftstadt-Lechenich (S. 263).

Weitergehende Interpretationen will ich an dieser Stelle gar nicht verfolgen; doch aufschlußreich scheint mir schon zu sein, daß die Befunde wie so oft ein differenzierteres Bild ergeben als zunächst erwartet. Anregungen, sich weiter mit dieser Thematik (und natürlich anderen Aspekten) zu beschäftigen, bietet dieses Lexikon allemal.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/167

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