Es lebt sich so schön fremdbestimmt

malewitsch-suprematismusEin Beitrag zur Blogparade „Human Resources / Fremd- Selbstbestimmung in unserer Arbeitswelt“ des Lenbachhauses.

Leben Sie selbstbestimmt? Oder würden Sie Ihr Leben und Arbeiten als fremdbestimmt bezeichnen?

Für alle, die Selbstbestimmung für sich in Anspruch nehmen, wage ich zu behaupten, dass ihr Leben und ihre Arbeit zu einem unvermutet großen Teil fremdbestimmt sind. Wie das?

Thomas Sattelberger, Arbeitsexperte, sagt in einem sehr aufschlussreichen und sehr lesenswerten Interview: „Wenn heutzutage über Mitarbeiter in Unternehmen geredet wird, wird immer noch von „Personalkörper“ gesprochen, von „Belegschaften“ oder „Beschäftigten“, allesamt so schreckliche Passivkonstruktionen…“.

Er gibt zu bedenken, dass wir an Formulierungen wie „er wird beschäftigt“ oder „ er nimmt sich Arbeit“ gewöhnt sind. Dabei sollten wir doch einmal darüber nachdenken, dass der Mensch seine Arbeitskraft gibt. Sein Wissen zur Verfügung stellt. Das ist eine weitaus aktivere Sichtweise auf Mitarbeiter.

Hier möchte ich auf die Individualpsychologie nach Alfred Adler hinweisen. Für Adler ist der Menschen ein Individuum und unteilbares Ganzes. Er sieht Denken, Fühlen und Handeln als Einheit (im Gegensatz zu Freud, bei dem sich Teile der Persönlichkeit eines Menschen gegenseitig bekämpfen). Ganz zentral ist bei Adler die Aussage, dass ich als Mensch für mein Handeln eigenverantwortlich bin. Ich kann mein Denken, Fühlen und Handeln ändern. Ich muss mich nicht als Spielball fühlen. Ich muss nicht unter ungünstigen Arbeitsbedingungen leiden. Ich muss nicht meine Kinder schlagen. Ich muss nicht meine Mitarbeiter zusammenbrüllen. Ich muss nicht unter einem neurotischen Chef leiden. Ich muss nicht stehlen….

„Was??“ fragen Sie vielleicht. „Aber die äußeren Umstände! In dieser Situation kann man nicht anders!“

Wirklich nicht?

Es ist doch sehr leicht, Verantwortung auf andere zu schieben: „Sie reizen mich…sie sind dumm … die anderen haben Schuld“. Argumentationen dieser Art sind uns so vertraut, dass wir sie nicht anzweifeln, sondern schon eher den Gedanken ungeheuerlich finden, wonach wir selbst verantwortlich für unser Denken, Fühlen und Handeln sind: für unseren Ärger, Wut, Verzweiflung, Angst, Einsamkeit, Hilflosigkeit usw.

Da kommen ein paar Prinzipien sehr gelegen: „… das ist halt so…das wurde schon immer so gemacht“. Aber wer darin denkt, „wird gedacht“. Da sind wir wieder im Passiv. Aktiv wäre: etwas zu hinterfragen oder in Zweifel zu ziehen. Selbst denken: Da beginnen Selbstverantwortung und Selbstbestimmung. Da beginnt Veränderung. Da beginnt Sinn.

Und wo Sinn ist, haben Chaos und Irritation, Auslöser für psychische Probleme und Burnout, keinen Platz. Unter diesen Auswirkungen leiden die Menschen zunehmend und besonders der Begriff des Burnouts ist in letzter Zeit häufig in den Medien zu finden. Wie bereits erwähnt: dem ist niemand ausgeliefert. Selbst denken und für sich Verantwortung zu übernehmen sind wichtige Schritte für ein selbstbestimmtes Leben und Arbeiten. Die Kernaussage meines Beitrags zu dieser Blogparade möchte ich in dem Satz zusammenfassen:

„Ich bin selbstverantwortlich für ein selbstbestimmtes Leben und Arbeiten.“

 

Bild: “Suprematismus”, von Kasimir Malewitsch, 1915, St. Petersburg / Russisches Museum. Digitale Quelle: www.artigo.org

Quelle: http://games.hypotheses.org/1643

Weiterlesen

Bücher reisen.

Handschrift.schäfer.2

Vor einiger Zeit drückte mir ein Kollege zwei in Leder gebundene alte Oktavs in die Hand. Etwas für die Bibliothek? Keine Ahnung, keine Stempel, keine Besitzervermerke. Woher stammen die Stücke? Aus einem Karton neben der Sporthalle, ich habe aufgeräumt. – Gymnasialbibliotheken sind Teil der Schule. Was tun mit solchen Gaben? Anschauen und recherchieren.

Das eine Bändchen enthält ein Traktat des Augustinus von Hippo (354-430) in der Fassung von Justus Baronius (geboren um 1570), herausgegeben vom Neffen und Protegé des Fürstbischofs  Emmerich von Breidbach zu Bürresheim (1707-1774), Karl Wilhelm Joseph von Breidbach zu Bürresheim, gedruckt in Mainz 1764. Das andere enthält die Handschrift eines Benediktiners “di San Benedetto su’l monte di San Pietro”, eine Sammlung von Gebeten und frommen Sentenzen in italienischer und lateinischer Sprache, “a’o 1717 ai vinti tre da Agosto”, vom 23. August 1717.

Handschrift.schäfer.3

Das lateinische Traktat “D. Aurelii Augustini”  mit der gewaltigen Editorennotiz des Fürstbischofsneffen fand ich langweilig. Interessanter war die Handschrift des italienischen Benediktiners, denn sie enthält Einträge. Auf dem vorderen Einbandspiegel und auf dem eng beschriebenen vorderen Vorsatz ist eine Reihe von Ortsnamen eingetragen, die sich durch einen schmalen, hinten angebundenen und nicht datierten Druck erklären, ein “Verzeichnüß der Posten und Botten/wann solche in Nürnberg/Franckfurt am Mayn und Leipzig ankommen/und ablauffen” – einen Fahrplan für Reisende und Postwillige. Nimmt man die handschriftlichen Einträge im vorderen Einbandspiegel und auf dem Vorsatz für wahr, ist der italienische Benediktiner, wer immer er war, ganz schön weit herumgekommen, aus welchem Grund auch immer; er wird seine persönlichen “Litaniae” wohl häufiger hat wiederholen müssen. In den Einbandspiegel des Rückdeckels zeichnete der Reisende einen Herrn in flotter Uniform.

Ich stempelte die beiden Bändchen nicht, sondern schickte eine Mail mit einem Scan an meinen Vorgänger. Er schlug umgehend Alarm: nicht stempeln! Die beiden Stücke, so mein Vorgänger, gehörten einem unterdessen pensionierten Kollegen, der sie privat erworben, ihm dermaleinst zur Begutachtung vorgelegt und die er längst zurückgegeben habe. Ich leite die Bibliothek seit 2004. Welche Reise die beiden Bändchen im Laufe von zehn Jahren in der Anstalt vollzogen haben mögen, kann mir vielleicht ihr Besitzer erhellen, wenn ich ihm die Exemplare demnächst zurückgeben werde.

Bücher reisen. Nicht nur provinziell-dörflich wie in meiner Anstalt, sondern auch großräumig-global, zum Beispiel durch Erbschaften und Verkäufe derselben. Provenienz- und Einbandforschung können die Wege nachweisen. Die Wege sind aber nur dann nachvollziehbar, wenn die Bücher einen Ort haben. Das ist wie im Leben, das ebenso fragil und flüchtig ist wie eine liebevoll betitelte Reisezehrung fürs Seelenheil eines unbekannten italienischen Benediktiners zu Beginn des 18. Jahrhunderts, der sich die ulkige Uniform des winkenden Zeitgenossen in die Erinnerung zeichnete.

Quelle: http://histgymbib.hypotheses.org/106

Weiterlesen

Neuerscheinung: Melk in der barocken Gelehrtenrepublik

Als zweiter Band in der von P. Gottfried Glaßner für das Stift Melk herausgegebenen Reihe „Thesaurus Mellicensis“, die der wissenschaftlichen Publikation von Quellen und Forschungsergebnissen aus den reichen Bibliotheks- und Archivbeständen des Klosters gewidmet ist, liegt nun vor: Melk in der barocken Gelehrtenrepublik. Die Brüder Bernhard und Hieronymus Pez, ihre Forschungen und Netzwerke, hg. von Cornelia FAUSTMANN–Gottfried GLASSNER–Thomas WALLNIG (Thesaurus Mellicensis 2, Melk 2014). Die MitarbeiterInnen des Wiener START-Projekts „Monastische Aufklärung und die benediktinische Gelehrtenrepublik“ sowie weitere ForscherInnen bieten hier in kurzen Beiträgen, von […]

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/7072

Weiterlesen

“In dem Moment, in dem sich Botschaften und Botschaftler in die sozialen Netzwerke begeben, verändert sich ihre Rolle.”

Drei Science Reporter, Luisa Pischtschan, Helena Kaschel und Michael Schmalenstroer, haben unser Weber World Café begleitet.

In seinem Blogbeitrag zum World Café setzt sich Michael Schmalenstroer mit der Problematik des Astroturfings und der Bedeutung des Zugangs zu einem öffentlichen und wirklich freien Meinungsdiskurs in sozialen Netzwerken auseinander. Den vollständigen Artikel finden Sie hier.

Die Beiträge der anderen Science Reporter folgen bald.

Quelle: http://wwc.hypotheses.org/137

Weiterlesen

Offene Archive – Offene Archivare?

Am 3. und 4. April 2014 fand im Hauptstaatsarchiv Stuttgart die Tagung „Offene Archive 2.1 – Social media im deutschen Sprachraum und im internationalen Kontext“ statt. Doch eigentlich begann die Tagung schon früher. Auf dem (nicht nur) Tagungsblog http://archive20.hypotheses.org wurden vorab einige Abstracts der einzelnen Vorträge sowie einige Lebensläufe der Referenten bereitgestellt. Begleitend wurden über Twitter Interviews mit einigen der Referenten geführt.

Ein großes Dankeschön gilt dem Organisationsteam: Dr. Andreas Neuburger und Christina Wolf (Landesarchiv Baden-Württemberg), Dr. Joachim Kemper und Elisabeth Steiger (Stadtarchiv Speyer/ICARUS) und Thomas Wolf (Kreisarchiv Siegen-Wittgenstein).

Ca. 120 Teilnehmer waren nach Stuttgart gekommen. Doch es gab auch Teilnehmer, die nicht vor Ort waren. Sämtliche Vorträge und die sich anschließenden Diskussionen wurden per Livestream übertragen. Die im Tagungsraum installierte Twitterwall ermöglichte es den Teilnehmern vor Ort und zu Hause Gedanken mit einzubringen und sich parallel zu den Vorträgen auszutauschen. Smartphone und Netbook waren dementsprechend nicht nur geduldet, sondern auch willkommen. Das zu diesem Zwecke angebotene WLAN funktionierte allerdings nur bedingt.

Offen für Nutzer

Die Keynote hielt Kate Theimer. Das alte Modell, in dem Wissenschaftler das Archiv zwangsläufig aufsuchten und diese von Archivarinnen und Archivaren als primäre – ja wenn nicht gar einzig relevante – Nutzergruppe betrachtet wurden, trüge nicht mehr. Archive stünden zunehmend in einem gewissen Wettbewerb mit anderen Einrichtungen. Charakteristisch sei dabei – überspitzt formuliert – der Gedanke „If it’s not online I’m going to write about something else.“ Gewissermaßen unbeachtet blieben andere Nutzergruppen. Auch und gerade um diese sollten sich Archive bemühen. Theimers Gedanke eines „business model of archives“ stellt nicht mehr die Akten und die Informationen in den Mittelpunkt, sondern die Nutzer. Sich auf die Interessen und Fragestellungen einer breiten Nutzergruppe einzustellen und diese zu bedienen, ja die Nutzer förmlich auf das Archiv als Quelle zu stoßen sei der Weg, den es zu beschreiten gelte.

Doch Theimer blieb bei ihren Ausführungen über ein offenes Archiv nicht in der digitalen Welt hängen. Dass Archive auch analog und im direkten persönlichen Kontakt offen sein sollten und vor allem auch sein können, illustrierte Theimer durch ein Foto einer Art Pyjama-Party im Archiv.

Offen für Anregungen

Die Nachmittagssektion des ersten Tages bot den Tagungsteilnehmern vor allem Anregungen aus Bereichen, die (noch) nicht zwingend auf Anhieb mit der Archivwelt assoziiert werden. Gerade auf diesen Punkt machte Christoph Deeg aufmerksam. Deeg, der sich auf erfrischende Art und Weise für das Thema Gaming bzw. Gamification stark machte, wies deutlich darauf hin, dass eine Tagung, auf der nur Archivare mit Archivaren sprächen, wenig förderlich sei. Wir brauchen Einflüsse und Anregungen von außen. Nicht zuletzt auch von unsern Nutzern und potentiellen Nutzern. Provokant forderte Deeg auf, den nächsten Archivtag nicht zu besuchen, sollten dort keine Spielekonsolen aufgestellt werden. Käme die Archivwelt diesem Zuruf nach, so wäre der nächste Deutsche Archivtag sicherlich eine übersichtliche Veranstaltung.

Die Vorträge von Christoph Deeg und Marcus Bösch plädierten für die Nutzung des Spieltriebs. Das heißt nicht anderes als – um es mit Eugen Oker zu sagen – dem homo ludens eine Gasse direkt ins Archiv zu schlagen. Spielerische Elemente könnten nicht nur ein Motivator zur Archivnutzung sein, sondern auch die Einbindung der Nutzer in archvarische Tätigkeiten fördern, wie z.B. im Bereich Crowdsourcing.

Dass Archive in der Nutzung von Web2.0-Plattformen und -Möglichkeiten hinter anderen Bereichen bisher zurück bleiben zeigten die Beiträge von Tanja Praske und Alexander Ebel. Praske konnte aufzeigen, dass der Blog als wichtiges Kommunikationsmittel für Museen durchweg eine Erfolgsgeschichte ist. Ebel hingegen stellte die Nutzung von social media in der kirchlichen Arbeit vor: Von der digitalen Begleitung des Konfirmandenunterrichts über gemeinsame Gebete auf Twitter bis hin zu einer Twitterwall im Gottesdienst. Wenn die Museen ihre Arbeit und ihre Themen transparent via Blog präsentieren, warum dann nicht auch Archive? Wenn sogar im Gottesdienst eine Twitterwall steht und Konfirmaden mit Flickr arbeiten, warum dann nicht auch Archive?

Offen für Versuche

Dass solche Anregungen wertvoll und nötig sind, zeigte besonders deutlich Bastian Gillner. Er führte den Teilnehmern vor Augen, dass sich die konkreten archivarischen Arbeitsabläufe in den letzten Jahrzehnten kaum bis gar nicht verändert hätten und dies trotz völlig anderer Vorzeichen und Bedingungen. Zu diesen gehöre auch das Web2.0. Der Diskurs sei noch nicht wirklich in der Fachdiskussion angekommen, so Gillner. Einen goldenen Weg gibt es (noch?) nicht. Web2.0 lernt man nur durch Nutzung von Web2.0. Dazu gehört das Experimentieren; mit Erfolgen als auch mit Sackgassen als Ergebnis.

Offen für Vorbilder

Der zweite Tagungstag wurde eingeleitet durch Vorträge von Kolleginnen und Kollegen aus unseren Nachbarländern. Dabei stellte sich heraus, dass die Diskussion, wie sie im deutschen Archivwesen langsam zunehmend geführt wird, insbesondere in den Niederlanden und Dänemark etwas auf Unverständnis stößt. Die Vorbehalte und Bedenken bezüglich des Einsatzes von social media, die auch in den Diskussionen auf der Tagung hervortraten, scheinen bei unseren Nachbarn nur eine geringe Rolle zu spielen. Die Präsenz von Archiven und Archivmitarbeitern auf Plattformen wie Facebook, Twitter, Flickr oder Pinterest ist stärker und selbstverständlicher als Deutschland der Fall. Eben diese Selbstverständlichkeit fehlt im deutschen Archivwesen.

Offen für die Crowd

Das Thema Crowdsourcing nahm einen Großteil der Tagung ein. Die Kolleginnen und Kollegen aus unterschiedlichen Archivsparten stellten dabei ihre Projekte vor. Bei diesen werden Nutzer vor allem in die Erschließungsarbeit mit einbezogen. So können sie beispielsweise helfen Fotos zu identifizieren und Texte zu transkribieren. Zwei Arbeitsfelder für die den Archiven zum einen oft die Gelder und zum anderen oft das Knowhow fehlen. Archive profitieren dabei jedoch nicht nur vom Input der Nutzer. Verwenden Archive hierfür u.a. stark frequentierte social media Plattformen, so ziehen sie auch ein erhebliches Maß an Aufmerksamkeit auf sich.

Offene Archivare

Dass das Web2.0 und insbesondere social media fester Bestandteil der Kommunikations- und Informationskultur unserer Zeit sind, blieb unbestritten. Allerdings gab es Vorbehalte ob der Sorge, dass nun alles ins Digitale dränge und dabei alles Analoge und Persönliche nun abgeschrieben werden solle. Mehrfach wurde jedoch darauf hingewiesen, dass der Weg in das Web2.0 eine Ergänzung, keine Ablösung sei.

Noch immer gibt es auf diesem Weg einige Hindernisse, auch wenn schon ein gutes Stück des Weges gemacht ist. Noch immer halten sich insbesondere gegenüber social media Vorurteile: Zu viel Zeitaufwand, zu wenig Resonanz, zu viel unwichtige Informationen. Dem gegenüber stehen jedoch die entsprechenden Erfahrungswerte, die zeigen, dass der Einsatz von social media mit einem überschaubaren Zeitaufwand durchaus Früchte trägt. Voraussetzung dafür ist zweifelsohne das Begreifen von social media als Kommunikationsform und das beinhaltet auch „Belanglosigkeiten“ gewissermaßen als Trägermaße für die Information, die Botschaft. Social media ist vor allem eine Frage der Einstellung.

Die Evaluierung ist jedoch nicht leicht. Zwar gibt es unzählige Möglichkeiten des Monitorings, doch lässt sich mit solchen Tools die Frage, ob beispielsweise eine Archiv-Facebook-Seite an sich erfolgreich ist, kaum beantworten. Erfolg bemisst sich nicht nur an Followern und Kommentaren. Wie Neil Bates in seinem Vortrag sagte: „It’s not about traffic. It’s about reach.“

Der Schwarze Peter darf jedoch nicht einfach den Archiven, die in diesem Feld nicht aktiv sind zu geschoben werden. Mehrere Teilnehmer vor Ort und über Twitter wiesen auf die Schwierigkeiten hin, ein entsprechendes Engagement innerhalb der Verwaltung durchzusetzen. Die sich hier anschließenden Fragen und Lösungswege wurden leider nicht erörtert.

Offen in die Zukunft

Folgende Ergebnisse der Tagung haben sich m.E. herauskristallisiert:

  • Archivarinnen und Archivare sollten den Nutzer in den Mittelpunkt stellen.
  • Archivarinnen und Archivare sollten den Dialog mit dem Nutzer suchen.
  • Archivarinnen und Archivare sollten den Dialog auch mit Kreisen außerhalb des Archivwesens suchen.
  • Archivarinnen und Archivare sollten ihre Archive öffnen; analog wie digital, wobei keines der beiden das jeweils andere ausschließt.
  • Archivarinnen und Archivare sollten sich trauen social media zu nutzen und damit zu experimentieren.

Quelle: http://archive20.hypotheses.org/1658

Weiterlesen

Links zur Politikgeschichte des 19. Jahrhunderts (3): Wieder zwei Blogs. Und was für welche!

Nicht direkt zu 1848 diesmal, aber es muss ja der Titel vom letzten Mal nicht wörtlich wiederholt werden, um die „3“ in der Klammer zu rechtfertigen. Ganz neu sind sie auch beide nicht, sondern feiern im Mai 2014 jeweils ihr einjähriges Bestehen. Das sei als – wenn auch etwas fadenscheiniger – Anlass genommen, gerade jetzt auf zwei erfreuliche und wichtige Blogs hinzuweisen:

Aktenkunde

Unter diesem so schlichten wie aussagekräftigen Titel begleitet Holger Berwinkel (tätig im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes) seine Arbeit an einer Monographie zum Thema, na was wohl, Aktenkunde. Wer meint, das müsse spröde und langweilig sein, hat es noch nicht gesehen. Der Autor bietet unter anderem bibliographische Hinweise zu einschlägigen Standardwerken und neu erschienenen Aufsätzen; daneben Berichte dazu, wo Aktenkunde im politischen und medialen Tagesgeschehen wichtig ist – oder wäre, wenn die Beteiligten denn etwas davon wüssten; nicht zuletzt auch eingehende Beispielanalysen zu einzelnen Schriftstücken. Einige Aufmerksamkeit erhielt er vor kurzem mit seiner Diskussion der als Beweis für eine offenbar beliebte Verschwörungstheorie gehandelten „Kanzlerakte“ (Spoiler: nicht nur ist es eine Fälschung, sondern nicht einmal eine halbwegs kompetente). Eine persönliche Empfehlung vom Verfasser dieser Zeilen ist aber dieser Beitrag, in dem Berwinkel zeigt, was auch einem auf den ersten Blick eher zum Schmunzeln verleitenden Schriftstück abzugewinnen ist.

Ganz im Ernst aber: Dass Aktenkunde selbst unter den ohnehin immer weiter zurückgedrängten historischen Grund- (nicht: Hilfs-) wissenschaften meistens eher einen Platz in der zweiten Reihe bekommt, ist umso weniger zu rechtfertigen, als Akten zu den wichtigsten Quellen der neueren und neuesten Geschichte zählen und von weit mehr HistorikerInnen regelmäßig benutzt werden als nahezu jeder andere Quellentyp. Dass es sich nicht von selbst versteht, wie mit ihnen umzugehen ist, ist das Allererste, was Lesende aus Holger Berwinkels Blog mitnehmen sollten. Das klassische discrimen veri ac falsi ist für einen (angeblichen) maschingeschriebenen Bericht von 1992 mitunter ebenso notwendig wie für eine (vorgebliche) Urkunde Ludwigs des Frommen und erfordert ebenso spezialisierte Kenntnisse1. Darüber hinaus kann und sollte eine vertiefte Erforschung amtlichen Schriftguts auch für die Kulturgeschichte des Politischen fruchtbar gemacht werden, die inzwischen schon länger weiß, dass Verwaltung auf allen Ebenen zu ihren unverzichtbaren Untersuchungsgebieten gehört. Und natürlich ist sie auch für die Edition der Akten der Provisorischen Zentralgewalt eine conditio sine qua non. Wenn diese Edition später einmal Kopfregesten hat, über die die Verfasser der Schriftstücke nicht gequält lachen müssten, wovon kann das nur kommen? Richtig: von der Aktenkunde.

Übergangsgesellschaften

Der Untertitel dieses Blogs lautet „Ländliche Politik in der europäischen Moderne – ein Forschungsprojekt“, womit im Grunde schon klar sein sollte, warum es einen Link von „Achtundvierzig“ nach dort braucht. Autorin ist Anette Schlimm, die an der Ludwig-Maximilians-Universität München tätig ist. Ihr Projekt selbst heißt „Übergangsgesellschaften. Zur Politik und Politisierung ländlicher Gesellschaften in Mitteleuropa, ca. 1850–1950“ und wird von ihr in diesem Beitrag besser beschrieben, als das hier geschehen könnte. Nur ein paar Eckpunkte: mit dem „Übergang“ ist jener von der Agrar- zur Industriegesellschaft gemeint, der „längst nicht nur die Wirtschaftsweise“ betraf, sondern „alle Bereiche des Lebens“ – allerdings „im politischen, sozialen, kulturellen und ökonomischen Bereich in unterschiedlichen Geschwindigkeiten, was zu Ungleichzeitigkeiten, Spannungen und Konflikten führte“. Das Projekt fragt nach der Mikroebene ländlicher Gesellschaften im Verhältnis zu dieser Makroebene der gesamtgesellschaftlichen Transition, und insbesondere nach der Politik ländlicher Gemeinden. Diese werden sowohl als Akteure als auch als Räume des Politischen begriffen – gleichzeitig. Das ist für den Berichterstatter besonders faszinierend, zumal er selbst schon einmal (ohne Kenntnis dieses Projekts und wohl etwas naiv) auf die Idee gekommen ist, dass sich Gemeinden im Zuge des Übergangs von der ständisch-vormodernen Gesellschaft in die moderne Staatlichkeit tendenziell von Akteuren zu Räumen gewandelt hätten2. Das war natürlich überspitzt …

Die drei Ziele des Projekts lauten:

1. Den „Einfluss von Selbstverwaltungstraditionen und -formen auf Politisierungsprozesse“ untersuchen (gespannt ist Berichterstatter darauf, wie Politisierung definiert wird!);

2. „ländliche Gemeinden als wichtige[n] Bestandteil gesamtgesellschaftlicher Mobilisierungsprozesse sichtbar“ machen (dringend nötig: Die Annahme, dass Stadt und Moderne deckungsgleich sind, ist so ubiquitär und so forschungsleitend, dass sie zu Einseitigkeiten und Ausblendungen aller Art geführt hat und es weiterhin tut);

3. Methoden der global studies auf eine europäische Region anwenden (auch das höchst lobenswert; in der Kulturgeschichte des Politischen heißt das Modewort dafür „ethnologischer Blick“, und das sollte nicht bloß immer wieder beschworen, sondern methodologisch ernst genommen werden).

Das Blog bringt unter anderem Lektüren, Veranstaltungshinweise (eine eigene Tagung „Herrschaft vor Ort3  hat auch schon stattgefunden), nicht zuletzt Berichte über Rechercheergebnisse und Rechercheerlebnisse (Kategorien „Fundstücke“, „Exkursionen“), stets in einer ansprechenden, lebendigen Schreibweise. Einen persönlichen Lieblingsbeitrag hat der Schreiber dieser Zeilen auch auf diesem Blog. Die Präferenz dürfte sich von selbst erklären.

  1. Nota bene: Es ist vermutlich kein Zufall, dass Holger Berwinkel selbst ausgebildeter Mediävist ist. Dissertiert hat er noch zu einem Thema, das ihm eher keinen Link von unserem Blog verschafft hätte: BERWINKEL, Holger: Verwüsten und Belagern. Friedrich Barbarossas Krieg gegen Mailand  (1158–1162) (Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom 114), Tübingen 2007.
  2. STOCKINGER, Thomas: Dörfer und Deputierte. Die Wahlen zu den konstituierenden Parlamenten von 1848 in Niederösterreich und im Pariser Umland (Seine-et-Oise) (Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung Ergänzungsband 57), Wien – München 2012, 358.
  3. Zwischendurch mal ein winziger Kritikpunkt: Die inflationäre Verwendung des Ausdrucks „vor Ort“ ärgert den Schreiber dieses schon seit geraumer Zeit, und er würde Lokalgeschichte zu gern einmal anders beworben sehen.

Quelle: http://achtundvierzig.hypotheses.org/560

Weiterlesen

Neuer Wein in neuen Schläuchen

Ausnahmsweise Werbung in eigener Sache an dieser Stelle – weil das behandelte Thema im Interessen- und Aktionsradius des Arbeitskreises liegt:

Klaus Ceynowa / Lilian Landes: Neuer Wein in neuen Schläuchen. Von Wissenschaftlern, die nicht nur anders publizieren, sondern auch anders schreiben werden”, erscheint in: Bibliothek. Forschung und Praxis, 2014. Als Preprint online verfügbar (leider nur bis zur Printpublikation im Juli 2014).

Vielleicht wäre das dhmuc.-Blog ja der geeignete Ort, um die Thesen des Artikels zu diskutieren?

Quelle: http://dhmuc.hypotheses.org/121

Weiterlesen

Digitaler Toolkasten – 04/2014

In dieser Ausgabe des “Digitalen Toolkasten”-Newsflash berichten wir wieder vom Fortgang unserer Aktivitäten am Fachbereich Sozialwesen und zur Weiterbildung “Soziale Medienbildung”. Events Der Tag des Lernens fand am 24. April an der Hochschule Fulda statt. Wir waren auch mit dabei und berichteten hier im Blog von den Vortragenden und den World Café Themen rund ums Lernen. Im Einzelnen wurde diskutiert, was beim Lernen motiviert, wie Lernen nachhaltig wird, wie Lernen im Team gut funktionieren kann, welche Bedeutung Medien beim Lernen haben und wie Lernprozess […]

Quelle: http://medienbildung.hypotheses.org/6551

Weiterlesen

Fürst Joseph 2.0 – Netzbiographie online

Zahlreiche Blogbeiträge haben im vergangenen Jahr Schlaglichter auf das bewegte Leben des Fürsten Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck geworfen und für tiefere Einblicke auf eine entstehende Netzbiographie zu seiner Person verwiesen.

Das Redaktionsteam freut sich mitteilen zu können, dass diese multiperspektivische Netzbiographie Fürst Josephs zu Salm-Reifferscheidt-Dyck nun online erschienen ist! Vom Ancien Régime über die französische und preußische Zeit ist Fürst Joseph somit auch im 21. Jahrhundert präsent.

Wir bedanken uns bei allen, die zum Gelingen der Netzbiographie beigetragen haben und freuen uns auf Kommentare, Diskussionen und Beiträge auf historicum-eStudies.net!

Ihr Redaktionsteam

Rheinischer Adel – Ein geschichtswissenschaftlicher Forschungsblog

Quelle: http://rhad.hypotheses.org/465

Weiterlesen

Nürnberg hilft Kriegsgeschädigten

Anfang August 1629 wandte sich der Rat von Nürnberg direkt an den Kaiser. Es war ein Hilferuf, daß die vom kaiserlichen Militär geforderten Leistungen nicht mehr zu erbringen waren. Seit zehn Jahren seien viele Regimenter, ja ganze Armeen vorbeigekommen und hätten versorgt werden müssen. Der Rat sei es nun seinen Untertanen schuldig, auf die immensen Schäden und Verluste hinzuweisen, die man mit etlichen Tonnen Gold beziffern könne (siehe Franz Ludwig Freiherr von Soden, Kriegs- und Sittengeschichte der Reichsstadt Nürnberg vom Ende des sechzehnten Jahrhunderts bis zur Schlacht bei Breitenfeld 7. (17.) September 1631, 3. Theil: Von 1629 bis 1631, Erlangen 1862, S. 18 ff.). Mit dieser Eingabe tat der Rat der Reichsstadt, was üblicherweise in einer solchen Situation getan wurde: Man brachte seine Klagen vor, berief sich auf den stets erwiesenen Gehorsam und die allzeit bereitwillig geleisteten treuen Dienste und erhoffte sich daher nun eine Erleichterung von diesen unerträglichen Belastungen.

Der Rat beließ es aber nicht dabei, sondern wurde darüberhinaus am 28. August (a.St.) seinerseits aktiv (Stadtarchiv Nürnberg B 7 Nr. 35). Er beschloß, jeden der Untertanen, der durch die Einquartierung mit Soldaten belastet worden waren war, mit einer Summe von 20 bis 25 Talern zu unterstützen, je „nach gestalt seines Gütleins“. Offenbar war dem Rat durchaus bewußt geworden, daß es allein mit einer verringerten Belastung für die Nürnberger Untertanen nicht getan war; es bedurfte einer spürbaren Erleichterung, die direkt bei den Betroffenen ankommen sollte.

Bemerkenswert ist der Hinweis, daß es nicht nur um eine Unterstützung für diejenigen ging, die für den Unterhalt des Militärs aufzukommen hatten, sondern auch für diejenigen, „welche der Religion halber betrangt“ wurden: Kriegsbelastungen und konfessioneller Konflikt verschränkten sich hier also – vielleicht kein Zufall in einer Phase, als das Restitutionsedikt gerade erlassen worden war und für erhebliche Unruhe im Reich sorgte.

Eine Einschränkung machte der Ratsbeschluß aber insofern, als er verfügte, daß diese Gelder „vff ein geringe Zeit vor[zu]strecken“ seien: Es handelte sich also nicht um eine Erstattung der Schäden, sondern um eine Art Darlehen. Von Zinsen war hier nicht die Rede, immerhin. Trotzdem wird man der Stadt den Willen, soziale Härten abzufedern (um es modern auszudrücken), nicht absprechen wollen. Dabei sah sich die Reichsstadt in dieser Zeit mit einer wachsenden Zahl von Religionsflüchtlingen konfrontiert, die in der lutherischen Reichsstadt Zuflucht suchten. Nürnberg nahm viele von ihnen auf und unterstützte sie auch finanziell (Soden S. 44 f.).

Daß sich Nürnberg den von Einquartierungen belasteten Untertanen direkt zu helfen bemühte, war aber auch insofern eine kluge Maßnahme, als die Eingabe am Wiener Hof keine wirkliche Erleichterung brachte. Wallenstein beharrte ohnehin darauf, daß für seine Truppen kontribuiert wurde. Die andere, auch nicht geringe Belastung rührte von einquartierten Reitern des ligistischen Regiments Schönberg. Seit Ende 1628 hätten diese Truppen mehr als 88.000 Gulden gekostet, dazu wären noch Sachleistungen gekommen – so wiederum die Supplik an den Kaiser im August 1629. Doch auch auf dem Ligatag zu Mergentheim Ende 1629 wurden weiterhin Eingaben vorgebracht, die die Exzesse der ligistischen Reiterei bei Nürnberg beklagten (siehe Briefen und Akten, Bd. 2,5, S. 209 Anm.).

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/437

Weiterlesen