Soldatenhochzeit

Seit einiger Zeit werden im Blog 1628 Wertheim archivalische Notizen präsentiert, die Geschehnisse um die Stadt Wertheim (Main/Tauber) aus dem Jahr 1628 dokumentieren. Die im wöchentlichen Rhythmus meist paraphrasierend aufbereiteten, teilweise aber auch mit Originalzitaten versehenen Notizen bieten einen breiten thematischen Rahmen zu ganz unterschiedlichen historischen Bezügen. Anders als in herkömmlichen wissenschaftlichen Arbeiten, die einer Fragestellung verpflichtet sind und damit einen thematischen Strang herauspräparieren, findet sich hier eben die bunte Vielfalt historischer Befunde: Nachrichten über Preisentwicklungen, Nachbarschaftsstreitereien und Beleidigungen, Fälle von Hexerei, zugezogene Neubürger, Erbfälle, Taufen und alles weitere, was sich im einfachen, alltäglichen Leben ereignete.

Ab und zu gibt es auch Hinweise darauf, daß 1628 ein Kriegsjahr war. So finden sich Nachrichten über Kavallerie, die in der Nähe Quartier genommen hat; prompt ist dann auch von einem „Tumult“ die Rede. Besonders aufgefallen ist mir aber der Hinweis, daß die Tochter eines Wertheimer Bürgers sich einem Soldaten, der in der Nähe stationiert war, angeschlossen und ihn offenbar auch geheiratet hat: http://1628blog.de/wertheim/ohne-meinen-willen. Natürlich waren und sind Partnerschaften und Heiraten etwas Alltägliches. Doch dieser Fall ist insofern bemerkenswert, als er verdeutlicht, daß Kontakte zwischen dem Militär und der zivilen Welt nicht zwangsläufig von Konflikten und Gewalt geprägt sein mußten. Da meist nur Devianzen den Weg in den Akten gefunden haben, prägen vor allem Episoden über Schändungen und andere Gewalttaten das Bild der Beziehungen zwischen Militär und ziviler Bevölkerung. Dahinter steht in der Forschung dann auch die Frage nach einer Abgrenzung des Militärs von der Bevölkerung und generell nach der sozialen Verortung der Söldner innerhalb der ständischen Gesellschaft (wozu ich mich vor einigen Jahren auch mal geäußert habe: Die Söldner und die Bevölkerung. Überlegungen zu Konstituierung und Überwindung eines lebensweltlichen Antagonismus, in: St. Kroll u. K. Krüger (Hrsg.), Militär und ländliche Gesellschaft in der frühen Neuzeit, Münster u.a. 2000, S. 79-120).

Das Beispiel der Margaret aus Wertheim zeigt nun, daß für eine junge Frau ein Söldner nicht automatisch eine Bedrohung darstellte. Im Gegenteil, ein gemeinsamer Lebensentwurf schien erstrebenswert und die Risiken, die ein Leben im Feld mit sich brachte, offenbar erträglich. Möglicherweise stellte in ihren Augen die Verbindung mit einem Soldaten sogar eine durchaus attraktive Partie dar. Das mag in dem Fall auch mit dem Rang des Soldaten zusammenhängen, der als Corporal zwar nur einen niederen Rang innehatte, damit aber doch über die Masse der einfachen Söldner herausragte. Was anscheinend kein Thema darstellte, war die Konfession. Trotzdem gab es auch in dem Fall Probleme. Denn die junge Frau war die Bindung zu dem Söldner ohne väterlichen Konsens eingegangen. Wie skandalös dieser Umstand war, erfuhr sogar der Bruder Margarets. Er lebte in einiger Entfernung, mußte aber den Spott ertragen, daß seine Schwester ohne Einwilligung des Vaters mit einem Söldner davongezogen war – die Nachricht hatte offenbar die Runde gemacht. Er selbst fragte deswegen, selbst noch spürbar aufgebracht, beim Vater nach: http://1628blog.de/wertheim/schelm-und-bosewicht.

Nicht ganz klar ist dabei, ob der Ärger daher rührte, daß Margaret ohne den Segen des Vaters geheiratet, oder auf dem Umstand beruhte, daß sie sich auf einen Soldaten eingelassen hatte. Gleichwohl bleibt es eine bemerkenswerte Episode, einfach weil gar nicht so viele Nachrichten über reguläre Verbindungen dieser Art bekannt sind. Aus Wertheim kennen wir jedenfalls nun ein weiteres Beispiel.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/77

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