100 Jahre Erster Weltkrieg | Linkliste Geschichtslernen

2014 naht. Der Erste Weltkrieg wird im kommenden Jahr in Öffentlichkeit, Politik und Medien große Aufmerksamkeit erfahren – allerdings ist das bislang nur verhalten spürbar. Die Welt diskutierte im Januar die Frage: Warum Deutschland den Ersten Weltkrieg vergaß und stellte fest: “Ausgerechnet in dem Land, das im Zentrum der Katastrophe stand, ist der Krieg entrückt”.

Durch Giftgas verwundete britische Soldaten 1918 | Foto: T.L. Aitken, Wikimedia.org (Public Domain)
 

Dies spiegelt sich in den deutschsprachigen Online-Angeboten zum Geschichtslernen und für den Geschichtsunterricht wider. Während wissenschaftliche Blogs und Portale sich dem Thema bereits intensiver widmen, stehen für das Geschichtslernen zwar gute (teils ältere) Materialien auf verschiedenen gängigen Informationsportalen und Medienanbietern bereit. Auffälliger ist jedoch der Mangel an konkreten und didaktisierten Online-Lernangeboten. Weil zurzeit das Inhaltsfeld Erster Weltkrieg auf der Lernplattorm segu erstellt wird – hier das Ergebnis der bisherigen Recherche. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf Ressourcen zum Erstellen freier Bildungsmedien (OER) mittels Creative Commons-lizensierter oder gemeinfreier (Public Domain) Medien. Gute Linktipps – insbesondere zu digitalisierten, frei verfügbaren Quellen und zu didaktisierten Lernmaterialien – können gerne als Kommentar gepostet oder an kontakt[at]segu-geschichte.de gesendet und somit die Linkliste laufend ergänzt werden.

1 | Für Schüler/innen geeignete Informationsseiten
2 | Lernaufgaben und -umgebungen
3 | Unterrichtsvorbereitung für Lehrer/innen
4 | Ressourcen zum Erstellen von OER (Open Educational Resources)
5 | Medienangebote, urheberrechtlich geschützt
6 | Wissenschaftliche Blogs und Portale zum Ersten Weltkrieg (zur Vertiefung)
7 | Linklisten
 
 

1  |  Für Schüler/innen geeignete Informationsseiten

allgemein: Wikipedia, LeMo, Deutsche Geschichten, Geschichtszentrum

für jüngere Schüler/innen: Hanisauland, Was ist Was?

zu bestimmten Themenschwerpunkten: Verdun/Planet Wissen

Social Media: Facebook-Seite Leon Vivien (frz.), twitter, z.B.: @IWM_Centenary, @1914_2014

Zeitungsdossiers: Die Zeit, Zeit für die Schule, Spiegel, einestages

 

2  |  Lernaufgaben und -umgebungen

segu (im Aufbau), zwei Lernzirkel/Landesbildungsserver BW, Lernmodul “Heimatfront”/Landesbildungsserver BW

 

3  |  Unterrichtsvorbereitung für Lehrer/innen

allgemein: ZUM (Zentrale für Unterrichtsmedien)Lernen aus der Geschichte MagazinKaiserreich/BpB, Vorkrieg 1913/BpB, Landesbildungsserver BW

Quellen: Menschen im Ersten Weltkrieg/Volksbund.de, Objektdatenbank DHM, Bildpostkarten/Univ. Osnabrück

Regionalgeschichtliche Beispiele: Karlsruhe-Wiki, Freiburg

Museen: Historial Péronne, Imperial War Museums GB, National WW1 Museum Kansas City, MHM Dresden

 

Um urheberrechtlich unbedenkliche Lernmaterialien als OER (Open Educational Resources) zu erstellen und zu veröffentlichen, muss man auf Medien zurückgreifen, die unter CC (Creative Commons) Lizenz stehen oder gemeinfrei (Public Domain, durchgestrichenes Copyright-”C”) sind. Screenshot: Wikimedia.org (Public Domain)

 

4  |  Ressourcen zum Erstellen von OER (Open Educational Resources)

Bildmedien: Wikimedia; Themenschwerpunkte z.B. Kriegsanleihe bzw. War Bonds (Plakate), Verdun War (oder andere Stichworte in die Mediensuche/”Multimedia” eingeben), Suchmaschine CC Search (zu verschiedenen Suchbegriffen)

digitalisierte Quellen als CC (Creative Commons): Bildersuche/Europeana.eu (nicht alle Fotos/Quellen sind CC!)

verschiedene Medienangebote als OER: ZUM (Zentrale für Unterrichtsmedien)

OER-Video: Dolchstoßlegende [ansonsten kaum Filme als CC oder PD]

 

5  |  Medienangebote, urheberrechtlich geschützt

Fotos: Bundesarchiv, Süddeutsche Zeitung photo, Photos of the Great War

Medienportale (mit Audios und Videos): D-Radio, LexiTV/MDR, ZDF Mediathek, arte Themenportal, ARD Mediathek, BBC, Hörspiel/Lernen aus der Geschichte

 

6 | Wissenschaftliche Blogs und Portale zum Ersten Weltkrieg (zur Vertiefung)

Blog 1914_2014, 1914-1918 Online, Themenportal Clio Online, Themenportal Max-Weber-Stiftung, Zeitgeschichte Online, Europeana 1914-1918

 

7 | Linklisten

Politische Bildung Online, Lernen aus der Geschichte

 

empfohlene Zitierweise    Pallaske, Christoph (2013): 100 Jahre Erster Weltkrieg | Linkliste Geschichtslernen. In: Historisch denken | Geschichte machen | Blog von Christoph Pallaske, vom 6.6.2013. Abrufbar unter URL: http://historischdenken.hypotheses.org/1840, vom [Datum des Abrufs].

Quelle: http://historischdenken.hypotheses.org/1840

Weiterlesen

Ungleiche Geschwister | Teil 2 | Medien und Geschichtslernen im Prozess

Das folgende Schaubild ist ein Vorschlag für ein Modell, in dem für das Geschichtslernen relevante, supplementäre Medienbegriffe (s. Ungleiche Geschwister | Teil 1 | Medienbegriffe des Geschichtslernens) in einen prozessualen Zusammenhang gestellt werden.


In diesem Vorschlag wird ein zusätzlicher – der elementare – Medienbegriff  berücksichtigt. Daniel Bernsen hat zurecht darauf hingewiesen, dass sich in der Geschichtsdidaktik eine Einteilung der Mediengattungen nach ihrer Wahrnehmung etabliert hat, die sich aus den Kategorien des etablierten geschichtsdidaktischen Medienbegriffs (Zeit- und Authentizitätsbezug) nicht ableiten lässt. Das Schaubild macht auch deutlich, dass es auf Ebene des elementaren Medienbegriffs bezüglich der Wahrnehmung grundsätzlich unerheblich ist, ob ein Bild gedruckt vorliegt oder per Beamer projiziert wird, sich durch die Kontextualisierung in digital konfigurierten Denk- und Lernräumen die Verfügbarkeit von Bildern und der Umgang mit ihnen dennoch wandelt. Weil die Wahrnehmung von Medien selektiv ist (verschiedene Lerntypen, empirische Befunde beispielsweise zur Bildwahrnehmung) und sich das historische Denken individuell unterschiedlich vollzieht, ist es zudem sinnvoll, den/die Lerner/in als Bezugspunkt in den Mittelpunkt des Schaubildes zu stellen.

Auf Ebene der Medien als Lehr- und Lernmittel, die durch einen übergeordneten gesellschaftlichen Medienbegriff mitbestimmt wird, werden Rezeption und eigene Produktion von Medien unterschieden. Hier werden die Veränderungen des Geschichtslernens im digitalen Wandel verortet.

Von zentraler Bedeutung bleibt die Aussage, dass für das Geschichtslernen verschiedene Medienbegriffe mit verschiedenen Geltungsansprüchen relevant sind. Der digitale Wandel verändert das Geschichtslernen bezüglich der Rezeption und Produktion von Medien. Das Schaubild ist als ein Vorschlag zu verstehen. Sowohl die Frage, ob es sinnvoll ist, die supplementären Medienbegriffe in einen prozessualen Zusammenhang zu stellen, als auch die Triftigkeit der möglichen Kausalbeziehungen zwischen den vier als relevant erachteten Medienbegriffen sind zu diskutieren.

empfohlene Zitierweise    Pallaske, Christoph (2013): Ungleiche Geschwister | Teil 2 | Medien und Geschichtslernen im Prozess. In: Historisch denken | Geschichte machen | Blog von Christoph Pallaske, vom 17.5.2013. Abrufbar unter URL: http://historischdenken.hypotheses.org/1786, vom [Datum des Abrufs].

Quelle: http://historischdenken.hypotheses.org/1786

Weiterlesen

Digitale Lernumgebungen in Universitätsseminaren mit Wikis und Etherpads | papierlos – einfach – kollaborativ – BYOD

Das hier vorgestellte Modell einer digitalen Lernumgebung für Universitätsseminare ist ein seit drei Semestern erprobter und einfach zu realisierender Vorschlag für universitäres Lehren und Lernen mit digitalen Medien. Interessant wäre zu erfahren, wer bezüglich digitaler Lernumgebungen in universitären Lehrveranstaltungen andere Konzepte entwickelt oder Erfahrungen gemacht hat.


Für eine funktionierende digitale Lernumgebung ist kein großer Aufwand nötig | Studierende bearbeiten in Gruppen verschiedene Etherpads

 

Es hat sich gezeigt, dass eine funktionsfähige, papierlose und stabile digitale Infrastruktur in Seminarräumen keine außergewöhnliche Ausstattung benötigt; es reichen WLAN, Beamer, Dozentenlaptop und Laptops/Tablets, die Studierende (im Sinne von BYOD: “Bring your own Device”) selbst mitbringen. Ein Gerät für drei bis vier Studierende reicht aus, und es hat sich inzwischen eingespielt, dass immer mehr als genug Geräte vorhanden sind.

Die Seminare werden in einem Wiki mit Seminarplan und Unterseiten zu den einzelnen Sitzungen dokumentiert. Zudem enthalten die Unterseiten des Wikis die jeweiligen Seminarsitzungen vorbereitende Aufgaben, die von den Studierenden in Vierergruppen kollaborativ beantwortet werden. Somit lässt sich das Modell sinnvoll in Lerngruppen verschiedener Größe anwenden, denn es lassen sich beliebig viele Arbeitsgruppen einrichten (das oben gezeigt Seminar “Einführung in die Geschichtsdidaktik” besteht aus ca. 30 Studierenden).

Wiki mit Seminarstruktur und Unterseiten zu den Seminarsitzungen

 

Das wichtigste Tool zur vorbereitenden Gruppenarbeit (die Studierende zu Hause an eigenen Geräten durchführen) ist das Etherpad. Im Seminar-Wiki sind für die verschiedenen Sitzungen und Gruppen eine Vielzahl einzelner Etherpads verlinkt, die sich ganz einfach und ohne Anmeldung erstellen lassen. Dieses kollaborative Schreibtool ermöglicht (optional) auch gleichzeitiges Arbeiten sowie eine Diskussion über einzelne Ergebnisse im Chat. Über einen Slider (rechts oben im Etherpad) ist es zudem möglich, die Entstehung des Etherpads und die Gedankengänge nachzuvollziehen. In der Seminarsitzung, in denen die Gruppen ihre zu Hause erstellten Antworten zu den Aufgaben in kurzen Gruppenarbeitsphasen nochmals diskutieren und anpassen, lassen sich die Etherpads und die gemeinsamen Ergebnisse für die anschließende, gemeinsame Diskussion im Plenum problemlos und unmittelbar mit dem Beamer über den Dozentenlaptop projizieren. Wikis und Etherpads lassen sich auch gut für einzelne Arbeitsaufträge während des Seminars einsetzen. Die Sitzung wird in einem als Etherpad angelegten Sitzungsprotokoll dokumentiert, in das auch mehrere Studierende gleichzeitig schreiben können. Zudem können Studierende für ihre eigenen Seminarbeiträge Materialien, Arbeitsaufträge usw. selbst einstellen. Am Ende erhält man eine vollständige Dokumentation der Lehrveranstaltung.

Etherpad mit Gruppenergebnissen und Chat (rechts unten)
 

Die Wikis werden von der Lernplattform Ilias der Universität zu Köln bereitgehalten (es gibt auch andere Möglichkeiten, Wikis einzurichten) und sind nicht öffentlich einsehbar; dort ist auch die jeweilige Pflichtlektüre für die Lehrveranstaltungen als pdf abgespeichert. Die Etherpads werden von verschiedenen externen Anbietern kostenlos zur Verfügung gestellt (z.B. MoPad von Mozilla).

Die vorbereitende Gruppenarbeit verfolgt in erster Linie das Ziel, die Disziplin bezüglich der Vorbereitung der Pflichtlektüren zu erhöhen. In der ersten Durchführung erwies es sich als problematisch, dass einige Studierende ihre Beiträge zur Gruppenarbeit nicht regelmäßig beisteuerten. Deshalb versehen die Studierenden jetzt ihre (farblich jeweils unterschiedlich unterlegten Beiträge) mit Namenskürzeln, die im Anschluss an die Sitzung nachgehalten werden. Da die Gruppen dieselben Aufgaben vorbereiten, können sie auch die Ergebnisse anderer Gruppen einsehen; dennoch sind „Anleihen“ fremder Gruppenergebnisse bisher nur selten vorgekommen. Das Modell reduziert – einmal erarbeitet – den Organisationsaufwand für Lehrveranstaltungen und findet bei Studierenden aufgrund der kollaborativen Vorbereitung zu den Seminarsitzungen und der verbesserten Übersichtlichkeit und Dokumentation der Lehrveranstaltung Anerkennung.

Der Einsatz von Wikis und Etherpads in der digitalen Lernumgebung bedeutet keineswegs, dass nur oder hauptsächlich atomisiertes eLearning stattfindet. Einzelarbeit findet (außer bei der Vorbereitung) kaum statt; der Anteil an Gruppenarbeit und Plenumsdiskussion während der Seminarsitzung ist ausgeglichen. Die Erfahrung zeigt, dass die gemeinsam erstellten Arbeitsergebnisse, die sich zudem leicht abrufen und projizieren lassen, die Diskussionsabläufe erstens bescheunigen und systematisieren sowie zweitens die Diskussionskultur verbessern. Die zugrundeliegenden Texte werden offenbar intensiver vorbereitet. Das Modell eignet sich für eine geschichtsdidaktische Lehrveranstaltung deshalb besonders gut, weil das kollaborative Lernen im Etherpad dem geschichtsdidaktisch relevanten Anspruch von Diskursivität und Kontroversität (Geschichte als ein Aushandlungsgeschäft) methodisch entgegenkommt.

Zuletzt: Das letzte Stück Papier, das der Dozent in die Veranstaltung mitbringen muss, ist die von den Studierenden zu unterschreibende Teilnehmerliste. Wer kennt eine sinnvolle online-Alternative?

empfohlene Zitierweise    Pallaske, Christoph (2013): Digitale Lernumgebungen in Universitätsseminaren mit Wikis und Etherpads | papierlos – einfach – kollaborativ – BYOD. In: Historisch denken | Geschichte machen | Blog von Christoph Pallaske, vom 15.5.2013. Abrufbar unter URL: http://historischdenken.hypotheses.org/1719, vom [Datum des Abrufs].

Quelle: http://historischdenken.hypotheses.org/1719

Weiterlesen

Ungleiche Geschwister | Medienbegriffe des Geschichtslernens

In den vergangenen Jahren und Monaten haben sich Diskussionen über die Auswirkungen des digitalen Wandels und digitaler Medien auf das Geschichtslernen (zuletzt u.a. auf den Tagungen #gld13 in München und #nmdig in Salzburg) intensiviert. Gelegentliche Unschärfen dieser Diskussionen ergeben sich daraus, dass von Medien gesprochen wird, dabei aber unterschiedliche Medienbegriffe zugrunde gelegt werden. Das folgende Schaubild differenziert (nach derzeitigem Stand) für das Geschichtslernen relevante Medienbegriffe.


Einerseits schließen sich die drei aufgeführten Medienbegriffe, die bereits seit vielen Jahren diskutiert werden[1], und die aufgezeigten Geltungsansprüche nicht gegenseitig aus und können deshalb supplementär nebeneinander angeordnet werden; die vorgeschlagene Abstufung der Relevanz ist eine normative Setzung. Andererseits sind die Medienbegriffe ungleiche Geschwister. Es gibt wenige Bezugnahmen zwischen den jeweiligen Entstehungs- und Diskussionskontexten, Vorannahmen und zentralen Kategorien.

In der Geschichtsdidaktik ist der Medienbegriff seit Jahren klar abgesteckt und etabliert. Hauptsächlich auf Hans-Jürgen Pandel geht die Setzung zurück, dass Vergangenheit nur medial vermittelbar ist und sich die Geschichte ihre Medien selbst schafft. Im Mittelpunkt dieses Medienbegriffs stehen Objektivationen und Präsentationsformen von Vergangenheit und Geschichte; sie werden aufgrund der Kriterien Authentizität und Historisierbarkeit in Quellen, Darstellungen und Fiktionen kategorisiert. Aus dieser Festlegung resultieren verschiedene Mediengattungen (Texte z.B. als Textquellen, historische Fachliteratur und historische Romane; Filme z.B. als Filmdokument, Dokumentarfilm oder Historienfilm usw.). Dieser Medienbegriff kann eine große Plausibilität für sich verbuchen. Gegenüber Aspekten des digitalen Wandels ist er jedoch abweisend wie eine Teflonpfanne – schließlich ist es beispielsweise gleichgültig, ob Bilder in analoger oder digitalisierter Form vorliegen oder projiziert werden.

Mit dem Fokus auf das Geschichtslernen gewinnen deshalb zusätzlich allgemeine Medienbegriffe an Bedeutung um Veränderungen des Geschichtslernens im digitalen Wandel zu beschreiben und zu erklären; diese berühren auch fachdidaktische Gesichtspunkte. Betreffs des formellen Lernens sind Medien als Lehr- und Lernmittel relevant, dabei insbesondere der instrumentelle Charakter von Medien nicht nur als Mittel, sondern auch als Mittler. Solche Instrumente konfigurieren mediale Denk- und Lernräume, in denen verstärkt subjektorientiertes Lernen stattfinden kann. Diesbezüglich zeigen digitale Medien neue Formen und Wege des Geschichtslernens auf. Digitale Denk- und Lernräume werden (nach heutigem Stand) vor allem durch digitale Geräte und das Internet konfiguriert. Online-Tools wie Blogs, Wikis oder Etherpads ermöglichen beispielsweise kollaborative Lernformate, die bezüglich Diskursivität und Kontroversität auch fachdidaktische Relevanz aufweisen.

Der allgemeine bzw. gesellschaftliche Medienbegriff, der sich mit der Frage der Verbreitung der Massenmedien und der Ausbildung von Medienkompetenz beschäftigt, verdeutlicht, dass mit dem digitalen Wandel ein tiefgreifender gesellschaftlicher und kultureller Umbruch einhergeht, der sowohl formelle als auch informelle Aspekte des Geschichtslernens einschließt. Auf der Münchner Tagung wurde zum digitalen Wandel auch das Lernen unter den Bedingungen der Digitalität diskutiert, dem man sich längst nicht mehr entziehen kann – beispielsweise der Umstand, dass Schüler/innen (egal ob erlaubt oder nicht) Informationen mit ihren Smartphones nachschlagen und sich deshalb die Aufgaben- und Lernkultur verändern sollte. Bezogen auf fachdidaktische Aspekte spielen für das Geschichtslernen insbesondere der entgrenzte Raum des Internets mit einer Hinwendung zur Geschichtskultur oder die neuen kommunikativen Möglichkeiten z.B. in Social Media eine bedeutende Rolle. Einen besonderen Beitrag des Geschichtslernens kann auch die Thematisierung von Mediengeschichte leisten, die durch Medien ausgelöste gesellschaftliche Veränderungen der Vergangenheit mit den aktuellen, rasanten Entwicklungen der heutigen Mediengesellschaft in Beziehung setzt.

Die Diskussion zur Bedeutung des digitalen Wandels für das Geschichtslernen lässt sich somit einfach systematisieren, indem nicht allgemein von Medien, sondern von a) Medien im Sinne des (etablierten) geschichtsdidaktischen Medienbegriffs, b) Medien als Lehr- und Lernmedien und c) Medien im Sinne eines gesellschaftlichen Medienbegriffs gesprochen wird.

Das Schaubild macht einerseits deutlich, dass das Geschichtslernen mit digitalen Medien  aus Perspektive der Geschichtsdidaktik nicht von primärer Relevanz ist. Andererseits kann der etablierte geschichtsdidaktische Medienbegriff den sich vollziehenden digitalen Wandel nur unzureichend beschreiben. Daher kommt den im allgemeindidaktischen Kontext diskutierten Medienbegriffen für die fachdidaktische Reflexion im sich rasant vollziehenden digitalen Wandel eine wachsende Bedeutung zu. Bezogen auf den geschichtsdidaktischen Medienbegriff stellt sich schließlich die Frage, erstens ob und zweitens mittels welcher Ansätze die aufgezeigte Lücke gefüllt werde könnte.

[1] Wichtige Stichwortgeber zur Diskussion des Medienbegriffs für das Geschichtslernen sind neben Hans-Jürgen Pandel, der diesbezüglich die einschlägige Handbuchliteratur dominiert, u.a. Host Gies, der Medien als “Mittel und Mittler” beschrieben hat sowie zuletzt Daniel Bernsen, Alexander König und Thomas Spahn mit ihrem Beitrag Medien und historisches Lernen. Eine ausführliche Darstellung mit entsprechenden Literaturangaben (für das Blog zu umfangreich) folgt im Beitrag zum Open Peer Review „Geschichte Lernen im digitalen Wandel“ (zur Tagung in München vom März 2013).

empfohlene Zitierweise    Pallaske, Christoph (2013): Ungleiche Geschwister | Medienbegriffe des Geschichtslernens. In: Historisch denken | Geschichte machen | Blog von Christoph Pallaske, vom 8.5.2013. Abrufbar unter URL: http://historischdenken.hypotheses.org/1653, vom [Datum des Abrufs].

Quelle: http://historischdenken.hypotheses.org/1653

Weiterlesen

#gld13 | Reaktionen und Feedback zum Format “interaktive Netztagung”


Bild: L.I.S.A. | Das Wissenschaftsportal der Gerda-Henkel-Stiftung
 

Das Format von #gld13 | Geschichte Lernen digital als interaktive Netztagung – also eine wissenschaftliche Konferenz mit zwanzig Teilnehmern via Stream live ins Netz zu übertragen und die Reaktionen aus dem Netz via Twitter in Echtzeit einzubeziehen – war für alle Teilnehmer und Kooperationspartner ein Experiment. Auf der Seite von L.I.S.A. berichten die Veranstalter Marko Demantowsky und Christoph Pallaske von ihren Eindrücken. Übrigens: Einzelne Video-Mitschnitte der Vorträge werden ab dem 26. April 2013 wöchentlich auf L.I.S.A. veröffentlicht. Auch die Teilnehmer der Tagung wurden gebeten, zu einigen Punkten Ihr Feedback zu geben. Der folgende Überblick ist eine (anonymisierte) Auswahl verschiedener Kommentare zu vier Punkten:

1 | Konzept und Anspruch einer interaktiven Netztagung 
2 | Livestream und Video-Mitschnitt
3 | Twitterwall und Zuschauer-Beteiligung
4 | Diskussionen
 

1 | Konzept und Anspruch einer interaktiven Netztagung

  • Ist eingelöst worden. Mehr Zuschauer als meinerseits erwartet haben sich über Twitter und Forum auf LISA-Seite eingeschaltet mit Fragen und Kommentaren.
  • Der Anspruch, durch eine entsprechend strukturierte Moderation der Gesamttagung eine wirkliche online-Teilnahme zu ermöglichen, scheint nach den Reaktionen und vorläufigen Zugriffszahlen „von außen“ aufgegangen zu sein. Die Möglichkeiten, einen von der Fachzunft ja zumeist interne Diskussion durch die Öffnung nach außen zu Interessierten und ‚professionelle Laien‘ und Praktikern weniger hierarchisch zu führen, ist ebenfalls erkennbar gewesen. Das Internet hat demokratisierende Effekte.
  • Ich fand es toll, dass mit Livestream und Twitterwall die Möglichkeit genutzt wurde, sich an einer Tagung zu beteiligen, an der man als Lehrer irgendwo in der deutschsprachigen Pampa sonst hätte gar nicht teilnehmen können.
  • Überaus sinnvoll: Eindämmung des „Tagungstourismus“, gezielte & zeitsparende Teilnahme an einzelnen Vorträgen möglich, Veranstaltung vor Ort bleibt „schlank“.

2 | Livestream und Video-Mitschnitt

  • Videomitschnitte sind inzwischen schon Normalität geworden im wissenschaftlichen Tagungsalltag, und das zu Recht. Allein schon die Langzeitverfügbarkeit der Vorträge und der damit verbundene „long tail“ der Wahrnehmung rechtfertigt den Aufwand für Veranstalter und Redner.
  • Klappte toll, sicherlich an und zu sinnvoll, aber nicht immer, weil die starke Disziplinierung durch Zeit und Sicherung für die Ewigkeit doch einiges hemmte.
  • Ungewohnt, aber reizvoll. Wo der eine die unbekannte „Masse“ vor den Bildschirmen als bedrohlich empfindet, fand ich die Sache eher spannend.
  • Strikte Zeitdisziplin hatte wohltuende Auswirkungen auf den Ablauf, Kameras waren ungewohnt, aber nicht allzu irritierend (zumindest für Nicht-Referenten).
  • Als Referent fand ich das nicht beeinträchtigend. Die Kommentare der Teilnehmer außerhalb des Raums sprechen dafür. Es haben einige Interessierte, die nicht vor Ort waren, davon profitieren können.
  • Spannendes Experiment mit Interaktivität, aber nicht eingeschränkt immer zu wiederholen.

3 |  Twitterwall und Beteiligung der Zuschauer

  • Must-have bei jeder Konferenz. Wie schon gesagt wurde: Getwittert wird ohnehin, es gibt eben heutzutage zwei Ebenen bei Konferenzen. Offene Sichtbarkeit der Tweets für alle, auch den Redner, ist ein unbedingter Vorteil.
  • Halte ich nicht für erstrebenswert, weil es ablenkt und doch kaum auf die Tweets eingegangen wird; zudem sollte überprüft werden, ob wirkliche alle Tweets auf der Wall erscheinen; wenn es Auswahl ist, zählt Argumentation der Transparenz nicht.
  • Moderatoren und Referenten willens und in der Lage, online-Kommentare an passender Stelle aufzugreifen und zu beantworten.
  • Viele Fragen, die man nicht in 140 Zeichen packen kann – gerade zu diesem Thema. Ob Twitter für wissenschaftliche Kommentare und Fragen das richtige Format ist, bleibt fraglich.
  • Die Partizipation hat nicht zuletzt wegen kluger Moderation prima funktioniert und war sogar als Re-Entry äußerst lehrreich für die Akteure in der „ersten Reihe“ vor Ort. Von „Akteuren“ einerseits und „Zuschauern“ andererseits kann man dabei inzwischen ebensowenig mehr sprechen, wie von „Empfangsgeräten“. Ich denke da an die Radiotheorie von Brecht, der sich einen interaktiven Rundfunk gewünscht hatte. Jetzt haben wir ihn, und nicht nur als Rundfunk.

4 |  Diskussionen

  • Sind mir zu kurz gekommen. Die Bindung an das Mikrofon war hier sehr spontanitätshemmend. Kombination von live-gestreamten Vorträgen mit Fragerunde direkt zu den Vorträgen und Offline-Diskussionsrunde der Teilnehmer vor Ort wäre vielleicht eine Alternative.
  •  „Schere im Kopf“ bei manchen Teilnehmern?
  • Es wurde auch in formellem Design viel mehr diskutiert als auf klassischen Tagungen, und die Diskussionen hatten sofort Öffentlichkeit in die Fachcommunity hinein. Das hat Zukunft, denn: „It’s not the isolated brain, it‘s the community, stupid!“ (Stephen Downes).
  • Gehemmte Gruppendynamik im Tagungssaal wg. Warten aufs Mikro.
  • Gut gelaufen, lebendig, anregend.
  • Die Art der Diskussion mit dem Mikro reichen hat mich sehr gestört, unspontan, zu steif, zu wenig diskursiv; unbedingt mit Raum-Mikro arbeiten, wenn überhaupt; allerdings könnte ich mir auch Format mit Livestream ohne Aufnahme der Diskussion vorstellen, also manche Beiträge der Tagung öffnen, andere nicht.

Quelle: http://gelerndig.hypotheses.org/425

Weiterlesen

Neue Wege statt der “staubigen Straße der Chronologie” | Entwurf Kernlehrplan Geschichte für die Sek II NRW erschienen

Der neue Kernlehrplan Geschichte für die Sekundarstufe II NRW in der Entwurfsfassung für die Verbändebeteiligung ist seit letzter Woche veröffentlicht. In den Abiturjahrgängen seit 2007 waren in NRW die jährlich neu aufgelegten Vorgaben für das Zentralabitur maßgeblich, die für die beiden Qualifikationsjahrgänge (in G8: Stufe 11 und 12) einen chronologischen, stark auf deutsche Nationalgeschichte verengten Durchlauf durch das 19. und 20. Jahrhundert vorsahen. Die bisherigen Zentralabiturvorgaben standen vielfach in der Kritik, entsprechend hoch sind die Erwartungen an den ersten Kernlehrplan für die Oberstufe. Besonders die Schulbuchverlage scharrten schon mit den Hufen: Wie weitreichend verändert sich das Inhaltsprofil des Geschichtsunterrichts in der Oberstufe im bevölkerungsreichsten Bundesland? Die Antwort heißt: Der neue Kernlehrplan wird den Schulbuchautoren viel Arbeit bescheren, denn es soll sich einiges ändern. Ein kurzer Überblick:

Dem neuen Kernlehrplan liegt dasselbe Kompetenzmodell für alle Gesellschaftswissenschaften wie auch schon beim Kernlehrplan für die Sek I zugrunde (Sach-, Methoden-, Urteils- und Handlungskompetenzen), das unter politikdidaktischer Domäne entstanden und nicht ganz passend zu den geschichtsdidaktischen Kompetenzmodellen ist. Besonders die „Handlungskompetenz“ mit dem Ziel „Prozesse und Ergebnisse historischen Denkens lebensweltlich wirksam werden zu lassen“ (S. 14) scheint in geschichtsdidaktischer Hinsicht nicht ganz unproblematisch. Wie bereits beim KLP Sek I klingt im einführenden Absatz „Aufgaben und Ziele des Faches“ ansonsten stark das FUER-Modell (Waltraud Schreiber u.a.) durch, wenn beispielsweise auf die Operationalisierung historischen Denkens als Rekonstruktion von Vergangenheit und Dekonstruktion von Geschichte Bezug genommen wird (S. 9). Beim Kompetenzbegriff also (mit Blick auf den KLP Sek I) nicht viel Neues.

Ganz anders bei den Inhaltsfeldern: Gemessen an der „staubigen Straße der Chronologie“ (Reinhart Koselleck), die bislang in NRW in Sek I und Sek II gleich zweifach beschritten werden musste, ist die Benennung der sieben neuen Inhaltsfelder (1 bis 3 in der Einführungsphase 10, 4 und 5 in der Qualifikationsphase 11, 6 und 7 in der Qualifikationsphase 12) überaus bemerkenswert:

1 | Erfahrung mit Fremdsein in weltgeschichtlicher Perspektive

2 |  Islamische Welt – christliche Welt: Begegnung zweier Kulturen in Mittelalter und früher Neuzeit

3 |  Die Menschenrechte in historischer Perspektive

4 | Die moderne Industriegesellschaft zwischen Fortschritt und Krise

5 | Die Zeit des Nationalsozialismus – Voraussetzungen, Herrschaftsstrukturen, Nachwirkungen und Deutungen

6| Nationalismus, Nationalstaat und deutsche Identität im 19. und 20. Jahrhundert

7 | Friedensschlüsse und Ordnungen des Friedens in der Moderne

Drei Auffälligkeiten:

  • Mit den neuen Inhaltsfeldern werden hauptsächlich themenorientierte, diachrone (Längsschnitt‑) Zugänge zur Geschichte eröffnet, die viel stärker Zusammenhänge und Beziehungen deutlich machen sollen und können. Beispielsweise reichen die Themen zu Aspekten der Selbst- und Fremdwahrnehmung im Inhaltsfeld 1 von der Antike (Konstruktcharakter der Bezeichnung „Römer“ oder „Germane“) über Mittelalter (christliche Mehrheit, jüdische Minderheit) und frühe Neuzeit (Entdeckungsfahrten) bis zu den Folgen der Arbeitsmigration ins Ruhrgebiet – oder im Inhaltsfeld 7 Friedensschlüsse vom Dreißigjährigen Krieg über die napoleonischen Kriege hin zu beiden Weltkriegen.
  • Die Inhaltsfelder markieren eine deutliche Abkehr der bisherigen Engführung bezogen auf deutsche Geschichte (nur Inhaltsfeld 5 und 6 verfolgen hauptsächlich diesen Fokus) hin auch zu globalgeschichtlichen Aspekten und solchen, die historische Beziehungen zwischen Ländern und Räumen deutlich werden lassen. Insbesondere Themenschwerpunkte wie Fremdsein, Menschrechte und Friedensschlüsse eignen sich für Fremdverstehen, interkulturelles Lernen, Multiperspektivität und das Einbringen von Gegenwartsbezügen. Es wäre wünschenswert, dass die Freiräume, die der Kernlehrplan gibt, tatsächlich dazu genutzt werden, stärker auch gesamteuropäische Perspektiven und zugleich außereuropäische Räume vermehrt einzubeziehen.
  • Mit einem Schwerpunkt auf politikgeschichtliche Aspekte werden dennoch sozial- und kulturgeschichtliche Aspekte stärker betont als bisher. Eine solche Hinwendung – auch zu Aspekten der Geschichtskultur – spiegelt die Ausdifferenzierung der Geschichtswissenschaft in den vergangenen Jahrzehnten wider und war somit überfällig.

Im hinteren Teil des Kernlehrplans werden einzelne Aspekte der Inhaltsfelder in konkrete Kompetenzanforderungen übersetzt, wobei sich erst in der Anwendung in Unterrichtsplanungen erweisen wird, wie hilfreich diese Vorschläge sind (beim KLP Sek I waren sie es nicht immer). Offen bleibt zunächst auch die (für die bisherige Unterrichtspraxis in der Qualifikationsphase oft wesentliche) Frage, zu welchen inhaltlichen Schwerpunkten in Zukunft Zentralabiturklausuren gestellt werden; dies wird man aber frühestens 2016 sehen. Übrigens werden die Operatoren ersetzt in einer neuen, gebündelten Übersicht „Überprüfungsformen“.

Das Konzept der Inhaltsfelder ist innovativ und die grundsätzliche Frage: themenorientierter oder chronologischer Geschichtsunterricht? wird eindeutig beantwortet. Die Verbändebeteiligung bis Mai 2013 wird zeigen, ob und wie sich der Vorschlag behaupten kann.

 

empfohlene Zitierweise    Pallaske, Christoph (2013): Neue Wege statt der “staubigen Straße der Chronologie” | Entwurf Kernlehrplan Geschichte für die Sek II NRW erschienen. In: Historisch denken | Geschichte machen | Blog von Christoph Pallaske, vom 26.3.2013. Abrufbar unter URL: http://historischdenken.hypotheses.org/1616, vom [Datum des Abrufs].

Quelle: http://historischdenken.hypotheses.org/1616

Weiterlesen

17. März | segu wird zwei | Positionsbestimmungen und Fragen

Am 17. März 2011 ging die Seite segu-geschichte.de online. segu war seinerzeit kaum mehr als eine Idee für ein Konzept Offenen Geschichtsunterrichts; anfangs gab es nur eine Handvoll Module. Zwei Jahre später stehen auf der Lernplattform insgesamt über 130 und damit etwa zwei Drittel der geplanten Module zur Verfügung.[1]

 


segu-geschichte.de | Screenshot vom 17. März 2011

 

Die ursprüngliche Idee zum segu-Konzept hatte mit Geschichtslernen im Internet nichts zu tun. Aus Erfahrungen der Schulpraxis, dass individuelles Lernen und Differenzierung zwar überall gefordert und durch die Umstellung auf den Ganztag an vielen Schule auch notwendig wurden, dennoch selten Anwendung fanden, erwuchs (mit Antritt der Stelle als abgeordneter Lehrer an der Universität zu Köln im Februar 2011) die Idee, ein tragfähiges Lehr- und Lernkonzept für Offenen Unterricht[2] im (meist) zweistündigen Nebenfach Geschichte (bzw. Gesellschaftslehre) der Sekundarstufe I zu erstellen. Weil schnell klar wurde, dass hierfür umfassend Lernmaterialen benötigt, in Papierform aber schwer zu organisieren sein würden, entwickelte sich erst im zweiten Schritt die Idee, diese online zur Verfügung zu stellen.

Die Programmierung der Lernplattform mit inzwischen zwei umfassenden relaunches erfolgte mit einer einfachen, im Detail dann doch nächteverzehrenden Webdesign-Software in Handarbeit. Weil sich die Funktionalität der Seite im Wesentlichen auf die Verlinkung von pdf- und Textdateien beschränkt, erfüllt sie ihren Zweck gut, bleibt in der vorliegenden Version aber klar ein Web1.0-Angebot. Im März 2012 wurde zusätzlich der Medientyp der (zurzeit 8) segu-Videomodule eingeführt, die als Screencast-Videos erstellt und extern in einem eigenen Youtube-Kanal hochgeladen werden. Die meiste Arbeit benötigt die Erstellung der einzelnen segu-Module, die hauptsächlich mit den Kapazitäten der abgeordneten Lehrerstelle unter Mitarbeit studentischer Hilfskräfte entstanden sind.[3] segu verfügt ansonsten über keine Ressourcen.[4] Knapp 10 Module stammen von anderen Autoren, darunter drei auch von Studierenden der Universität zu Köln.[5]

Zu Beginn des Projekts waren die Vorbehalte, die Materialen online zu stellen, aufgrund der Befürchtung gegen Urheberrechte zu verstoßen groß. Bis zur Erkenntnis, dass es möglich ist, Lernmaterialien bedenkenlos im Netz zu veröffentlichen, hat es einige Monate gedauert. Es wurde beispielsweise klar, dass es dank der in der Wikimedia vorhandenen, unter CC (Creative Commons)-Lizenz oder gemeinfrei (Public Domain) bereitgehaltenen Bildmedien kein Problem darstellt, Bilder in Lernmaterialien einzufügen, wenn man einen korrekten Bildnachweis führt. Einen weiteren wichtigen Anstoß gab Daniel Bernsen im November 2011, die segu-Lernmaterialien selbst auch unter CC-Lizenz zu stellen und als OER (Open Educational Resources)[6] zu labeln. Seither stehen die Module nicht mehr nur als pdf, sondern auch als Textdateien zur Verfügung.[7]

 

segu-Benutzerstatistik bei Google Analytics | Samstags haben Lehrer & Schüler anderes zu tun…

 

Die Resonanz auf die Lernplattform ist erfreulich. Die mittels google analytics erhobenen Zugriffszahlen belaufen sich auf etwa 150-200 (s. Foto), die vom Hoster ausgewiesenen Zugriffe auf etwa 600 Zugriffe täglich (Die Abweichung bedarf einer Erklärung; wir haben keine). Die Zahl der monatlich (entweder als pdf, doc oder odt) heruntergeladen Module lag laut Hoster im Oktober 2011 bei ca. 2.500, im Mai 2012 bei 13.000 und zuletzt bei 22.000. segu hat sich durch Vernetzung via twitter, facebook, iTunesU, Youtube, LearningApps und durch das segu-Magazin bei Scoopit ohne jede kommerzielle Bewerbung von selbst verbreitet.

Eine empirische Stichprobe zur Arbeit von Schüler_innen mit segu hat gezeigt: Das Konzept funktioniert im Unterricht und zeigt eine pragmatische Lösung für die Arbeit mit digitalen Geräten und dem Internet auf. Auch in den Medien hat segu Erwähnung gefunden. So berichtete die Süddeutsche Zeitung im Januar, segu sei der „einzige OER-Leuchtturm in Deutschland“ – eine schmeichelhafte, aber übertriebene Aussage. Der (mit Abstand) höchste OER-Leuchtturm in Deutschland ist (seit 15 Jahren) die ZUM.de. segu und die ZUM (Schwerpunkt Geschichte) sind seit Sommer 2012 Kooperationspartner.

Nach zwei Jahren kommt die Arbeit an den Modulen wesentlich langsamer voran. Das hat auch damit zu tun, dass universitäre Stellenprofile – je länger man auf dem Platz steht – nicht kleiner werden. Die Arbeit mit segu hat sich zudem stärker in eine Richtung verlagert, wie in Zukunft mit digitalen Medien sinnhaftes digitales Geschichtslernen stattfinden kann. Zum Stellenprofil gehörte in diesem Zusammenhang die Organisation der Tagung #gld13 | Geschichte Lernen digital am 8. und 9. März 2013 in München, die als interaktive Netztagung live zu sehen war, reichlich betwittert wurde und bald auf L.I.S.A. als Video bereit gehalten wird. Deshalb gab es im vergangenen Monat – leider –  fast keine Aktivitäten auf der Lernplattform.

 

Die segu-Plattform im März 2013

 

Die erzwungene Pause bietet aber auch die Möglichkeit, zu einigen Punkten Positionsbestimmungen zum Stand nach zwei Jahren vorzunehmen und nach möglichen Entwicklungen zu fragen:

1 | segu versteht sich als Beitrag für Offenen Geschichtsunterricht.[8] Die einzelnen Module legen i.d.R weniger geschlossene und mehr offene Aufgabenstellungen zugrunde. Dennoch leiten die Aufgaben meist formelle Lernwege an. Module zu stärker informellem Lernen (im Sinne solchen Lernens, in dem die Schüler_innen ihre Fragen selbst suchen und beantworten) bilden eher die Ausnahme (in einigen Forschermodulen und allen freien Forschermodulen). Damit ist der Grad der Öffnung des Geschichtsunterrichts im segu-Lernkonzept oft eher gering; er betrifft eher Aspekte der Organisation offener Lernformen.

2 | Etwa die Hälfte der bisherigen Module soll mit Hilfe des Schulbuches bearbeitet werden, die andere im Internet. Wichtig wäre für uns der Hinweis, ob die Arbeit mit Schulbüchern in der Breite gut klappt, denn segu ist ja nicht auf ein bestimmtes Schulbuch ausgelegt.

3 | segu bietet zurzeit wenig Möglichkeiten web-basierter Interaktion.[9] Angesichts der zahlreichen Anregungen zu Web2.0-basiertem Lernen wäre zu überlegen, wie Methoden kooperativen und kollaborativen Lernens stärker eingebracht werden können.[10]

4 | Die Arbeit mit segu soll nicht dazu führen, dass Schüler_innen quasi atomisiert nur noch einzeln vor dem PC lernen. Erstens eignen sich die Materialien gut zur Partner- oder Teamarbeit, zweitens braucht Offener Unterricht immer Phasen zur Präsentation von Ergebnissen – und vor allem zur Diskussion. Eventuell findet diese Phase in der Form, wie sich die Lernplattform im Internet präsentiert, zu wenig Berücksichtigung.[11]

5 | Welche Angebote von segu lassen sich gut verwenden (resp. in welche Richtung sollen wir weiterdenken)? ModuleVideosLearning Apps – andere? Und: Werden die Materialien auch im „normalen“ Geschichtsunterricht oder tatsächlich unter Zugrundelegung des segu-Planers verwendet?

6 | Es ist unterschiedliche Kritik zu einzelnen Modulen und Aufgaben eingegangen. Die Einwände reichen von viel zu schwer bis viel zu leicht. Die Qualität der Module steht und fällt mit der Qualität der Aufgaben. Häufig wurden diesbezüglich schon Vorschläge von außen und auch Korrekturen umgesetzt.

7 | Die relativ aufwändigen bilingualen Unterrichtsmaterialien haben bislang nur wenig Beachtung gefunden.

8 | Schließlich ist der Aspekt der OER (s. Fußnote 6) von Interesse – hier besonders die Frage, ob es seitens der Benutzer bereits ein Bewusstsein für die Bedeutung der OER gibt – und ggf. bereits an anderen Orten OER-Angebote zum Geschichtslernen mit dem Internet entstehen, mit denen man sich ggf. vernetzen könnte.

Rückblickend hat sich segu als „work in progress“-Projekt deshalb gut entwickelt, weil immer Hinweise und Diskussionen sowohl über einzelne Module als auch über grundsätzliche Entscheidungen zur Konzeption und Darbietung der Lernmaterialien sowie zur Etablierung als Open Educational Resources „von außen“ eingegangen sind.

Gelegentlich gehen hier Fragen ein, wo denn der Haken bei der Verwendung von segu sei. „Ist das noch „umsonst“ – und in einem halben Jahr muss man auf einmal doch etwas bezahlen?“ Hierzu eine klare Aussage: segu ist und bleibt OER, bleibt online und wird auch in Zukunft nichts kosten!

Zu weiteren Anregungen, Kritik, Fragen: Bitte Kommentare (gerne auch unter diesen Beitrag ins Blog – Anmeldung nicht erforderlich – auch anonym) posten! Oder – gerne auch nicht öffentlich – an kontakt@segu-geschichte.de senden.

[1] segu liegt deshalb  – wie auf der Startseite vermerkt – bis heute in einer beta-Version vor.

[2] Eine vertiefende Beschreibung des Projekts findet sich auf der Projekthomepage der Universität zu Köln.

[3] An dieser Stelle besten Dank an Astrid Wegner, Lisa Philippen und Johannes Jansen!

[4] Die bisherigen laufenden Kosten beschränken sich auf einen kleinen dreistelligen Betrag.

[5] segu ist ein Autorenprojekt. Sie können mit einer guten Idee Autor bei segu (und auf dem Modul namentlich erwähnt) werden.

[6] Einen Bericht in diesem Blog zu den OER hier. Die Werkstatt_bpb hat jüngst ein Dossier über OER veröffentlicht.

[7] Weil OER-Materialien mit einem Open-Source-Programm erstellt werden müssen, werden alle Module als Open-Office-Dokument erstellt. Gelegentlich wird Kritik am etwas konventionellen Layout der Module geübt. Sie sind aber bewusst schlicht gehalten, weil somit gewährleistet bleibt, dass die Dateien auch noch in einigen Jahren zu benutzen sind.

[8] Einen Überblick zum Offenen Geschichtsunterricht geben: Kühberger, Christoph; Windischbauer, Elfriede: Individualisierung und Differenzierung im Geschichtsunterricht. Schwalbach/ Ts. 2012; zum Offenen Unterricht allgemein und zum Forschungsstand: Bohl, Thorsten; Kucharz, Diemut: Offener Unterricht heute. Konzeptionelle und didaktische Weiterentwicklung. Weinheim, Basel 2010.

[9] Die Unterseite Forum, auf der sich über Fragen usw. ausgetauscht werden könnte, wird fast gar nicht genutzt.

[10] Zu Aspekten digitalen Lernens allgemein:  Hugger, Kai-Uwe; Walber, Markus (Hg.): Digitale Lernwelten. Konzepte, Beispiele und Perspektiven. Wiesbaden 2010; zu Aspekten digitalen Geschichtslernens: Bernsen, Daniel; König, Alexander; Spahn, Thomas: Medien und historisches Lernen. Eine Verhältnisbestimmung und ein Plädoyer für eine digitale Geschichtsdidaktik. In: Zeitschrift für digitale Geschichtswissenschaften, H. 1 (2012).

[11] Weiterführende Hinweise in der Datei: Hinweise zum Unterrichtseinsatz.

 

empfohlene Zitierweise    Pallaske, Christoph (2013): 17. März | segu wird zwei | Positionsbestimmungen und Fragen. In: Historisch denken | Geschichte machen | Blog von Christoph Pallaske, vom 13.3.2012. Abrufbar unter URL: http://historischdenken.hypotheses.org/1564, vom [Datum des Abrufs].

Quelle: http://historischdenken.hypotheses.org/1564

Weiterlesen

Interaktive Netztagung | #gld13 | Geschichte Lernen digital | Freitag, 8. März | Samstag, 9. März | im Livestream auf L.I.S.A.

Die Tagung #gld13 | Geschichte Lernen digital steht unmittelbar bevor. Sie können den Livestream zwischen Freitag 12:00 und Samstag 12:00 Uhr auf der Seite L.I.S.A (Gerda-Henkel-Stiftung) verfolgen und sich über twitter beteiligen: #gld13 | @ge_lern_dig. Das Programm mit den Vorträgen und Uhrzeiten können Sie dem Tagungsflyer entnehmen und das aktuelle Geschehen auch auf der twitterwall #gld13 verfolgen.

Die Tagung wird von Prof. Marko Demantowsky (Pädagogische Hochschule Nordwestschweiz) und Dr. Christoph Pallaske (Universität zu Köln) in Kooperation mit der Körber-Stiftung (Hamburg), der Gerda-Henkel-Stiftung (Düsseldorf), der Bayerischen Staatsbibliothek (München) und der kgd (Konferenz für Geschichtsdidaktik) veranstaltet.

Falls Sie in München und Umgebung wohnen: Am Freitag um 20 Uhr findet im Historischen Kolleg ein öffentlicher Vortrag von Thomas Krüger (Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung) statt: Geklicktes Wissen. Was macht uns wirklich klug?

Quelle: http://dgl.hypotheses.org/800

Weiterlesen

Abstract | Daniel Bernsen | Classroom4.eu | Schüler schreiben ein multimediales Online-Schulbuch zur Kulturgeschichte Europas


Der Unterricht in (fast) allen Schulfächern (fast) aller europäischer Länder ist nach wie vor stark an einem nationalen Curriculum ausgerichtet. Dabei lassen sich kulturgeschichtlich bedeutende Erfindungen, Musikrichtungen oder einzelne Künstler in der Regel nicht in einem nationalen Rahmen fassen, sondern sind nur grenzüberschreitend zu begreifen.

Classroom4.eu will diese Vernetzung der europäischen Wissenschafts- und Kulturgeschichte abbilden, um damit Anregungen für die Lehrplan- und Schulbuchentwicklung zu geben und zugleich selbst als Beispiel für ein interaktives und multimediales Schulbuch zu dienen. Die Linkstruktur eines Wikis eignet sich in höherem Maße als ein gedrucktes Buch zur Abbildung dieser Netzwerke und bietet bislang wenig genutzte didaktische und methodische Möglichkeiten.

Innovativ ist das Projekt durch die Schaffung eines interaktiven Schulbuchs von Schülern für Schüler, der Mehrsprachigkeit des Wikis sowie durch die Verbindung von regionaler und europäischer Geschichte, die als Kulturgeschichte unter netzwerk-/kommunikationstheoretischem Ansatz neu geschrieben wird (siehe auch Europäische Geschichte Online). Darüber hinaus werden von den Lernenden neue Informations- und Kommunikationstechniken wie Online-Forum, Chat und Videokonferenz genutzt, um grenzübergreifend an einzelnen Themen und Artikeln zu arbeiten.

Nach der Testphase, die über die europäische Akademie in Yuste (Spanien) finanziert war, soll classroom4.eu zunächst als Comenius-Projekt durch mehrere europäische Schulen fortgeführt werden. Angesichts der gegenwärtigen Krise in Europa scheinen solche Bildungsinitiativen besonders wichtig. Digitale Medien spielen dabei eine zentrale Rolle, da sie die Verständigung und Vernetzung junger Europäer über die Anerkennung ihrer gemeinsamen kulturellen Wurzeln ermöglichen. Darüber hinaus wird die Zusammenarbeit von akademischen und schulischen Einrichtungen im Bereich des propädeutisch-wissenschaftlichen Arbeitens gefördert.

 

Links:

Quelle: http://gelerndig.hypotheses.org/239

Weiterlesen