Lesetipp | Der europäische Bildersaal | hrsg. von Michael Wobring und Susanne Popp

Welche Bilder finden sich am häufigsten in europäischen Schulgeschichtsbüchern? Der Auswahl von 14 Gemälden, Zeichnungen und Fotos, die in den Beiträgen des Sammelbandes Europäischer Bildersaal. Europa und seine Bilder (hrsg. von Michael Wobring und Susanne Popp, Schwalbach/Ts. 2013, Wochenschau-Verlag, 190 Seiten, 39,80 Euro) eingehend vorgestellt werden, liegt eine (aufwändige) Auswertung von Geschichtsbüchern aus 27 EU-Mitgliedsstaaten zugrunde.

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Die Beiträge folgen demselben Aufbau und legen eine umfassende historische und geschichtsdidaktische Einordnung vor: Werk und Urheber im Überblick – Das dargestellte Ereignis im historischen Kontext (mit Quellen hierzu) – Die Darstellung des Ereignisses im Bild – Das Bild als geschichtliche Quelle – Weg zur geschichtskulturellen Präsenz. Damit bieten sie umfangreiche Informationen für eine reflektierte Verwendung im Geschichtsunterricht (allerdings keine Didaktisierung im Sinne von Aufgabenformaten oder Beispielen für den konkreten Unterrichtseinsatz).

Die Bildauswahl: Amerikanische UnabhängigkeitserklärungBallhausschwurDie Erschießung der AufständischenWiener KongressMassaker von ChiosDie Freiheit führt das VolkProklamierung des Deutschen KaiserreichsEuropäischer Kongress zu BerlinLenin proklamiert die SowjetmachtUnterzeichnung des Versailler Vertrags - Picassos GuernicaKonferenz von JaltaSowjetische Fahne auf dem Dach des ReichstagsgebäudesFall der Berliner Mauer

Quelle: http://historischdenken.hypotheses.org/2188

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nachgefragt | Geschichtsklausuren schreiben mit Hilfe des Internets?

In Dänemark dürfen Schüler/innen seit ein paar Jahren bei Klausuren und inzwischen auch bei Abiturprüfungen das Internet als Hilfsmittel benutzen. Die Vorstellung scheint auf den ersten Blick gewöhnungsbedürftig, das dänische Bildungsministerium positioniert sich aber eindeutig: “Es wird Zeit, dass die Realität Einzug hält in den Prüfungsalltag”; man wolle schließlich Schüler/innen auf das Leben vorbereiten. (Die Süddeutsche Zeitung berichtete am 17. Mai 2010)

Bildnachweis: berndschmitz / Flickr (CC BY-SA 2.0)

Ein Internetzugang bei Klausuren wirft Fragen auf: Wie würde sich das Lernen allgemein und die Vorbereitung auf Klausuren verändern? Stimmt es, dass man für Klausuren nichts mehr “pauken” müsste? Wie könnten geeignete Aufgabenformate aussehen? Tauschen sich die Schüler/innen via Kommunikationstools untereinander aus oder würden sie die Klausur sogar “extern” bearbeiten lassen? Und die Leistungsbewertung? Wären aufwändige Recherchen nach kopierten Textbausteinen notwendig? Wie eigenständig bleibt die Leistung der Schüler/innen? Antworten auf diese Fragen fallen für verschiedene Unterrichtsfächer unterschiedlich aus. In Latein etwa würde die online-Verfügbarkeit von Übersetzungstexten wahrscheinlich viele Prüfungsformate ad absurdum führen, in Chemie der online-Zugriff auf Formeln und Reaktionsmechanismen die Aufgabenkultur elementar verändern.

Im Fach Geschichte aber muss die Vorstellung, dass Schüler/innen sich während einer Klausur, beispielsweise einer Quellenanalyse, zur Informationsbeschaffung auf Internetsuche begeben, den Lehrer/innen keinen Schweiß auf die Stirn treiben. Wenn sich Schüler/innen im Vorfeld der Klausur nicht über historische Sinnzusammenhänge und hierfür relevante Begriffe, Ereignisse und handelnde Personen klar geworden sind, könnten sie mittels Internetzugriff wohl leicht einige Namen und Fakten nachschlagen, werden ad hoc und unter Zeitdruck aber kaum in der Lage sein, diese Informationen in einen reflektierten, übergeordneten Deutungszusammenhang zu stellen. Es wird also auch online nicht ohne Klausurvorbereitung gehen.

Es sind hingegen klare Vorteile erkennbar: Erstens ließen sich Lernen und die Reproduktion von Daten und Fakten auf Grundlegendes reduzieren. Höhere Anforderungsbereiche wie Wissenstransfer und Urteilsfähigkeit würden aufgewertet – was den Ansprüchen des Fachs entgegenkäme. Zweitens macht die Informationsbeschaffung im Netz stärker als das Lernen mit Darstellungstexten aus Geschichtsbüchern deutlich, dass Deutungsangebote über die Vergangenheit in Form verschiedener (oft in Überfülle abrufbarer) Narrative unterschiedlicher – mehr oder weniger seriöser – Autoren und Quellen perspektivisch, pluralistisch und kontrovers sind. Gerade bezogen auf die Geschichte, ihre verschiedenen geschichtskulturellen Ausprägungen und medialen Präsentationsmöglichkeiten verdeutlicht das Netz, dass Vergangenheitsdeutungen auf vielen Wegen beschritten und ausgehandelt werden. Deshalb stellt eine reflektierte Beurteilung online recherchierter Informationen ein besonderes Potenzial für das Geschichtslernen dar. Einfaches Abschreiben als bedenkenlose Übernahme fertiger Deutungen kann problematisiert und die Notwendigkeit von Quellenüberprüfung und -angaben eingeübt werden. Die Analyse- und Urteilsfähigkeit von Schüler/innen würde dadurch stärker ausgebildet.

Vorstellbare Herausforderungen und Probleme von online-Klausuren sind sicher zahlreich; hier nur zwei Aspekte. Die Diskussion erstens der Frage, ob und wie das Netz und hier besonders Kommunikationstools Möglichkeiten zum Schummeln bieten, sollte zunächst berücksichtigen, dass Schüler/innen immer auch schon “analog” gepfuscht haben. Und bereits heute kann wohl kaum effektiv verhindert werden, dass Smartphones in die Schultoilette geschmuggelt werden. Dem würde ein offener Umgang mit dem Netz entgegenwirken. Ob sich allerdings Nachfragen und Absprachen zwischen den Prüflingen oder mit der Außenwelt vermeiden lassen, scheint fraglich. Auch würden mit der Zeit vermutlich immer mehr Klausuraufgaben und -lösungsvorschläge im Netz kursieren. Am ehesten könnte man dem durch veränderte, offenere und verschiede Kompetenzbereiche berücksichtigende Aufgabenformate entgegenwirken. Zweitens ergeben sich neue, wahrscheinlich höhere Ansprüche an die Korrekturarbeit der Lehrer/innen, die im Zweifelsfall Textpassagen auf ihre Herkunft oder das Zustandekommen wortgleicher Antworten bei verschiedenen Schüler/innen rekonstruieren müssten.

Der dänische Weg – so viel abschließend – ist jedenfalls genauso anregend und diskussionswürdig wie die Frage, ob und wie sich allgemein die Lern- und Aufgabenkultur an den Schulen, speziell Prüfungsformate, Klausuren und zentrale Abiturpürfung angesichts des digitalen Wandels neuen Herausforderungen stellen müssen. Abzuschätzen, ob und wann das erste Bundesland in Deutschland in ein “Abitur2.0″ einsteigt, scheint indessen schwierig.

empfohlene Zitierweise    Pallaske, Christoph (2013): nachgefragt | Geschichtsklausuren schreiben mit Internet? In: Historisch denken | Geschichte machen | Blog von Christoph Pallaske, vom 6.11.2013. Abrufbar unter URL: http://historischdenken.hypotheses.org/2172, vom [Datum des Abrufs].

Quelle: http://historischdenken.hypotheses.org/2172

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nachgefragt | Mitarbeit an einer Ausstellung „Stephansheide: vom Kriegsgefangenenlager zum Kinderheim“ | Rösrath bei Köln


Polnische Kriegsgefangene in Hoffnungsthal (Bildarchiv Geschichtsverein Rösrath)
 

Das Pädagogische Zentrum für Kinder und Familien in Stephansheide (eine Einrichtung der Diakonie Michaelshoven) in Rösrath bei Köln sucht Interessierte, die sich an der Konzeption einer Ausstellung zur wechselvollen Geschichte des Standortes beteiligen wollen. Dort wurde – etwas abgelegen im Gelände der Wahner Heide – 1940 ein Kriegsgefangenenlager errichtet, in dem vor allem polnische Kriegsgefangene inhaftiert wurden. Nach 1945 wurden die Gebäude als Kriegswaisenheim genutzt und nach und nach zur heutigen Einrichtung ausgebaut. Bis heute sind einige Gebäude des Kriegsgefangenenlagers erhalten. Die geplante Dauerausstellung soll in drei Räumen erstens die Geschichte des Kriegsgefangenlagers während des Zweiten Weltkriegs, zweitens die Heimerziehung in den 1950er- und 1960er-Jahren sowie drittens die Entwicklung hin zu einer modernen Jugendhilfeeinrichtung  dokumentieren.

Die Diakonie Michaelshoven sucht in Kooperation mit dem Geschichtsverein Rösrath nach Interessierten, die erstens die Geschichte des Standortes, Quellen, Exponate und Zeitzeugen recherchieren und sich zweitens an der museumspädagogischen Konzeption der Ausstellung beteiligen wollen – beispielsweise im Rahmen des Geschichtsstudiums oder als museumspädagogisches Praktikum. Sie können sich bei Frau Sabine Fleper, Mitarbeiterin bei der Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung Stephansheide (Telefon: 02205 922737, s.fleper@diakonie.michaleshoven.de) melden.

Am 12. Oktober 2013 können mögliche Interessenten auch an einer Führung über das Gelände teilnehmen (14 Uhr, Treffpunkt: Heidezentrum Turmhof, Kammerbroich 67 in Rösrath).

Quelle: http://historischdenken.hypotheses.org/2077

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Gedenkstättenarbeit und Demokratieerziehung | Bericht vom Roundtable auf der Wewelsburg am 2.10.2013


Am 2. Oktober 2013 fand auf Initiative der Körber-Stiftung und des Schulministeriums NRW in der Gedenkstätte Wewelsburg bei Paderborn der Roundtable Erinnerungskultur und schulische Extremismusprävention statt. Über 20 Teilnehmer – sowohl Lehrer/innen, Wissenschaftler/innen und Vertreter/innen des Schulmisteriums NRW – diskutierten über Erinnerungs- und Gedenkkultur(en) zu NS und Holocaust sowie über neue Herausforderungen der Demokratieerziehung in der Gedenkstättenarbeit. Referenten waren der Soziologe Harald Welzer und die Geschichtsdidaktikerin Waltraud Schreiber. Kirsten John-Stucke, Leiterin der Gedenkstätte Wewelsburg, führte die Teilnehmer/innen des Roundtables u.a. durch den “Obergruppenführersaal” mit dem in der Neonazi-Szene populären Symbol der “schwarzen Sonne”. Um die Monumentalität des Saals zu brechen, finden sich hier Sitzsäcke – die dem Ort heute eher die Atmosphäre einer Lounge geben. (Foto:Pallaske, CC BY SA 3.0)

 

Der Referent Harald Welzer kam zu spät. Er war auf dem Weg zur Wewelsburg von einem Parkhaus-Mitarbeiter (Welzer nannte ihn Krawuttke) aufgehalten worden, weil in seinem Mietauto, das im Parkhaus abgestellt war, ein ungültiger Parkausweis hinterlegt war. Statt einfach die Schranke freizugeben, spielte der Parkhauswächter seine Macht aus. Vorschrift sei Vorschrift, Welzer müsse sich halt einen gültigen Parkausweis besorgen. Wie bewältigt man – so Welzer weiter – eine solche Situation, wissend, dass man unter Zeitdruck steht? Man gebe besser Recht und wie sehr man die Einhaltung der Vorschriften verstehen könne, bis der genervte Krawuttke die Schranke schließlich doch freigab. Welzer weiter: Eine konkrete, alltägliche Situation könne deutlich machen, worum es bei Demokratieerziehung geht: Welche Handlungsspielräume eröffnen sich Menschen in bestimmten Rollen, wenn sie durch jeweilige Umstände Macht ausüben können bzw. Macht ausgetzt werden? Und wie unterschiedlich handeln verschiedene Menschen angesichts solcher Handlungsspielräume? Die Schilderung situativer Handlungsspielräume ziele auf die Frage: Wie hättest Du Dich in konkreten Situationen verhalten? Was bedeutet individuelle Verantwortung vor dem Hintergrund jeweiliger gesellschaftlicher Verhältnisse? Die Beschäftigung mit der Vergangenheit in Gedenkstätten müsse vor allem Antworten auf gegenwartsbezogene Fragen geben. Als Beispiel ging Welzer auf den Wahlerfolg der FPÖ in Österreich ein, die jüngst Schultüten zur Einschulung verteilte – aber nur an österreichische Kinder. Seine Frage: Wie kann es sein, dass eine solche Aktion zumal im Umfeld der Institution Schule von der Gesellschaft geduldet wird?

Weit analytischer skizzierte Waltraud Schreiber den Wandel der Gedenkstättenarbeit. Neben dem Auftrag des Erinnerns, Gedenkens und Mahnens rückten in den letzten Jahren verstärkt Prävention und Demokratieerziehung in den Mittelpunkt. Geschichtslernen solle dafür stärker an die Gegenwart angebunden werden. Als Ziele von Gedenkstättenarbeit formulierte Schreiber erstens den Anspruch „selbst zu denken“ um achtsam mit sich selbst, anderen und der Welt umgehen. Zweitens schaffe erst die Annäherung an das Fremde historische Orientierung. Die Beschäftigung mit Vergangenheit gewinne durch Vergleiche historischer und gegenwärtiger gesellschaftlicher Rahmenbedingungen Relevanz. Schreiber ging weiter auf Konzeptionen für Ausstellungen und Lernwege in Gedenkstätten ein: Aspekte von Vergangenheit und Gegenwart sollten vernetzt  und zugleich Spielräume gelassen werden. Den Besuchern solle Zeit gegeben werden, auch Umwege gehen zu lernen.

Beide Beiträge nahmen damit die aktuelle Diskussion um Gedenkstättenarbeit auf, die weg von einer „Betroffenheitspädagogik“ und in Ritualisierungen gelegentlich erstarrten Erinnerungskultur des Mahnens verstärkt auf das Einüben von Demokratiefähigkeit und der Entwicklung von Zivilcourage zielen. Dabei wird der Blick – was auch im Ausstellungskonzept der Wewelsburg deutlich wird (und hervorragend umgesetzt wurde) – nicht mehr nur auf die Opfer, sondern auch auf Täter und Zuschauer gelenkt. [Ein eigener, positiv erinnerter Eindruck hierzu: Auf einer Exkursion mit den 9. Klassen eines Kölner Gymnasiums in die KZ-Gedenkstätte Buchenwald entstand eine heftige Diskussion, als die Schüler/innen während des Rundgangs gefragt wurden: Wenn ihr euch umschaut, könnt ihr viele Bauernhöfe und Dörfer sehen. Stellt euch vor, ihr wärt hier vor 70 Jahren ein Bauer/eine Bäuerin gewesen. Es klopft an der Tür und vor euch steht ein offenbar geflüchteter KZ-Häftling in Häftlingskleidung. Was würdet ihr tun?].

In der anschließenden Diskussion wurden auch Vorbehalte laut. Gedenkstätten könnten und sollten nicht Antwort auf alle heutige Gesellschaftsprobleme geben – eine „Allmacht von Gegenwartsbezügen“ würden Gedenkstätten überfrachten und ihre Besucher überfordern. Von Lehrer/innenseite wurde besonders auf den Aspekt der Wissensvermittlung als notwendige Voraussetzung für sinnvoll geplante Gedenkstättenbesuche abgehoben und – aus praktischer Erfahrung – das Problem überhöhter Erwartungen an die Wirkung von Gedenkstättenbesuche beschrieben. Alfons Kenkmann lenkte ein: „Gedenkstätten sind keine Allzweckwaffen“, betonte aber den besonderen Vorzug authentischer Lernorte. Für die schulische Praxis wurde eine stärkere Vernetzung von Gedenkstätten mit den Schulen gefordert, wie sie beispielsweise vom  Arbeitskreis Gedenkstätten NRW, von den Initiativen Demokratie Erleben und Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage sowie der Stiftung Erinnerung ermöglichen (von denen jeweils Vertreter/innen anwesend waren) bereits geleistet wird.

Sven Tetzlaff von der Körber-Stiftung fasste die wesentliche Aspekte des Roundtables unter den Stichworten „Prävention – selbst denken – Handlungsspielräume“ zusammen. In der 60-minütigen Diskussion spielten andere wichtige Aspekte keine Rolle, beispielsweise zunehmend heterogene Lerngruppen und die Frage, welche Herausforderungen an interkulturelles Lernen sich bei der Beschäftigung mit NS und Holocaust ergeben. Insgesamt aber bildete der Roundtable den Paradigmenwechsel der Gedenkstättenarbeit – als einen wohl noch nicht zu Ende diskutierten Prozess – gut ab.

empfohlene Zitierweise    Pallaske, Christoph (2013): Gedenkstättenarbeit und Demokratieerziehung | Bericht vom Roundtable auf der Wewelsburg am 2.10.2013. In: Historisch denken | Geschichte machen | Blog von Christoph Pallaske, vom 4.10.2013. Abrufbar unter URL: http://historischdenken.hypotheses.org/2045, vom [Datum des Abrufs].

Quelle: http://historischdenken.hypotheses.org/2045

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Der Arbeitskreis “Digitaler Wandel und Geschichtsdidaktik” startet mit 20 Mitgliedern | Bericht von der konstituierenden Sitzung in Göttingen, 27.9.2013


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Auditorium Maximum, Universität Göttingen, By Daniel Schwen [CC-BY-SA-2.5 , via Wikimedia Commons
 

Am 27. September 2013 hat sich in Göttingen der Arbeitskreis dWGd | Digitaler Wandel und Geschichtsdidaktik während der dortigen  Zweijahrestagung der Konferenz für Geschichtsdidaktik mit insgesamt 20 Mitgliedern konstituiert.

Die Leiter des Arbeitskreises, Prof. Dr. Marko Demantowsky, Dr. Jan Hodel (beide Basel/Brugg-Windisch) und Dr. Christoph Pallaske (Köln), stellten zunächst die Hintergründe, Ziele und nächsten Schritte des neuen kgd-Arbeitskreises vor. Wichtigste Ankündigung war dabei das erste Arbeitstreffen, das im Rahmen der Tagung Geschichtsdidaktische Medienverständnisse. Geschichte – Definition – neue Herausforderungen am 25. und 26. April 2014 an der Universität zu Köln stattfinden wird.

Die anwesenden Mitglieder äußerten in einer ersten Vorstellungsrunde verschiedene Interessenschwerpunkte:

  • Veränderungen des Geschichtslernens durch digitale Medien (z.B. digitale Schulbücher oder Apps zum Mobile Learning)
  • empirische Forschungen hierzu
  • Lehr- und Lernkonzepte mit digitalen Medien im Lehramtsstudium
  • Veränderungen narrativer Strukturen und Erinnerungskultur(en) im Netz
  • verstärkte Vernetzung und Kooperationen zwischen Geschichtsdidaktik und “digitalen Praktikern”
  • Bündelung und Sichtbarmachung bisheriger und laufender Projekte und Initiativen

Die Leiter des Arbeitskreises äußerten sich sehr positiv über den regen Zuspruch. Weitere Interessenten sind herzlich eingeladen, dem Arbeitskreis als Mitglied beizutreten. Bitte senden Sie hierfür eine Mail an einen der drei Leiter des Arbeitskreises.

Quelle: http://dwgd.hypotheses.org/65

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#OER brauchen Zeit | (kurze) Eindrücke vom OER Camp Köln 2013

Was sind nochmal OER? Die Abkürzung steht für Open Educational Ressources, also im Netz frei verfügbare Bildungsmedien, und ist vielen Lehrer/innen noch nicht geläufig. Und selbst die Lehrer/innen, die sich heute an ihrem freien Samstag zum OER Camp nach Köln aufgemacht haben, meinten: Eigentlich haben wir an den Schulen andere Sorgen, als uns zu fragen, unter welcher Lizenz Arbeitsblätter und andere Lernmaterialien stehen, ob sie als OER gelabelt sind – oder eben wie bisher üblich, von kommerziellen Anbietern von Bildungsmedien stammen und man ein © am Seitenende findet.

Am 21.9.2013 fand das OER Camp Köln statt.
  

OER werden in Deutschland seit Herbst 2011, also noch nicht sehr lange diskutiert. Verschiedene Initiativen und Veranstaltungen wie auch die OER Konferenz vergangenes Wochenende in Berlin werden bisher nur in relativ kleinen Kreisen netzaffiner Lehrer/innen und anderer Akteure im Bildungsbereich wahrgenommen. Auf der Berliner Konferenz war die UNESCO Schirmherrin, die jüngst eine Broschüre zum Stand der OER in Deutschland herausgegeben hat.

Veranstaltungen wie das Barcamp in Köln machen deutlich: Es wurde in den zwei Jahren seit Beginn der OER-Diskussion in Deutschland (ausgelöst durch die Schultrojaner-Diskussion) relativ viel über Grundsätzliches debattiert, bis heute aber gibt es relativ wenige OER-Materialien und -Projekte, die von Lehrer/innen abgerufen und im Unterricht Verwendung finden können (in der UNESCO-Broschüre finden sich nur vier Beispiele: ZUM, segu, rpi, Schulwiki Köln). Auch die Bundeszentrale für politische Bildung will ihre Materialien und Angebote zukünftig verstärkt als OER verbreiten. Es ist berechtigt, dass Lehrer/innen weniger die Debatten interessieren, sondern der konkrete Nutzen: Wo kann ich gute Materialien herunterladen?

Auf dem OER Camp wurde diskutiert, warum Lehrer/innen sich nicht stärker austauschen und unterstützen: Man lädt eigene Materialien hoch und profitiert von den Materialien anderer. Diese Materialien könnten dann auf Suchplattformen wie edutags oder den diversen Landesbildungsservern (z.B. Elixier, Learnline NRW) gesucht und gefunden werden. Aber zurecht wurde auf die immer noch oft verbreitete (Un-)Kultur hingewiesen, dass Lehrer/innen sogar in der eigenen Schule oft wenig kooperieren und Materialien austauschen. Erst recht gelte das für im Netz öffentlich gemachte Materialien: Sind die überhaupt gut genug? Dann sehen die anderen ja, was ich so mache. Diese Mentalität wird sich wohl erst wandeln, wenn die Zahl von Lehrern erstellter und unter freier Lizenz veröffentlichter Materialien allmählich ansteigt. Das braucht Zeit, erstens.

Zweitens bedeuten OER nicht nur, dass eine immer größere Fülle von irgendwo im Netz aufzufindender Arbeitsblätter und Lernmaterialien kursiert. OER bieten heute weit besser als kommerzielle Bildungsmedien (immer noch vor allem Schulbücher) die Chance, Schüler/innen (und auf die kommt es schließlich an!) zum Lernen mit digitalen Medien anzuleiten. Sie können digital verfügbare Lernmaterialien nicht nur selbst recherchieren und selbstgesteuert bearbeiten, sondern auch selbst erstellen und (so schwer ist der richtige Umgang mit den Urheberrechten nicht) auch z.B. in Blogs oder Wikis öffentlich machen. Hier liegt die Chance zu einer Veränderung der Lernkultur hin zu offeneren Unterrichtsformen. Obwohl in den Jahren nach Pisa individuelle Förderungen und Differenzierung vielfach gefordert wurden, ist das Beharrungsvermögen lehrerzentrierter Unterrichtsformen in Deutschland – besonders an den Schulen der Sekundarstufen – immer noch enorm. Bis sich sinnvolle Lernkonzepte zum Lernen mit digitalen Medien in Breite etablieren braucht es vermutlich also noch mehr Zeit.

Dennoch – gemessen daran, dass die Diskussion um OER noch jung ist – zeigen Veranstaltungen wie das OER Camp in Köln, dass der Stein erst allmählich ins Rollen kommt (in Deutschland übrigens viel langsamer als in anderen Ländern, wo OER staatlich gefördert werden, z.B. Norwegen, Polen). Dies ändert nichts daran, dass OER grundsätzlich funktionieren, dass sich die Idee freier Bildungsmedien wohl immer weiter herumsprechen wird und dass die Zahl netzaffiner Lehrer/innen immer weiter ansteigt. Deshalb sind Veranstaltungen wie in Berlin und Köln (bei aller möglicher Kritik daran, dass es bisher zu wenig konkrete OER-Angebote gibt) wichtig. Dank an die Veranstalter!

Quelle: http://historischdenken.hypotheses.org/2012

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Arbeitskreis dWGd | digitaler Wandel und Geschichtsdidaktik

Die Folgen des digitalen Wandels sind noch nicht absehbar – dennoch wird er heute von vielen als einer der weitreichenden gesellschaftlichen und ökonomischen Transformationsprozesse seit der Industrialisierung eingestuft. Der mit der Digitalisierung einhergehende und weithin sichtbare lebensweltliche, gesellschaftliche, politische und kulturelle Wandel zeigt sowohl Folgen für die Entwicklung des Geschichtsbewusstseins der Einzelnen als auch für die öffentliche Geschichtskultur.

Kommt der Geschichtswissenschaft sonst die Rolle zu, gesellschaftliche Veränderungen zu bilanzieren und zu analysieren, gehen die Digitalisierung und sich im Web2.0 wandelnde Kommunikationspraktiken die Wissenschaftsdisziplinen auch direkt an. Einschlägige Publikationen verlagern sich zunehmend ins Netz und werden von der interessierten Netzöffentlichkeit aufgenommen, kommentiert und debattiert.

Die Geschichtsdidaktik steht angesichts des digitalen Wandels somit vor zwei Herausforderungen: Erstens gilt es, Bedingungen geschichtsbezogenen Denkens und Lernens im digitalen Wandel zu reflektieren, dabei sowohl Nutzen als auch neue Problemlagen zu analysieren. Zweitens muss die Fachdisziplin auf die neuen diskursiven Möglichkeiten des Web2.0 reagieren, die auch einen verstärkten Austausch zwischen der Fachdisziplin und den Praktikern – den Geschichtslehrer/innen und Akteuren in der historisch-politischen Bildung – ermöglicht.

Ziel des KGD-Arbeitskreises dWGd | digitaler Wandel und Geschichtsdidaktik ist die Bildung eines Forums für Forschungs- und Entwicklungsprojekte, die sich auf digitale Medien beziehen. Der Arbeitskreis will entsprechende Projekte öffentlich sichtbar machen, den Austauschs unter den Akteuren fördern und nach Projekt-Synergien suchen sowie auch Projekte anregen und koordinieren. Der Arbeitskreis veranstaltet jedes Jahr einen themenspezifischen Workshop, trifft sich daneben immer am Rand der KGD-Zweijahrestagung und des Historikertags.

Quelle: http://dwgd.hypotheses.org/23

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Web2.0 und Lokalgeschichte | z.B. die facebook-Gruppe „Du kommst aus Bergisch Gladbach, wenn…“

Das Blog Historisch denken | Geschichte machen geht in die Sommerpause und wünscht erholsame Ferien!

Fotoalbum der facebook-Gruppe „Du kommst aus Bergisch Gladbach, wenn…“

 

Die Dynamik von Kommunikation im Web2.0 und beispielsweise der Erfolg einer facebook-Gruppe sind kaum vorhersehbar. Hier soll (exemplarisch) die vor einem Jahr gegründete und „vor Ort“ seither außerordentlich nachgefragte facebook-Gruppe „Du kommst aus Bergisch Gladbach, wenn…“  vorgestellt werden. Bergisch Gladbach ist eine betreffs städtebaulicher Reize eher mittelprivilegierte Großstadt (auf Platz 70 der 76 deutschen Großstädte) im Schatten der Metropole Köln. Gemessen an etwa 109 000 Einwohner/innen sind die bislang über 8 000 Mitglieder der facebook-Gruppe auffällig viele; bemerkenswert ist zudem die rege Beteiligung. Es werden u.a. zahlreiche alte Fotos (teils aus Familienalben, teils aus Publikationen) sowie auch Schriftstücke oder Kuriositäten hochgeladen und oft umfassend kommentiert. Die vergangene Woche (Mo., 1. Juli, bis So., 7. Juli) weist über 120 neue Posts mit insgesamt ca. 2700 Kommentaren (sic! richtige Kommentare, nicht nur likes) auf; von den Posts behandeln etwa 70 tatsächlich lokalgeschichtliche Inhalte (in den übrigen geht es um aktuelle Themen, aber auch um Ärztetipps, vegetarische Restaurants oder Kindergartenflohmärkte). Dabei wurden zugleich etwa 60 historische Fotografien oder Ansichten von Gebäuden hochgeladen. Ein kurzer Blick auf facebook zeigt, dass es ähnliche und auch ähnlich erfolgreiche Gruppen in vielen anderen Städten und Kommunen gibt.

Abgesehen davon, dass private Zuträger von Fotos oder anderen Quellen aus Privatbesitz das „Gedächtnis der Stadt“ digital bereichern, bilden sich in den Posts und Kommentaren interessante Hinweise auf offenbar verbreitete lokalgeschichtliche Identifikations- und Orientierungsbedürfnisse ab. Diese reichen von Informationsaustausch: „puuuhh soweit ich weiß war die Wilhelmstr. die heutige Johann-Wilhelm-Lindlar-Str. *grübel* die Straße vom Löwen Richtung Paas war die Marienstrasse …“ über Banalitäten: „Zu genau der Zeit hatte man auch gerade einem bekannten Frittenbudenbesitzer die Bude zugemacht weil ein Kunde ein Rattengebiss in seinem Schaschlik gefunden hatte …“ bis hin zu Verklärungen: „Toll. So sieht die heutige Jugend mal wie schön Gladbach früher war.“ (alle Kommentare: Post vom Freitag, 6. Juli, 18:16, zum Foto: Bergischer Löwe). Posts mit über 100 Kommentaren sind keine Seltenheit; der facebook-Diskurs bietet somit umfangreiches Material für die Untersuchung lokal- und regionalgeschichtlicher Erinnerungskulturen.

In den Diskussionen über Geschichtslernen mit digitalen Medien ist bereits darauf hingewiesen worden, dass im Netz besondere, neuartige Zugänge erstens zur Hinwendung zu Geschichts- und Erinnerungskulturen und zweitens zur Regional- und Lokalgeschichte eröffnet werden.[1] Unter den Beiträgern der facebook-Gruppe finden sich zwar offenbar nur wenige Jugendliche resp. Schüler/innen. Dennoch werden viele Jugendliche in der Rolle stiller Beobachter gelegentlich mit lokalgeschichtlichen Posts und Fotos in Kontakt kommen. Für den Geschichtsunterricht eignen sich lokalgeschichtliche facebook-Seiten möglicherweise als Einstieg zur Beschäftigung mit lokalgeschichtlichen Themen oder (anspruchsvoller) um anhand der Posts und Kommentare die Argumentationen und Funktionsweisen lokalgeschichtlicher Erinnerungskultur zu dekonstruieren.

[1] S. hierzu Beispielsweise die Blogposts von Daniel Bernsen zur Regionalgeschichte oder zum Mobile Learning, sowie die Übersicht der Potenziale digitaler Medien für das Geschichtslernen.

empfohlene Zitierweise    Pallaske, Christoph (2013): Web2.0 und Lokalgeschichte | z.B. die facebook-Gruppe „Du kommst aus Bergisch Gladbach, wenn…“ In: Historisch denken | Geschichte machen | Blog von Christoph Pallaske, vom 8.7..2013. Abrufbar unter URL: http://historischdenken.hypotheses.org/1923, vom [Datum des Abrufs].

Quelle: http://historischdenken.hypotheses.org/1923

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