Ö1-Diagonal zu Österreich und die Aufklärung

Morgen auf Ö1-Diagonal (21.3.2015, 17:05-19:00):

"Mehr Licht!" Österreich und die Aufklärung. Präsentation: Peter Lachnit

Die Aufklärung ist in Österreich immer mehr von oben herab gewährt als von unten erkämpft worden. Josef II., der die Klöster aufgelöst und die Todesstrafe abgeschafft hat, war um einiges radikaler als das Land, dessen Kaiser er war. Erzherzog Johann ist auch eher wegen seiner Liebesaffäre zur Ausseer Postmeisterstochter Anna Plochl in Erinnerung geblieben als dadurch, dass ihn die Frankfurter Nationalversammlung während der Revolution von 1848 zum Staatsoberhaupt wählte. Im Österreich der katholischen Gegenreformation wurde die Aufklärung eher als verdächtiges Werk norddeutscher Protestanten betrachtet; der Kopf des 1795 als "Jakobiner", also als Anhänger der Französischen Revolution hingerichteten Franz Hebenstreit wurde bis vor drei Jahren im Wiener Kriminalmuseum zur Schau gestellt. Revolutionen und Volkserhebungen sind hierzulande schnell entweder niederkartätscht oder in staatstreue Bahnen gelenkt worden.

Welche Auswirkungen hat das alles auf das Verhältnis der Österreicher/innen zur Obrigkeit, auf ihre Bereitschaft zu Religionskritik und Zivilcourage? Wären etwa die "Charlie Hebdo"-Karikaturen hierzulande möglich gewesen?

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/1022409005/

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Rezensions-Digest Februar 2015-Nachtrag: Historische Zeitschrift

Die Links zur Historischen Zeitschrift sind nicht Open Access, sondern nur über Institutionen mit einem Abonnement aufrufbar.

Hillard von Thiessen: Rezension von: Guido Braun / Arno Strohmeyer (Hrsg.): Frieden und Friedenssicherung in der Frühen Neuzeit. Das Heilige Römische Reich und Europa. Festschrift für Maximilian Lanzinner zum 65. Geburtstag. (Schriftenreihe der Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte, 36.) Münster 2013, in: Historische Zeitschrift, 300.1 (2015): 201-202.

doi:10.1515/hzhz-2015-0052

Gerhard Fritz: Rezension von: Faramerz Dabhoiwala: Lust und Freiheit. Die Geschichte der ersten sexuellen Revolution. Aus dem Engl. v. Esther u. Hainer Kober. Stuttgart 2014, in: Historische Zeitschrift, 300.1 (2015): 211-212.

doi:10.1515/hzhz-2015-0058

Arno Herzig: Rezension von: Irene A. Diekmann (Hrsg.): Das Emanzipationsedikt von 1812 in Preußen. Der lange Weg der Juden zu „Einländern“ und „preußischen Staatsbürgern“. (Europäisch-jüdische Studien, Beiträge, Bd. 15.) Berlin/Boston 2013, in: Historische Zeitschrift, 300.1 (2015): 218-220.

doi:10.1515/hzhz-2015-0062

Rainer Walz: Rezension von: Johannes Dillinger: Kinder im Hexenprozess. Magie und Kindheit in der Frühen Neuzeit. Stuttgart 2013, in: Historische Zeitschrift, 300.1 (2015): 202-204.

doi:10.1515/hzhz-2015-0053

Werner Troßbach: Rezension von: S. A. Eddie: Freedom’s Price. Serfdom, Subjection, and Reform in Prussia, 1648–1848. Oxford 2013, in: Historische Zeitschrift, 300.1 (2015): 209-211.

doi:10.1515/hzhz-2015-0057

Dieter Langewiesche: Rezension von: Alan Forrest / Étienne François / Hagemann (Eds.): War Memories. The Revolutionary and Napoleonic Wars in Modern European Culture. (War, Culture and Society, 1750–1850.) Basingstoke 2013, in: Historische Zeitschrift, 300.1 (2015): 217-218.

doi:10.1515/hzhz-2015-0061

Stefan Rohdewald: Rezension von: David Frick: Kith, Kin, and Neighbors. Communities and Confessions in Seventeenth-Century Wilno. Ithaca/London 2013, in: Historische Zeitschrift, 300.1 (2015): 212-215.

doi:10.1515/hzhz-2015-0059

Axel Gotthard: Rezension von: Franz Fuchs / Stefan Petersen / Wagner (Hrsg.): Lorenz Fries und sein Werk. Bilanz und Einordnung. (Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg, Bd. 19.) Würzburg 2014, in: Historische Zeitschrift, 300.1 (2015): 204-205

doi:10.1515/hzhz-2015-0054

Harm Klueting: Rezension von: Martin Hille: Providentia Dei, Reich und Kirche. Weltbild und Stimmungsprofil altgläubiger Chronisten 1517–1618. (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 81.) Göttingen 2010, in: Historische Zeitschrift, 300.1 (2015): 205-207.

doi:10.1515/hzhz-2015-0055

Andreas Pečar: Rezension von: Irene Kubiska-Scharl / Michael Pölzl: Die Karrieren des Wiener Hofpersonals 1711–1765. Eine Darstellung anhand der Hofkalender und Hofparteienprotokolle. (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte, Bd. 58.) Innsbruck 2013, in: Historische Zeitschrift, 300.1 (2015): 215-217.

doi:10.1515/hzhz-2015-0060

Hermann Wellenreuther: Rezension von: Dominik Nagl: No Part of the Mother Country, but Distinct Dominions. Rechtstransfer, Staatsbildung und Governance in England, Massachusetts und South Carolina, 1630–1769. (Studien zu Geschichte, Politik und Gesellschaft Nordamerikas, Bd. 33.) Münster 2013, in: Historische Zeitschrift, 300.1 (2015): 207-209.

doi:10.1515/hzhz-2015-0056

Margrit Schulte Beerbühl: Rezension von: Peer Vries: Ursprünge des modernen Wirtschaftswachstums. England, China und die Welt in der Frühen Neuzeit. Aus dem Engl. v. Felix Kurz. (Schriftenreihe der FRIAS School of History, Bd. 8.) Göttingen 2013, in: Historische Zeitschrift, 300.1 (2015): 198-201.

doi:10.1515/hzhz-2015-0051

Maximilian Schuh: Rezension von: Martin Wallraff (Hrsg.): Gelehrte zwischen Humanismus und Reformation. Kontexte der Universitätsgründung in Basel 1460. (Litterae et Theologia, Bd. 2.) Berlin/Boston 2011, in: Historische Zeitschrift, 300.1 (2015): 195-196.

doi:10.1515/hzhz-2015-0049

Cornel Zwierlein: Rezension von: Donald Weinstein: Savonarola. The Rise und Fall of a Renaissance Prophet. New Haven/London 2011, in: Historische Zeitschrift, 300.1 (2015): 196-198.

doi:10.1515/hzhz-2015-0050

Quelle: http://frueheneuzeit.hypotheses.org/1994

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Aktualität der Faschismustheorie. Symposium zu Ehren von Prof. Dr. Reinhard Kühnl (1936 – 2014)

Am 10. Juli 2015 in Marburg

Am 8. Mai 2015 jährt sich zum siebzigsten Mal die Befreiung vom deutschen Faschismus. Dieses Jubiläum nimmt der BdWi zum Anlass, um gemeinsam mit verschiedenen KooperationspartnerInnen eine Fachtagung zum Stand der Forschung über aktuelle Entwicklungen des Rechtsextremismus in Europa durchzuführen. Diese Veranstaltung widmen wir der Erinnerung an den 2014 verstorbenen BdWi-Mitbegründer Reinhard Kühnl und der Würdigung seiner Verdienste um die politische und wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Faschismus.
Neben einer Bestandsaufnahme des aktuellen Stands der Faschismusforschung wollen wir konkrete Phänomene aufgreifen, etwa zum Aufstieg rechtspopulistischer Bewegungen in Ungarn und Frankreich sowie der »Alternative für Deutschland«.
Analysieren wollen wir auch die NSU-Berichterstattung und neuere Erscheinungen wie die Identitäre Bewegung und die wachsende Bedeutung von sozialen Netzwerken.

Vorläufiger Planungsstand zum Ablauf:
Eröffnung und Laudatio:
* Reiner Rilling (langjähriger Geschäftsführer des BdWi und Weggenosse von Reinhard Kühnl, angefragt)

Keynote:
* Prof. Dr. Axel Schildt, Uni Hamburg: »Über den heuristischen Wert und die Risiken der Verwendung faschismustheoretischer Ansätze für die Geschichtswissenschaft«

weitere Referent_innen:
* Prof. Dr. Karin Priester, Uni Münster: »Das Phänomen des Berlusconismus«
* Magdalena Marsovszky, Budapest/München: »Kultur des Faschismus« in Ungarn
(angefragt)
* Prof. Dr. Fabian Virchow, FH Düsseldorf: zur NSU-Berichterstattung
* Julian Bruns / Kathrin Glösel / Natascha Strobl, Wien, Autorenteam des Buchs »Die Identitären« (angefragt)
* Alexander Häusler, FH Düsseldorf: AfD, innerer Zusammenhang zwischen Neoliberalismus und Faschismus (angefragt)

Der Zeit- und Themenplan wird noch aktualisiert, bitte auf Ankündigungen achten auf der Webseite http://www.bdwi.de/bdwi/termine/event_27525.html
VeranstalterInnen: BdWi, DGB-Region Mittelhessen, Hochschule Fulda – FB Sozial- und Kulturwissenschaften, Philipps-Universität Marburg – Institut für Politikwissenschaft und Forschungsgruppe Europäische Integration, AStA Uni Marburg (angefragt), Rosa-Luxemburg-Stiftung Hessen (angefragt), u. a. (Stand 20. März)


Einsortiert unter:Arbeiterbewegung, Biographie, Faschismus, Geschichte, Geschichtspolitik, Historiker, Veranstaltung, Vermittlung

Quelle: https://kritischegeschichte.wordpress.com/2015/03/20/aktualitat-der-faschismustheorie-symposium-zu-ehren-von-prof-dr-reinhard-kuhnl-1936-2014/

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Über das Verständnis des Begriffs Resilienz in der Psychologie

Meyen (2015) beschreibt die Entwicklung des Resilienzbegriffs in Anlehnung an Endreß und Maurer (2015) folgendermaßen: „[g]eschlüpft Anfang der 1970er Jahre bei den Ökologen, wenig später aufgenommen, gehegt und gepflegt bei den Entwicklungspsychologen und dann still und heimlich aufgebrochen zu den Sozialwissenschaftlern“. In der Psychologie versteht man unter Resilienz „die Widerstandsfähigkeit eines Individuums, sich trotz ungünstiger Lebensumstände und kritischer Lebensereignisse erfolgreich zu entwickeln“ (Warner, 2014).

Klassischerweise sah man Resilienz als immunisierende angeborene Eigenschaft an, also als ein Persönlichkeitsmerkmal, welches man lediglich wecken und trainieren müsse, so besäße man eine Art universelle Unverletzlichkeit (Anthony & Cohler, 1987). In den 1980er Jahren entwickelte sich dann allerdings eine realistischere Auffassung von Resilienz als eine zumeist zeitlich begrenzte, von verschiedenen Schutzfaktoren gespeiste psychische Widerstandsfähigkeit (Fingerle, 2007). Mittlerweile ist nun der Begriff der „protektiven Faktoren“ üblich, der jedoch uneinheitlich und in Abwechslung mit den Begriffen Schutzfaktoren oder Ressourcen verwendet wird. Die Merkmalen der Personen bzw. Gruppen, der Umgebung sowie deren Interaktion werden nun gleichermaßen berücksichtigt.

Insgesamt geht es bei der Resilienz um die Bedingungen und Ressourcen, die der psychischen Widerstandskraft des Menschen zuträglich sind um die gesunde Entwicklung zu schützen, und sie steht damit im Gegensatz zur (Klinischen) Psychologie, die sich mit Ursachen und Korrelaten von psychischen Krankheiten und normativen Abweichungen befasst. Im Kern geht es stärker um das `Was hält gesund?´ statt das `Was macht krank?´ – Salutogenese und positive Psychologie anstelle von Pathogenese.

Diesen Ansatz verfolgte auch die Forschergruppe um Emmy Werner bei der Arbeit an der vielzitierten Studie auf der hawaiianischen Insel Kauai (Werner, 1999), bei welcher knapp 700 Kinder über 40 Jahre hinweg begleitet wurden. Dabei konnten die Forscher zeigen, dass die Kombination aus problematischen biologischen Faktoren, wie Schwangerschaftskomplikationen oder Komplikationen bei der Geburt, und umweltbedingte Faktoren, wie ungünstigen Familienbedingungen, in vielen, aber nicht allen Fällen, ungünstigen Einfluss auf die Entwicklung von Kindern nehmen. Diejenigen Kinder von Kauai, die trotz der enormen Risiken ihr Leben positiv gestalten konnten besaßen wohl das, was Resilienz ausmacht.

Die protektiven Faktoren, die bei ungünstigen Umgebungsbedingungen resiliente Entwicklungen begünstigen, können in Anlehnung an den ökosystemischen Ansatz von Bronfenbrenner (1992) verschiedenen Ebenen zugeordnet werden. Hieraus leitet sich die Annahme ab, dass an der Entwicklung von Resilienz adaptive Systeme auf vier Ebenen beteiligt sind: erstens personale Kompetenzen des Kindes, wie Stressverarbeitung, Selbstregulation, Motivation und Lernen, zweitens das Familiensystem mit Bindung, Interaktion und Erziehung, drittens Ressourcen des sozialen Netzwerks (Schule, Gleichaltrige) und viertens gesellschaftlich-kulturelle Faktoren, wie Normen und Werte.

Im Fokus der Resilienzforschung steht die Identifikation der protektiven Faktoren, die als (Moderator-) Merkmale die Wirkung der Risikofaktoren auf den Outcome lindern oder neutralisieren sollen. Einige der resilienzfördernden Faktoren aus den verschiedenen Systemen konnten so bereits bestätigt werden (z.B. mindestens durchschnittliche Intelligenz und akademische Fähigkeiten (Rechtschreibung, Mathematik), hohe Sozialkompetenz, familiärer Zusammenhalt, Verfügbarkeit sozialer Unterstützung oder ein hoher gesellschaftlicher Stellenwert von Kindergesundheit und Bildung).

In der gegenwärtigen Forschung hat die Rolle von Resilienz bei der Bewältigung von Belastungen im Berufs- und Alltagsleben an Bedeutung gewonnen. In diesem Bezug steht auch unsere Fragestellung im Projekt „Medienkompetenz als Resilienzfaktor“ des Bayerischen Forschungsverbunds Fit for Change: Ist Medienkompetenz ein Resilienzfaktor? Wie steht er mit anderen Schutz- und Risikofaktoren in (kausalem) Zusammenhang? Und wie können wir Medienkompetenz trainieren?

Im Zeitalter des rasanten technologischen Wandels kann Medienkompetenz einen Schutzfaktor darstellen um sich an die neuen Bedingungen anzupassen und um die zum Teil negativen Medienwirkungen zu kompensieren. Vorherige Studien zur Entwicklung der Medienkompetenz bei Vorschulkindern attestieren ihr einen stärkeren Einfluss auf schulische Vorläuferfertigkeiten in Mathematik und im Schriftspracherwerb als Intelligenz (vgl. Nieding et al., in press).

Im Projekt wird mittels des Würzburger Medienkompetenztests WüMek Medienkompetenz auf fünf Dimensionen online erhoben. Eine erste Querschnittstudie, die zwischen August und November 2014 stattfand, zeigte bereits einen starken Zusammenhang zwischen Medienkompetenz und Resilienzfaktoren wie Intelligenz, akademische Fähigkeiten, Empathie und potenziellen Risikofaktoren wie Computerspielabhängigkeit.

Im Rahmen der nun folgenden Längsschnittuntersuchung über einen Zeitraum von zwei Jahren erfassen wir mittels WüMek die Entwicklung der Medienkompetenz bei 200 13- und 19-Jährigen zu zwei Messzeitpunkten. Dabei lässt sich zusätzlich der kausale Einfluss von Medienkompetenz auf die kognitiven und sozial-emotionalen Fähigkeiten ermitteln um weitere Belege für die Rolle von Medienkompetenz als Schutz- und Resilienzfaktor zu liefern.

 

Literatur

Anthony, E. J., & Cohler, B. J. (Eds.). (1987). The invulnerable child. Guilford Press.

Bronfenbrenner, U. (1992). Ecological systems theory. Jessica Kingsley Publishers.

Davidson, R. J. (2000). Affective style, psychopathology, and resilience: brain mechanisms and plasticity. American Psychologist, 55(11), 1196.

Endreß, M. & Maurer, A. (2015). Resilienz im Sozialen. Wiesbaden: VS-Verlag.

Fingerle, M. (2007). Der „riskante “Begriff der Resilienz–Überlegungen zur Resilienzförderung im Sinne der Organisation von Passungsverhältnissen. Was Kinder stärkt. Erziehung zwischen Risiko und Resilienz, 2, 299-310.

Meyen, M. (2015). Resilienz als diskursive Formation. Was das neue Zauberwort für die Wissenschaft bedeuten könnte. In: Resilienz (online). URL: http://resilienz.hypotheses.org/365 (abgerufen am 02.03.2015).

Nieding, G., Ohler, P., Rey, G.D., Möckel, T., Diergarten, A.K. & Schneider, W. (in press). The development of media sign literacy – a longitudinal study with 4-year-old children.

Warner, L. (2014). Resilienz. In M. A. Wirtz (Hrsg.), Dorsch – Lexikon der Psychologie (17. Aufl., S. 1326). Bern: Verlag Hans Huber.

Werner, E. E. (1999). Entwicklung zwischen Risiko und Resilienz. Was Kinder stärkt: Erziehung zwischen Risiko und Resilienz. München, Basel, 25-36.

Quelle: http://resilienz.hypotheses.org/443

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Workshop-Reihe zur Einführung in die DH

gemeldet von Nanette Rißler-Pipka

Am Institut für Spanien-, Portugal- und Lateinamerikastudien der Universität Augsburg startet zum nächsten Sommersemester eine Workshop-Reihe zur Einführung in die Digital Humanities. Zielgruppe sind Studierende, aber auch interessierte KollegInnen, die evtl. auch eigene Anwendungsbeispiele in die Workshops mitbringen.

Programm: 

  • 22. Mai Martina Semlak (Graz): Digitales Edieren
  • 12. Juni Jörg Lehmann (Berlin): Metadatenanalyse und Topic Modeling
  • 26. Juni Thomas Kollatz (Duisburg-Essen): Arbeiten mit dem DARIAH-Geo-Browser
  • 10. Juli Nanette Rißler-Pipka (Siegen): Quantitative Textanalyse

Vorlesung jeweils 11.45 – 13.15 Uhr
Gebäude D, HS 2107
Workshop jeweils 14.00 – 17.15 Uhr
Gebäude D, Seminarraum 1005
Wegen des begrenzten Platzangebots ist eine verbindliche Anmeldung zum Workshop notwendig: maria.fuso@phil.uni-augsburg.de Telefon 0821/598-565

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=4876

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Über das Verständnis des Begriffs Resilienz in der Psychologie

von Gerhild Nieding

Meyen (2015) beschreibt die Entwicklung des Resilienzbegriffs in Anlehnung an Endreß und Maurer (2015) folgendermaßen: „[g]eschlüpft Anfang der 1970er Jahre bei den Ökologen, wenig später aufgenommen, gehegt und gepflegt bei den Entwicklungspsychologen und dann still und heimlich aufgebrochen zu den Sozialwissenschaftlern“. In der Psychologie versteht man unter Resilienz „die Widerstandsfähigkeit eines Individuums, sich trotz ungünstiger Lebensumstände und kritischer Lebensereignisse erfolgreich zu entwickeln“ (Warner, 2014).

Klassischerweise sah man Resilienz als immunisierende angeborene Eigenschaft an, also als ein Persönlichkeitsmerkmal, welches man lediglich wecken und trainieren müsse, so besäße man eine Art universelle Unverletzlichkeit (Anthony & Cohler, 1987). In den 1980er Jahren entwickelte sich dann allerdings eine realistischere Auffassung von Resilienz als eine zumeist zeitlich begrenzte, von verschiedenen Schutzfaktoren gespeiste psychische Widerstandsfähigkeit (Fingerle, 2007). Mittlerweile ist nun der Begriff der „protektiven Faktoren“ üblich, der jedoch uneinheitlich und in Abwechslung mit den Begriffen Schutzfaktoren oder Ressourcen verwendet wird. Die Merkmalen der Personen bzw. Gruppen, der Umgebung sowie deren Interaktion werden nun gleichermaßen berücksichtigt.

Insgesamt geht es bei der Resilienz um die Bedingungen und Ressourcen, die der psychischen Widerstandskraft des Menschen zuträglich sind um die gesunde Entwicklung zu schützen, und sie steht damit im Gegensatz zur (Klinischen) Psychologie, die sich mit Ursachen und Korrelaten von psychischen Krankheiten und normativen Abweichungen befasst. Im Kern geht es stärker um das `Was hält gesund?´ statt das `Was macht krank?´ – Salutogenese und positive Psychologie anstelle von Pathogenese.

Diesen Ansatz verfolgte auch die Forschergruppe um Emmy Werner bei der Arbeit an der vielzitierten Studie auf der hawaiianischen Insel Kauai (Werner, 1999), bei welcher knapp 700 Kinder über 40 Jahre hinweg begleitet wurden. Dabei konnten die Forscher zeigen, dass die Kombination aus problematischen biologischen Faktoren, wie Schwangerschaftskomplikationen oder Komplikationen bei der Geburt, und umweltbedingte Faktoren, wie ungünstigen Familienbedingungen, in vielen, aber nicht allen Fällen, ungünstigen Einfluss auf die Entwicklung von Kindern nehmen. Diejenigen Kinder von Kauai, die trotz der enormen Risiken ihr Leben positiv gestalten konnten besaßen wohl das, was Resilienz ausmacht.

Die protektiven Faktoren, die bei ungünstigen Umgebungsbedingungen resiliente Entwicklungen begünstigen, können in Anlehnung an den ökosystemischen Ansatz von Bronfenbrenner (1992) verschiedenen Ebenen zugeordnet werden. Hieraus leitet sich die Annahme ab, dass an der Entwicklung von Resilienz adaptive Systeme auf vier Ebenen beteiligt sind: erstens personale Kompetenzen des Kindes, wie Stressverarbeitung, Selbstregulation, Motivation und Lernen, zweitens das Familiensystem mit Bindung, Interaktion und Erziehung, drittens Ressourcen des sozialen Netzwerks (Schule, Gleichaltrige) und viertens gesellschaftlich-kulturelle Faktoren, wie Normen und Werte.

Im Fokus der Resilienzforschung steht die Identifikation der protektiven Faktoren, die als (Moderator-) Merkmale die Wirkung der Risikofaktoren auf den Outcome lindern oder neutralisieren sollen. Einige der resilienzfördernden Faktoren aus den verschiedenen Systemen konnten so bereits bestätigt werden (z.B. mindestens durchschnittliche Intelligenz und akademische Fähigkeiten (Rechtschreibung, Mathematik), hohe Sozialkompetenz, familiärer Zusammenhalt, Verfügbarkeit sozialer Unterstützung oder ein hoher gesellschaftlicher Stellenwert von Kindergesundheit und Bildung).

In der gegenwärtigen Forschung hat die Rolle von Resilienz bei der Bewältigung von Belastungen im Berufs- und Alltagsleben an Bedeutung gewonnen. In diesem Bezug steht auch unsere Fragestellung im Projekt „Medienkompetenz als Resilienzfaktor“ des Bayerischen Forschungsverbunds Fit for Change: Ist Medienkompetenz ein Resilienzfaktor? Wie steht er mit anderen Schutz- und Risikofaktoren in (kausalem) Zusammenhang? Und wie können wir Medienkompetenz trainieren?

Im Zeitalter des rasanten technologischen Wandels kann Medienkompetenz einen Schutzfaktor darstellen um sich an die neuen Bedingungen anzupassen und um die zum Teil negativen Medienwirkungen zu kompensieren. Vorherige Studien zur Entwicklung der Medienkompetenz bei Vorschulkindern attestieren ihr einen stärkeren Einfluss auf schulische Vorläuferfertigkeiten in Mathematik und im Schriftspracherwerb als Intelligenz (vgl. Nieding et al., in press).

Im Projekt wird mittels des Würzburger Medienkompetenztests WüMek Medienkompetenz auf fünf Dimensionen online erhoben. Eine erste Querschnittstudie, die zwischen August und November 2014 stattfand, zeigte bereits einen starken Zusammenhang zwischen Medienkompetenz und Resilienzfaktoren wie Intelligenz, akademische Fähigkeiten, Empathie und potenziellen Risikofaktoren wie Computerspielabhängigkeit.

Im Rahmen der nun folgenden Längsschnittuntersuchung über einen Zeitraum von zwei Jahren erfassen wir mittels WüMek die Entwicklung der Medienkompetenz bei 200 13- und 19-Jährigen zu zwei Messzeitpunkten. Dabei lässt sich zusätzlich der kausale Einfluss von Medienkompetenz auf die kognitiven und sozial-emotionalen Fähigkeiten ermitteln um weitere Belege für die Rolle von Medienkompetenz als Schutz- und Resilienzfaktor zu liefern.

 

Literatur

Anthony, E. J., & Cohler, B. J. (Eds.). (1987). The invulnerable child. Guilford Press.

Bronfenbrenner, U. (1992). Ecological systems theory. Jessica Kingsley Publishers.

Davidson, R. J. (2000). Affective style, psychopathology, and resilience: brain mechanisms and plasticity. American Psychologist, 55(11), 1196.

Endreß, M., Maurer, A. (2015). Resilienz im Sozialen. Wiesbaden: VS-Verlag.

Fingerle, M. (2007). Der „riskante “Begriff der Resilienz–Überlegungen zur Resilienzförderung im Sinne der Organisation von Passungsverhältnissen. Was Kinder stärkt. Erziehung zwischen Risiko und Resilienz, 2, 299-310.

Meyen, M. (2015). Resilienz als diskursive Formation. Was das neue Zauberwort für die Wissenschaft bedeuten könnte. In: Resilienz (online). URL: http://resilienz.hypotheses.org/365 (abgerufen am 02.03.2015).

Nieding, G., Ohler, P., Rey, G.D., Möckel, T., Diergarten, A.K. & Schneider, W. (in press). The development of media sign literacy – a longitudinal study with 4-year-old children.

Warner, L. (2014). Resilienz. In M. A. Wirtz (Hrsg.), Dorsch – Lexikon der Psychologie (17. Aufl., S. 1326). Bern: Verlag Hans Huber.

Werner, E. E. (1999). Entwicklung zwischen Risiko und Resilienz. Was Kinder stärkt: Erziehung zwischen Risiko und Resilienz. München, Basel, 25-36.

Quelle: http://resilienz.hypotheses.org/435

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Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte – Stellenausschreibung Software-EntwicklerIn

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
das Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte (MPIWG) in Berlin sucht zum frühestmöglichen Zeitpunkt für die Dauer von drei Jahren eine/n Software-Entwickler/in (TVöD (Bund) E13, Stellenumfang 50%) für die Mitarbeit am Forschungsprogramm zur Geschichte der Max-Planck-Gesellschaft.

Den vollständigen Ausschreibungstext sowie Kontaktinformationen erhalten Sie auf http://www.mpiwg-berlin.mpg.de/en/news/jobs.html#0082.

Beste Grüße,
Klaus Thoden

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=4873

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War in Russian history is more than just a war

In a recent discussion with history teachers about the present challenges of teaching history at school, I found that they did not describe the main burden as the increasing administrative burden and the number of reports they were being …

English

 

In a recent discussion with history teachers about the present challenges of teaching history at school, I found that they did not describe the main burden as the increasing administrative burden and the number of reports they were being required to write. Nor did they complain about the mismatch between the requirements of the federal educational standards on the one hand, and the examinations materials and the standardized state examination on the other. No, what troubled them far more was the small number of lessons allotted to the “Great Patriotic War” (1941–1945). Some well-known historians and testbook authors confirmed the teachers’ complaints that a mere four hours are reserved for teaching the history of this war at school.[1]

 

War and identity

These complaints struck me as strange, because the history of the Great Patriotic War (1941–1945) for a long time held a key position in the school history curriculum in Russia. The Great Patriotic War was clearly given more space than the First World War in the new historical-cultural standard of the textbook on the history of Russia (2013) [2]. Up until then, it had always been allocated enough teaching hours and enough extracurricular time at school. For example, the materials used to evaluate the knowledge of Russian schoolchildren in 2015 have been amended. One more assignment was added to the existing tests so as to examine students’ knowledge of the heroism of the Soviet people during the Great Patriotic War. In the post-Soviet period, the history of this war became the cornerstone for constructing a new collective identity. The Ministry of Education requires the patriotism of the modern generation of Russians to be forged and strengthened by examples of the heroism of Russian soldiers during the Great Patriotic War. In general, the Russian victory in the Great Patriotic war is a matter of pride, both for the modern Russian state and for the collective memory of the people (i.e., public history).

War and the politics of memory

Teachers’ difficulties in teaching the history of the Great Patriotic War have transcended the boundaries of school history long ago, becoming the subject of fierce disputes in politics, policy making, and legislation. The Russian media comments ironically on the country’s political squabbles over war history. Writing in the newspaper Vedomosti, Maxim Trudolyubov quite rightly identified the main shortcomings of Russian war historiography as lamented by modern politicians:

  • The outcomes of the Cold War are unjust;
  • The attempts to falsify history and to deny Russia’s victory in the Great Patriotic War have became topics for discussion in the State Duma and in the adoption of laws;
  • Even its victory in the First World War “was stolen from the country” (as President Putin asserted at the opening of the Monument to the Heroes of the First World War).[3]

The state actively protects the Great Patriotic War against any attempts to downplay Russia’s victory or to revise the outcomes of the Second World War.

The war is protected

Alexander S. Sieniawskii and Elena S. Sieniawskaya, two acclaimed Russian historians and experts on the history of military psychology, culture, and war memory, stress that the history of almost all wars of the twentieth century has undergone constant revision. The history of the Second World War in particular has been subject to strong adjustment. One crucial fact is that the outcome of this war determined the balance of power established in 1945. In the 1990s, the world order changed dramatically, and this has challenged the existing conception of the Second World War.[4] Another major issue concerning the public commemoration of this war is the behavior of the Soviet Union on the eve of the Second World War. In the Soviet period, there were no problems with teaching the history of the USSR’s pre-war policy. These policies were portrayed as a sincere and steadfast line of action to ensure peace and to prevent Nazi aggression. The official concept, supported by the present government of the Russian Federation and based on a national-patriotic discourse, repeats much of Soviet historiography.[5] Russian historians have to “ward off” the attempts of Western historians to revise the history of the USSR’s pre-war policy in Poland, the Baltic States, Romania, and Finland; this history includes the errors committed by Joseph Stalin and his direct aggression against these countries.[4] Russian textbooks still repeat the version of the Baltic States, Western Ukraine, and Belarus “joining” the USSR. There is no clear interpretation of when the Soviet Union entered the Second World War. I would not like to believe that the main reason for the changes in the interpretation of the history of the Second World War and Russia’s role in that war are part of a trial the strength between the new world powers. This means that any changes in the world order or in the balance of powers in global politics will lead to a different evaluation of the Second World War and the role of the Soviet Union in that war.

The war in private memory

In historical culture and in the collective memory of most Russians, the Great Patriotic War is associated with the profound upheaval experienced by the whole country, and almost by every family. Alexander S. Sieniawskii and Elena S. Sieniawskaya have made a good proposal in support of a “constructive” memory of the Second World War.[4] Historical memory should include interpretive practices from both the winners and the losers in the war. It turns out that Russian teachers are right when they claim that the curriculum provides few lessons to study the Great Patriotic War in 2015, which marks the 70th anniversary of the country’s victory. The attempts by students to understand the history of this war and its problems, just as their efforts to develop an accurate sense of the socio-cultural context from which a particular public commemoration of war has grown, require more time.

 

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Literature

  • Sieniawskii, Alexander S., Sieniawskaya, Elena S. Vtoraya mirovaya voina I istoricheskaya pamyat’: obraz proshlogo v kontekste sovremennoi geopolitiki// Viestnik MGIMO-Universiteta. 2009. № 4. СпеSpetsialny vypusk. С.299-307.
  • Uldricks, Teddy J. War, Politics and Memory: Russian Historians Reevaluate the Origins of World War II // History & Memory. Fall/Winter 2009, Vol. 21, Issue 2, p. 60-82.
  • Weiner, A. In the Long Shadow of War: The Second World War in the Soviet and Post-Soviet World // Diplomatic History. 2001. Vol. 25. No 3, p. 443-456.
  • Zolotarev, V. A. World War II and the Great Patriotic War. Russian Studies in History. Winter 2004, Vol. 43. Issue 3, p. 89-90.

External links

____________________

[1] Dolutskii, Igor. The Unified State Examination in History as a Means of Retraditionalization // Russian Education & Society. Sep 2014, Vol. 56 Issue 9, p. 56-81.
[2] Istoriko-kulturny standart. Proect // http://histrf.ru/ru/biblioteka/book/istoriko-kul-turnyi-standart (Last Accessed 2. March 2015).
[3] Kradenye pobedy// Ведомости. 31.10.2014. № 204// http://www.vedomosti.ru/opinion/news/35473221/kradenye-pobedy (Last Accessed 2. March 2015).
[4] Sieniawskii, Alexander S., Sieniawskaya, Elena S. Vtoraya mirovaya voina I istoricheskaya pamyat’: obraz proshlogo v kontekste sovremennoi geopolitiki// Viestnik MGIMO-Universiteta. 2009. № 4. СпеSpetsialny vypusk. С.299-307.
[5] Uldricks, Teddy J. War, Politics and Memory: Russian Historians Reevaluate the Origins of World War II // History & Memory. Fall/Winter 2009, Vol. 21, Issue 2, p. 60-82.

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Image Credits
Stamps of Russia. The 55th anniversary of Victory in the Great Patriotic War (1941-1945), 2000; Source: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kvartblok_55_years_of_Victory,_Russia,_2000.jpg (7.3.2015).

Recommended Citation
Khodnev, Alexander: War in Russian history is more than just a war. In: Public History Weekly 3 (2015) 9, DOI:  dx.doi.org/10.1515/phw-2015-3647.

Copyright (c) 2015 by De Gruyter Oldenbourg and the author, all rights reserved. This work may be copied and redistributed for non-commercial, educational purposes, if permission is granted by the author and usage right holders. For permission please contact: elise.wintz (at) degruyter.com.

 

 

 

Deutsch

 

Als ich neulich mit Lehrpersonen über die Herausforderungen diskutierte, die der Geschichtsunterricht heutzutage stellt, fiel mir auf, dass die Lehrpersonen keineswegs die wachsenden bürokratischen Tätigkeiten oder die Menge an Berichten als Hauptbelastung nannten und auch nicht die Unausgeglichenheit zwischen den bundesstaatlichen Bildungsstandards und den Prüfungsunterlagen sowie den vereinheitlichten Staatsprüfungen. Sie waren weitaus mehr besorgt über die geringe Zahl an Lektionen, die dem “Großen patriotischen Krieg” (1941-1945) zugeteilt worden ist. Einige bekannte HistorikerInnen und SchulbuchautorInnen bestätigten die Klagen, wonach an den Schulen nur vier Lektionen zur Verfügung stehen, um die Geschichte dieses Krieges zu behandeln.[1]

 

Krieg und Identität

Diese Klagen erscheinen befremdlich, hielt doch die Geschichte des “Großen Vaterländischen Krieges” (1941-1945) für lange Zeit eine Schlüsselposition im russischen Lehrplan inne. Der “Grosse Vaterländische Krieg” erhielt in den neuen Richtlinien für die Erstellung von Lehrmitteln für russische Geschichte (2013)[2] deutlich mehr Raum zugesprochen als etwa der 1. Weltkrieg. Er erhielt bislang auch immer ausreichend Zeit und Aufmerksamkeit im Unterricht und in ausserschulischen Aktivitäten. So wurden beispielsweise die Unterlagen ergänzt, mit denen das Wissen von russischen SchülerInnen 2015 überprüft und kontrolliert wird. Eine zusätzliche Aufgabe wurde hinzugefügt, um das Wissen zu Fakten über das Heldentum der sowjetischen Bevölkerung im “Grossen Vaterländischen Krieg” zu testen. In der postsowjetischen Phase wurde die Geschichte dieses Krieges zum Eckpfeiler bei der Konstruktion einer neuen kollektiven Identität. Das Bildungsministerium forderte, dass die patriotische Gesinnung der modernen Generation Russlands geprägt und gestärkt werde durch das beispielhafte Heldentum russischer Soldaten im “Grossen Vaterländischen Krieg”. Grundsätzlich ist der Sieg Russlands im “Grossen Vaterländischen Krieg” sowohl von Seiten des modernen russischen Staates als auch im kollektiven Gedächtnis der Bevölkerung mit Gefühlen des Stolzes verbunden.

Krieg und Erinnerungspolitik

Die Schwierigkeiten der Lehrpersonen, die Geschichte des “Grossen Vaterländischen Krieges” zu unterrichten, sind seit Langem dem Bereich der Geschichtsunterrichts entwachsen und zum Gegenstand harscher Auseinandersetzungen im Bereich der Politik und der Gesetzgebung geworden. Die russischen Medien kommentieren die Schwierigkeiten der Politiker mit Ironie. Der Journalist der Zeitung “Vedomosti” hat ganz richtig die wichtigsten Missstände in der Geschichtsschreibung zusammengefasst, welche die PolitikerInnen des modernen Russlands beklagen:

  • Die Ergebnisse des Kalten Kriegs sind ungerecht,
  • die Versuche, Geschichte zu verfälschen und den Sieg Russlands im “Grossen Vaterländischen Krieg” zu leugnen, sind zum Gegenstand der Diskussion in der Duma und bei der Annahme von Gesetzen geworden,
  • selbst der Sieg im Ersten Weltkrieg “wurde dem Land gestohlen”, wie Präsident Putin bei der Eröffnung des Denkmals für die Helden des 1. Weltkriegs beklagte.[3]

Der Staat verteidigt den “Grossen Vaterländischen Krieg” aktiv gegen Versuche, den Sieg Russlands herunterzuspielen oder die Ergebnisse des Zweiten Weltkriegs zu revidieren.

Der Krieg ist geschützt

Alexander S. Sieniawskii und Elena S. Sieniawskaya sind bekannte russische HistorikerInnen und ExpertInnen bezüglich der Geschichte der Militärpsychologie und -kultur sowie der Kriegserinnerung. Sie betonen, dass die historische Darstellung und Beurteilung aller Kriege des 20. Jahrhunderts Revisionen unterzogen wurden. Die historische Beurteilung des Zweiten Weltkriegs ist dabei ganz besonders stark verändert worden. Fakt ist, dass das Kriegsergebnis das 1945 etablierte Kräftegleichgewicht fixierte. In den 1990er Jahren veränderte sich die Weltordnung dramatisch, wodurch das vorhandene Konzept des Zweiten Weltkriegs in Frage gestellt wurde.[4] Ein anderes Problem mit der öffentlichen Erinnerung an den Krieg ist das Verhalten der Sowjetunion am Vorabend des 2. Weltkriegs. Zur Zeit der Sowjetunion gab es keine Probleme beim Unterrichten der Vorkriegspolitik der Sowjetunion. Diese Politik wurde als aufrechter und standhafter Kurs einer Politik des Friedens und der Vermeidung einer Nazi-Aggression dargestellt. Die offizielle Lesart der Geschichte, wie sie von der modernen Regierung der russischen Föderation unterstützt wurde und die auf einem national-patriotischen Diskurs basiert, wiederholt viele Aspekte der sowjetischen Historiographie.[5] Russische HistorikerInnen müssen die revisionistischen Versuche westlicher HistorikerInnen “zurückschlagen”, wenn sie anhand der sowjetischen Vorkriegspolitik in Polen, in den baltischen Staaten, Rumänien und Finnland Fehler von Josef Stalin oder eine direkte Aggression gegen diese Länder anzeigen.[4] Die russischen Lehrmittel wiederholen noch immer die Version, wonach die baltischen Staaten, die westliche Ukraine und Weissrussland sich der UdSSR “anschlossen”. Es gibt keine klare Erläuterung, wann die Sowjetunion in den 2. Weltkrieg eintrat. Ich möchte nicht glauben, dass der Hauptgrund für die Wechsel bei der Interpretation der Geschichte des Zweiten Weltkrieges und der Rolle Russlands darin Teil einer Art Kräftemessens zwischen den neuen Großmächten ist. Das würde bedeuten, dass mit jeder Änderung der Weltordnung oder des Kräftegleichgewichts in der Weltpolitik der Zweite Weltkrieg und die Rolle der Sowjetunion darin unterschiedlich beurteilt würden.

Der Krieg im privaten Gedächtnis

Der “Große Vaterländische Krieg” wird in der Geschichtskultur und im kollektiven Gedächtnis der meisten Russen mit grossen Erschütterungen in Verbindung gebracht, die das ganze Land und fast jede Familie erlebt hat. Alexander S. Sieniawskii und Elena S. Sieniawskaya haben einen guten Vorschlag für eine “konstruktive” Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg vorgelegt.[5] Die historische Erinnerung sollte Interpretationspraktiken sowohl von GewinnerInnen wie auch von VerliererInnen umfassen. Es zeigt sich, dass die russischen Lehrpersonen recht haben, wenn sie behaupten, dass der Lehrplan zu wenige Stunden für die Behandlung des “Großen Vaterländischen Krieges” einräumt angesichts der 70-Jahr-Feierlichkeiten des Sieges. Die Versuche von SchülerInnen, die Probleme der Geschichte dieses Kriegs zu verstehen und sich eine korrekte Vorstellung des soziokulturellen Kontexts zu bilden, der rund um die Erinnerung an diesen Krieg in der Öffentlichkeit entstanden ist, benötigt mehr Zeit.

 

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Literatur

  • Sieniawskii, Alexander S., Sieniawskaya, Elena S. Vtoraya mirovaya voina I istoricheskaya pamyat’: obraz proshlogo v kontekste sovremennoi geopolitiki// Viestnik MGIMO-Universiteta. 2009. № 4. СпеSpetsialny vypusk. С.299-307.
  • Uldricks, Teddy J. War, Politics and Memory: Russian Historians Reevaluate the Origins of World War II // History & Memory. Fall/Winter 21 (2009), H. 2, S. 60-82.
  • Weiner, A.: In the Long Shadow of War: The Second World War in the Soviet and Post-Soviet World // Diplomatic History. 25 (2001), H. 3, S. 443-456.
  • Zolotarev, V. A.: World War II and the Great Patriotic War. Russian Studies in History. 43 (2004), H. 3, S.89-90.

 

Externe Links

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[1] Dolutskii, Igor. The Unified State Examination in History as a Means of Retraditionalization // Russian Education & Society. 56 (2014), H. 9, S. 56-81.
[2] Istoriko-kulturny standart. Proect // http://histrf.ru/ru/biblioteka/book/istoriko-kul-turnyi-standart (zuletzt 2.3.2015).
[3] Kradenye pobedy// Ведомости. 31.10.2014. № 204// http://www.vedomosti.ru/opinion/news/35473221/kradenye-pobedy (zuletzt 2.3.2015).
[4] Sieniawskii, Alexander S., Sieniawskaya, Elena S. Vtoraya mirovaya voina I istoricheskaya pamyat’: obraz proshlogo v kontekste sovremennoi geopolitiki// Viestnik MGIMO-Universiteta. 2009. № 4. СпеSpetsialny vypusk. С.299-307.
[5] Uldricks, Teddy J. War, Politics and Memory: Russian Historians Reevaluate the Origins of World War II // History & Memory. 21 (2009), H. 2, S. 60-82.

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Abbildungsnachweis
Russische Briefmarken anlässliche des 55-Jahr-Jubiläums des Sieges im “Großen patriotischen Krieg” (1941-1945), 2000; Herkunft: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kvartblok_55_years_of_Victory,_Russia,_2000.jpg (7.3.2015).

Übersetzung aus dem Englischen
von Jan Hodel

Empfohlene Zitierweise
Khodnev, Alexander: Stalin, Stalingrad und die Politik des historischen Gedächtnisses in Russland. In: Public History Weekly 2 (2014) 31, DOI:  dx.doi.org/10.1515/phw-2014-2534.

Copyright (c) 2015 by De Gruyter Oldenbourg and the author, all rights reserved. This work may be copied and redistributed for non-commercial, educational purposes, if permission is granted by the author and usage right holders. For permission please contact: elise.wintz  (at) degruyter.com.

 

Pусский

 


Обсуждая недавно со школьными учителями главные трудности в преподавании истории в школе, я обнаружил, что все они называют основным бременем не увеличение бюрократической нагрузки и количества отчетов, и не жалуются на несоответствие между требованиями федерального государственного образовательного стандарта и контрольно-измерительных материалов и Единого государственного экзамена. Их больше волнует малое количество часов, отведенное на уроки о Великой Отечественной войне (1941-1945). Ламентации о том, что на уроки о войне отводят всего четыре часа, подтверждают и некоторые известные историки и авторы учебников [1].

 

 

Война и идентичность

Эти жалобы мне показались странными, поскольку история Великой Отечественной войны (1941-1945) давно и прочно занимает главные позиции в учебных программах школьной истории в России. Великая Отечественная война занимает явно большее место, чем Первая мировая война в новом Историко-культурный стандарте учебника по истории России (2013)[2]. На нее не жалеют учебного и внеурочного времени. Например, в контрольно-измерительные материалы, по которым будут оцениваться в 2015 году знания российских школьников, внесены изменения. К имеющимся заданиям добавлено еще одно задание на проверку знания фактов героизма советских людей в годы Великой Отечественной войны. В постсоветский период России история войны стала краеугольным камнем конструирования новой коллективной идентичности. Министерство образования требует, чтобы патриотизм современного поколения россиян выковывался и укреплялся на примерах героизма российских солдат времен Великой Отечественной войны. В целом победа в Великой Отечественной войне – это предмет гордости как современного Российского государства, так и популярной публичной истории народа.

Война и политика памяти

Учительские трудности в преподавании Великой Отечественной войны в школе давно уже вышли за границы школьной истории и стали предметом острых споров в области политики и законодательства. Российские медиа иронизирует по поводу затруднений политиков. Журналист газеты «Ведомости» Максим Трудолюбов верно перечислил главные обиды на историю современных политиков в России: результаты холодной войны несправедливы, попытки фальсифицировать историю и «отнять победу» в Великой Отечественной стали темами для дискуссий в Государственной думе и принятия законов, даже победа в Первой мировой «была украдена у страны» (сказано президентом В.Путиным на открытии памятника героям Первой мировой)[3]. Государство активно защищает Великую Отечественную от попыток преуменьшить победу в ней России или пересмотреть итоги Второй мировой войны.

Войну защищают

Известные российские историки-эксперты по истории военной психологии и культуры военной памяти А.С. Сенявский и Е.С. Сенявская подчеркивают, что история практически всех войн XX века подвергалась ревизии. Особенно сильные корректировки пришлись на долю Второй мировой войны. Дело в том, что итоги войны зафиксировали сложившееся в 1945 соотношение сил. В 1990-е мировой порядок радикально изменился, и это поставило под вопрос существующую концепцию Второй мировой войны[4]. Еще одна большая проблема памяти о войне в публичном пространстве – это поведение Советского Союза накануне Второй мировой войны. В советский период не было проблем с преподаванием истории предвоенной политики СССР. Она изображалась как искренний и уверенный курс политики мира и противодействия нацистской агрессии. Официальная концепция, поддержанная современным правительством РФ и базирующаяся на национально-патриотическом дискурсе, повторяет многое из советской историографии[5]. Российским историкам приходится «давать отпор» попыткам ревизии истории предвоенной политики СССР в отношении Польши, Прибалтики, Румынии и Финляндии со стороны западных историков, указывающие на ошибки И.Сталина и прямую агрессию против этих стран[4]. Российские учебники до сих пор повторяют версию о «присоединении» к СССР Прибалтики, Западной Украины и Белоруссии. Нет ясной интерпретации, когда СССР вступил во Вторую мировую войну. Не хотелось бы верить в то, что главная причина изменений в интерпретациях истории Второй мировой войны и роли России в ней – это часть каких-то замеров силы и мощи новых великих держав¸ и что при любой модификации мирового порядка или соотношения сил в глобальной политике, каждый раз будет меняться и оценка Второй мировой войны и роли Советского Союза.

Война в приватной памяти

В исторической памяти и популярной субкультуре истории большинства россиян Великая отечественная война связана с огромными потрясениями, которые испытали на себе и вся страна, и практически каждая семья. А.С.Сенявский и Е.С. Сенявская выказали здравое предложение о поддержке «конструктивной» памяти о Второй мировой[4]. Историческая память должна включать в себя интерпретационные практики как со стороны победителей, так и побежденных.
Выходит, что российские учителя правы, когда заявляют о том, что программа дает мало часов на изучение Великой отечественной войны в год 70-летия победы. Попытки учащихся понять проблемы истории войны и сформировать правильное представление о том социокультурном контексте который вырос вокруг памяти о войне в публичном пространстве требуют больше времени.

 

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литературы

  • Сенявский, А.С., Сенявская ,Е.С. Вторая мировая война и историческая память: образ прошлого в контексте современной геополитики// Вестник МГИМО-Университета. 2009. № 4. Специальный выпуск. С.299-307.
  • Uldricks, Teddy J. War, Politics and Memory: Russian Historians Reevaluate the Origins of World War II // History & Memory. Fall/Winter 2009, Vol. 21, Issue 2, p. 60-82.
  • Weiner, A. In the Long Shadow of War: The Second World War in the Soviet and Post-Soviet World // Diplomatic History. 2001. Vol. 25. No 3. P. 443-456.
  • Zolotarev, V. A. World War II and the Great Patriotic War. Russian Studies in History. Winter2004, Vol. 43. Issue 3, p.89-90.

Внешние ссылок в Интернете

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[1] Dolutskii, Igor. The Unified State Examination in History as a Means of Retraditionalization // Russian Education & Society. Sep2014, Vol. 56 Issue 9, p56-81).
[2] Историко-культурный стандарт. Проект // http://histrf.ru/ru/biblioteka/book/istoriko-kul-turnyi-standart (2.3.2015).
[3] Краденые победы// Ведомости. 31.10.2014. № 204// http://www.vedomosti.ru/opinion/news/35473221/kradenye-pobedy (2.3.2015).
[4] Сенявский, А.С., Сенявская ,Е.С. Вторая мировая война и историческая память: образ прошлого в контексте современной геополитики// Вестник МГИМО-Университета. 2009. № 4. Специальный выпуск. С.299-307.
[5] Uldricks, Teddy J. War, Politics and Memory: Russian Historians Reevaluate the Origins of World War II // History & Memory. Fall/Winter 2009, Vol. 21, Issue 2, p. 60-82.

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Авторы фотографий
Почтовые марки России. 55-летие Победы в Великой Отечественной войне (1941-1945), 2000; http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kvartblok_55_years_of_Victory,_Russia,_2000.jpg (7.3.2015).

Рекомендация для цитирования
Ходнев Александр: Война для Российской истории больше, чем просто война. In: Public History Weekly 3 (2015) 9, DOI:  dx.doi.org/10.1515/phw-2015-3647.

Copyright (C) 2015 De Gruyter Oldenbourg и автором, все права защищены. Эта работа может быть скопирована и перераспределяется в некоммерческих, образовательных целях, если разрешение выдается автором и использования правообладателей. Для получения разрешения обращайтесь: elise.wintz (at) degruyter.com.

 


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Quelle: http://public-history-weekly.oldenbourg-verlag.de/3-2015-9/3647/

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Die Anker-Kirche bei Tiberias

Wenn es eine Lebensweisheit gibt, die sich im Verlauf unserer Exkursion immer wieder bewahrheitet hat, dann ist es wohl die folgende: Erstens es kommt anders, und zweitens als man denkt! Das trifft auf die sogenannte Anker-Kirche bei Tiberias gleich in doppelter Hinsicht zu. Zum einen konnten wir aufgrund des zu lange dauernden Auf- und Abstiegs die geplante Besichtigung der Ausgrabungsstätte dieser byzantinischen Basilika, die sich auf dem Stadtberg Berenike oberhalb von Tiberias befindet, nicht realisieren (die beigefügten Bilder stammen daher notwendigerweise aus Wikimedia Commons). Zum anderen wurde das Archäologenteam um Yizhar Hirschfeld, der die Ausgrabungen in Tiberias in den frühen 90ern leitete, mehr als nur einmal von den steinigen Überresten auf dem Gipfel des Berges überrascht.

Überraschungen während der Ausgrabungen

Bevor die Ausgrabungen begannen, vermuteten die Archäologen auf dem Berenike-Berg Überreste eines Herodes-Palastes, von dem Josephus in seiner Vita berichtet. Entgegen ihren Erwartungen legten sie aber die Grundmauern einer großen Basilika frei, die vermutlich unter der Herrschaft Justinians (527-565) erbaut wurde (48 x 28 Meter; Atrium an der Vorderseite mit großer quadratischer Zisterne; Mittelschiff; Presbyterium; Apsis).

File:Tiberias-3-170.jpg
Anker-Kirche auf dem Berg Berenike bei Tiberias (Foto: Bukvoed ; Lizenz: CC BY 3.0, via Wikimedia Commons)

Einer weiteren Überraschung verdankt die Basilika ihren heutigen Namen. Denn unter dem Altar fand sich an der Stelle des Reliquiars ein riesiger Basaltstein mit einer Öffnung zur Vertäuung.

File:Tiberias-3-200.jpg
Vermeintlicher Ankerstein unter dem Altar (Foto: Bukvoed ; Lizenz: CC BY 3.0, via Wikimedia Commons)

Ähnlich aussehende Basaltsteine kleineren Formats wurden rund um den See Genezareth als Anker verwendet. Die spezifische Art und Weise, mit welcher das Loch in der Mitte des Steines gebohrt wurde, legt allerdings nahe, dass es sich ursprünglich um einen bronzezeitlichen Kultstein gehandelt haben muss (wie er rund um den See mehrfach belegt ist), der eine christliche Umdeutung erfahren hat. Der Fundort des Steines unter dem Altar spricht jedenfalls dafür, dass das ankerförmige Gebilde sowohl für die Erbauer als auch für die Besucher der Kirche eine sakrale Bedeutung hatte.

Das Erdbeben von 749 zerstörte nicht nur große Teile des römisch-byzantinischen Stadtkerns und des antiken Hafens von Tiberias sondern auch Teile der byzantinischen Basilika auf dem Berenike-Berg. Allerdings wurde die Basilika bereits im 8. Jh. unter der Dynastie der Abbasiden – und auch das überraschte die Archäologen – sorgfältig auf dem Fundament der ursprünglichen Basilika wiederaufgebaut. Ein teilweise erhaltenes Bodenmosaik mit schwarz-weißen Zirkeln im Vorhof der Basilika könnte ein Zeugnis dafür sein, wie islamische Architektur die Gestaltung christlicher Kirchenbauten zu dieser Zeit beeinflusst haben könnte.

File:Tiberias-3-185.jpg
Bodenmosaik im Vorhof (Foto: Bukvoed ; Lizenz: CC BY 3.0, via Wikimedia Commons)

Funktion und Bedeutung der Basilika

Da über die Basilika in byzantinischer Zeit keinerlei schriftliche Zeugnisse überliefert sind, kann über ihre tatsächliche Funktion und Bedeutung letztendlich nur spekuliert werden. Die große Zisterne und die Überreste eines Klosters in der Nähe der Kirche könnten darauf hindeuten, dass man eine Pilgerfahrt zu dem ankerförmigen Gedenkstein entwickeln wollte. Die eindrucksvolle Lage der Basilika am höchsten Punkt des Stadtgebiets spiegelt weiterhin womöglich das Anliegen wider, die Vormachtstellung der östlichen Reichskirche im Heiligen Land zu manifestieren.

Literatur

Hirschfeld, Yizhar, Roman, Byzantine, and Early Muslim Tiberias: A Handbook of Primary Sources, Tiberias 2005.

Hirschfeld, Yizhar (Hrsg.), Excavations at Tiberias, 1989-1944 (IAA Reports 22), Jerusalem 2004.

Hirschfeld, Yizhar, The Anchor Church at the Summit of Mt. Berenice, Tiberias. In: Biblical Archaeologist, Vol.57 No.3 (1994), 122/33.

Kuhnen, Hans-Peter, Der geologische „Hot Spot“ Tiberias. In: Das Heilige Land 1/2014, 26/31.

Stemberger, Günter, Juden und Christen im spätantiken Palästina (Hans-Lietzmann-Vorlesungen 9), Berlin u.a. 2007, v. a. 20/33.

Quelle: http://spuren.hypotheses.org/516

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