Neuer Verlag der Historischen Zeitschrift: Folgen für Rezensions-Digests

Der wissenschaftliche Verlag De Gruyter hat Anfang 2013 Oldenbourg Wissenschaft und Akademie aufgekauft. Die Online-Ausgaben der Historischen Zeitschrift  (HZ) sind daraufhin neu verlinkt worden. Deswegen funktionieren die Verlinkungen in den Rezensions-Digests zu den Artikeln der HZ nicht mehr. Lösen lässt sich das Problem für die bisher veröffentlichten Digests, indem man die DOI-Nummer im Link hinter http://dx.doi.org/ (dem sogenannten Resolver) in die Adressleiste des Browsers eingibt. Hier ein Beispiel:

Jürgen Overhoff: Rezension zu: Robert J. Allison: The American Revolution. A Concise History. Oxford/New York/Auckland 2011, in: HZ  295, Nr. 1, S. 199, 01.09.2012.

http://www.oldenbourg-link.com/doi/full/10.1524/hzhz.2012.0407

Die DOI-Nummer (hier unterstrichen) beginnt immer mit einer Ziffer. Wenn Sie die Nummer hinter http://dx.doi.org/ in die Adressleiste eingeben (Bsp.: http://dx.doi.org/10.1524/hzhz.2012.0407) werden Sie automatisch auf den Artikel weitergeleitet, der sich jetzt auf der Homepage des De Gruyter-Verlags befindet.

Leider ist die Historische Zeitschrift weiterhin nur über Institutionen mit einem Abonnement aufrufbar.

Quelle: http://frueheneuzeit.hypotheses.org/1540

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Ergänzung des Rezensions-Digests September 2013

Der Rezensions-Digest September 2013 war nicht vollständig. Durch den Verlagswechsel der Historischen Zeitschrift wurde die Veröffentlichung des letzten Bandes leider übersehen. Deswegen – und wegen der Neuaufnahme der Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben – muss der Rezensions-Digest für September 2013 ergänzt werden.

Die Links zur Historischen Zeitschrift sind nicht Open Access, sondern nur über Institutionen mit einem Abonnement aufrufbar.

 Mathis Leibetseder: Rezension zu: Marie-Odile Bonardi: Les vertus dans la France baroque. Représentations iconographiques et littéraires (Bibliothèque d’histoire moderne et contemporaine, 32). Paris 2010, in: Historische Zeitschrift, 297.1 (2013), 10.09.2013

DOI: 10.1524/hzhz.2013.0348

Gabriel Zeilinger: Rezension zu: Ellen Christoforatou: Zwischen geistlicher Herrschaft und Eigenverantwortung. Die Wirtschaftsentwicklung in der Stadt Würzburg 1650–1803 (Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg, Bd. 16). Würzburg 2010, in: Historische Zeitschrift, 297.1 (2013), 10.09.2013

DOI: 10.1524/hzhz.2013.0354

Susanne Lachenicht: Rezension zu: Luc Daireaux: „Réduire les huguenots“. Protestants et pouvoirs en Normandie au XVIIIe siècle. Préface d’André Zysberg. Postface de Bernard Roussel (Vie des huguenots, 57). Paris 2010, in: Historische Zeitschrift, 297.1 (2013), 10.09.2013

DOI: 10.1524/hzhz.2013.0356

Cornel Zwierlein: Rezension zu: Andreas Deutsch (Hrsg.): Ulrich Tenglers Laienspiegel. Ein Rechtsbuch zwischen Humanismus und Hexenwahn. Hrsg. im Auftrag der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Akademie der Wissenschaften des Landes Baden-Württemberg. Heidelberg 2011, in: Historische Zeitschrift, 297.1 (2013), 10.09.2013

DOI: 10.1524/hzhz.2013.0344

Hans-Bernd Spies: Rezension zu: Jörg-Peter Findeisen: Axel Oxenstierna. Architekt der schwedischen Großmacht-Ära und Sieger des Dreißigjährigen Krieges. Gernsbach 2007, in: Historische Zeitschrift, 297.1 (2013), 10.09.2013

DOI: 10.1524/hzhz.2013.0351

Jens Bruning: Peter Gbiorczyk: Die Entwicklung des Landschulwesens in der Grafschaft Hanau von der Reformation bis 1736. Die Ämter Büchertal und Windecken. T. 1: Textband. T. 2: Quellenband auf CD-ROM. Aachen 2011, in: Historische Zeitschrift, 297.1 (2013), 10.09.2013

DOI: 10.1524/hzhz.2013.0346

Enno Bünz: Rezension zu: Germania Sacra: Germania Sacra. Die Kirche des Alten Reiches und ihre Institutionen. 3. Folge, 4: Die Bistümer der Kirchenprovinz Mainz. Das Bistum Würzburg, 7: Die Würzburger Bischöfe von 1617 bis 1684. Im Auftrage der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen bearb. v. Winfried Romberg. Berlin/New York 2011, in: Historische Zeitschrift, 297.1 (2013), 10.09.2013

DOI: 10.1524/hzhz.2013.0349

Arno Herzig: Rezension zu: J. A. S. Grenville: The Jews and Germans in Hamburg. The Destruction of a Civilization 1790–1945. London/New York 2011, in: Historische Zeitschrift, 297.1 (2013), 10.09.2013

DOI: 10.1524/hzhz.2013.0357

Peter Burg: Rezension zu: Tina Klupsch: Johann Hugo Wyttenbach. Eine historische Biographie (Trierer Historische Forschungen, Kleine Schriften, Bd. 2). Trier 2012, in: Historische Zeitschrift, 297.1 (2013), 10.09.2013

DOI: 10.1524/hzhz.2013.0358

Silvia Serena Tschopp: Rezension zu: Sabine Koloch: Kommunikation, Macht, Bildung. Frauen im Kulturprozess der Frühen Neuzeit. Berlin 2011, in: Historische Zeitschrift, 297.1 (2013), 10.09.2013

DOI: 10.1524/hzhz.2013.0343

Christof Paulus: Rezension zu: Manfred Merk (Bearb.): Die Inschriften des Landkreises Weilheim-Schongau (Die Deutschen Inschriften 84). Wiesbaden 2012, in: Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben, 106 (2014), 25.09.2013

http://hv-schwaben.de/zeitschrift/z106_Buchbesprechungen_Merk_Schrott.pdf

Axel Gotthard: Rezension zu: Geoff Mortimer: Wallenstein. Rätselhaftes Genie des Dreißigjährigen Krieges. Aus dem Engl. v. Geoff Mortimer u. Claus Cartellieri. Darmstadt 2012, in: Historische Zeitschrift, 297.1 (2013), 10.09.2013

DOI: 10.1524/hzhz.2013.0350

Thomas Töpfer: Gernot Michael Müller (Hrsg.): Humanismus und Renaissance in Augsburg. Kulturgeschichte einer Stadt zwischen Spätmittelalter und Dreißigjährigem Krieg. (Frühe Neuzeit, Bd. 144.) Berlin/New York 2010, in: Historische Zeitschrift, 297.1 (2013), 10.09.2013

DOI: 10.1524/hzhz.2013.0345

Wolfgang Wüst: Andreas Neuburger: Konfessionskonflikt und Kriegsbeendigung im Schwäbischen Reichskreis. Württemberg und die katholischen Reichsstände im Südwesten vom Prager Frieden bis zum Westfälischen Frieden (1635–1651) (Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Rh. B: Forschungen, Bd. 181). Stuttgart 2011, in: Historische Zeitschrift, 297.1 (2013), 10.09.2013

DOI: 10.1524/hzhz.2013.0352

Hans-Bernd Spies: Rezension zu: Jonas Nordin: Frihetstidens monarki. Konungamakt och offentlighet i 1700–talets Sverige. Stockholm 2009, in: Historische Zeitschrift, 297.1 (2013), 10.09.2013

DOI: 10.1524/hzhz.2013.0355

Matthias Thumser: Rezension zu: Jessika Nowak: Ein Kardinal im Zeitalter der Renaissance. Die Karriere des Giovanni di Castiglione (ca. 1413–1460) (Spätmittelalter, Humanismus, Reformation/Studies in the Late Middle Ages, Humanism and the Reformation, 59). Tübingen 2011, in: Historische Zeitschrift, 297.1 (2013), 10.09.2013

DOI: 10.1524/hzhz.2013.0341

Arne Karsten: Rezension zu: Johann Heinrich von Pflaumern: Ein Romführer von 1650. Das Romkapitel seines „Mercurius Italicus“. Hrsg., übers. u. kommentiert v. Dietrich Winkelmann (Bibliotheca Suevica, No. 30). Konstanz/Eggingen 2010, in: Historische Zeitschrift, 297.1 (2013), 10.09.2013

DOI: 10.1524/hzhz.2013.0353

Axel Gotthard: Rezension zu: Harro Raster: Johann Freiherr von Mändl (1588–1666). Aufstieg und Fall des kurbayerischen Hofkammerpräsidenten. Passau 2012, in: Historische Zeitschrift, 297.1 (2013), 10.09.2013

DOI: 10.1524/hzhz.2013.0347

Wolfgang Wüst: Rezension zu: Georg Schrott: Leichenpredigten für bayerische Prälaten der Barock- und Aufklärungszeit (Materialien zur bayerischen Landesgeschichte 22). München 2012, in: Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben, 106 (2014), 25.09.2013

http://hv-schwaben.de/zeitschrift/z106_Buchbesprechungen_Merk_Schrott.pdf

Gernot Michael Müller: Rezension zu: Georg Strack: Thomas Pirckheimer (1418–1473). Gelehrter Rat und Frühhumanist (Historische Studien, Bd. 496). Husum 2010, in: Historische Zeitschrift, 297.1 (2013), 10.09.2013

DOI: 10.1524/hzhz.2013.0342

Quelle: http://frueheneuzeit.hypotheses.org/1548

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“People want to see this”: Inszenierte Entmachtung und ihre Wirkweise in found footages anhand von ‘The Secluded House’

found footages: Ein Überblick

In den frühen 00er-Jahren gewann das Subgenre found footage unter den Horrorfilmen an Popularität.1Found footages inszenieren meist pseudo-authentische Handkamera-Aufnahmen2, die als von verschwundenen oder toten Protagonisten des Films gemacht und als im Nachhinein aufgefunden proklamiert werden. Die Handlung des Films wird also durch eine wackelige und meist unorientierte Kameraperspektive wiedergegeben, die einen Ich-Blickwinkel simuliert.3 Die Charaktere sind in der Regel nur schwach gezeichnet und ihre Rollen sind ausgesprochen naturalistisch gespielt, ihr Sprechen und Handeln ergibt sich also weniger aus zu vermittelnder Bedeutung als viel mehr aus einer möglichst authentischen, reaktiven Darstellung.

Der rapide Zuwachs der unter dieser Prämisse produzierten Filme in den 00er-Jahren ist vermutlich am ehesten mit der aufkommenden großflächigen Verbreitung von Amateur-Videoaufnahmen, seit Neurem vor allem über Videoportale wie z.B. Youtube, zu erklären. Die wackelige Kameraperspektive4 ist zwar ein schon seit den 20er-Jahren üblicher Effekt5, allerdings ist sie als Perspektive des filmischen Erzählens salopp gesagt eher unkomfortabel und für die Zuschauerlenkung erst einmal kontraproduktiv, da sie so gut wie keine Fokussierung erlaubt; sie macht auf das Gefilmtsein des Gezeigten aufmerksam, ein Effekt, der erwünscht sein kann, in der konventionellen Praxis des Films aber trotz mehrfacher Anwendung über die Jahrzehnte hinweg eher untypisch bleibt. Erst die Sensibilisierung des Publikums für diese wackelige Präsentationsweise durch weitverbreitete Privataufnahmen und das damit einhergehende Gattungswissen – wenn man bei reellen Amateuraufnahmen von einem solchen überhaupt sprechen möchte – machen eine wirkungsvolle Funktionalisierung der Handkamera-Perspektive möglich. Zudem sorgen die leichte und wenig kostenintensive Produzierbarkeit, da ja beinahe jeder Anspruch an die Ästhetik und technische Hochwertigkeit des Filmens hinfällig wird, und die enorme Verbreitung von Handkameras und äquivalenter Technologie in etwa den letzten zwei Jahrzehnten für einen Boom an nicht-kommerziellen und nicht selten über das Internet zugänglich gemachten Laienproduktionen, die sich des Formats bedienen.

Diese Produktionen folgen oftmals einem auf den ersten Blick sehr simplen, dabei aber wirkungsvollen Schema, das sich an anderen Horrorfilm-Formaten6 orientiert. Ich möchte dieses Schema exemplarisch an einem Beispiel ausführen und darauf erzähltheoretische Schlüsse aufbauen. Die Verallgemeinerbarkeit dieser Schlüsse auf das Genre, selbst noch in seinem spezifischen Vorkommen als Laienproduktion, muss notwendigerweise infrage stehen; ein Defizit, das ich im Rahmen dieses Beitags sicherlich nicht beheben können werde. Es geht mir allerdings auch viel eher um die Beschreibung eines spezifischen Vorgehens zur Zuschauerlenkung, das m.E. grundsätzlich nur mit gewissen Anstrengungen verallgemeinert werden könnte, weil es sich erst in der Spannung von Erzählschema, Erzählform und Erzählmedium ergibt – die Abhängigkeit der Lenkungsstrategien von dieser Trias wird hoffentlich im Folgenden klarer werden können.7

‘The Secluded House’: Zusammenfassung und Schema des Erzählens

Im australischen found footage-Horrorfilm The Secluded House von 2012 (Freeze Frame Films, Autoren: Dion Cavallaro, Paul Thomas) dokumentieren vier Jugendliche ihren nächtlichen Ausflug in ein verlassenes und stark heruntergekommenes Haus in Südaustralien, in dem es in den vergangenen Jahren zu unerklärlichen Vorkommnissen gekommen sein soll. Als Exposition dient eine Erklärung durch Paul darüber, was die Protagonisten vorhaben und warum sie ihren Ausflug filmen wollen.8 Die „Trägerschaft” der Kamera wechselt hier wie auch im weiteren Verlauf zwischen Paul und Dion, die Cain und Joel auf dem Weg zu besagtem Haus abholen. Nach einer längeren Autofahrt am Haus angekommen erkunden die vier ein Stück der Umgebung und begeben sich dann in die Ruine, die ausführlich inspiziert wird. Nach einer Weile sind erste, schlecht identifizierbare Laute zu hören und wenig später weist Dion darauf hin, dass er etwas an einer Türöffnung vorbeifliegen sehen hat. Cain begibt sich daraufhin allein durch die Tür nach draußen und ist plötzlich spurlos verschwunden. Die Gruppe sucht nach ihm und findet seine Taschenlampe auf dem Boden, Joel glaubt Cain gehört zu haben und rennt in die Dunkelheit davon, daraufhin ist auch er verschwunden. Paul und Dion suchen daraufhin das Gelände nach ihnen ab, sie hören Joel nach Cain rufen und laufen den Rufen entgegen, dann hören sie Geräusche aus der Richtung eines Schuppens. Als sie hineingehen, fällt Paul in ein Kellerloch; Dion kommt ihm die Treppe hinab zuhilfe. Als sie sich kurz umsehen und Paul seine Taschenlampe, die beim Fall gelitten hat, wieder zum Laufen bringen will, kracht plötzlich die Falltür zu, gefolgt von einem weiteren Knall, durch den Dion sein Mobiltelefon fallen lässt. Im durch einen Wackelkontakt gestörten Licht von Pauls Taschenlampe und in Panik suchen sie nach Orientierung, nach mehreren Schwenks durch Halbdunkel und komplette Dunkelheit ist Paul zu sehen, den plötzlich eine Hand von hinten greift; die beiden stürmen panisch aus der Luke nach draußen. Sie durchsuchen erneut die Ruine, immer wieder sind Geräusche zu hören, schließlich stößt Joel an der Hinterseite des Hauses zu ihnen, er erzählt ihnen von einem weiteren Schuppen, von dem er meint, dass Cain sich dort aufhalten könnte. Als sie sich dort umsehen, hören sie einen Schrei aus dem Haus dringen. Sie vermuten Cain und laufen dorthin zurück, finden Cain, der unvermittelt im Gang steht und sich plötzlich steif verrenkt; als sie ihm näher kommen, greift er sie offenbar an, die Kamera fällt zu Boden und Cain wird von seinen drei Freunden gebändigt und dann zurück zum Auto geschleift, er ist bewusstlos. Auf der Rückfahrt sieht man Cain aufwachen und völlig abwesend aus dem Fenster starren, der Film endet mit einem dokumentarisch über die Ereignisse hinausweisenden Kommentar: Am nächsten Tag sei eine Polizeisuche initiiert worden, nachdem die Jugendlichen nicht nach Hause gekommen sind. 27 Stunden später sei ihr Auto auf einem abgeschiedenen Feldweg gefunden worden, alle Türen seien geöffnet gewesen. Beim Absuchen der Umgebung seinen keine Spuren gefunden worden, ein genaues Durchsuchen des Wagens aber habe dazu geführt, dass die Polizei die Videokamera gefunden habe, die teilweise ins Kofferraumfach eingeschmolzen gewesen sei. Die Aufnahmen haben zu weiteren Ermittlungen und zur Sperrung des verfallenen Geländes geführt, der Verbleib der Jungen sei ungeklärt geblieben.

Der sich hieraus ergebende schematisierte Aufbau beginnt mit (A) einer Exposition, in der kurz der Ausgangspunkt des Erzählens umrissen und die Handlungsrelevanz innerhalb der Erzählrealität besprochen wird (meist der Ort, häufig z.B. das haunted house). Es folgen (B) die Darstellung des Normalen und Erwartbaren, etwa für das Publikum belanglose Gespräche (in The Secluded House dienen hierfür vor allem die Autofahrt und die Ankunft auf dem Gelände), die vor allem auch das Ausbleiben von Ereignissen in Szene setzt (das Durchsuchen des haunted house; Spannungsmomente, die sich vorerst als nichtig und logisch begründbar herausstellen oder zumindest durch Rationalisierung übergangen werden können), und (C) die Zuspitzung, in der noch immer nichts Übernatürliches oder Angsteinflößendes geschieht, jedoch die Kontrolle der Protagonisten entgleitet (das Verschwinden Cains und dann Joels, das Ausfallen der Lichtquellen). Danach kommt es (D) zum Hervortreten des Bedrohlichen, des Übernatürlichen (die Hand auf Pauls Schulter), verbunden mit der Gewahrwerdung der Protagonisten über ihr Ausgeliefertsein, die sie allerdings aufgrund (E) eines vorher motivierten Zwangs nicht verlassen können (die Suche nach Cain und Joel; typische Alternativen bilden Gefangenschaft am Ort des Geschehens oder die Unmöglichkeit zur Umkehr). Während andere Horrorfilm-Formate an dieser Stelle in der Regel umschwingen, um in ein Happy-End zu geraten, muss die found footage-Sparte, denn das setzt das Auffinden des Amateur-Material ja gewissermaßen voraus, (F) im ungeklärten Verschwinden oder zumindest für das Publikum erahnbaren Tod der Protagonisten münden.

Vergleicht man dieses Schema beispielsweise mit dem des Spukhaus-Horrors, ergeben sich hier nur wenige Abweichungen, die unter anderem mit dem Erzählraum „Spukhaus”9 zusammenhängen: Im Spukhaus-Schema wird im Vergleich zum found footage-Schema in der Regel nur (D) an (B) angelagert, denn der Kontrollverlust in (C) kommt nicht zustande: Der Einzug in das Spukhaus inszeniert anfänglich eine Form der Kontrolle der Protagonisten über den Erzählraum, die nachträglich durch die übernatürliche „Heimsuchung” als zutiefst gefährdet herausgestellt wird, in aller Regel führt das Spukhaus-Schema in die (Zurück-)Eroberung der Kontrolle (z.B. durch Aussöhnung oder Auslöschung des Übernatürlichen). Während die Zuspitzung in (C) also für found footages funktioniert und Teil einer Steigerung hin zur Überwältigung der Protagonisten zum Schluss in (F) ist und vor dem Hervortreten des Übernatürlichen geschieht, wird die Machtposition der Spukhaus-Bewohner überhaupt erst durch das Übernatürliche infragegestellt.

Rezeptionsreiz und Informationslimitation

Doch was ist nun der Reiz am Erzählformat von found footages? Die wackelige Kamera bleibt ja ein „unkomfortables” Wahrnehmungserlebnis, selbst unter dem Umstand der aktuellen Sensibilisierung; die Charaktere bleiben ja austauschbar und beinahe leer; das Erzählte bleibt trotz pseudo-authentischer, dokumentarisierender Inszenierung befreit von zumindest informativer Relevanz für den Rezipienten. Ton- und Bildqualität sind qualitativ minderwertigen Amateuraufnahmen nachempfunden; und was einen nachsichtigen Rezipienten an 34 Minuten Laienfilm nicht abzuschrecken vermag, sollte spätestens auf Spielfilmlänge mit orientierungslosem Handlungsablauf und empathieunwürdigen Charakteren unerträglich werden. Der Rezeptionsreiz dieser Filme ist allerdings als hoch einzuschätzen, seit dem Erfolg von Blair Witch Project haben mehrere solcher Filme Bekanntheit erlangt und die Produktionskosten verdutzendfacht wieder eingespielt: im Falle von The Devil Inside, 2012, mit US$1 Mio. Produktionsbudget und etwas mehr als US$100 Mio. Ticketeinnahmen verhundertfacht; im Falle von Paranormal Activity, 2009, stehen sogar US$15 000 an Produktionsbudget über US$100 Mio. Ticketeinnahmen gegenüber.10 Hieran hat sicherlich die Vermarktungsstrategie einen großen Anteil, The Devil Inside zum Beispiel wurde trotz seines Erfolges an der Kinokasse überwiegend negativ rezensiert, und es scheint opportun zu mutmaßen, dass die kostensparende Produzierbarkeit von found footages als Grund, weshalb sowohl Studios als auch Laienproduzenten das Format gern bedienen, am meisten ins Gewicht fällt. Dennoch muss ja ein Rezeptionsreiz bestehen, der den Erfolg derartiger Projekte im micro-budget-Bereich rechtfertigt.

Über das Moment des sich zuspitzenden Kontrollverlusts habe ich bereits einige Worte verloren. Anhand von The Secluded House möchte ich ausführen, weshalb ich dieses Moment für einen entscheidenden Faktor halte, Rezeptionslust zu wecken: Auf der Ebene des Erzählschemas hat sich gezeigt, wie der Verlust von Kontrolle und das Ausgeliefertsein gegenüber dem Übernatürlichen in der im Unklaren belassenen Katastrophe kulminieren, die wiederum eigentlich erst eine Bestätigung der novellenähnlichen Erzählrelevanz vortäuscht. Das Erzählmedium Film verspricht seinem Rezipienten in der Regel, dass er das relevante Geschehen audiovisuell gezeigt bekommt; hingegen besteht ja gerade das Gezeigte aus jener wackeligen Perspektive, die oftmals noch ins Dunkel abgleitet, nur Hinterköpfe zeigt oder bedeutungslose Teile der näheren Umgebung fokussiert, auch handlungsinitiierende Geräusche sind kaum hörbar und das zwar einigermaßen deutlich vernehmbare sprachliche Handeln ist weitestgehend die leere Veräußerung des aufgestachelten Gemütszustands der Protagonisten, die ja oft nicht mehr als “What the fuck?!” und ähnliches zu sagen haben.

Die audiovisuellen Defizite der Handkamera gegenüber dem gewohnten, lenkenden und fokussierenden filmischen Erzählen über hochwertige Bild- und Tontechnik stehen also divergent zu den generellen Ansprüchen an das Erzählmedium, der Rezipient wird dieser Ansprüche geradezu enthoben. Während er im als herkömmlich zu bezeichneten filmischen Erzählen eine gewisse Machtposition innehat, indem er in der Draufschau aus mehreren statischen oder geordnet bewegten Blickwinkeln das Geschehen ausgeleuchtet bekommt, in der Regel perfekten auditorischen Einblick erhält, der darüber hinaus durch das Mittel der Filmmusik um die Dimension der Stimmung und inneren Vorgänge bereichert wird, ist er hier auf bestimmte und meist nicht einmal erzählrelevante audiovisuelle Informationen beschränkt; Markus Kuhn spricht deshalb – vorwiegend Bezug nehmend auf The Blair Witch Project – treffend von Informationslimitation, auch “im Sinne eines Weniger-Vermittelns, als die Figuren wissen und wahrnehmen. [...] Maximal zeigt die Handkamera das, was die Figuren selbst wahrnehmen, was einer internen Fokalisierung entspricht. Allerdings hinkt die oft spontan angeschaltete Kamera der Wahrnehmung der Figuren etwas hinterher. Der Zuschauer hört, dass es etwas Unheimliches gibt, sieht es aber – im Gegensatz zu den Figuren – erst etwas später, wenn die Kamera in die richtige Richtung gewendet wird.”11

Hat der Zuschauer also im herkömmlichen Film zumindest in gewisser Weise die Illusion einer quasi-auktorialen Perspektive, woraus sich erwartbare Rezeptionsansprüche ergeben, wird er im Erzählen durch die Perspektive der Handkamera gewissermaßen entmachtet und er ist es nun, der eigentlich um Information bettelt, indem er weiter zuschaut: Dadurch erst werden Grundlagen für die Identifikation mit den Protagonisten geschaffen, die gewissermaßen genauso entmachtet sind gegenüber dem Übernatürlichen, die abhängig sind von ihrem Sehen und Hören, wobei letzteres ein unspezifisches ist (auch die vier Jugendlichen können die unheimlichen Geräusche ja nicht genau identifizieren) und ersteres durch Technologie vermittelt – und sie sehen durch Taschenlampen oder Kameralicht, die beide zu einem bestimmten Zeitpunkt nur einen bestimmten Ausschnitt der Umgebung erhellen können, ebenso defizitär wie der Rezipient durch die Kameraperspektive, die ebenfalls nur einen bestimmten Ausschnitt des Erzählraumes zeigen kann.

„Im selben Boot”: Gleichschaltende Figuration des Rezipienten

Figuren und Rezipienten sitzen dadurch „im selben Boot”. Selbst schon der Exposition in (A) kann man unterstellen, dass sie ihren Rezipienten figuriert, indem sie parallel zu einem vermutbaren Rezeptionsanlass steht: ‚Komm, wir gehen uns gruseln.’ Darüber hinaus verhalten sich die Protagonisten ähnlich, wie man es auch vom Publikum eines Horrorfilms erwarten würde, irgendwie auf Grusel aus, aber dennoch (zumindest anfangs) versucht, die Fassade des Rationalen und Kalkulierenden zu wahren. Das macht es möglich, den Rezipienten mit den Figuren einigermaßen gleichzuschalten: Der Rezipient will erwartbarermaßen, dass, vereinfacht gesagt, irgendetwas Sehenswertes passiert, die Figuren haben dasselbe Interesse; vor allem Dion und Paul als Perspektivträger und einzig stetige Protagonisten der Gruppe thematisieren ihre steigende Angst, die reaktiv auf unerklärliche Vorfälle folgt und so dem Rezipienten entweder ein Bewertungsspektrum vorlegt oder ihn zu spiegeln sucht. Vor allem die Rationalisierungsversuche in (B) und der Kontrollverlust in (C) entsprechen dem zu erwartenden Verhaltenszustand des Rezipienten, der womöglich erst einmal skeptisch ist (B, Rationalisierungsversuch), dem aber die üblichen Bewertungsgrundlagen (C, Kontrollverlust, vor allem auch durch Abhängigkeit von Technologie, die Wahrnehmung nur begrenzt ermöglicht) entzogen sind und der auf die Situationsbewertung und die limitierten Informationen seiner Träger, also der Träger der Ich-Kamera, durch die der Rezipient blickt, angewiesen ist. Und so ist zum Zeitpunkt, als sich das Übernatürliche in (D) zumindest ankündigt bereits eine starke Rezipientenmotivation geschaffen, die zwar nicht der der Figuren in (E) entspricht, jedoch an sie rückgebunden ist: Ein Auffinden von Cain und Joel kann zumindest versprechen, dass die Informationslimitation gewissermaßen aufgehoben wird und der Zuschauer Klarheit über das Geschehen bekommt. Dieses Versprechen wird allerdings nicht eingelöst, selbst wenn der Rezipient, dann losgelöst von der Ich-Kamera, wie als einzige Überlebende des Geschehens über das Gezeigte hinausschauen darf – nur um weiterhin im Unklaren darüber zu bleiben, was genau vor sich gegangen ist, und spekulieren zu müssen, was den vier Jugendlichen widerfahren sein könnte.

Die Informationslimitation dient also dazu, den Rezipienten gegenüber einer herkömmlichen Stellung als anvisierter Zuschauer zu entmachten. Die Ausschnitthaftigkeit und geringe Reichweite der Handkameraperspektive führt außerdem zu einer Isolation von Rezipient und Protagonistengruppe von der Umgebung, es entsteht keine Außensicht, der Blickwinkel bleibt innerhalb der Szene. Daraus erklärt sich im Übrigen auch, warum im Erzählraum stets Technologie fehlt, die zur Überbrückung von zumindest räumlicher Distanz dient: Dion besitzt zwar ein Mobiltelefon, verwendet allerdings nur dessen Lichtfunktion – rein aus der alltäglichen Erfahrung heraus könnte man ja erwarten, dass versucht wird verlorengegangene Gruppenmitglieder damit zu kontaktieren. Da das Geschehen in Südaustralien, abgelegen von großen Siedlungsgebieten spielt, kann man vermuten, dass das Telefon keinen Empfang besitzt; thematisiert wird das allerdings nicht. Das Fehlen solcher Technologie ist ein einigermaßen stabiles Moment für found footages mit einem haunted house, ähnlich wie Horrorfilme im Allgemeinen gern mit der Begrenzung der Sichtweite auf einen Lichtkegel spielen: Das Versagen von Reichenweiten überwindender Technologie ist topisch für ein Kontrollverlust-Erzählen und steht quasi pars pro toto für das Versagen der menschlichen Bemächtigung über seine Umwelt durch eben solche Technologie. Wissensvorsprünge gegenüber dem Übernatürlichen, das ganz offensichtlich nicht auf Licht oder Reichweiten angewiesen ist, werden negiert, das menschliche Personal eines solchen Erzählens ist salopp gesagt in einen frühzeitlichen Zustand mit Fackeln im Wald zurückversetzt.

Gerade hier würde ich den Reiz eines solchen Erzählformates verorten. Gehen wir von einer Gattung Mensch aus, die prädispositorisch für das Überleben in einer feindlichen Natursphäre ausgestattet ist, befriedigt das Horrorerzählen in found footages eine prähistorisch in das menschliche Wesen eingeschriebene Gefahrenlust, sie ermöglicht den Ausbruch aus einer technologisierten und sicherheitsbetonten Kultursphäre. Die Perspektive der Ich-Kamera emuliert dabei first person view, trotz der konstanten Gewahrsamkeit über die sichere Rezipientensituation auf der Couch außerhalb des erzählten Raumes – denn die wackelige Kamera verweist ja stetig auf sich selbst und auf das Gefilmtsein des Gezeigten – wird er durch die Informationslimitation und die Spiegelung seines antizipierten Verhaltens in den Protagonisten mit der Erzählsituation gleichgeschalten; während es den Figuren um Leben und Tod zu gehen scheint, wird sein Schicksal eher auf der Ebene des definiten Bewertungswissens verhandelt. Dion bemerkt gegenüber Paul nach dem Schreckmoment unterhalb der Kellerluke: “People want to see this”, denn irgendetwas sei dort draußen – und gibt damit eine Motivation vor, warum die Kamera jetzt weiterlaufen und das Geschehen sich weiter zuspitzen muss. Und tatsächlich macht ja vorwiegend nur der Paratext – das Video ist übertitel mit “The Secluded House – Found Footage Horror Film” – erkennbar, dass es sich um Fiktion handelt: Das Format selbst gibt sich alle Mühe authentisch und dokumentarisch zu wirken.12 Die inszenierte Authentizität, die also wie angeführt eine novellenähnliche Erzählrelevanz vorgaukelt, gepaart mit der in Szene gesetzten Entmachtung der Rezipientenposition (in Extension: der gleichgeschalteten Entmachtung von Rezipient und Figuren) und dem Appell an den prädispositorischen Gefahrentrieb, der sich erst in dieser Entmachtung entfalten kann, schafft nicht nur einen starken Rezeptionsreiz, sondern auch die Motivation zur weitergeführten Rezeption: Unterstellt man dem Rezipienten nämlich, wie Dion das tut, einen prinzipiellen Informationsdrang, der initiiert, aber nicht befriedigt wird, ist die limitierte und gegenüber den herkömmlichen Rezeptionsgewohnheiten defizitäre Vermittlungssituation ein fast ideales Mittel, den Zuschauer im “Bann” zu halten, ihn der Limitation zu unterwerfen. Lässt der Rezipient sich darüber hinaus auf den inszeniert-authentischen Dokumentarcharakter des Formats ein, erhält sein Informationsdrang eine Relevanzkomponente: Irgendetwas ist da draußen, das dem zivilisierten, technologisierten und sicherheitsbestimmten Menschen noch gefährlich werden kann; eine Lust am potentiellen Übel im unzivilisierten bzw. entzivilisierten Raum, die sich mindestens im abendländischen Kulturkontext mannigfaltig manifestiert.13

Entmachtung macht Bemächtigung?

Darüber hinaus bedeutet diese Entmachtung auch gleichzeitig eine Bemächtigung, denn der Rezipient wird ja in (F) wieder ins Außerhalb, in einen quasi-auktorialen Blickwinkel versetzt, er überlebt die Figuren sozusagen, obwohl das Erlebensschicksal der Figuren und das Rezeptionsschicksal des Zuschauers auf unterschiedlichen Ebenen miteinander verschaltet gewesen sind. Schaut man sich andere Entmachtungsformate an, etwa den Spukhaus-Horror, so steht hier auf der Ebene der Figuren am Ende meist die individuelle (Wieder-)Bemächtigung der Protagonisten, die ursächlich erst durch die Negation von zivilisationsgegebener Kontrolle zustandekommen kann. Im Genre der Zombieapokalypse oder des Endzeiterzählens werden die Protagonisten ihrer zivilisationsgegebenen Kontrolle expositorisch beraubt, sie stehen meist bar von höherer Technologie oder zumindest isoliert von den Möglichkeiten der Zivilisationstechnologie14 gegenüber einer in Zahl und Gewalt übermächtigen Bedrohung, derer sie im Verlauf des Erzählens Herr zu werden suchen. Das Erzählen nimmt den Figuren ihren durch Zivilisationstechnik gewonnenen Sicherheitsvorsprung, isoliert sie auf kleine Gruppen, die sich spannenderweise in ihren Organisationsstrukturen frühzeitlichen Sippschaften annähern15, und liefert sie „dem da Draußen” aus, dem Bedrohlichen, Unheimlichen, Übernatürlichen; meist etwas, das mit Tod, Abscheulichkeit oder Naturgewalt konnotiert ist. In diesem Setting aber werden die Protagonisten erst zu handelnden, es verspricht den Umsturz des gesellschaftlichen Systems, in dem der eine anonym ist und das sich scheinbar ohne aktives Zutun des einzelnen selbst organisiert und beherrscht, und die Bemächtigung des einzelnen in der überschaubaren Gruppe; es appelliert an eine um sich greifende Zivilisationsverdrossenheit.

Found footages greifen zwar keineswegs derart weit und sie erzählen, wie dargestellt, eher bis in den kompletten Kontroll- und Machtverlust, in die mindestens vermutbare Auslöschung durch das Übernatürliche. Ihnen gelingt aber m.E. potentiell die Übertragung der Entmachtung auf den Zuschauer in seiner Rolle als Rezipient durch die geschilderten Lenkstrategien auf Ebene des Erzählschemas, der Erzählform und des Erzählmediums am eindrucksvollsten. Mit höchster Sicherheit handelt es sich dabei nicht um ein Erzählen am Höhenkamm, nicht einmal die Nadelwaldgrenze scheint in Sicht, allerdings erfüllt das found footage-Erzählen durch diese Übertragung eine ausgesprochen wichtige und für den Kulturerhalt notwendige Funktion von Kunst: Als game of make believe zieht es den Rezipienten (bzw. zumindest die Ich-Kamera, durch die er blickt) in die Erzählszenerie hinein und vollführt im Spiel (auch) an ihm die Bloßstellung gegenüber einer übermächtigen Bedrohung, wodurch der prädispositorisch angelegte Gefahrentrieb, den ich hier weiterhin, wenn auch relativ unfundiert, unterstellen möchte, zumindest aber eine zu antizipierende Gefahrenfaszination mittelfristige Befriedigung findet. Herkömmliche und meist kostenintensive Techniken des Films, die durchaus stark deutungs- und verfassungsabhängig ist, wie z.B. die Fokussierung, die explizite Darstellung über hochwertige Simulationstechnik, die filmmusikalische Untermalung zur Intensivierung der zu erzeugenden Gefühle – all das können found footages zumindest weitestgehend außer Acht lassen, weil durch die Ich-Kamera-Perspektive ein billiger, aber umso wirkungsvollerer Immersionseffekt erzeugt werden kann, der sich allerdings paaren muss mit pseudo-authentischer Dokumentationsillusion und der Spiegelung des Rezipientenverhaltens in Reaktion auf den auserzählten Kontrollverlust.

  1. Beginnend mit Blair Witch Project, 1999. Als erster found footage-Film gilt Cannibal Holocaust von 1980, der Boom kam aber erst nach der Jahrtausendwende zustande, die Gründe hierfür werden im Folgenden weiter eruiert.
  2. Als ein Gegenbeispiel kann hierfür Paranormal Activity, 2007, herhalten, dort werden neben Handkamera-Aufnahmen vor allem Aufnahmen einer privaten Überwachungskamera eingesetzt.
  3. Markus Kuhn (Das narrative Potenzial der Handkamera. Zur Funktionalisierung von Handkameraeffekten in Spielfilmen und fiktionalen Filmclips im Internet. In: Diegesis 2.1, 2013. S. 92-114. →Link) spricht von einer anthropomorphen Perspektive bzw. einer Anthropomorphisierung der Kamera und schlägt den Begriff „Ich-Kamera-Film” vor.
  4. Die populäre Kritik spricht hierbei u.a. vom shaky camera-Effekt. Vgl. z.B. Mekas, Jonas: A Note on the Shaky Camera. In: Film Culture, issues 24-27, 1962, sowie: Bordwell, David/Thompson, Kristen: Unsteadicam chronicles. On: Observations on film art (blog), August 17, 2007 (→Link, letzter Zugriff am 6. Oktober 2013); andere mögliche Schlagwörter sind unsteady camera oder hand-held camera.
  5. Der letzte Mann, 1924, der als erste Umsetzung der Entfesselten Kamera gilt, bediente sich beispielsweise des Vor-die-Brust-Schnallens der Kamera. Vgl. Kuhn 2013, S. 93.
  6. Dem geneigten Leser werden im Folgenden sicherlich annähernde Parallelen etwa zu Spukhaus-Horror, den ich dementsprechend an einigen ausgewählten Stellen als Vergleichspunkt anführen möchte, auffallen.
  7. Damit sei auch gleich auf die Grundproblematik hingewiesen, die mich seit einer Weile beschäftigt und die in folgenden Einträgen noch weiter zu problematisieren ist: Inwieweit lässt sich überhaupt eine an z.B. strukturalistischen Erkenntnismethoden orientierte narratologische Matrix herausarbeiten, die Strategien zur Rezipientenlenkung im Rahmen ganz unterschiedlicher Erzählanlässe allgemein beschreibbar macht.
  8. Hierbei finden Ansätze einer Charakterzeichnung für Paul statt, die im weiteren Verlauf keine Rolle mehr spielen bzw., so könnte man äußerst vorsichtig spekulieren, karrikiert werden. Im Allgemeinen finden sich in derlei Filmen so gut wie immer leicht austauschbare Charaktere, ohne dass das eine Aussage über die Erzählqualität ermöglichte. Der Grund hierfür wird im Folgenden besprochen.
  9. Der englische Begriff haunted house wird zwar für beide Fälle verwendet, also sowohl für das von Protagonisten im Spukhaus-Horror bewohnte Haus als auch das auszukundschaftende Haus in found footages. Hier lohnt sich jedoch eine Unterscheidung aufgrund der völlig unterschiedlichen Ausgangslage, denn das Auskundschaften eines verlassenen hauted house-Raumes steht absolut divergent zum Bewohnen des Spukhaus-Raumes.
  10. s. hierzu Zusammenfassungen auf boxofficemojo.com (The Devil Inside: →Link, Paranormal Activity: →Link; letzter Zugriffe am 12. Oktober 2013), vgl. auch die Sektion “Related Stories”.
  11. Kuhn 2013, S. 104; Kuhn verweist desweiteren auf den Begriff der externen Fokalisierung im Film; vgl. ders.: Filmnarratologie. Ein erzähltheoretisches Analysemodell, Berlin/New York: de Gruyter 2011. S. 158ff.
  12. The Secluded House schafft es auch, anders als beispielsweise The Blair Witch Project (vgl. Kuhn 2013, S. 103), die Montage der Aufnahmen unauffällig zu gestalten, der Film kommt z.B. mit wenigen offensichtlichen Schnitten aus. Zur Problematisierung der Montagetechniken in Handkamerafilmen s. Kuhn 2013, v.a. S. 94ff. sowie passim.
  13. Man denke hierbei an Wolf, Bär, Hexe und bösen Zwerg im Märchen, oder an die prähistorischen chthonischen Wesen in der griechischen Mythologie.
  14. Auch solcher zur Überwindung von Reichweiten. Es wäre sehr interessant zu schauen, wie gerade das Mobiltelefon, dass ja zeitgenössisch einen massiv hohen Stellenwert im alltäglichen Leben einnimmt und ein typisches Hilfsmittel in Privat- und Berufsphäre darstellt, als Objekt des Erzählens in den angesprochenen Formaten tabuisiert oder zumindest seiner Bemächtigungsfunktion beraubt wird.
  15. Besonders found footages und Zombieapokalypse neigen sehr dazu, einen Herdenzwang auszuerzählen. In The Secluded House geraten die Protagonisten ja erst durch ihre sukzessive Trennung voneinander, angefangen mit Cains Verschwinden, in Bedrängnis.

Quelle: http://enkidu.hypotheses.org/234

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(1) Und was machst du so? Interviews mit Absolvent_innen der Sozialwissenschaften

Das Klischee von taxifahrenden Soziologieabsolvent_innen ist fest verankert in der Reihe der Vorurteile über die Zukunftsaussichten der Sozialwissenschaftler_innen. Diese eingefahrene Vorstellung einer angeblich brotlosen Kunst hat jedoch wenig mit der Realität zu tun – durchschnittlich haben Sozialwissenschaftler_innen ähnlich erfolgreiche Aussichten auf Erwerbstätigkeit … Weiterlesen

Quelle: http://soziologieblog.hypotheses.org/5567

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Crowdsourcing-Projekt des DHAK

“…. Wir entwickeln derzeit verschiedene Tools, die das Arbeiten mit Digitalisaten im DHAK deutlich komfortabler machen werden. Eines davon, das wir Ihnen heute vorab schon einmal vorstellen wollen und das sich derzeit in der Programmierung befindet, ist das Transkriptions-Tool. Hier werden Sie zukünftig die Möglichkeit haben, Abschriften der Digitalisate zu erstellen und der Allgemeinheit zugänglich zu machen. Damit geben Sie Nutzern mit geringeren Paläographie-Kenntnissen eine Lesehilfe, gleichzeitig werden unsere Archivalien so im Volltext durchsuchbar.
Sie sind sich bei der Entzifferung eines Texts nicht ganz sicher? Kein Problem! Alle Nutzereingaben bleiben permanent veränderbar und werden versioniert. Sie können unsere Archivalien also auch für Leseübungen nutzen und gemeinsam mit allen Nutzern an einer ständigen Verbesserung der Einträge mitwirken.
Freuen Sie sich mit uns auf die neuen Funktionen im Lesesaal des digitalen Historischen Archivs Köln!”
Quelle: Facebook-Seite des DHAK

Quelle: http://archive20.hypotheses.org/919

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4. Descartes dekantiert

„Descartes hatte einen Bart.“ Sie denken, das sei trivial? Moi aussi. Berühmte Aussagen müssen aber derart gestaltet sein, dass Bonvivants beispielsweise französischer Salons sie stets zwischen Austern und Champagner auf den Lippen halten können. Sie müssen im Gespräch bleiben wie ein guter Werbeslogan. René Descartes hat dies ebenso verstanden wie David Richard Precht; Jener hat seine Salonerfahrung mit der Philosophie gekreuzt und heraus kam nach jahrelanger Meditation: „Ego cogito, ergo sum“. Dieser hat seine Medienerfahrung mit dem Salon gekreuzt und heraus kam nach jahrelanger Konzentration: „Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?“ (Precht, Richard David (2007): Wer bin ich – und wenn ja wie viele? Eine philosophische Reise). Descartes aber war ab dem Zeitpunkt seiner Aussage in aller Munde und hat dort sehr wahrscheinlich auch die eine oder andere Auster verdrängt. Sein Ziel sei es gewesen, (jetzt endlich mal) einen archimedischen Punkt, also einen unbeweglich festen Standpunkt für die Philosophie, zu entdecken, von dem aus man mit absoluter Sicherheit anfangen könne, zu argumentieren. Keine merkwürdigen ontologischen Annahmen, keine verträumte Spekulation. Dass die Tatsache, ich müsse existieren, wenn ich denke, die einzige sei, die absolute Geltung beanspruche und nicht bezweifelt werden könne, scheint auf den ersten Blick tatsächlich einleuchtend. Aber so pointiert seine Weisheit ist, so schwer ist sie zu erklären (Trommelwirbel für Blogeintrag Nr. 1 „Erkenntnis“). Warum? Na klarerweise wegen Precht: Wer bin ich – und wenn ja, wieviele? ist nämlich eine Frage, die bereits in der Spätantike gegen die Selbsterkenntnis hervorgebracht wurde. Sextus Empiricus, der alte Skeptiker, oder man könnte vielleicht sagen der Precht jener Zeit, sagte (vgl. für das Folgende Meixner, U.; Newen, A. (Hg.) (2003): Seele, Denken und Bewusstsein: zur Geschichte der Philosophie des Geistes, S. 71): Entweder ist es der ganze Mensch, der erkennt. Oder aber es ist der ganze Mensch, der erkannt wird. Oder ein Teil des Menschen erkennt, ein anderer wird erkannt. Meixner sagt, dass im erste Falle nichts übrigbliebe, was erkannt werden könne, dass im zweiten Fall nichts übrigbliebe, das erkennen könnte und dass im dritten Fall Erkennendes und Erkanntes sowieso nie dasselbe sei. Was genau also meinte Descartes? Wer bin ich – und wenn ja wie viele? verkorkt dessen Argument jedenfalls gewaltig. Finden Sie nicht? Bon appétit et au revoir.

Quelle: http://philophiso.hypotheses.org/62

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Ö1-Betrifft Geschichte zur Briefüberwachung

Betrifft Geschichte brachte dieser Woche auf Ö1 ein fünfteiliges Interview mit Gerald Heschl zur Geschichte der Briefüberwachung:

Die Vorläufer der NSA. Briefspionage ist so alt wie das Briefeschreiben selbst. Mit Gerald Heschl, Historiker und Experte für die Geschichte des Postwesens. Gestaltung: Robert Weichinger

Lange Zeit hindurch war für die europäischen Herrscher in Sachen Briefspionage Frankreich das große Vorbild. Das bereits im 16. Jahrhundert eingerichtete Cabinet Noir erhielt allerdings erst im 17. Jahrhundert unter Kardinal Richelieu seine genaue Kontur. Nicht nur die Korrespondenz des Adels wurde ausgeforscht, im Visier standen auch politisch oder polizeilich Verdächtige sowie Leute des Militärs, Beamte, aber auch Vertreter des Klerus. In der Ära Metternich wurden nach französischem Beispiel Schwarze Kabinette eingerichtet und es wurde systematische Briefzensur betrieben, im Hintergrund stand bereits die Furcht vor der Revolution. Es gab Spezialisten, die sich auf Geheimschriften verstanden, die unsichtbare Tinte lesbar machten und die die aufgebrochenen Briefe wieder so fachgerecht versiegelten, dass man von außen nichts bemerkte.

Spionagefieber und Geheimniskrämerei begleiteten das Brief- und Nachrichtenwesen von Anfang an. Der Hunger nach privaten Daten scheint unermesslich zu sein: Erst in jüngster Zeit erregte der Fall Snowden großes Aufsehen. Der frühere Geheimdienstmitarbeiter hatte enthüllt, dass die National Security Agency (NSA) mit einem speziellen Programm in unerwartetem Ausmaß E-Mails und Handy-Nachrichten ausspioniert.


Nachgehört werden können die jeweils fünfminütigen Gesprächsbeiträge noch ein paar Tage unter:

http://oe1.orf.at/betrifftgeschichte (auf den weißen Pfeil im schwarzen Kreis neben "Betrifft: Geschichte" klicken)

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/506933253/

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“Helmut Schelsky – der politische Anti-Soziologe. Eine Neurezeption” – Ein Tagungsbericht von Ellen Thümmler

Anlässlich des hundertsten Geburtstages vom Helmut Schelsky (14.10.1912 – 24.02.1984) würdigten Wissenschaftler verschiedener Disziplinen den Intellektuellen, Hochschullehrer und Weggefährten als changierenden Soziologen und politischen Seismographen der Bundesrepublik. Gerade an seinem Geburtsort offenbarte die interdisziplinäre Perspektive von Historikern, Politikwissenschaftlern, Philosophen und … Weiterlesen

Quelle: http://soziologieblog.hypotheses.org/5448

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Auf den Spuren eines Frevlers

Lisa Fagin Davis, eine junge Handschriftenexpertin, berichtet in ihrem lesenswerten Weblog über eine (virtuelle) Reise zu wenig bekannten Sammlungen abendländischer mittelalterlicher Handschriften in den USA. Sie schreibt so anschaulich, dass man leicht vergisst, dass ihr “Trip” gar nicht real ist. Der Bestand an mittelalterlichen Handschriften in den USA wird sehr stark geprägt von Einzelblättern, die durch das Zerlegen ganzer Handschriften erzeugt wurden. Eine aus meiner Sicht abscheuliche Praxis, auf die ich immer wieder hingewiesen habe. Eine Zusammenstellung einschlägiger Links habe ich in Archivalia im Dezember 2012 mitgeteilt. Dieses Schlachten von Kulturgütern ist keineswegs Vergangenheit, wie beispielsweise Dietrich Hakelberg 2008 zeigen konnte: Im Antiquariatshandel wurde ein Stammbuch mit einem Telemann-Autograph zerlegt.

Immer wieder – nicht nur auf Ebay – stoßen Handschriftenforscher auf diese Machenschaften, die von den Antiquaren gern bagatellisiert werden. Nur weil es sich um eine schon im 19. Jahrhundert beliebte kulturelle Praxis handelt (“cut missal up in evening — hard work” lautet ein berühmtes Zitat aus John Ruskins Tagebüchern 1854) bedeutet dass nicht, dass diese Form, Kulturgut zu zerstören, Schonung verdient. Keinen Denkmalschutz für die Praxis der Zerstörung von Denkmälern!

In ihrem jüngsten Blogeintrag nimmt sich Davis das Frevelwerk von Otto Ege (1881-1951) vor. Ege war einer der berühmtesten Buchzerstörer (“biblioclast”, er nannte sich selbst so) des 20. Jahrhunderts, der zahlreiche kostbare mittelalterliche Codices auseinanderschnitt, um die einzelnen Stücke mit großem Profit in Sammelausgaben zu verkaufen. Damit wollte Ege, der selbst in der Lehrerausbildung tätig war, es auch kleineren Bildungsinstitutionen ermöglichen, mittelalterliche Handschriftenseiten in der Lehre einzusetzen. Diverse dieser Sets wurden inzwischen digitalisiert, und es gibt auch Websites (am wichtigsten: ege.denison.edu), die versuchen, die zertsreuten Ege-Einzelblätter virtuell wieder zusammenzuführen, um auf diese Weise auch die zerschnittenen Codices zu rekonstruieren.

David macht anhand des Beauvais-Missale aus dem 13. Jahrhundert klar, welcher enorme Verlust an Quellenwert mit dem Zerschneiden der Handschrift einherging. Es sind inzwischen viele Seiten nicht mehr auffindbar, darunter auch der nur durch einen Sotheby’s-Eintrag von 1926 (als das Manuskript noch intakt war) bekannte Vermerk, ein Kanoniker Robert de Hanges habe den Codex der Kathedrale von Beauvais übergeben. Es fehlt aber auch fast das ganze Kalendar des Missales. Davis: You can see why taking manuscripts apart can be so devastating to scholars and booklovers alike: art historical and textual evidence may be lost forever along with armorial bindings, marginalia, inscriptions or bookplates that preserve evidence of the manuscript’s origins and early ownership.

Wer Handschriften zerlegt, zerstört Geschichtsquellen. Diese unersetzlichen und einzigartigen Geschichtsquellen haben den gleichen Schutz verdient wie Pfostenlöcher oder andere unscheinbare Befunde in der Archäologie, wie der frühneuzeitliche Bildstock am Wegesrand. Pfostenloch und Bildstock sind durch Denkmalschutzgesetze geschützt, dem Frevelwerk der Antiquare oder Sammler, die durch das Zerschneiden von Handschriften Aussagemöglichkeiten über unsere Vergangenheit vernichten, gebietet niemand rechtlich Einhalt. Viele seriöse Antiquare beteiligen sich nicht an der Praxis oder verurteilen sie sogar. Aber eine Ächtung in einem antiquarischen Ethik-Code gibt es nicht. Denn in diesem halbseidenen Gewerbe herrscht Korpsmentalität, die auch schwarzen Schafen zugutekommt.

Angesehene Wissenschaftler unterstützen mitunter das Zerstückeln. Im Fall einer Inkunabel von 1462 habe ich das in einem Blogeintrag von 2009 belegt. Das dort zitierte Urteil des Inkunabelexperten Paul Needham ist eindeutig: It was really barbaric to break up that copy; and I’m committed to criticizing all scholars who participate in leafbook projects. The common response I have heard is “well, of course I don’t really approve of leafbooks, but this one is a little different, and no harm is done, because yadda yadda…”, which I translate into English as “somebody offered me money.”

Quelle: http://kulturgut.hypotheses.org/286

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