Erfurt: Häuserkampf und linke Erinnerungspolitik (Rezension)

Die Besetzung des Areals der ehemaligen Firma “Topf und Söhne” in Erfurt dauerte von April 2001 bis April 2009. Die vielen BesetzerInnen hatten sich etwa ein Viertel des über 50.000 Quadratmeter umfassenden Geländes angeeignet – es genutzt, dort gewohnt, Kultur veranstaltet, Raum für Politik und Werkstätten geschaffen. Mit diesem sehr preiswerten Buch sollen nun die Erfahrungen dieser Zeit festgehalten werden.

Zuerst wird aber die Geschichte der Hausbetzungen in Erfurt bis 2001 nacherzählt. Danach folgen unterschiedliche Beiträge zum Alltag in einem linken Projekt. Zu seinen Untiefen, seinen internen und öffentlichen Debatten und zur “Organisierung des Chaos”. Das besetzte Haus wollte nie ein Freiraum in der alten politischen Bedeutung sein. Es wird aber doch deutlich, dass ein besetzter Raum immer auch ein Laboratorium für Ideen und ihre Umsetzung ist. Der Bedeutung jenseits seiner Mauern hat, ja über die Stadt Erfurt hinauswirkte.

Die Firma “Topf und Söhne” war nicht irgendeine Firma. Sie stellte während des Nationalsozialismus auf dem später besetzten Gelände Krematoriumsöfen für Auschwitz und andere Lager her. So war von Anfang an klar, dass die BesetzerInnen sich dazu verhalten mussten und dies dann auch taten. In mehreren Artikeln wird sowohl die Geschichte der Firma wie die vielfältigen Aktivitäten der BesetzerInnen dokumentiert. Diese stoßen immer wieder, zum Beispiel anhand des Topos der “deutschen Wertarbeit”, auf die schwierige Frage des Verhältnisses von Nationalsozialismus und Kapitalismus. Die Konflikte und die Zusammenarbeit mit dem schon 1999 gegründeten “Förderkeis Geschichtsort” werden analysiert. Einige kritisieren, er kehre durch seine Arbeit Schuld und Verantwortung unter den Tisch – ganz im Sinne der neuen deutschen Erinnerungspolitik.

Heute ist auf dem Gelände ein Baumarkt und Gartencenter samt Parkplatz. In einem Gebäude, das nie Bestandteil der Besetzung war, wurde ein offizieller Geschichtsort zur Firma eingerichtet. Alle Spuren der Besetzung sind getilgt, auch im Gedenkort wird nicht darauf hingewiesen, dass die BesetzerInnen sich erinnerungspolitisch und antifaschistisch engagiert haben und somit zu seiner Durchsetzung mit beigetragen haben.

Durch das mit über 200 Fotos reichhaltig illustrierte Buch entsteht ein sehr plastisches Bild, das von der Spannung zwischen dem linksradikalen Alltag sowie der historischen Bedeutung des Ortes lebt – und den jeweiligen Umgang damit schildert.

Bernd Hüttner

Karl Meyerbeer, Pascal Späth (Hrsg.): Topf & Söhne – Besetzung auf einem Täterort; Verlag Graswurzelrevolution, Nettersheim 2012, 187 Seiten, 12,90 EUR


Einsortiert unter:Erinnerung, Faschismus, Geschichtspolitik, Literatur

Quelle: http://kritischegeschichte.wordpress.com/2012/12/07/erfurt-hauserkampf-und-linke-erinnerungspolitik-rezension/

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Umkämpfte Erinnerung – wie mit Geschichte Politik gemacht wird | Audiomitschnitt online

Wie wird mit Geschichte Politik gemacht (et vice versa)? Am 30. November 2012 wurde in der Sächsischen Akademie der Wissenschaften die Gesprächsreihe “Geisteswissenschaft im Dialog” neu gestartet. Es debattierten Norbert Frei, Ute Daniel, Heinz Duchardt und Günter Heydemann mit Moderatorin Hilde Weeg zur Geschichts- und Erinnerungspolitik. Am 15. November wird MDR Figaro über den Abend in Leipzig berichten. Der Audiomitschnitt der von “Umkämpfte Erinnerung – wie mit Geschichte Politik gemacht wird” ist bereits jetzt auf perspectivia.net online.      

Quelle: http://gid.hypotheses.org/216

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Soziale Netzwerke als politische Partizipationschance?

Wird Facebook, im Zeitalter des Web 2.0, dem Begriff der Produtzung gerecht und kann es auch als politische Partizipationschance verstanden werden? Politische Partizipation, die Teilnahme am politischen Leben ist ein Kernthema, wenn es darum geht, als Bürger/in eines Staates an der Gesellschaft durch die Gestaltung seiner/ihrer, sowie der gemeinschaftlichen Lebenswelt teil zu haben bzw. mitzuwirken. Die Möglichkeit der Teilnahme an gesellschaftlichen Prozessen oder der Ausschluss davon, also die Inklusion oder Exklusion von Individuen, stellt stets ein zentrales Thema dar. Die Begrifflichkeiten Inklusion und Exklusion [...]

Quelle: http://medienbildung.hypotheses.org/612

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Die deutsche Einheit, Teil 3

Von Stefan Sasse


Volkskammerwahl 1990, TV-Übertragung
Die deutsche Einheit hatte also sowohl eine innenpolitische als auch eine außenpolitische Dimension. Beide konnten nicht ohne Weiteres überwunden werden. Die für März angesetzte erste freie Volkskammerwahl in der DDR bedeutete nicht nur die Wahl eines ostdeutschen Parlaments. Sie wurde gleichzeitig auch zu einer Entscheidung über die Zukunft der DDR. Effektiv traten vier verschiedene Fraktionen zur Wahl an: Die christlich-demokratischen Parteien unter dem neuen Label „Allianz für Deutschland“, die verschiedenen Bürgerinitiativen aus der DDR, besonders das Bündnis 90, im Verbund mit den Grünen, die SPD und die zur PDS umbenannte SED. Die Ziele dieser Gruppierungen unterschieden sich deutlich voneinander und strahlten auf die auf den Dezember vorgezogene Bundestagswahl ab. Die „Allianz für Deutschland“ sowie die FDP strebte die vollständige und sofortige Wiedervereinigung unter Artikel 23 des Grundgesetzes an, während die SPD sich eher für eine föderale Lösung aussprach, die die Wiedervereinigung als mittelfristiges Ziel betrachtete. Gleiches gilt für Bündnis90 und Grüne, während die PDS die Eigenstaatlichkeit der DDR vertrat.

Auch wirtschaftspolitisch besaß die Wahl eine große Dimension. Die anfängliche Euphorie über den Mauerfall war verflogen, und das starke Wohlstandsgefälle zwischen BRD und DDR wurde erneut und drastisch sichtbar. Neben der Frage der künftigen Staatlichkeit der DDR, die ohnehin ohne außenpolitische Arbeit nicht lösbar war, stellte sich die nach dem Währungsraum. Helmut Kohl sprach sich schnell für eine Wirtschaftsunion beider deutscher Teilstaaten inklusive Übernahme der D-Mark zum Wechselkurs 1:1 aus. Die Folgen waren absehbar: ein kurzfristiger, großer Kaufkraftgewinn für sämtliche Ostbürger und ein rapider Verlust an Wettbewerbsfähigkeit für die ohnehin schwache DDR-Wirtschaft, die quasi über Nacht auf das westdeutsche Wirtschaftssystem umgestellt werden würde. Kohl bewies mit dieser Forderung jedoch den richtigen politischen Instinkt. Die mittelfristigen und langfristigen Wirkungen interessierten in der dynamischen und spannungsgeladenen Atmosphäre niemanden. Oskar Lafontaine, Kanzlerkandidat der SPD, verschätzte sich mit seinen Versuchen, auf einen wirtschaftlich besonneneren Kurs zu schwenken schwer. 

Briefmarke, 1989
Dies lässt sich auch an den geänderten Slogans der immer noch regelmäßig stattfindenden Demonstrationen ablesen: aus „Wir sind das Volk“ wurde „Wir sind ein Volk“. Neu hinzu kam „Kommt die DM bleiben wir, kommt sie nicht geh’n wir zu ihr“. Die Stoßrichtung war klar: die Bürger der DDR erwarteten eine wirtschaftliche Angleichung an die BRD (nicht so sehr eine politisch-soziale, aber das zu differenzieren erwies sich in jenen stürmischen Tagen als praktisch unmöglich). Die SPD, die bei den ersten Umfragen zum Jahreswechsel 1989/90 noch auf eine Mehrheit hoffen durfte, sackte bis zur Volkskammerwahl selbst daher immer weiter ab und wurde in der Wählergunst völlig von der „Allianz für Deutschland“ verdrängt. Dies hatte neben dem klaren Nachteil bei den politischen Positionen einen handfesten infrastrukturellen Grund: während die CDU und FDP ohne viel Federlesens ihre entsprechenden Blockparteien aufsaugten und deren Strukturen und Finanzen übernahmen, weigerte sich die SPD, mit der neuformierten PDS zusammenzuarbeiten. Sie musste ihre Wahlkampfstrukturen daher völlig aus dem Stand aus dem Westen heraus aufbauen. Hinter dieser Weigerung stand die Furcht, eine Übernahme von PDS-Mitgliedern (tatsächlich wurde seitens der PDS ernsthaft debattiert, dass die gesamte Führungsspitze geschlossen zur SPD überwechselte, was der PDS den Todesstoß versetzt hätte) würde die SPD zu stark verändern und der „Allianz für Deutschland“ einen Rote-Socken-Wahlkampf zu erlauben. 

Je mehr die Unterschiede zwischen PDS und SPD deutlich wurden und die beiden Parteien sich gegenseitig mieden, desto mehr profitierte die „Allianz für Deutschland“. In den Volkskammerwahlen erzielte sie 40,8%, verglichen mit nur 21,9% für die SPD und immerhin 16,4% für die PDS. Der Vorsitzende der „Allianz für Deutschland“, Lothar de Maizière, bildete daraufhin eine Koalition zwischen CDU, SPD und den Liberalen. Die Weichen standen damit endgültig auf Wiedervereinigung, denn de Maizière ließ keinen Zweifel daran, dass er die DDR nicht zu erhalten wünsche und seine Aufgabe eher als „Reichsverweser“ betrachtete. Neben der Verabschiedung einer neuen, an die BRD angelehnten Kommunalverfassung im Mai 1990, die die Grundlage für einen föderalistischen Aufbau legte, beschloss die Volkskammer im Sommer 1990 vor allem die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion mit der BRD. Nicht nur wurde die D-Mark zum Kurs 1:1 offizielle Währung der DDR, auch die Renten wurden an das BRD-System angepasst und damit relativ zum vorherigen Stand deutlich erhöht, während die vielen nun anfallenden Arbeitslosen von der westdeutschen Sozialversicherung versorgt wurden. Um die vielen staatseigenen Betriebe zu überprüfen und zu privatisieren oder gegebenenfalls abzuwickeln wurde die berüchtigte Treuhand gegründet, von der später noch die Rede sein wird. Die klarsten Verlierer der Volkskammerwahl aber waren nicht SPD und PDS, sondern die Bürgerinitiativen wie das Bündnis90. Sie verloren in er Folgezeit massiv an Bedeutung, schon allein, weil sie es mit den Politprofis der Parteien nicht aufnehmen konnten. Ihre Reste fusionierten schließlich mit den Grünen.

Kohl im Wahlkampf 1990 in Erfurt
Neben diesen innenpolitischen Dimension spielte jedoch die außenpolitische ebenfalls eine tragende Rolle. England, Frankreich und Russland waren alle wenig begeistert von der Aussicht auf eine deutsche Wiedervereinigung, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Für Großbritannien gefährdete ein Deutschland der 80 Millionen das Gleichgewicht in Europa. Bislang war die 60-Millionen-BRD durch das ähnlich große Frankreich in der Waage gehalten worden. Für Frankreich stand der delikate deutsch-französische Ausgleich, der die EWG bestimmte, auf der Kippe. Die Agrarsubventionen der EWG etwa waren für Frankreich extrem wichtig. Ein größeres industrialisiertes Deutschland aber könnte diese in Frage stellen. Für beide Länder war außerdem völlig unklar, wie zuverlässig eine solcherart vergrößerte BRD bleiben würde. Wäre Kohl bereit, ähnlich der Stalin-Note 1952 eine Neutralisierung Deutschlands zu akzeptieren, die zu einer Art Rapallo 2.0 führen würde, einer Politik zwischen Ost und West? Genau das war natürlich das erklärte Ziel der Sowjetunion. Sie wollte Ostdeutschland unbedingt aus Nato und EWG heraushalten.

Für Kohl galt es damit mehrere Ängste zu zerstreuen. Letztlich bedeutend aber waren vor allem zwei Mächte: die USA und die Sowjetunion. Kohl hatte schnell die Unterstützung George Bushs, des damaligen US-Präsidenten. Mit dieser gewichtigen Unterstützung im Rücken war damit zu rechnen, dass auch Großbritannien und Frankreich letztlich einlenken würden. Kohl musste ihnen nur garantieren, dass Deutschland in den bisherigen Vertragsgebieten bleiben würde. Dies gelang seitens Frankreichs durch das Versprechen auf eine gemeinsame europäische Währung, dem Euro. Großbritannien überwand seine Vorbehalte als deutlich wurde, dass Deutschland sich in der EWG selbst beschränken würde (so würde das Europäische Parlament keine zusätzliche deutschen Sitze bekommen, obwohl es eigentlich nach Einwohnerzahl bestimmt wurde) und in der Nato blieb. Übrig blieb somit nur die Sowjetunion.

Gorbatschow und Bush 1989 auf Malta
Kohl gelang es, auf einer sehr persönlichen Ebene mit Gorbatschow zusammenzukommen (bedenkt man, dass es 1987 noch wegen eines unglücklichen Goebbels-Vergleichs fast zum Eklat gekommen war ein erstaunliches Ergebnis) und sein Vertrauen zu gewinnen. Auf dieser Basis konnten die restlichen Probleme in Verhandlungen aus dem Weg geräumt werden. Einerseits verlangte die Sowjetunion großzügige finanzielle Entschädigungen, unter anderem einen deutschen „Kredit“ sowie die Finanzierung des sowjetischen Truppenabzugs aus Ostdeutschland bis 1994. Andererseits verpflichtete sich die BRD, in Ostdeutschland eine Art entmilitarisierter Zone einzurichten und das Gebiet nicht zum offiziellen Nato-Gebiet zu machen. Im Gegenzug durfte die wiedervereinigte BRD Nato-Gebiet bleiben (der Zusammenbruch des Warschauer Pakts kurz darauf machte diese Regelungen ohnehin zur Makulatur). Ebenfalls vereinbart wurde der EWG-Beitritt Ostdeutschlands. Die BRD musste außerdem noch einmal förmlich die Odergrenze anerkennen und gegenüber Polen auf gewaltsame Grenzänderungen verzichten.

Mit diesen Vereinbarungen waren die außenpolitischen Hindernisse beseitigt. In den 2+4-Verhandlungen wurde der Zweite Weltkrieg endgültig beendet – die Besatzungsmächte zogen vollständig ab. Dies betraf die sowjetischen Garnisonen in Ostdeutschland und die alliierten Truppen in Westberlin, sofern nicht durch entsprechende Stationierungsverträge im Rahmen der Nato Truppen verblieben. Das wiedervereinigte Deutschland würde die UNO-Mitgliedschaft der BRD erben und endgültig souverän sein. Der Vorbehalt in gesamtdeutschen Fragen entfiel. Es ist wichtig zu wissen, dass die 2+4-Verhandlungen keinen offiziellen Friedensvertrag darstellten. Die Frage nach Reparationen für den verlorenen Krieg, besonders an viele kleine Nationen wie Polen oder Griechenland, wurde damit auf die kalte Art bereinigt. Zwar verzichteten viele dieser Länder offiziell auf ihre verbliebenen Forderungen, jedoch brachen alte, in den 1950er und 1960er eigentlich als erledigt betrachtete Fragen über juristische Zuständigkeiten erneut wieder auf, was etwa Ende der 1990er Jahre zu den großen Zwangsarbeiterentschädigungen führte. Für die Wiedervereinigung stellte dies jedoch kein Hindernis dar. Zum Dezember 1990 wurden Wahlen zum ersten gesamtdeutschen Bundestag ausgerufen. Die Popularität Kohls, der im Sommer 1989 noch als lahme Ente gegolten hatte, kannte fast keine Grenzen mehr. Lafontaines Wahlkampfkonzept erwies sich als falsch, und der Anschlag einer geistig verwirrten Frau auf ihn verbesserte die Lage nicht. Die SPD schwenkte ebenfalls auf den Wiedervereinigungskonsens ein (der nur noch von der PDS in Frage gestellt wurde) und verlor die Wahl mit rund 33,5% deutlich, während die Union mit 43,8% und die FDP mit 11% eine klare Mehrheit gewannen. Bündnis90/Die Grünen bestätigte den Trend der Volkskammerwahlen und gelangte überhaupt nur dank der Sonderregelung, dass in West und Ost jeweils eine eigene 5%-Hürde galt, in den Bundestag. Am 3. Oktober 1990 war zuvor die offizielle Wiedervereinigung in einem Festakt begangen worden, der zum offiziellen Nationalfeiertag wurde.

Polizist in DDR-Uniform vor Treuhandgebäude 1991
Bereits 1991 zeigten sich jedoch gravierende Schwächen in Kohls Wiedervereinigungskonzept. Während die außenpolitische Abwickelung der Einheit geradezu elegant von ihm gelöst worden war – was viele als praktisch unmöglich gesehen hatten -, machte besonders die wirtschaftliche Abwicklung deutliche Sorgen. Um die Wahl zu gewinnen hatte Kohl Steuererhöhungen, die Lafontaine als unausweichlich bezeichnet hatte, entschieden abgelehnt. Stattdessen waren Fantasiekonzepte von Privatisierungserlösen aus der Treuhand zur Finanzierung herangezogen worden. Trotz moderater Steuererhöhungen legte Kohl einen Großteil der entstehenden Kosten einfach auf die Sozialversicherungssysteme um. Die Folgen dieser Mehrbelastung besonders der Rentenversicherung fanden ihren Ausgang in der Agenda2010-Politik Schröders 2003/2004. Zudem erwies sich die Treuhand, die zur Privatisierung der DDR-Wirtschaft gegründet worden war, als wahre Katastrophe.

Investoren aus der BRD feierten geradezu ein Fest, als sie für Schleuderpreise die Filetstücke der DDR-Wirtschaft übernahmen, während der Rest – etwa die exzessive Braunkohleförderung oder die geradezu aberwitzig ineffiziente Mikrotechnikindustrie – in großem Stil abgewickelt wurde. Einige wenige Leute wurden an der Treuhand sehr reich, während viele DDR-Unternehmen ohne Rücksicht auf die Umstände liquidiert wurden. Fast allen brach das Genick, dass die umfassende Subventionierung der Betriebe durch den realsozialistischen Staat offiziell als Kredite der DDR-Banken getarnt worden war. Diese Banken waren von westlichen Investoren übernommen worden, die diese „Kredite“, die oftmals reine Luftbuchungen gewesen waren, nun einforderten. Der 1:1-Umrechnungskurs von Ostmark und D-Mark, der den realen Gegebenheiten keinesfalls entsprach, wirkte verstärkend. Bis 1992 waren weite Teile Ostdeutschlands effektiv deindustrialisiert. Trotzdem hatte die Aufbruchstimmung einen zarten Boom ausgelöst (im Osten gab es offensichtlich massive Potenziale und Märkte), der 1992 jedoch durch eine drastische Anhebung des Leitzins durch die Bundesbank, die Inflationsgefahr beschwor, abgewürgt wurde. Bis heute, mehr als 20 Jahre nach der Einigung, sind die neuen Bundesländer den alten wirtschaftlich hinterher und müssen mit Transferzahlungen finanziert werden. Auch dies ist das Erbe der deutschen Einheitspolitik.
Lafontaine im Wahlkampf 1990
Mental hinterließ besonders die Treuhand einen riesigen Scherbenhaufen. Ihre gescheiterte Politik trug dazu bei, dass viele Ostdeutsche sich kolonisiert und ausgebeutet fühlten und dem Westen vorwarfen, sich nur bereichert zu haben und selbst Deutsche zweiter Klasse zu sein. Zu einem gewissen Teil war die Enttäuschung wohl unvermeidlich, denn das rosarote Bild des Westens, das unter den Bedingungen der SED-Herrschaft geherrscht hatte, konnte der Wirklichkeit nicht standhalten. Viel davon war in jener Zeit aber auch mutwillig zerstört worden. Der Instinkt für die wirtschaftlichen Realitäten war bei Lafontaine wesentlich besser ausgeprägt als bei Kohl. Der jedoch hatte den politischen, und er nutzte ihn. Auch der eher unglückliche Umgang mit der Stasi-Akten-Behörde unter Joachim Gauck trug seinen Teil bei. Es wird wohl noch eine ganze Weile dauern, bevor ein unverstellter Blick auf diesen Teil der deutschen Geschichte möglich ist.

Bildnachweise:
Volkskammerwahl -  Bundesarchiv, Bild 183-1990-0318-431 / Schindler, Karl-Heinz / CC-BY-SA
Briefmarke - DDR Post, gemeinfrei
Kohl - Bundesarchiv, Bild 183-1990-0220-032 / CC-BY-SA
Gipfel Malta - George Bush Library, Series: George H. W. Bush Presidential Photographs, compiled 01/20/1989 - 01/20/1993. U.S. National Archives and Records Administration, NAIL Control Number: NLB-WHPC-A-P8488(18) (gemeinfrei)
Polizist - Bundesarchiv, B 145 Bild-F088838-0037 / Thurn, Joachim F. / CC-BY-SA
Lafontaine - Bundesarchiv, Bild 183-1990-1025-300 / Gahlbeck, Friedrich / CC-BY-SA

Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2012/12/die-deutsche-einheit-teil-3.html

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Rezensions-Digest November 2012

Heiko Droste: Rezension zu: Ronald G. Asch / Birgit Emich /  Jens Ivo Engels (Hrsg.): Integration, Legitimation, Korruption. Politische Patronage in Früher Neuzeit und Moderne. Frankfurt am Main 2011, in: H-Soz-u-Kult, 20.11.2012

http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2012-4-155

Peter-Michael Hahn: Rezension zu: Wolfgang Burgdorf: Friedrich der Große. Ein biografisches Porträt. Freiburg 2011, in: H-Soz-u-Kult, 14.11.2012

http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2012-4-135

Sabine Arend: Rezension zu: Emidio Campi / Philipp Wälchli (Hrsg.): Zürcher Kirchenordnungen 1520-1675. Zürich 2011, in: H-Soz-u-Kult, 27.11.2012,

http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2012-4-175

Sabine Arend: Rezension zu: Emidio Campi / Philipp Wälchli (Hrsg.): Basler Kirchenordnungen 1528-1675. Zürich 2012, in: H-Soz-u-Kult, 27.11.2012

http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2012-4-175

Heiko Droste: Rezension zu: Bernadette Descharmes / Eric Anton Heuser / Caroline Krüger / Thomas Loy (Hrsg.): Varieties of friendship. Interdisciplinary perspectives on social relationships. Göttingen 2011, in: H-Soz-u-Kult, 20.11.2012

http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2012-4-155

Wolfgang Petz: Rezension zu: Gabriele Dischinger (Bearb.): Ottobeuren. Bau- und Ausstattungsgeschichte der Klosteranlage 1672-1802. Band I: Kommentar, Band II: Planzeichnungen, Bd. III: Quellen  (Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige, Ergänzungsband 47). Sankt Ottilien 2011, in: ZLBG, 13.12.2012

http://www.kbl.badw-muenchen.de/zblg-online/rezension_2208.html

Alan Forrest: Rezension zu: Daniel Faget: Marseille et la mer. Hommes et environnement marin (XVIIIe-XXe siècle). Rennes 2011, in: H-Soz-u-Kult, 06.11.2012

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Sascha Weber: Rezension zu: Thomas Flammer / Werner Freitag / Alwin Hanschmidt (Hrsg.): Franz von Fürstenberg (1729-1810). Aufklärer und Reformer im Fürstbistum Münster. Münster 2012, in: sehepunkte 12 (2012), Nr. 11, 15.11.2012

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Peter-Michael Hahn: Rezension zu: Ute Frevert: Gefühlspolitik. Friedrich II. als Herr über die Herzen? Göttingen 2012, in: H-Soz-u-Kult, 14.11.2012

http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2012-4-135

Ernst Fischer: Rezension zu: Christiane Haug / Franziska Mayer / Winfried Schröder (Hrsg.): Geheimliteratur und Geheimbuchhandel in Europa im 18. Jahrhundert. Wiesbaden 2011, in: sehepunkte 12 (2012), Nr. 11, 15.11.2012

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Matthias Rekow: Rezension zu: Martin Hille: Providentia Dei, Reich und Kirche. Weltbild und Stimmungsprofil altgläubiger Chronisten 1517-1618. Göttingen 2010, in: H-Soz-u-Kult, 13.11.2012

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Wolfgang Burgdorf: Rezension zu: Herbert Hömig: Carl Theodor von Dalberg. Staatsmann und Kirchenfürst im Schatten Napoleons. Paderborn 2011, in: ZLBG, 13.11.2012

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Nils Jörn: Rezension zu: Sigrid Jahns: Das Reichskammergericht und seine Richter. Verfassung und Sozialstruktur eines höchsten Gerichts im Alten Reich, Teil 1: Darstellung. Köln 2011, in: H-Soz-u-Kult, 13.11.2012

http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2012-4-131

Sebastian Kühn: Rezension zu: Katrin Joos: Gelehrsamkeit und Machtanspruch um 1700. Die Gründung der Berliner Akademie der Wissenschaften im Spannungsfeld dynastischer, städtischer und wissenschaftlicher Interessen. Köln / Weimar / Wien 2012, in: sehepunkte 12 (2012), Nr. 11, 15.11.2012

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Mark Häberlein: Rezension zu: Rolf Kießling / Wolfgang Scheffknecht (Hrsg.): Umweltgeschichte in der Region (Forum Suevicum 9). Konstanz 2012, in: ZLBG, 15.11.2012

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Heike Wüller: Rezension zu: Susanne Lachenicht: Die Französische Revolution. Darmstadt 2012, in: sehepunkte 12 (2012), Nr. 11, 15.11.2012

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Andreas Erb: Rezension zu: Antje Losfeld / Christophe Losfeld (Hrsg.): Die Grand Tour des Fürsten Franz von Anhalt-Dessau und des Prinzen Johann Georg durch Europa: Aufgezeichnet im Reisejournal des Georg Heinrich von Berenhorst 1765 bis 1768. Bd. 1: Einleitung, deutsche Übersetzung, Anmerkungen; Bd. 2: Französisches Original, Bibliographie, Personen- und Ortsregister. Halle (Saale) 2012, in: H-Soz-u-Kult, 23.11.2012

http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2012-4-168

Peter-Michael Hahn: Rezension zu: Jürgen Luh: Der Große. Friedrich II. von Preußen. München 2011, in: H-Soz-u-Kult, 14.11.2012

http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2012-4-135

Carmen Winkel: Rezension zu: Jutta Nowosadtko: Stehendes Heer im Ständestaat. Das Zusammenleben von Militär- und Zivilbevölkerung im Fürstbistum Münster 1650–1803. Paderborn 2011, in: H-Soz-u-Kult, 01.11.2012

http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2012-4-096

Peter-Michael Hahn: Rezension zu: Jürgen Overhoff: Friedrich der Große und George Washington. Zwei Wege der Aufklärung. Stuttgart 2011, in: H-Soz-u-Kult, 14.11.2012

http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2012-4-135

Nicole Reinhardt: Rezension zu: Isabelle Poutrin: Convertir les musulmans. Espagne, 1491-1609. Paris 2012, in: sehepunkte 12 (2012), Nr. 11,15.11.2012

http://www.sehepunkte.de/2012/11/21635.html

Lena Krull: Rezension zu: Miriam Rieger: Der Teufel im Pfarrhaus. Gespenster, Geisterglaube und Besessenheit im Luthertum der Frühen Neuzeit. Stuttgart 2011, in: H-Soz-u-Kult, 14.11.2012

http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2012-4-138

Peter-Michael Hahn: Rezension zu: Jörn Sack: Friedrich der Große und Jean-Jacques Rosseau – Eine verfehlte Beziehung und die Folgen. Zugleich ein Essay über den vernünftigen und den künftigen Staat. Berlin 2011, in: H-Soz-u-Kult, 14.11.2012

http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2012-4-135

Dieter Weiß: Rezension zu: Josef Johannes Schmid: Friedrich der Große. Das Personenlexikon. Mainz 2012, in: sehepunkte 12 (2012), Nr. 11, 15.11.2012

http://www.sehepunkte.de/2012/11/20987.html

Wolfgang Wüst: Rezension zu: Johannes Staudenmaier: Gute Policey in Hochstift und Stadt Bamberg. Normgebung, Herrschaftspraxis und Machtbeziehungen vor dem Dreißigjährigen Krieg (Studien zu Policey und Policeywissenschaft). Frankfurt a.M. 2012, in: ZLBG, 13.11.2012

http://www.kbl.badw-muenchen.de/zblg-online/rezension_2369.html

Peter-Michael Hahn: Rezension zu: Matthias Steinbach (Hrsg.): Kartoffeln mit Flöte. Friedrich der Große – Stimmen, Gegenstimmen, Anekdotisches. Stuttgart 2011, in: H-Soz-u-Kult, 14.11.2012

http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2012-4-135

Quelle: http://frueheneuzeit.hypotheses.org/1348

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Rezensions-Digest November 2012

Heiko Droste: Rezension zu: Ronald G. Asch / Birgit Emich /  Jens Ivo Engels (Hrsg.): Integration, Legitimation, Korruption. Politische Patronage in Früher Neuzeit und Moderne. Frankfurt am Main 2011, in: H-Soz-u-Kult, 20.11.2012

http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2012-4-155

Peter-Michael Hahn: Rezension zu: Wolfgang Burgdorf: Friedrich der Große. Ein biografisches Porträt. Freiburg 2011, in: H-Soz-u-Kult, 14.11.2012

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Sabine Arend: Rezension zu: Emidio Campi / Philipp Wälchli (Hrsg.): Zürcher Kirchenordnungen 1520-1675. Zürich 2011, in: H-Soz-u-Kult, 27.11.2012,

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Sabine Arend: Rezension zu: Emidio Campi / Philipp Wälchli (Hrsg.): Basler Kirchenordnungen 1528-1675. Zürich 2012, in: H-Soz-u-Kult, 27.11.2012

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Heiko Droste: Rezension zu: Bernadette Descharmes / Eric Anton Heuser / Caroline Krüger / Thomas Loy (Hrsg.): Varieties of friendship. Interdisciplinary perspectives on social relationships. Göttingen 2011, in: H-Soz-u-Kult, 20.11.2012

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Wolfgang Petz: Rezension zu: Gabriele Dischinger (Bearb.): Ottobeuren. Bau- und Ausstattungsgeschichte der Klosteranlage 1672-1802. Band I: Kommentar, Band II: Planzeichnungen, Bd. III: Quellen  (Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige, Ergänzungsband 47). Sankt Ottilien 2011, in: ZLBG, 13.12.2012

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Alan Forrest: Rezension zu: Daniel Faget: Marseille et la mer. Hommes et environnement marin (XVIIIe-XXe siècle). Rennes 2011, in: H-Soz-u-Kult, 06.11.2012

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Sascha Weber: Rezension zu: Thomas Flammer / Werner Freitag / Alwin Hanschmidt (Hrsg.): Franz von Fürstenberg (1729-1810). Aufklärer und Reformer im Fürstbistum Münster. Münster 2012, in: sehepunkte 12 (2012), Nr. 11, 15.11.2012

http://www.sehepunkte.de/2012/11/21970.html

Peter-Michael Hahn: Rezension zu: Ute Frevert: Gefühlspolitik. Friedrich II. als Herr über die Herzen? Göttingen 2012, in: H-Soz-u-Kult, 14.11.2012

http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2012-4-135

Ernst Fischer: Rezension zu: Christiane Haug / Franziska Mayer / Winfried Schröder (Hrsg.): Geheimliteratur und Geheimbuchhandel in Europa im 18. Jahrhundert. Wiesbaden 2011, in: sehepunkte 12 (2012), Nr. 11, 15.11.2012

http://www.sehepunkte.de/2012/11/20832.html

Matthias Rekow: Rezension zu: Martin Hille: Providentia Dei, Reich und Kirche. Weltbild und Stimmungsprofil altgläubiger Chronisten 1517-1618. Göttingen 2010, in: H-Soz-u-Kult, 13.11.2012

http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2012-4-134

Wolfgang Burgdorf: Rezension zu: Herbert Hömig: Carl Theodor von Dalberg. Staatsmann und Kirchenfürst im Schatten Napoleons. Paderborn 2011, in: ZLBG, 13.11.2012

http://www.kbl.badw-muenchen.de/zblg-online/rezension_2144.html

Nils Jörn: Rezension zu: Sigrid Jahns: Das Reichskammergericht und seine Richter. Verfassung und Sozialstruktur eines höchsten Gerichts im Alten Reich, Teil 1: Darstellung. Köln 2011, in: H-Soz-u-Kult, 13.11.2012

http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2012-4-131

Sebastian Kühn: Rezension zu: Katrin Joos: Gelehrsamkeit und Machtanspruch um 1700. Die Gründung der Berliner Akademie der Wissenschaften im Spannungsfeld dynastischer, städtischer und wissenschaftlicher Interessen. Köln / Weimar / Wien 2012, in: sehepunkte 12 (2012), Nr. 11, 15.11.2012

http://www.sehepunkte.de/2012/11/20029.html

Mark Häberlein: Rezension zu: Rolf Kießling / Wolfgang Scheffknecht (Hrsg.): Umweltgeschichte in der Region (Forum Suevicum 9). Konstanz 2012, in: ZLBG, 15.11.2012

http://www.kbl.badw-muenchen.de/zblg-online/rezension_2171.html

Heike Wüller: Rezension zu: Susanne Lachenicht: Die Französische Revolution. Darmstadt 2012, in: sehepunkte 12 (2012), Nr. 11, 15.11.2012

http://www.sehepunkte.de/2012/11/21319.html

Dieter Weiß: Rezension zu: Norbert Leithold: Friedrich II. von Preußen. Ein kulturgeschichtliches Panorama von A bis Z. Frankfurt/Main 2011, in: sehepunkte 12 (2012), Nr. 11, 15.11.2012

http://www.sehepunkte.de/2012/11/20987.html

Andreas Erb: Rezension zu: Antje Losfeld / Christophe Losfeld (Hrsg.): Die Grand Tour des Fürsten Franz von Anhalt-Dessau und des Prinzen Johann Georg durch Europa: Aufgezeichnet im Reisejournal des Georg Heinrich von Berenhorst 1765 bis 1768. Bd. 1: Einleitung, deutsche Übersetzung, Anmerkungen; Bd. 2: Französisches Original, Bibliographie, Personen- und Ortsregister. Halle (Saale) 2012, in: H-Soz-u-Kult, 23.11.2012

http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2012-4-168

Peter-Michael Hahn: Rezension zu: Jürgen Luh: Der Große. Friedrich II. von Preußen. München 2011, in: H-Soz-u-Kult, 14.11.2012

http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2012-4-135

Carmen Winkel: Rezension zu: Jutta Nowosadtko: Stehendes Heer im Ständestaat. Das Zusammenleben von Militär- und Zivilbevölkerung im Fürstbistum Münster 1650–1803. Paderborn 2011, in: H-Soz-u-Kult, 01.11.2012

http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2012-4-096

Peter-Michael Hahn: Rezension zu: Jürgen Overhoff: Friedrich der Große und George Washington. Zwei Wege der Aufklärung. Stuttgart 2011, in: H-Soz-u-Kult, 14.11.2012

http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2012-4-135

Nicole Reinhardt: Rezension zu: Isabelle Poutrin: Convertir les musulmans. Espagne, 1491-1609. Paris 2012, in: sehepunkte 12 (2012), Nr. 11,15.11.2012

http://www.sehepunkte.de/2012/11/21635.html

Lena Krull: Rezension zu: Miriam Rieger: Der Teufel im Pfarrhaus. Gespenster, Geisterglaube und Besessenheit im Luthertum der Frühen Neuzeit. Stuttgart 2011, in: H-Soz-u-Kult, 14.11.2012

http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2012-4-138

Peter-Michael Hahn: Rezension zu: Jörn Sack: Friedrich der Große und Jean-Jacques Rosseau – Eine verfehlte Beziehung und die Folgen. Zugleich ein Essay über den vernünftigen und den künftigen Staat. Berlin 2011, in: H-Soz-u-Kult, 14.11.2012

http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2012-4-135

Dieter Weiß: Rezension zu: Josef Johannes Schmid: Friedrich der Große. Das Personenlexikon. Mainz 2012, in: sehepunkte 12 (2012), Nr. 11, 15.11.2012

http://www.sehepunkte.de/2012/11/20987.html

Wolfgang Wüst: Rezension zu: Johannes Staudenmaier: Gute Policey in Hochstift und Stadt Bamberg. Normgebung, Herrschaftspraxis und Machtbeziehungen vor dem Dreißigjährigen Krieg (Studien zu Policey und Policeywissenschaft). Frankfurt a.M. 2012, in: ZLBG, 13.11.2012

http://www.kbl.badw-muenchen.de/zblg-online/rezension_2369.html

Peter-Michael Hahn: Rezension zu: Matthias Steinbach (Hrsg.): Kartoffeln mit Flöte. Friedrich der Große – Stimmen, Gegenstimmen, Anekdotisches. Stuttgart 2011, in: H-Soz-u-Kult, 14.11.2012

http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2012-4-135

Quelle: http://frueheneuzeit.hypotheses.org/1348

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Die Fraunhofer Sicht der Dinge

Ich habe letzte Woche in Frankfurt beim “Workshop Control. Selbstkontrolle in einer überwachten Welt vorgetragen”. Was mir hier vor allem deutlich geworden ist: Technikzentrierte Ansätze brauchen ein Gegengewicht in Form kritischer Sozial- und Kulturwissenschaften. In meinem Vortrag “Die Erfindung biometrischer Identifizierungstechniken – Anwendungspraktiken zur Wiedererkennung von Personen” habe ich versucht herauszuarbeiten, wie biometrische Merkmale das Identifizieren von Personen verändert haben. Die grundlegende Idee bei biometrischer Identifizierung ist, dass körperliche Merkmale als Index für ein Archivsystem verwendet werden, um so über das körperliche Merkmal eine Person wiederzuerkennen und zwar auf objektivierbare Weise. Mit diesem Fokus untersuche ich die Einführung und Implementierung der Anthropometrie und Daktyloskopie Ende des 19. Jahrhunderts.

Nach mir hielt Alexander Nouak vom Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung in Darmstadt einen Vortrag mit dem Titel „Führen biometrische Verfahren zwangsläufig zur totalen Kontrolle?“ Ob die Frage beantwortet wurde im Laufe der Präsentation, kann ich nur schwer sagen, letztlich war die Botschaft der Präsentation, dass ein vollautomatisiertes Verfahren zur Wiedererkennung durch den Einsatz von Biometrie möglich ist. Interessant war aber der Einstieg, den Alexander Nouak für seinen Vortrag gewählt hat. Er wollte nämlich zeigen, dass das Argument meines Vortrags historisch falsch ist. Und wenn nicht falsch, dann zeige sich da zumindest eine spezielle “Wiener Sicht der Dinge“. Denn von einer Erfindung der Biometrie um 1900 könne nicht die Rede sein, schließlich seien biometrische Merkmale schon seit Jahrtausenden im Einsatz. Aber die Wiener hätten nunmal manchmal eine eigene Perspektive und er könne das sagen, denn er sei schließlich Wiener.

Der Einstieg war nicht nur unnötig, sondern auch Unsinn. Denn mein Argument ist ja nicht, dass um 1900 körperliche Merkmale zur Wiedererkennung erfunden wurden, sondern, dass biometrische Identifizierungstechniken wie die Anthropometrie und die Daktyloskopie erfunden wurden. Auch wenn auf einer antiken Steintafel ein Fingerabdruck entdeckt wurde, heißt das nicht, dass es das Fingerabdruckverfahren schon seit der Antike gibt. Ein entscheidender Unterschied. Das Verfahren beruht darauf, dass der Fingerabdruck nach einem bestimmten Muster klassifiziert wird und in ein Register abgelegt wird und aus diesem anschließend herausgesucht und mit einem anderen Abdruck verglichen werden kann. Auf diesem Prinzip beruhen ja auch die von Nouak vorgestellten biometrischen Identifizierungssysteme. Diese Klassifizierungssysteme gab es vorher schlichtweg nicht.

Während ich mich noch geärgert habe, ist mir eingefallen, woher ich diese Argumentation kenne – aus meinen Quellen. Robert Heindl, der Anfang der 1920er Jahre eine große Monographie über die Daktyloskopie schrieb, mit dem Titel “System und Praxis der Daktyloskopie“, verwendete die ersten 50 Seiten damit, die Geschichte des Fingerabdruckverfahrens derart darzulegen, dass er in so ziemlich allen Kulturen und Zeiten Hinweise auf die Verwendung von Fingerabdrücken fand. Als der Direktor des Wiener Erkennungsdienstes, Franz Eichberg, in den 1920er Jahren in einem Gerichtsverfahren mit dem Vorwurf konfrontiert wurde, dass ja gar nicht bewiesen werden könne, ob sich der Fingerabdruck im Laufe eines Lebens verändere, schließlich sei das Verfahren gerade einmal 20 Jahre in Verwendung, somit könne es dazu noch gar keine Studie geben, konterte er den Angriff mit den Worten:

„Ich hatte den billigen Erfolg, nachweisen zu können, daß die Daktylsokopie eine sehr alte Wissenschaft ist, die allerdings erst seit einigen Jahrzehnten in die moderne Kriminalistik Eingang gefunden hat.“ (1)

Genau diesen billigen Erfolg dachte wohl auch Nouak einfahren zu können. Das Stilmittel, das sowohl Nouak, Heindl und Eichberg anwenden, würde ich beschreiben mit: Legitimation des eigenen Verfahrens mit einem historischen Argument durch den Vergleich von Äpfeln mit Birnen. Beschrieben hat dieses Argumentsprinzip auch schon Ludwig Fleck 1935 bei seiner Untersuchung zur Entstehung wissenschaftlicher Tatsachen, wo er das Konzept von Urideen (Präideen) entwarf:

Viele wissenschaftliche, bestbewährte Tatsachen verbinden sich durch unleugbare Entwicklungszusammenhänge mit vorwissenschaftlichen, mehr oder weniger unklaren verwandten Urideen (Präideen), ohne daß inhaltlich dieser Zusammenhang legitimiert werden könnte. (2)

 

Beispiel aus Robert Heindls “System und Praxis der Daktyloskopie”. Es zeigt die seiner Meinung nach “früheste Kunde von der Daktyloskopie”.

 

Das wollte ich eigentlich bei der anschließenden Diskussion sagen, was ich dann nicht getan habe, weil ich bei der Diskussion den Fokus auf ein anderes Thema richten wollte, was mir zu dem Zeitpunkt wichtiger schien: Denn Nouak hatte deutlich gemacht, dass es sich bei dem von ihm präsentierten System um ein vollautomatisiertes, sicheres System zur Identifizierung von Personen durch Biometrie handelt. Ich habe dann nach der Rolle von Menschen in diesem System nachgefragt und die Antwort bekommen, dass dieses System keine Menschen brauche, weil es – so Nouak – ja schließlich vollautomatisiert arbeiten würde. Was ich verneint habe mit der Ergänzung, dass ein biometrischer Vergleich mit Wahrscheinlichkeiten operiert, was Nouak vorher auch dargestellt hatte mit der Erklärung von FRR und FAR, und dass mit so einem System erstens Menschen operieren und es zweitens von Menschen programmiert wurde. Nouak wollte darauf aber nicht eingehen. Stattdessen kam immer wieder der Verweis darauf, dass die Technik neutral sei – ja, ich kann mich da an ein Brotmesser-Beispiel erinnern, mit dem jemand erstochen werden kann oder eben Brot geschnitten werden kann – und biometrische Systeme bald flächendeckend in Verwendung sein werden, weil es letztlich alle haben wollen: Die Alten, weil es so bequem ist, und die Jungen, weil sowieso.

Diesen Positionen muss aus meiner Sicht deutlich widersprochen werden. Nicht aus Technikfeindlichkeit! Sondern, weil in dieser naiven Technikgläubigkeit Visionen verkauft werden und nicht reflektiert wird, dass Technik und Gesellschaft nicht getrennt voneinander funktionieren. Technik ist stabilisierte Gesellschaft (3), wie es bei Latour heißt:

„Niemand hat je reine Techniken gesehen – und niemand je reine Menschen.“ (4)

Wenn das die Wiener Sicht der Dinge ist, darauf unermüdlich hinzuweisen, dann soll das so sein.

 

(1) Eichberg, Franz (1922): Meine Erfahrungen als Gerichtssachverständiger für Daktyloskopie. In: Öffentliche Sicherheit. Polizei-Rundschau. 2 (19-20), S. 3–5.
(2) Fleck, Ludwig ([1935] 1981): Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache. Einführung in die Lehre vom Denkstil und Denkkollektiv. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 35.
(3) Latour, Bruno (2006a): Technik ist stabilisierte Gesellschaft, in: Andréa Belliger/David J. Krieger (Hg.): ANThology. Ein einführendes Handbuch zur Akteur-Netzwerk-Theorie, Bielefeld, S. 369-397, hier: S. 369.
(4) Latour, Bruno (1996): Der Berliner Schlüssel. Erkundungen eines Liebhabers der Wissenschaften, Berlin. S. 21. 

Quelle: http://www.univie.ac.at/identifizierung/php/?p=5241

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Historische Überlieferung und ihre archäologische Glaubwürdigkeit

  Archäologische Forschung beschäftigt sich mit den materiellen Hinterlassenschaften vergangener Kulturen. Es ist nun das Anliegen eines jeden Archäologen dabei so „interdisziplinär“ wie nur irgend möglich zu arbeiten. Als Mittelalterarchäologe greift man dabei naturgemäß zuerst zu den Schriftquellen. Das Heranziehen dieser Quellen ist aber an sich noch keine Interdisziplinarität, sondern erst das in Beziehung setzen von archäologischen Befunden mit der schriftlichen Überlieferung.  Einer der Gründe für die geschichtsschreibende Aufgabe der Mittelalterarchäologie ist, dass es einen Grund gibt, warum sich das eine Schriftstück erhalten hat und das andere nicht, zudem sind sie nicht als Selbstzweck verfasst worden. So weit, so selbstverständlich. Das Umfeld der Elisabethkirche in Marburg betreffend, interessiert mich als Bearbeiter natürlich die Überlieferung des Elisabeth-Hospitals, die Quellen zum Bau der Elisabethkirche und die Überlieferung des Deutschen Ordens in Marburg. Im Rahmen dieses Postes beschränken wir uns auf die Quellen zum „Elisabeth-Hospital“.[1] Ein Teil der Schriften dazu ist im Zuge des Heiligsprechungs-Verfahrens entstanden. So eine Heiligsprechung ist ein geregeltes Verfahren, in dem geprüft wird, ob der/die potenzielle Heilige auch ein heiliges Leben geführt hat und ob auch genügend verbürgte Wunder auf sein/ihr Wirken zurückgehen. Papst Gregor IX hat noch zu Lebzeiten Elisabeths die Autorität, so ein Verfahren durchzuführen, auf sich und seine Nachfolger beschränkt. Was heißt, dass bei Elisabeths Heiligsprechung penibel auf die Einhaltung der Formalien geachtet wurde, was die Zahl und die Art der Urkunden und der anderen Schriftstücke erklärt.[2] Bevor so ein Prozess aber in Gang kommt, muss jemand den Antrag auf Eröffnung des Verfahrens nach Rom schicken. In diesem Fall schickte Elisabeths Beichtvater und Mentor ein Schreiben nach Rom, dem noch eine Lebensbeschreibung Elisabeths, bekannt als summa vitae, und eine Zusammenstellung von 60 Wundern beigefügt wurde.[3] Papst Gregor IX ernannte daraufhin eine Kommission mit der Aufgabe, Zeugen von Wundern zu verhören, welche auf Elisabeth zurückzuführen seien. Als die „Untersuchungen“ abgeschlossen waren, wurde ein zweites „Antragspaket“ nach Rom geschickt, bestehend aus einem Anschreiben, der oben genannten „summa vitae“ und einem Wunderbericht, in dem die bereits bekannten 60 um 46 weitere Wunder ergänzt wurden. Mit diesem Antrag hätte das Verfahren in Rom seinen ganz normalen Gang nehmen können, hat es aber nicht. Konrad von Marburg, der Antragsteller, wurde in der Zwischenzeit ermordet. Also kommt der Prozess ins Stocken und muss neu aufgenommen werden. Es werden also neue Kommissare eingesetzt, die noch einmal das heiligmäßige Leben Elisabeths aufrollen und vier ehemalige Dienerinnen über ihre Kindheit, Ehe und ihr Leben im Marburger Hospital befragen.  Dieses Protokoll ist zusammen mit einer wiederum ergänzten Wunderauflistung nach Rom geschickt worden und der Heiligsprechung konnte nichts mehr im Weg stehen.[4] Damit ist die Quellenlage noch lange nicht vollständig dargelegt, aber das soll hier erst einmal genügen. Summa vitae Konrad erzählt darin, wie sie zunächst unterhalb der Wartburg ein Hospital gründete, in dem sie Kranke und Schwache aufnahm und wie sie während einer Hungersnot in Thüringen sogar all ihren Schmuck und ihre Gewänder verkaufen ließ zur Speisung der Armen.  Nach dem Tod ihres Mannes ging sie gegen seinen Willen nach Marburg und: „Ibi in oppido construxit quoddam hospitale, infirmos et debiles recolligens.“ „Dort erbaute sie sich in der Stadt ein Hospital und gewährte darin Kranken und Schwachen Aufnahme.“[5] Von dem Bau selbst oder von seiner Baugestalt erfahren wird nichts, obwohl das den Archäologen brennend interessieren würde. Solche Informationen spielen in diesem Zusammenhang für den damaligen Verfasser einfach überhaupt keine Rolle. Martina Wehrli-Johns macht in ihrem Artikel zur Summa vitae klar, dass dieser Bericht kein für sich stehender kurzer Lebensabriss Elisabeths darstellt sondern eine: „Sammlung von exempla aus der zeitgenössischen Bußliteratur, die, umgeformt zur Heiligenvita, gleichsam lehrbuchartig den Weg des Sünders zu seiner Rechtfertigung aufzeigt.“[6] Der „Libellus“ Spannender wird es bei der Überlieferung des sogenannten „Libellus“. Er liegt uns in zwei Fassungen vor, einer kürzeren, welche die ältere darstellt und eine jüngere ausgeschmückte Variante. [7] Die beiden überlieferten Fassungen sind nicht Teil der Prozessakten gewesen, sondern für die Verbreitung gedachte Überarbeitungen. Der ursprüngliche Text war mutmaßlich ein klar strukturiertes Protokoll, das der Beweisaufnahme für das Heiligsprechungsverfahren gedient hat und ist uns nicht überliefert.[8] Der Unterschied zwischen der kürzeren und der längeren Version ist in der Beschreibung von Baulichkeiten besonders gut zu erkennen. Darauf machte bereits Lothar Vogel 2008 aufmerksam, als er diese Stelle hier aus der längeren Version zitierte: “Aber nach der Bestattung ihres Gemahls kümmerte sich niemand um ihr Wohlergehen. So sah sie sich wieder in der früheren Not und Bettelarmut ausgesetzt, bis sie sich auf Geheiß von Magister Konrad nach Marburg begab. Wenn sie diese Stadt auch als Morgengabe von ihrem Gemahl erhalten hatte, so machten ihre Verwandten ihr doch durch ungerechtes und gehässiges Verhalten eine angemessene Lebensweise dort unmöglich. Notgedrungen siedelte sie daher in ein kleines Landgut über, wo sie – um keinem zur Last zu fallen – ein verfallenes Hofgebäude bezog. Darin nahm sie in Ermangelung eines wohnlicheren Platzes mit einem Raum unter der Treppe zu einer Kemenate vorlieb. Die Speisen, die sie sich beschaffen konnte, bereite sie mit ihrem Gesinde selbst zu. Unter der Sonnenglut, den stürmisch wehenden Winden und dem ihren Augen überaus lästigen Rauch litt sie in dem engen Raum zwar sehr, aber sie ertrug alles mit Freude und Dank gegen Gott, bis ihr in Marburg ein niedriges Häuschen aus Holz und Lehm erbaut worden war.“[9] In der kürzeren Version geht Elisabeth nach Marburg und gründet ein Hospital. Das ist alles. Offenbar ist hier die Beschreibung von Baulichkeiten, beziehungsweise die Beschreibung des jämmerlichen Wohnzustandes, ein hagiografisches Stilelement und nicht als Beschreibung einstiger Baulichkeiten anzusehen.     [1] Einen guten Quellenüberblick findet man bei: O.Reber, Die Gestaltung des Kultes weiblicher Heiliger im Spätmittelalter (Hersbruck 1963) [2] J. Leinweber, Das kirchliche Heiligsprechungsverfahren bis zum Jahre 1234. Der Kanonisationsprozeß der hl. Elisabeth von Thüringen, in: Philips-Universität Marburg in Verbindung mit dem Hessischen Landesamt für geschichtliche Landeskunde (Hrsg.), Sankt Elisabeth. Fürstin Dienerin Heilige (Sigmaringen 1981) 128-136 [3] Editiert bei: A. Huyskens, Quellstudien zur Geschichte der Hl Elisabeth. Landgräfin von Thüringen (Marburg 1908) 151-239 [4] J. Leinweber, Das kirchliche Heiligsprechungsverfahren bis zum Jahre 1234. Der Kanonisationsprozeß der hl. Elisabeth von Thüringen, in: Philips-Universität Marburg in Verbindung mit dem Hessischen Landesamt für geschichtliche Landeskunde (Hrsg.), Sankt Elisabeth. Fürstin Dienerin Heilige (Sigmaringen 1981) 128-136 [5] E. Könsgen (Hrsg.), Caesarius von Heisterbach. Das Leben der heiligen Elisabeth und andere Zeugnisse, Veröff. Hist. Kommission Hessen 67,2 = Kleine Texte mit Übersetzungen 2 (Marburg 2007), 132-133 Übersetzung nach Könsgen [6] M. Wehrli-Johnes, Armenfürsorge, Spitaldienst und neues Büßertum in den frühen Berichten über das Leben der heiligen Elisabeth, in: D. Blume- M. Werner, Elisabeth von Thüringen. Eine europäische Heilige (Petersberg 2007) 158 [7] L. Vogel, Der Libellus der vier Dienerinnen, in: Elisabeth von Thüringen und die neue Frömmigkeit in Europa. Kulturgeschichtliche Beiträge zum Mittelalter und der frühen Neuzeit 1 (Frankfurt 2008) 176 / In diesem Band, der eher der erbaulichen Elisabethliteratur zuzurechnen ist, ist eine Libellusübersetzung abgedruckt, in der die Ausschmückungen der längeren Version kursiv hervorgehoben sind: W.Nigg-W.Schamoni (Hrsg.), Elisabeth von Thüringen (Düsseldorf 1963) 69-107 [8] I.Würth, Die Aussagen der vier Dienerinnen im Kanonisationsverfahren Elisabeths von Thüringen (1235) und ihre Überlieferung im Libellus, in: Zeitschr. d. Vereins für Thüringische Gesch.59/60, 2006, 24-32 [9]Editiert bei: E. Könsgen (Hrsg.) Caesarius von Heisterbach. Das Leben der heiligen Elisabeth und andere Zeugnisse, Veröff. Hist. Kommission Hessen 67,2 = Kleine Texte mit Übersetzungen 2 (Marburg 2007), 161-163 Übersetzung nach Könsgen

Quelle: http://minuseinsebene.hypotheses.org/250

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