Editionen-Datenbank – Deutsches Literaturarchiv Marbach

Seit Februar 2012 stellt das Deutsche Literaturarchiv Marbach mit der Editionen-Datenbank ein zentrales kumulatives Verzeichnis deutschsprachiger Editionen bereit (einschließlich Quellendokumentationen, Brief- und Korrespondenzeditionen, kritische und Historisch-kritische Ausgabe).

Die Datenbank soll den Informations- und Wissensaustausch unter Editoren vereinfachen und einen generellen Überblick über Editions-Themen und Editions-Techniken gewähren.

Um die Datenbank nutzen zu können (aktiv wie passiv), ist eine Anmeldung erforderlich: anmelden kann sich jede/r. Editoren können Editionsprojekte anlegen (geplante, laufende, abgeschlossene aber auch abgebrochene) und bearbeiten. I.d.R. sind bei jedem Projekt die aktuellen Kontaktdaten und – sofern vorhanden – Webadressen hinterlegt.

Redaktionell betreut wird die Editionen-Datenbank von Dr. Roland Kamzelak, Christiane Dünkel und Jost Philipp Klenner.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=397

Weiterlesen

Tatortspuren vor der Daktyloskopie

In aller Ruhe, während Joly verdutzt zu lesen begann, trat Simonini hinter ihn, hielt ihm den Lauf der Pistole an den Kopf und drückte ab.
Joly fiel zur Seite, mit hängenden Armen, während ihm ein dünner Streifen Blut aus einem Loch in der Schläfe rann. Es war nicht schwer, ihm die Pistole in die Hand zu legen. Zum Glück geschah dies sechs oder sieben Jahre bevor ein wunderwirkendes Pulver entdeckt wurde, das es ermöglichte, auf einer Waffe die unverwechselbaren Abdrücke der Finger, die sie berührt hatten, sichtbar zu machen. Zu der Zeit, als Simonini seine Rechnung mit Joly beglich, galten noch die Theorien eines gewissen Bertillon, die auf den Messungen des Skeletts und anderer Körperteile des Verdächtigen beruhten. Keinem Menschen wäre der Verdacht gekommen, dass Jolys Tod kein Suizid war.

Eco, Umberto (2011): Der Friedhof in Prag. Roman. München: Hanser, S. 317.

Quelle: http://www.univie.ac.at/identifizierung/php/?p=3903

Weiterlesen

KHM beim Google Arts Project

Finde ich selbstredend erfreulich, dass nunmehr auch das Wiener Kunsthistorische Museum beim Google Art Project mit dabei ist und damit auch Bruegels Turmbau zu Babel hochauflösend verfügbar ist (Detail siehe unten). Schade nur, dass das gar schauderhafte Haupt der Medusa von Rubens/Snyders fehlt! Das Google Art Project ist übrigens auch auf Google+ vertreten.

babel1

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/96986482/

Weiterlesen

Worst jobs in history

Tony Robinson kennen vielleicht einige in seiner Rolle als “Baldrick” in der Comedy-Serie “Blackadder”. Was ich nicht wusste: Robinson produzierte vor einigen Jahren eine Dokumentation mit dem Titel “The worst jobs in history”. Das Blog Histomat mich darauf aufmerksam gemacht:

Tony Robinson, who played ‘Baldrick’ in Blackadder, once presented a TV series called ‘The Worst Jobs in History’. The vast majority of humanity have always been ‘Baldricks’ doing often terrible things with most of their time to simply survive, and this remains the case today.

Es ist ein Versuch, den Blick auf die Leute ohne Geschichte zu lenken. Mehr macht die Sendung dann auch nicht. Aber ich finde es dennoch interessant, in die Videos, die es auf YouTube gibt, reinzuschauen. Vielleicht kann man die mal im Schulunterricht einsetzen? Im deutschen Fernsehen ist mir Vergleichbares nicht bekannt. Vielleicht gabs früher mal was in der Richtung?

Ich habe hier nur die erste Folge verlinkt. Die Römer finde ich etwas langweilig. Die späteren Epochen sind interessanter.


Einsortiert unter:Medien, Sozialgeschichte

Quelle: https://kritischegeschichte.wordpress.com/2012/04/04/worst-jobs-in-history/

Weiterlesen

Welcome back to the 80ies, Google

In Erinnerungen schwelgen, ja, damals, in den 80ern mit dem neu gegründeten Google… Als Al Gore das Internet erfand und Ronald Reagan versehentlich Belgien besuchte. Fiktive Techno-Nostalgie gibt’s auch in den Geschmacksrichtungen Facebook und Twitter (Man beachte die “Trending Topics”). Soviel zum Thema “Geschichte als Konstrukt der Gegenwart”. – Via Gizmodo.

Quelle: http://weblog.hist.net/archives/6152

Weiterlesen

Die Macht der Bilder

Von Stefan Sasse

Kniefall Willy Brandts
Bilder besitzen eine unglaubliche Wirkmächtigkeit. Oftmals definieren sie historische Verläufe und brennen sich in das öffentliche Gedächtnis ein. Es sind diese Bilder, an die man sofort denkt, wenn man ein bestimmtes Ereignis hört. Willy Brandts Ostpolitik ist so ein Beispiel. Wer kennt nicht das Bild von Brandts Kniefall am Denkmal für die Opfer des Aufstands im Warschauer Ghetto? Die Frage, die seinerzeit die Republik spaltete - "Durfte Brandt knien?" wollte etwa der Spiegel in einer Leserumfrage wissen - ist längst beantwortet. Die Ikonographie dieses Bildes hat sich ins kollektive Gedächtnis eingebrannt. Es gibt viele solcher Bilder. Der Lagereingang von Auschwitz etwa wirft jeden sofort in die Holocaust Thematik, man kann sich der Sogwirkung kaum entziehen. Die beschriebenen Eisenbahnwaggons der an die Front fahrenden Truppenzüge 1914 gehören zur kollektiven Erinnerung an das "Augusterlebnis", und ob es so je stattgefunden hat - was Historiker mehr und mehr bezweifeln - spielt angesichts der Symbolkraft des Bildes kaum eine Rolle mehr. Fotographen nutzen diese Effekte bewusst, und die Protokollbeamten sorgen bei offiziellen Anlässen dafür, dass es entsprechende Bilder gibt. Ein gutes Beispiel dafür ist die Konferenz von Jalta, wo Churchill, Stalin und Roosevelt in den Stühlen nebeneinander sitzen. Nicht, dass man in so einer Pose ernsthaft verhandeln könnte, aber das Bild zeigt uns sofort, um was geht: drei Staatsmänner verhandeln hier offensichtlich gewichtige Dinge. 

Oftmals ersetzt die Ikonographie solcher Bilder die historische Realität und die Beschäftigung mit dem eigentlichen Gegenstand. Manche Bilder - das erwähnte Lagertor etwa - dienen lediglich als kraftvolle Verstärkung eines Themas. Andere dagegen ersetzen den historischen Kontext praktisch völlig. Wer weiß denn heute noch, weswegen Willy Brandt wirklich in Warschau war? Der Kniefall und seine Bildsprache hat das historische Ereignis längst verdrängt und ist zu einem eigenen historischen Ereignis geworden. Dabei ist das heutzutage, wo die Informationen vergleichsweise leicht zu erlangen sind und Fotos auch aus anderen Perspektiven und Zeitpunkten zugänglich sind noch ein relativ harmloser Effekt. Zu einer Zeit, als die Gemäldemalerie die historische Perzeption bestimmte, musste ein Staatsmann eine Inszenierung noch nicht tatsächlich durchführen, ja, nicht einmal an Ort und Stelle sein. Im hochkonstruierten Gemälde wurde mit mächtiger Bildsprache der gewünschte Effekt erzielt, ein Effekt, dem wir uns selbst heute nur schwer entziehen können. Ein Paradebeispiel hierfür ist das Gemälde "Washington Crossing the Deleware" von Emanuel Leutze, das 1851 entstand. 


Über 70 Jahre nach der eigentlichen Revolution als Auftragsarbeit in Deutschland entstanden, kann es kaum als authentisch angesehen werden. Trotzdem - oder gerade deswegen - ist es ein Musterbeispiel. Es ist vermutlich das berühmteste "Zeugnis" der amerikanischen Revolution. Sein eigentlicher Gegenstand, die sich anschließende Schlacht bei Trenton, ist kaum jemandem bekannt. Die Überquerung des Deleware selbst steht heute noch im Zentrum der Erinnerung, so sehr, dass niemand etwas dabei fand, eine Folge der Muppet-Serie "The American Revolution" über das Bild zu machen anstatt über das Ereignis der Schlacht von Trenton selbst. Wir wollen im Folgenden exemplarisch anhand des Bildes durcharbeiten, wie diese Historiengemälde arbeiten - denn sie alle haben den Zweck, die Intention, eine bestimmte Botschaft zu vermitteln. Das gilt für Washingtons Deleware-Überquerung ebenso wie für die Reichsgründung im Spiegelsaal von Versailles oder Napoleons Kaiserkrönung, die beide in ebenso monumentalen wie historisch falschen Gemälden verewigt wurden. Um Missverständnisse zu vermeiden: die Fehler hier sind keine Dinge, die der Maler übersehen hat. Sie sind Dinge, die der Wirkung im Weg standen oder die schlicht nicht wichtig waren. 

Das beginnt beim vorliegenden Gemälde schon bei dem Eis, das den Fluss hinuntertreibt. Der Deleware führt kein solches Eis; was dem Maler vor Augen stand war der heimatliche Rhein, der solches Eis dagegen sehr wohl führt. Das nächste ist die Lichtquelle. Sie befindet sich genau hinter Washington und gibt ihm die hervorgehobene Stellung, illuminiert ihn als Heilsgestalt. Vom Standpunkt des Beobachters aus müsste das natürlich dazu führen, dass die Bootsbesatzung nur als Silhouetten wahrnehmbar ist. Die Flagge, die der Mann hinter Washington hält ist eine Betsy-Ross-Flag, also die dreizehn Sterne mit den dreizehn Balken. Zum Zeitpunkt der Schlacht von Trenton hab es diese Flagge noch überhaupt nicht, stattdessen führte man noch die "Continental Colors". Auch die Bootsbesatzung ergibt überhaupt keinen Sinn; sie ist bunt zusammengewürfelt, und außer Washington und dem Flaggenträger gibt es niemanden in Uniform. Die Boote sind außerdem viel zu klein, um die Armee, geschweige denn die Pferde, über den Fluss zu transportieren. Bedenkt man zudem, dass es um eine heimliche Übersetzung ging, bei der jederzeit mit Beschuss zu rechnen war, so macht die aufrechte Haltung Washingtons und seine Positionierung im ersten Boot keinerlei Sinn, und der strenge Winter lässt seine Kleidung wie die seiner Mitfahrer als reichlich unangebracht erscheinen.

Reichsgründung 1871 im Spiegelsaal von Versailles
Das alles ist natürlich irrelevant. Weder Leutze noch den Auftraggebern in den USA ging es um eine akkurate Darstellung. Stattdessen sollte hier ein Gründungsmythos besiegelt werden. Die Bildsprache selbst ist eindeutig. Washington, der Heros der jungen Nation, wird von der (fast göttlichen) Sonne in der Bildmitte illuminiert. Direkt hinter ihm ist die Flagge der Nation, ebenfalls noch im vollen Licht. Seine Haltung ist heroisch, aufrecht, dem Schicksal und der britischen Übermacht entgegengereckt. Interessanter jedoch als diese jedem Betrachter offensichtlichen Sachverhalte sind die Mitfahrer Washingtons im Boot. Ihre heterogene Erscheinung hat gute Gründe, denn sie repräsentieren die vielen unterschiedlichen Gruppierungen der Kolonien. Die USA sind zu dieser Zeit eine junge Nation, hinter der man noch sehr schwankend steht, und so manche Kolonie ist wesentlich engagierter als andere. In diesem Bild ist davon nichts mehr zu sehen. Alle Bevölkerungsgruppen der USA leisten hier ihren Anteil, ob sie nun Kaufleute, Trapper oder Farmer sind. Auch ihre Nationalitäten lassen sich teilweise auseinanderhalten, zumindest ist erkennbar, dass es Angehörige verschiedener Nationen und nicht nur rebellische Briten sind, die sich hier unter dem Star-Spangled-Banner versammelt haben. 

Das wahre historische Ereignis tritt demgegenüber in den Hintergrund. Trenton war der erste Sieg der Amerikaner, gewiss, aber die verlorene Schlacht von Bunker Hill ein halbes Jahr zuvor spielt im öffentlichen Bewusstsein eine weit größere Rolle, und der Krieg würde sich noch jahrelang hinziehen. Welche Bedeutung die tatsächliche Überquerung des Deleware nun hatte ist irrelevant. Relevant ist einzig die Erinnerung daran als eine patriotische Heldentat. Dieser Effekt mag bei Historiengemälden stärker sein, weil sie unsere einzigen Bildquellen sind und wir kaum andere Möglichkeiten haben, uns die vergangenen Zeiten besser vorzustellen als so. Aber auch in unserer heutigen Zeit sind wir vor diesen Effekten nicht gefeit. Selbst Videoaufnahmen können diesen Effekt erzeugen - man denke nur an die immergleiche Aufnahme im grünlichen Filter eines Nachtsichtgeräts, in der eine Bombe präzise ins Ziel fiel und die den Golfkrieg 1991 als sauberen Krieg, der zivile Verluste vermied, darstellte. Wir müssen uns im Umgang mit Bildern stets ein gesundes Misstrauen bewahren. Fast immer soll irgendetwas mit ihnen ausgesagt werden, oder sie werden nachträglich mit einer Bedeutung aufgeladen, die sie vielleicht ursprünglich gar nicht hatten.

Bildquellen: 
Brandt - Bildarchiv des deutschen Bundestags (Bild: Sven Simon)
Washington - Emanuel Leutze (gemeinfrei)
Spiegelsaal - Anton von Werner (gemeinfrei)

Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2012/04/die-macht-der-bilder.html

Weiterlesen

Die Macht der Bilder

Von Stefan Sasse

Kniefall Willy Brandts
Bilder besitzen eine unglaubliche Wirkmächtigkeit. Oftmals definieren sie historische Verläufe und brennen sich in das öffentliche Gedächtnis ein. Es sind diese Bilder, an die man sofort denkt, wenn man ein bestimmtes Ereignis hört. Willy Brandts Ostpolitik ist so ein Beispiel. Wer kennt nicht das Bild von Brandts Kniefall am Denkmal für die Opfer des Aufstands im Warschauer Ghetto? Die Frage, die seinerzeit die Republik spaltete - "Durfte Brandt knien?" wollte etwa der Spiegel in einer Leserumfrage wissen - ist längst beantwortet. Die Ikonographie dieses Bildes hat sich ins kollektive Gedächtnis eingebrannt. Es gibt viele solcher Bilder. Der Lagereingang von Auschwitz etwa wirft jeden sofort in die Holocaust Thematik, man kann sich der Sogwirkung kaum entziehen. Die beschriebenen Eisenbahnwaggons der an die Front fahrenden Truppenzüge 1914 gehören zur kollektiven Erinnerung an das "Augusterlebnis", und ob es so je stattgefunden hat - was Historiker mehr und mehr bezweifeln - spielt angesichts der Symbolkraft des Bildes kaum eine Rolle mehr. Fotographen nutzen diese Effekte bewusst, und die Protokollbeamten sorgen bei offiziellen Anlässen dafür, dass es entsprechende Bilder gibt. Ein gutes Beispiel dafür ist die Konferenz von Jalta, wo Churchill, Stalin und Roosevelt in den Stühlen nebeneinander sitzen. Nicht, dass man in so einer Pose ernsthaft verhandeln könnte, aber das Bild zeigt uns sofort, um was geht: drei Staatsmänner verhandeln hier offensichtlich gewichtige Dinge. 

Oftmals ersetzt die Ikonographie solcher Bilder die historische Realität und die Beschäftigung mit dem eigentlichen Gegenstand. Manche Bilder - das erwähnte Lagertor etwa - dienen lediglich als kraftvolle Verstärkung eines Themas. Andere dagegen ersetzen den historischen Kontext praktisch völlig. Wer weiß denn heute noch, weswegen Willy Brandt wirklich in Warschau war? Der Kniefall und seine Bildsprache hat das historische Ereignis längst verdrängt und ist zu einem eigenen historischen Ereignis geworden. Dabei ist das heutzutage, wo die Informationen vergleichsweise leicht zu erlangen sind und Fotos auch aus anderen Perspektiven und Zeitpunkten zugänglich sind noch ein relativ harmloser Effekt. Zu einer Zeit, als die Gemäldemalerie die historische Perzeption bestimmte, musste ein Staatsmann eine Inszenierung noch nicht tatsächlich durchführen, ja, nicht einmal an Ort und Stelle sein. Im hochkonstruierten Gemälde wurde mit mächtiger Bildsprache der gewünschte Effekt erzielt, ein Effekt, dem wir uns selbst heute nur schwer entziehen können. Ein Paradebeispiel hierfür ist das Gemälde "Washington Crossing the Deleware" von Emanuel Leutze, das 1851 entstand. 


Über 70 Jahre nach der eigentlichen Revolution als Auftragsarbeit in Deutschland entstanden, kann es kaum als authentisch angesehen werden. Trotzdem - oder gerade deswegen - ist es ein Musterbeispiel. Es ist vermutlich das berühmteste "Zeugnis" der amerikanischen Revolution. Sein eigentlicher Gegenstand, die sich anschließende Schlacht bei Trenton, ist kaum jemandem bekannt. Die Überquerung des Deleware selbst steht heute noch im Zentrum der Erinnerung, so sehr, dass niemand etwas dabei fand, eine Folge der Muppet-Serie "The American Revolution" über das Bild zu machen anstatt über das Ereignis der Schlacht von Trenton selbst. Wir wollen im Folgenden exemplarisch anhand des Bildes durcharbeiten, wie diese Historiengemälde arbeiten - denn sie alle haben den Zweck, die Intention, eine bestimmte Botschaft zu vermitteln. Das gilt für Washingtons Deleware-Überquerung ebenso wie für die Reichsgründung im Spiegelsaal von Versailles oder Napoleons Kaiserkrönung, die beide in ebenso monumentalen wie historisch falschen Gemälden verewigt wurden. Um Missverständnisse zu vermeiden: die Fehler hier sind keine Dinge, die der Maler übersehen hat. Sie sind Dinge, die der Wirkung im Weg standen oder die schlicht nicht wichtig waren. 

Das beginnt beim vorliegenden Gemälde schon bei dem Eis, das den Fluss hinuntertreibt. Der Deleware führt kein solches Eis; was dem Maler vor Augen stand war der heimatliche Rhein, der solches Eis dagegen sehr wohl führt. Das nächste ist die Lichtquelle. Sie befindet sich genau hinter Washington und gibt ihm die hervorgehobene Stellung, illuminiert ihn als Heilsgestalt. Vom Standpunkt des Beobachters aus müsste das natürlich dazu führen, dass die Bootsbesatzung nur als Silhouetten wahrnehmbar ist. Die Flagge, die der Mann hinter Washington hält ist eine Betsy-Ross-Flag, also die dreizehn Sterne mit den dreizehn Balken. Zum Zeitpunkt der Schlacht von Trenton hab es diese Flagge noch überhaupt nicht, stattdessen führte man noch die "Continental Colors". Auch die Bootsbesatzung ergibt überhaupt keinen Sinn; sie ist bunt zusammengewürfelt, und außer Washington und dem Flaggenträger gibt es niemanden in Uniform. Die Boote sind außerdem viel zu klein, um die Armee, geschweige denn die Pferde, über den Fluss zu transportieren. Bedenkt man zudem, dass es um eine heimliche Übersetzung ging, bei der jederzeit mit Beschuss zu rechnen war, so macht die aufrechte Haltung Washingtons und seine Positionierung im ersten Boot keinerlei Sinn, und der strenge Winter lässt seine Kleidung wie die seiner Mitfahrer als reichlich unangebracht erscheinen.

Reichsgründung 1871 im Spiegelsaal von Versailles
Das alles ist natürlich irrelevant. Weder Leutze noch den Auftraggebern in den USA ging es um eine akkurate Darstellung. Stattdessen sollte hier ein Gründungsmythos besiegelt werden. Die Bildsprache selbst ist eindeutig. Washington, der Heros der jungen Nation, wird von der (fast göttlichen) Sonne in der Bildmitte illuminiert. Direkt hinter ihm ist die Flagge der Nation, ebenfalls noch im vollen Licht. Seine Haltung ist heroisch, aufrecht, dem Schicksal und der britischen Übermacht entgegengereckt. Interessanter jedoch als diese jedem Betrachter offensichtlichen Sachverhalte sind die Mitfahrer Washingtons im Boot. Ihre heterogene Erscheinung hat gute Gründe, denn sie repräsentieren die vielen unterschiedlichen Gruppierungen der Kolonien. Die USA sind zu dieser Zeit eine junge Nation, hinter der man noch sehr schwankend steht, und so manche Kolonie ist wesentlich engagierter als andere. In diesem Bild ist davon nichts mehr zu sehen. Alle Bevölkerungsgruppen der USA leisten hier ihren Anteil, ob sie nun Kaufleute, Trapper oder Farmer sind. Auch ihre Nationalitäten lassen sich teilweise auseinanderhalten, zumindest ist erkennbar, dass es Angehörige verschiedener Nationen und nicht nur rebellische Briten sind, die sich hier unter dem Star-Spangled-Banner versammelt haben. 

Das wahre historische Ereignis tritt demgegenüber in den Hintergrund. Trenton war der erste Sieg der Amerikaner, gewiss, aber die verlorene Schlacht von Bunker Hill ein halbes Jahr zuvor spielt im öffentlichen Bewusstsein eine weit größere Rolle, und der Krieg würde sich noch jahrelang hinziehen. Welche Bedeutung die tatsächliche Überquerung des Deleware nun hatte ist irrelevant. Relevant ist einzig die Erinnerung daran als eine patriotische Heldentat. Dieser Effekt mag bei Historiengemälden stärker sein, weil sie unsere einzigen Bildquellen sind und wir kaum andere Möglichkeiten haben, uns die vergangenen Zeiten besser vorzustellen als so. Aber auch in unserer heutigen Zeit sind wir vor diesen Effekten nicht gefeit. Selbst Videoaufnahmen können diesen Effekt erzeugen - man denke nur an die immergleiche Aufnahme im grünlichen Filter eines Nachtsichtgeräts, in der eine Bombe präzise ins Ziel fiel und die den Golfkrieg 1991 als sauberen Krieg, der zivile Verluste vermied, darstellte. Wir müssen uns im Umgang mit Bildern stets ein gesundes Misstrauen bewahren. Fast immer soll irgendetwas mit ihnen ausgesagt werden, oder sie werden nachträglich mit einer Bedeutung aufgeladen, die sie vielleicht ursprünglich gar nicht hatten.

Bildquellen: 
Brandt - Bildarchiv des deutschen Bundestags (Bild: Sven Simon)
Washington - Emanuel Leutze (gemeinfrei)
Spiegelsaal - Anton von Werner (gemeinfrei)

Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2012/04/die-macht-der-bilder.html

Weiterlesen

Autonomie trotz Affirmation? Über die Kunst in der DDR und die Ambivalenz der Bilder

Der schwierige Umgang mit der Kunst aus der DDR führte sehr schnell nach 1990 zum so genannten “Bilderstreit”. Handelte es sich bei den Bildern ostdeutscher Maler lediglich um propagandistische “DDR-Kunst”, da die offizielle Förderung und Privilegierung zugleich mit Anpassungsdruck und Gängelung einher ging? Oder war die Kunst in der DDR, insbesondere die Malerei, im Gegenteil zu bedeutenden, starken Werken fähig, die man in der westdeutschen Kunstlandschaft vergeblich sucht? Im MONTAGSRADIO 04/2012 sprechen Markus Heidmeier und Jochen Thermann mit Karl Siegbert Rehberg, Gründungsprofessor für Soziologie an der TU Dresden und wissenschaftlicher Koordinator des Forschungsverbundes “Bildatlas: Kunst in der DDR“.

Heute haben sich die Wogen des “Bilderstreits” gelegt – offensichtlich erfüllte die Kunst in der Nachwendezeit das, was andernorts nicht diskutiert werden konnte: Hier wurde stellvertretend gefragt, wie das, was Künstler in der DDR geleistet haben, zu bewerten sei. Wie groß war der Spielraum zwischen Anpassung und Autonomie? Dieser Frage gehen Markus Heidmeier und Jochen Thermann im Gespräch mit Karl-Siegbert Rehberg nach und sprechen mit ihm über den Bilderstreit und die Ambivalenz der Kunst (in) der DDR.

Timeline

1:00 Bilderstreit

4:00 bürgerliche Kunst und Autonomieideal

6:00 besondere, ambivalente Stellung der Kunst in der DDR

9:00 Autonomie trotz Affirmation

13:00 anfängliche “volksnahe Bebilderung des Fortschritts” und unangepasste Brigadebilder

15:00 80er Jahre: Problembilder als kritische Beiträge

17:00 Kunst nach 1945 betreibt in beiden deutschen Staaten eine “Doppelflucht aus der Geschichte”

21:00 Das Grauen der Geschichte und die Ästhetik des Aufbaus

23:00 Leipziger Schule: das ungeliebte Zentrum der DDR-Malerei und Malerei in der DDR

26:00 “Ordnung kann Unordnung schaffen” – die Paranoia der Herrschenden gegenüber der Kunst

30:00 Gegenszenen, “Zentren sind ja oft die wichtigsten Orte für Gegenbewegungen”, und Autonome

33:00 die Schwierigkeit der Bilderzensur, DDR als Integrationsgesellschaft und “Konsensdiktatur”

36:00 wo sind die Bilder heute?

40:00 Ausstellung in Weimar am 18. Oktober im Neuen Museum

43:00 Fragebogen

Und hier gehts direkt zum MP3.

Foto: flickr/delio

Quelle: http://www.montagsradio.de/2012/04/03/autonomie-trotz-affirmation-uber-die-kunst-in-der-ddr-und-die-ambivalenz-der-bilder/

Weiterlesen

aventinus specialia Nr. 33 [03.04.2012]: Zuteilung von International Standard Serial Numbers (ISSN) durch das Nationale ISSN-Zentrum für Deutschland der Deutschen Nationalbibliothek

http://dispatch.opac.d-nb.de/DB=1.1/CMD?ACT=SRCHA&IKT=8509&SRT=LST_ty&TRM=all+aventinus.+Studentische+ Publikationsplattform+Geschichte Sämtliche Abteilungen von »aventinus« wurden mit einer jeweils eigenen ISSN versehen, die es ermöglicht ein periodisch erscheinendes Werk eindeutig zu identifizieren. Hierdurch wird aventinus auch in zahlreichen Katalogen wie der ZDB geführt.

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2012/04/2620/

Weiterlesen

Neue Hausnummern bedeuten Kommunismus!

Reuben Rose-Redwoods Artikel (vgl.) berichtet auch von Ida Starks, Einwohnerin von Marion County, die in einem 2007 verfassten Leserinnenbrief ob der ihrem Haus angedrohten neuen Hausnummer gar die Ankunft des Kommunismus dräuen sah:
What about our history? This house number means something to me and my family. Itmeans stability, history of both family and community. It means that my work through the years has established my family. Have we become so communist that ownership means nothing? What will they dictate to us next? ... I cannot accept this imposition of my rights. Surely someone knows how to fix 911 without taking away a citizens history and security.
In einem 2008 von Rose-Redwood geführten Interview präzisierte sie:
if the address changed, the house changed, the whole home changes. It’s not my home anymore. ... I don’t want to change my number. Do you tell me I’ll just have to change my number because you want it changed? There’s nothing wrong with my number. ... What I felt was my security was being taken away is because you’re telling me that I have no say. That’s my security. I have no say in my own property. I have no say in my own home. If you can tell me that I have to change my address and I don’t have any say about it, I feel that my security - well, what else can you take from me and I have no say about? ... I don’t know what they can do about it but I’m not going to change it.

Rose-Redwood, Reuben: With Numbers in Place: Security, Territory, and the Production of Calculable Space, in: Annals of the Association of American Geographers, 102.2012, S. 295-319.
http://dx.doi.org/10.1080/00045608.2011.620503

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/96985811/

Weiterlesen