Ein Attentäter im Visier Fouchés? Dritter Beitrag zur Blogserie Theodor von Hallberg-Broich

In den Berichten der napoleonischen police secrète des Premiere Empire für die Jahre 1804 bis 1805 stellt sich die im vorherigen Beitrag beschriebene Situation um Hallbergs willkürliche Verhaftung nicht nur zeitlich etwas anders dar.

Unter dem Datum des 24. Vendémiaire des Jahres XIII (also Mittwoch, dem 16. März 1804) findet sich unter der Nummer 430, „Événements divers“, folgender stichwortartiger Eintrag, der hier in Übersetzung wiedergegeben werden soll: „Fremder in Mannheim arretiert, den Rhein überquerend: Baron von Halberg (sic!), bayerischer Hauptmann, gemeldet wie gefährlicher Feind unter dem Namen Palbus oder Pulbas.“1

Ein weiterer Eintrag zum „Fall Hallberg“ findet sich nicht acht, aber rund neun Monate später unter dem Datum des 30. Frimaire des Jahres XIII (oder Donnerstag, dem 21. Dezember 1804), Eintragung Nr. 691: „Herr Marschall Moncey zeigt dem Minister den Beschluss des Oberstaatsanwalts des Haut-Cour imperiale an, er hat dem Kommandanten der Gendarmerie von Mont-Tonnerre befohlen, Herrn Halberg (sic!), der des Attentats gegen seine Majestät angeklagt und in Mainz inhaftiert ist, unter sicherem Geleitschutz in die Conciergerie zu überführen.“2

Bis auf einige vor allem zeitliche Unstimmigkeiten lässt sich bis hierher das Bild Theodor von Hallberg-Broichs als durchaus bedeutendem Feind Napoleons aufrechterhalten, den die Geheimpolizei um Joseph Fouché im Visier hatte.

Joseph Fouché, Duc de Otrante, Gemälde vor 1829 [Bild: von École française [Public domain], via Wikimedia Commons; URL: http://www.myartprints.co.uk/kunst/french_school/school_portrait_of.jpg].
Joseph Fouché, Duc de Otrante, Gemälde vor 1829 [Bild: von École française [Public domain], via Wikimedia Commons; URL: http://www.myartprints.co.uk/kunst/french_school/school_portrait_of.jpg].

Dieses Bild wird jedoch mit der weiteren Durchsicht der französischen Berichte und insbesondere der zum Fall Hallberg in den Archives Nationales erhaltenen historischen Dokumente zunehmend fraglicher.

Auf dem Quellenblog „Napoleon auf der Spur – Quellenblog zur napoleonischen Ära in den deutschen Landen“ soll in Kürze ein erstes archivalisches Dokument zum “Fall Hallberg” in Transkription wiedergegeben werden.

1 Wortlaut im Original: „Etranger arrêté, à Manheim, passant le Rhin: Baron de Halberg, capitaine bavarois, signalé comme adversaire dangereux sous le nom de Palbus ou Pulbas.“ Siehe: Ernest d’Hauterive (Hrsg.), La police secrète du premier empire – Bulletins quotidiens adressés par Fouché a l’Empereur 1804–1805, Paris 1908, S. 137–138.

2 Wortlaut im Original: „M. le maréchal Moncey annonce au Ministre qu’à la requisition du grand procureur général près la haute-cour impérial, il a ordonné au commandant de la gendarmerie du Mont-Tonnerre de faire transférer à la Conciergerie, sous escorte sûre, le sieur Halberg, accusé d’attentat contre Sa Majesté et détenu à Mayence.” Siehe d’Hauterive 1908 (wie Anm. 1), S. 217.

Quelle: http://rhad.hypotheses.org/660

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Ein “Napoleonhasser”?! – Zweiter Beitrag zur Blogserie Theodor von Hallberg-Broich

Von Martin Otto Braun

Zweiter Beitrag zur Blogserie “Der adlige ‘Eremit’ Theodor von Hallberg Broich und der Erfolg einer konstruierten Familiengeschichte”.

Die im vorherigen Beitrag der Blogserie erwähnten jüngeren Biographien Theodor von Hallberg-Broichs schöpfen für die erste Lebenshälfte aus den bereits im 19. Jahrhundert erschienenen Werken des mit Hallberg vertraulichen Umgang pflegenden Johannes Gistel sowie des hallbergschen Enkels Baron Matthias von Künßberg-Thurnau.1 Viele Angaben zum Verhältnis des Freiherrn zu Napoleon bzw. des Franzosen, stammen somit aus dem direkten Umkreis Hallbergs. Sie sind auf ihren Wahrheitsgehalt bislang nur selten anhand von archivalischen Quellen überprüft worden.

Objekt des Hasses? Napoleon auf dem Kaiserthron in einer Darstellung Jean Dominique Ingres' (1780-1867) (Bild: Jean Auguste Dominique Ingres [Public domain], via Wikimedia Commons).
Objekt des Hasses? Napoleon auf dem Kaiserthron in einer Darstellung Jean Dominique Ingres’ (1780-1867) (Bild: Jean Auguste Dominique Ingres [Public domain], via Wikimedia Commons).

Bereits Wolter von Egan-Krieger zweifelte in seiner 2007 erschienenen Biographie des „Eremiten“ den Wahrheitsgehalt der Aussagen Gistels an.2 Die archivalischen Bezugspunkte seiner Hallberg-Biographie entstammen unter anderem dem Geheimen  Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin und bayerischen Kommunalarchiven.

Trotz seiner Quellenfunde umreißt Egan-Krieger bereits im Vorwort die Schwierigkeit sich der historischen Person des Freiherrn zu nähern:

„Innerhalb meiner Recherchen habe ich zwar manches Dunkel im Lebenslauf Hallbergs zu lichten vermocht […], – ein überzeugendes Gesamtbild von ihm zu zeichnen gelang mir allerdings nicht. […] So gibt es so gut wie keine Aufzeichnungen über die ersten vier Jahrzehnte seines Daseins, dafür erstickt man förmlich in Selbstzeugnissen des Fünfzig- bis Siebzigjährigen.“3

Erzfeind Napoleon

Dieser Hinweis ist umso bemerkenswerter, als sich alle Hallberg-Biographen bis in die Gegenwart hinein in einem Punkt vollkommen einig sind: Theodor von Hallberg-Broich gilt als erbitterter Gegner Frankreichs und „Napoleonhasser“.4

Seine Biographen machen diese Feindseligkeit unter anderem an Theodor von Hallberg-Broichs Tätigkeit als Organisator und Anführer des bergischen Landsturms in den Befreiungskriegen der Jahre 1813 bis 1815 fest. In diesem Zuge wird ihm zugeschrieben, als erster mit seinen Truppen den Rhein bei Koblenz überschritten zu haben.5 Hallberg-Broich habe hierbei nicht nur den militärischen Rang eines „Feldobristhauptmanns“ erlangen können, sondern sei schließlich auch zum „Generalmarschcomissärs der kaiserlich russischen Truppen“ ernannt worden.6 Dass es sich zumindest bei Hallbergs angeblichem Rheinübergang und seinem Titel eines „Feldobristhauptmanns“ um eine von ihm selbstersonnene Legende handelte, hat bereits eine Untersuchung Helge Göhrings gezeigt.7 Doch auch für die Zeit vor den Befreiungskriegen ist – gerade vor dem Hintergrund der erwähnten Quellenlücken – Skepsis angebracht.

Portrait des Zoologen Johannes von Nepomuk Franz Xaver Gistel (1809-1873) (Bild: von Unbekannt (http://hbs.bishopmuseum.org/dipterists/dipt-g.html) [Public domain], via Wikimedia Commons).
Portrait des Zoologen Johannes von Nepomuk Franz Xaver Gistel (1809-1873) (Bild: von Unbekannt (http://hbs.bishopmuseum.org/dipterists/dipt-g.html) [Public domain], via Wikimedia Commons).

So gibt der früheste Hallberg-Biograph, Künßberg-Thurnau zum Ende seiner „Biographischen Skizzen“ an, dass Theodor von Hallberg 1785 eine Leutnants-Stelle im „General-Campranaischen Infanterieregiment“ in Jülich innegehabt und im Jahre 1793 – dem Todesjahr seines Vaters – seinen Abschied als kurbayerischer Hauptmann erhalten habe.

Hiernach sei Hallberg-Broich nach Amerika gereist. Nach einer unglücklich endenden Liebschaft mit einer englischen „Lady Stuart“ habe sich Hallberg-Broich auf seine Güter in die Rheinprovinzen zurückbegeben und dort ein „höchst einsiedlerisches Leben“ geführt, wobei er mit der „politischen Lage Deutschlands und Frankreichs“ beschäftigt gewesen sei.8 Interessanter als dies scheint bei Künßberg-Thurnau jedoch die Reaktion des Freiherrn auf den 2. Koalitionskrieg (1799–1800),9 der Hallberg-Broich offenbar schlagartig aus der zuvor beschriebenen Lethargie riss:

„Endlich rückten die Franzosen an den Rhein und Hallberg machte dem damaligen Churfürsten von Köln, einem österreichischen Erzherzog, den Vorschlag das Volk zu bewaffnen und damit Napoleon I. zu bekriegen. Da man dieses nicht begreifen konnte, so reiste Hallberg nach Wien, (1800) nahm Audienz bei Kaiser Franz II. welchem er seinen Vorschlag überreichte. Nachdem ihn der Kaiser zu lesen angefangen hatte, verabschiedete er den Hallberg mit den Worten: ‚Das verstehen wir nicht.‘ Hallberg, welcher sich jedoch mit dieser Antwort nicht zu begnügen schien, suchte anderweitig seine Ideeen (sic!) durchzuführen, bis er endlich in den Narrenthurm eingesperrt wurde, um von seinen Ansichten geheilt zu werden. Nach acht Tagen wurde er hieraus entlassen, nachdem er während diesem Zeitraume seine Ansichten widerrufen hatte.“10

Ruhe vor dem Sturm?

Nach der oben erwähnten Episode war das patriotische Feuer bei Hallberg-Broich jedoch offenbar erloschen, denn überraschenderweise berichtet Künßberg-Thurnau über eine mehrjährige Wanderschaft des Freiherrn durch die deutsch-österreichischen Provinzen, die Schweiz, Ungarn und Siebenbürgen.11

Titelbild aus Johanns Gistels “Leben des preußischen General’s Freiherrn Theodor von Hallberg-Broich, genannt “Eremit von Gauting”, Berlin 1863 (Bild: Von Ferdinand Freiherr von Lütgendorff-Leinburg (1785-1858) [Public domain], via Wikimedia).
Titelbild aus Johanns Gistels “Leben des preußischen General’s Freiherrn Theodor von Hallberg-Broich, genannt “Eremit von Gauting”, Berlin 1863 (Bild: Von Ferdinand Freiherr von Lütgendorff-Leinburg (1785-1858) [Public domain], via Wikimedia).

Erst nach dieser „Ruhephase“ führt der Biograph einen ausführlichen Hinweis an, der von weiteren Aufstandsplänen Hallberg-Broichs gegen Napoleon zeugen soll:

„‚Vertraute Briefe über die inneren Verhältnisse am preußischen Hofe seit dem Tode Friedrich II.‘ Amsterdam und Cöln 1808, enthalten im Bande III auf pag. 311 folgendes: ‚Um diese Zeit (1806) war es, als einer der thätigsten Patrioten unseres Landes der Herr von Hallberg-Broich dem Könige einen Plan zu einem allgemeinen Aufgebote darlegte. (…) Förster und Förstersöhne, aller herrschaftlichen Jäger der Städte, wie des Landes waren erlesen, das Schützenkorps dieses allgemeinen Aufstandes zu formieren, – aber es erhielt die königliche Sanction nicht (nur ein großer Aufstand konnte Preußen 1806 sowie Frankreich 1792 retten) – und kurz darauf als der Feind die Weichsel passiert hatte, sich uns eilig näherte, und alles vor sich her zurückdrängte, da war der Zeitpunkt vielleicht verschwunden‘.“12

Das Zitat verliert an Tragkraft, wenn man sich die Mühe macht, es im Original zu überprüfen. Hier steht an Stelle des bei Künßberg-Thurnau ausgeschriebenen „Herr von Hallberg-Broich“ lediglich die Abkürzung „H. v. H. B.“.13 Diese Initialen stimmen zwar durchaus mit dem Namenszug Hallberg-Broichs überein, eine eindeutige Aufschlüsselung des Namens wird im Original jedoch nicht gegeben.14 Dass es sich hierbei tatsächlich um Theodor von Hallberg-Broich gehandelt hat, ist somit nicht eindeutig nachweisbar.

Verhaftung und Einkerkerung

Anders verhält es sich mit der historischen Belegbarkeit eines weiteren Ereignisses, das bei von Künßberg-Thurnau unmittelbar auf die Pläne zum Aufstand von 1806 folgt. Der Biograph berichtet von einer willkürlichen Verhaftung Hallberg-Broichs durch französische Soldaten, die ihn über 36 Gefängnisstationen nach Paris transportierten. Matthias von Künßberg-Thurnau gibt eine Haftzeit des Freiherrn von Hallberg-Broich von insgesamt acht Monaten an, wobei der Delinquent starkes körperliches und seelisches Leid zu ertragen gehabt habe.

Während dieser Zeit soll Theodor von Hallberg-Broich immer wieder vergeblich Briefe aus dem Gefängnis an Napoleon geschrieben haben, um diesen um ein Verhör zu bitten. Aber nur ein Gnadengesuch seiner Mutter bei Kaiserin Josephine habe Hallberg-Broich – ohne vorheriges Verhör – schließlich aus der Haft befreit. Erst hiernach erfährt der Leser den Grund für Hallberg-Broichs Inhaftierung: „Hallberg war beschuldigt worden, an dem von einer Räuberbande ausgeübten Morde Theil genommen zu haben.“15

Fassen wir also zusammen: Hallberg war ein zwar unschuldig wegen Mordes inhaftierter, aber dennoch fanatischer Feind Napoleons. Saß Hallberg also aufgrund seiner vorangegangenen Aufstandspläne in Haft? Wohl kaum… Eine näheren Betrachtung der zeitgenössischen Quellen soll hierzu im nächsten Beitrag Auskunft geben.

Anmerkungen:

1 Künßberg-Thurnau gibt in seiner Schrift die Verwandtschaft ausdrücklich als Grund an, weswegen der Leser seine unparteiische Stellung bezweifeln könnte. Deswegen, so Künßberg-Thurnau, habe er sich weitestgehend darauf beschränkt, nur eigene Schriften Theodor von Hallberg-Broichs wiederzugeben. Siehe Matthias von Künßberg-Thurnau, Kriegsgeschichten, Reisen und Dichtungen. Aus den Papieren des Herrn Freiherrn von Hallberg-Broich (Eremit von Gauting), Landshut 1862, Vorrede (ohne Seitenangabe).

2 In seiner Biographie kann Egan-Krieger bereits kritisch auf einige Unklarheiten in den Angaben Gistels verweisen, wie etwa den Fenstersprung von Hallbergs zweiter Ehefrau Karoline, den der “Eremit” angeblich als Liebesbeweis von ihr verlangt haben soll. Quellenmäßige Belege lassen sich für diese Anekdote – wie auch für andere – nicht finden. Egan-Krieger vermutet den Grund für die Erwähnung solcher Anekdoten in der von Gistel geschriebenen Hallberg-Biographie in privaten Zwistigkeiten der beiden. Das freundschaftliche Verhältnis zwischen Gistel und Hallberg sei, laut Wolter von Egan-Krieger, um das Jahr 1836 beendet worden. Grund für das Zerwürfnis war, laut Egan-Krieger, die in einer Gesellschaft stattgefundene Verlesung eines von Gistel geschriebenen Lobgedichts auf Napoleon I. Hallberg-Broich, „maßlos in seinem Hass gegenüber dem einstigen französischen Imperator“, habe nach der Verlesung wutentbrannt die Gesellschaft verlassen und die freundschaftlichen Beziehungen zwischen beiden seien hierauf eingeschlafen. Im Vorwort seiner Studie verweist Egan-Krieger daher explizit auf die Unvereinbarkeit der Aussagen Gistels mit den hinterlassenen Papieren von Theodor von Hallberg-Broich und die große konservierende Bedeutung, die in diesem Zusammenhang der Schrift Matthias von Künßberg-Thurnaus zukomme. Zu allen Angaben vgl. Wolter von Egan-Krieger, Zwischen Weitsicht und Widersinn: Theodor Freiherr von Hallberg-Broich – Eine Lebensbeschreibung, Norderstedt 2007, S. 9–11 und S. 262–273.

3 Egan-Krieger 2007 (wie Anm. 2), S. 11.

4 Exemplarisch sei hier nur ein Aufsatz Schröders aus dem Jahr 1913 angeführt, der in der Zeitschrift “Der Niederrhein” unter dem Titel “Ein Napoleonhasser. Zur Erinnerung an Freiherrn von Hallberg Broich” erschien und auf den sich die Überschrift dieses Blogsposts bezieht. Siehe [Vorname unbekannt] Schröder, Ein Napoleonhasser. Zur Erinnerung an Freiherren von Hallberg-Broich, in: Der Niederrhein – Monatsschrift für Heimatkunde und Heimatpflege, Heft 1 (1913).

5 Zur angeblichen Überschreitung des Rheins während der Befreiungskriege siehe Künßberg-Thurnau 1862 (wie Anm. 1), S. 179; Johannes Gistel, Leben des preußischen General’s Freiherrn von Hallberg-Broich, genannt Eremit von Gauting, Berlin 1863, S. 30.

6 Vgl. Künßberg-Thurnau 1862 (wie Anm. 1), S. 179–180; Gistel 1863 (wie Anm. 5), S. 30–33; Werner Bülow, Der Eremit von Gauting – Theodor Freiherr von Hallberg-Broichs Leben, Ansichten und Reisen, Rosenheim 1991, S. 24–26; Egan-Krieger 2007 (wie Anm. 2), S. 40–47. Zur Tätigkeit von Hallberg-Broichs für den bergischen Landsturm liegen im Landesarchiv Nordrhein-Westfalen (seit 05.05.2014 Duisburg) Akten vor, die Aufschluss über die Organisation der Truppe bzw. Hallbergs Wirken geben. Siehe: Landesarchiv Nordrhein-Westfalen – Abteilung Rheinland, Generalgouvernement vom Nieder- und Mittelrhein, Formation der Bürgermiliz, Nr. 472–474; Landesarchiv Nordrhein-Westfalen – Abteilung Rheinland, Generalgouvernement Berg, Organisation der Landespolizei in Verbindung mit dem Landsturm als Polizeimiliz, Nr. 1884; Landesarchiv Nordrhein-Westfalen – Abteilung Rheinland, Generalgouvernement Berg, Frühlingsmanöver des Landsturms Siegburg am 7. März 1815 (Einladung durch Feldobristhauptmann Freiherr von Hallberg), Nr. 1490.

7 Helge Göhring zitiert zum Beweis einige Stellen aus den in Fußnote 6 angegebenen Akten. Siehe Helge Göhring, Der tolle Hallberg auf Haus Attenbach – Legende und Wirklichkeit eines Sonderlings zur Zeit des Bergischen Landsturms, in: Heimatblätter des Rhein-Sieg-Kreises, Jg. 59 (1991), S. 148–157.

8 Zu sämtlichen Angaben siehe Künßberg-Thurnau 1862 (wie Anm. 1), S. 174–175.

9 Zur Geschichte Jülichs in französischer Zeit siehe Vorstand des Jülicher Geschichtsvereins in Verbindung mit dem Stadtgeschichtlichen Museum Jülich (Hrsg.), Julier – France: Jülich in Frankreich 1794–1814 (=Jülicher Forschungen, Heft 3 = Führer des Stadtgeschichtlichen Museums Jülich, Nr. 5), Jülich 1994. Dass er sich zumindest kurzfristig nach der Einnahme Jülichs durch die Franzosen am 3. Oktober 1794 noch in Koblenz aufgehalten und diese Abwesenheit auch den Franzosen ordnungsgemäß mitgeteilt hatte, hat Schröder in seinem Aufsatz von 1913 festgestellt. Vgl. Schröder 1913 (wie Anm. 4), S. 127.

10 Künßberg Thurnau 1862 (wie Anm. 1), S. 175.

11 Wolter von Egan-Krieger vermutet, dass Hallberg-Broich aufgrund des drastischen Misserfolgs seiner ersten Aufstandspläne weitere zurückgestellt habe. Er bezweifelt jedoch den „Urlaubscharakter“ der Reise. Vgl. Egan-Krieger 2007 (wie Anm. 2), S. 24-25. Ob die Reise überhaupt stattgefunden hat, ist zu bezweifeln.

12 Zitiert nach Künßberg-Thurnau 1862 (wie Anm. 1), S. 175-176.

13 Friedrich von Coelln, Vertraute Briefe über die innern Verhältnisse am Preußischen Hofe seit dem Tode Friedrichs II., Bd. III, Amsterdam und Köln 1808, S. 352.

14 Wolter von Egan-Krieger zitiert zwar offenbar die Original-Schrift, da er die Abkürzung verwendet, scheint in der Aufschlüsselung, die bei ihm der Abkürzung in eckigen Klammern folgt, jedoch von Matthias von Künßberg-Thurnaus Schrift beeinflusst. Vgl. Egan-Krieger 2007 (wie Anm. 2), S. 26.

15 Künßberg-Thurnau 1862 (wie Anm. 1), S. 176.

Quelle: http://rhad.hypotheses.org/617

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Freimaurer, Möpse und digitale Quellen

Von Martin Otto Braun

Um es direkt vorweg zu nehmen: Wer sich von diesem Blogpost Enthüllungen streng gehüteter Geheimnisse erhofft, wird bitter enttäuscht werden. Die Quellen zur Geschichte der Freimaurerei (und auch anderer Geheimbünde) des 18. Jahrhunderts sind derartig öffentlich, das “Enthüllungen” von Ritualen, Logenmatrikeln oder Statuten in der Regel eine Archivreise, immer öfter sogar nur einen Mausklick weit entfernt liegen.

Im Wintersemester 2013/14 beschäftigten sich die Teilnehmer des Arbeitskurses „Streng geheim?! Quellen zur Geschichte der Freimaurerei des 18. Jahrhunderts“ an der Universität zu Köln sowohl mit den nichtdigitalen als auch den digitalen Dokumenten zur freimaurerischen Geschichte. Selbstverständlich kann an dieser Stelle nicht auf alle im Seminar präsentierten Quellen im einzelnen eingegangen werden. Es sollen vielmehr fünf Fundstücke beispielhaft angerissen werden, um die Bandbreite des bereits digital zugänglichen Materials zu illustrieren.

Titelbild der "Constitutions of the Free-Masons", London 1723. (By Christophe Dioux (Own work) [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html), CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/) or Public domain], via Wikimedia Commons)
Titelbild der “Constitutions of the Free-Masons”, London 1723 (By Christophe Dioux (Own work) [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html), CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/) or Public domain], via Wikimedia Commons).

1. The Constitutions of the Free-Masons. Containing the History, Charges, Regulations, &c. of that most Ancient and Right Worshipful FRATERNITY, London 1723
Ein grundlegendes Dokument zur freimaurerischen Geschichte des frühen 18. Jahrhunderts bilden die “Constitutions of the Free-Masons” oder auch “Alten Pflichten”. Diese regelten für die um das Jahr 1717 in London gegründete Großloge nicht nur die innere Verfassung, sondern gaben auch den “neugeordneten” Geschichtsmythos der Freimaurerei wider. Dieser versuchte die sogenannte “Königliche Kunst” bis auf Adam bzw. einen göttlichen Ursprung zurückzuführen. Um einen Einblick in die Vorstellungswelten der Freimaurerei des frühen 18. Jahrhunderts zu gewinnen und sich ein Bild über die Regelung von Logengemeinschaften zu machen, ist dieses Dokument als Ausgangsbasis unerlässlich.

2. Samuel Prichard, Masonry Dissected: Being a Universal and Genuine Description of All Its Branches, from the Original to this Present Time, London 17301
Samuel Prichards ‘Enthüllung’ der Freimaurerei aus dem Jahr 1730 zählt zu den frühen “Verräterschriften“. Diese erfreuten sich im 18. Jahrhundert durchaus großer Beliebtheit. Sie zeigen, dass das freimaurerische “Geheimnis” um Einweihungsrituale schon in diesen Zeiten mehr als brüchig war. Ohnehin kann mit Blick auf die frühe englische Freimauerei festgestellt werden, dass sie weit weniger im Verborgenen wirkte, als oftmals angenommen wird.2 Prichards Schrift kann herangezogen werden, um sich dem freimaurerischen Ritualen und den dabei vorgenommenen Wechselreden zwischen Rezipient und Meister zu nähern.

Von Unbekannt, Schaubild zur Einweihung in den Lehrlingsgrad aus Gabriel-Louis-Calabre Pereau: L'Ordre de Francs Macons Trahi et le secret des mopses révélé, Amsterdam 1771 (Quelle: (Kiefer Auktionen) [Public domain], via Wikimedia Commons).
Von Unbekannt, Schaubild zur Einweihung in den Lehrlingsgrad aus Gabriel-Louis-Calabre Pereaus “L’Ordre de Francs Macons Trahi et le secret des mopses révélé”, Amsterdam 1771 (Quelle: (Kiefer Auktionen) [Public domain], via Wikimedia Commons).

3. Der sich selbst vertheidigende Freymäurer, oder Sammlung unterschiedlicher Wohlverfaßten Schriften, welche einige Mitglieder dieses Ordens selbst zu dessen Vertheidigung herausgegeben nebst einer vorläufigen historischen Nachricht von dieser vortrefflichen Gesellschaft, Frankfurt und Leipzig 17443
Diese Sammlung verschiedener freimaurerischer Texte wird hier vor allem aufgrund einer Rede aus dem Jahr 1737 erwähnt, die für die Entwicklung der “Hochgrade” innerhalb der Freimaurerei einige Bedeutung besitzt. Gemeint ist die Rede des Chevalier Andrew Michael Ramsay. In dieser versuchte Ramsay die Ursprünge der schottischen Freimaurerei auf die Zeit der Kreuzzüge zurückzuführen. Als Ergänzung zu der hier verlinkten Version ist die Analyse Alain Bernheims mit dem Titel “Ramsay et ses deux discours”4 zu empfehlen, die die verschiedenen Überlieferungen des Textes ausführlich miteinander vergleicht.

Von Unbekannt, Abbildung eines Logentapis des Mopsordens aus Gabriel-Louis-Calabre Pereau: L'Ordre de Francs Macons Trahi et le secret des mopses révélé. Amsterdam 1771, Quelle: (Kiefer Auktionen) [Public domain], via Wikimedia Commons.
Von Unbekannt, Abbildung eines Logentapis des Mopsordens aus Gabriel-Louis-Calabre Pereaus “L’Ordre de Francs Macons Trahi et le secret des mopses révélé”, Amsterdam 1771 (Quelle: (Kiefer Auktionen) [Public domain], via Wikimedia Commons).

4. L’ordre des Francs-Macons trahi et le Secret des Mopses révéle, Amsterdam 1745
Die Schrift „L’ordre des Francs-Macons trahi et le Secret des Mopses révéle“ zählt ebendalls zur Gattung der sogenannten “Verräterschriften“. Mit dem innerhalb der Schrift thematisierten „Mopsorden“ wird zudem eine vornehmlich durch Adlige bevölkerte Gesellschaft erwähnt, die die Freimaurerei und ihre Symbole u. a. mit dem Symbol des Mopses persiflierte – eine nicht nur bei modernen Karikaturisten vom Schlage eines Loriot, sondern auch in der höfischen Welt des 18. Jahrhunderts beliebte Hunderasse. Der Mopsorden kann – auch wenn er keine eigentliche freimaurerische Vereinigung darstellte – mit der “Adoptionsmaurerei” verglichen werden, also Logen in denen Männer und Frauen gemeinsam arbeiteten. Im 18. Jahrhundert sahen viele Zeitgenossen diese gemischten Gesellschaften als durchaus ‘skandalöse’ Vereinigungen an.

5. Rede, welche die Gräfin R. S. bei ihrer Aufnahme in den Orden der Freimäurer zu T. 1785. gehalten hat5
Die ab Seite 158 im “Magazin für Frauenzimmer auf 1785″ abgedruckte Rede besitzt meines Wissens nach keine größere Relevanz innerhalb der Geschichte der Freimaurerei. Sie wird hier dennoch aus zwei Gründen aufgeführt. Zum einen handelt es sich um ein weiteres Beispiel aus der oben erwähnten (oft  vernachlässigten) Adoptionsmaurerei. Zum anderen gibt sie Zeugnis vom Interesse des Adels an der Freimaurerei. Auch wenn das Engagement adliger Akteure in freimaurerischen und angrenzenden Geheimgesellschaften immer wieder im Zuge der Besprechung der Freimaurerei des 18. Jahrhunderts thematisiert wird (siehe etwas Friedrich II. von Preußen), fehlt bislang eine ausführlichere Analyse der Gründe adliger Personen sich derartigen Gemeinschaften anzuschließen.

Diese Beweggründe und ihre Veränderungen im Laufe des 18. Jahrhunderts sind ein Kernpunkt meiner Untersuchungen zum rheinischen Adel in der Freimaurerei gewesen, die in Kürze unter dem Titel “An den Wurzeln der Tugend. Rheinischer Adel und Freimaurerei 1765-1815″ bei MAP als Open Access-Publikation und Print-Ausgabe erscheinen werden.

Im nächsten Blogpost möchte ich die Archive vorstellen, die ich während der Erstellung der Arbeit aufgesucht habe.

Anmerkungen:
1 Hier 20. Ausgabe, 1770; ARK: ark:/13960/t4sj3xj9c.
2
Siehe hierzu etwa die bei Kristiane Hasselmann erwähnten freimaurerischen Umzüge und Spottumzüge durch London: Kristiane Hasselmann, Die Rituale der Freimaurer: Zur Konstitution eines bürgerlichen Habitus im England des 18. Jahrhunderts, Diss., Bielefeld 2009, S. 248-258.
3 URN: urn:nbn:de:gbv:3:1-134728.
4 Alain Bernheim, Ramsay et ses deux discours, Paris 2011.
5 Die Rede findet sich in: Magazin für Frauenzimmer auf 1785, April, Mai, Juni. Viertes Stük [sic!], hier S. 158-160.

Quelle: http://esohist.hypotheses.org/74

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Der adlige “Eremit” Theodor von Hallberg-Broich und der Erfolg einer konstruierten Familiengeschichte

Von Martin Otto Braun

Nachdem der Bonner Professor für Heraldik Christian Samuel Theodor Bernd1 in den 1830er Jahren damit begonnen hatte, die Wappen adliger Familien für sein „Wappenbuch der preußischen Rheinprovinz“ zu sammeln, erreichte ihn im April des Jahres 1832 ein Brief aus Jülich. In diesem Brief bekundete der Freiherr Franz Joseph Hubert von Hallberg zu Broich mit folgenden Worten sein Interesse an der Arbeit Bernds:2

„Hochverehrtester Herr Professor! Benachrichtigt durch die Zeitung, dass euer Hochwohlgeboren ein Wappenbuch der Preußischen Rheinprovinzen und derjenigen adeligen Herren geben wollen, welche in die Adels-Matrikel der Rheinprovinz aufgenommen sind, bitte ich meinen Namen auf die Liste der Unterzeichner zu setzen und zur Zeit ein Exemplar übersenden zu wollen.“3

Unterzeichnet war dieser Brief, der sich heute mit anderen heraldischen und genealogischen Unterlagen Theodor Bernds in der Autographen-Sammlung der Bonner Universitätsbibliothek befindet, mit Hallbergs Namen und Adelstitel sowie der Ergänzung „Obristleutnant in königlich Spanischen Diensten, Ritter etc.“.

Tatsächlich findet sich in Theodor Bernds Unterlagen auch die von Franz von Hallberg-Broich angebotene „Geschichte der Grafen und Freiherren von Hallberg zu Pesch und zu Broich“, deren Richtigkeit – so der Wortlaut ihrer Einleitung – „die Familienpapiere authentisch beweisen“. Am Rand dieses Schriftstücks können jedoch auch einige mit Bleistift angebrachte Bemerkungen entziffert werden, die offenbar von Theodor Bernd stammen und den Wahrheitsgehalt der durch Franz von Hallberg-Broich zur Familiengeschichte getroffenen Aussagen kritisch kommentieren.

Bevor der Inhalt dieses Manuskripts und die Bemerkungen Theodor Bernds hierzu in einem späteren Blogbeitrag Gegenstand der Untersuchungen sein werden, soll zunächst überblicksartig der bisherige Kenntnisstand über die im 18. und frühen 19. Jahrhundert auf dem bei Jülich gelegenen Schloss Broich ansässige Familie der Freiherren von Hallberg-Broich nachgezeichnet werden. Der Fokus wird hiernach insbesondere auf den bereits im 19. Jahrhundert weit über die Grenzen Jülichs hinaus bekannten „Eremiten von Gauting“, Theodor von Hallberg-Broich (1768–1862),4 aber auch auf zwei seiner Brüder, nämlich den bereits oben erwähnten Franz Joseph Hubert (1784–1850)5 und Carl Ernst von Hallberg-Broich (1774–1836)6 gelegt werden.

Von Ferdinand Freiherr von Lütgendorff-Leinburg (1785-1858) [Public domain], via Wikimedia,
Titelbild aus Johanns Gistels “Leben des preußischen General’s Freiherrn Theodor von Hallberg-Broich, genannt “Eremit von Gauting”, Berlin 1863. (Bild: Von Ferdinand Freiherr von Lütgendorff-Leinburg (1785-1858) [Public domain], via Wikimedia).

Zeitlich wird das Hauptaugenmerk sich dabei auf die Kernphase der revolutionären Umbrüche, also die Periode zwischen 1789 und 1815, richten. Die Beiträge verstehen sich in direktem Anschluss an die bisherigen Artikel dieses Blogs, der Netzbiographie Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck sowie der in Kürze erscheinenenden Dissertation “An den Wurzeln der Tugend. Rheinischer Adel und Freimaurerei 1765-1815″ als weitere Mosaiksteine in der Erforschung der Selbstsicht sowie des Anpassungsvermögens rheinischer adliger Familien in der koselleckschen “Sattelzeit”.

Zur richtigen Einordnung der späteren Ausführungen scheint es – wie bereits erwähnt – sinnvoll, sich zunächst die bisher bekannte Familiengeschichte der Freiherren von Hallberg zu Broich skizzenartig vor Augen zu führen.

Skizze der Familiengeschichte

Die ältesten Zeugnisse der Familie des Freiherren Theodor von Hallberg zu Broich lassen sich in die Stadt Mühlheim am Rhein zurückführen. Hier hatte Christian Hallberg (gestorben 1661) in den Jahren 1657 und 1659 das Amt des Bürgermeisters inne.7 Mit Hilfe von Ernst von Oidtmans genealogisch-heraldischer Sammlung lässt sich die spätere Linie der Freiherren von Hallberg zu Broich von einem Enkel dieses Christian Hallberg, genannt Peter Diederich Hallberg (1691–1752), herleiten. Dieser erlangte das Amt eines jülichschen Hofkammerrates und Schultheißen zu Aldenhoven. Seit 1721 trug er den Beinamen „Edler von Hallberg“. Oidtman vermutet, dass Peter Diederich das Gut Broich bei Jülich nach 1741 erworben hat.8

Der Freiherren-Titel wird bei Oidtman erstmals für die beiden Brüder Tillmann Peter (1729–1793)9 und Bernhard Josef10 von Hallberg zu Broich angeführt. Hierbei ist es wichtig, zu erwähnen, dass der Freiherren-Titel wohl ursprünglich nach anderen Linien usurpiert worden ist.11 Eine Wiederanerkennung des Freiherrenstandes durch ein preußisches Ministerial-Reskript ist für die Frau des Tillmann Peter, Rosa von Hallberg, und deren Söhne Carl, Theodor und Franz für das Jahr 1826 nachweisbar. Tillmann Peter war zu Lebzeiten nicht nur kurpfälzischer Truchsess und Besitzer des Gutes Broich, sondern auch Herr des Gutes Obbendorf bei Hambach (im heutigen Kreis Düren gelegen), das um 1763/1764 in den Besitz der Familie kam.12

Der Freiherrentitel wird ebenfalls für den 1752 geborenen, späteren königlich bayerischen Generalmajor Karl Theodor von Hallberg zu Broich erwähnt, wobei unklar ist, ob dieser ein Sohn des Bernhard Josef war.13 Im Folgenden wird die Familien-Konstellation, insbesondere aber dieser königlich bayerische Generalmajor noch von Bedeutung sein. Im Fokus der Betrachtungen steht jedoch der Familienzweig des Tillmann Peter von Hallberg-Broich.

Von N.N., zeitgenössischer Stecher (Ebay Angebot) [Public domain], via Wikimedia Commons on zeitgenössischer Stecher (Ebay Angebot) [Public domain], via Wikimedia Commons.
Wappen Theodor von Hallberg-Broichs (Bild: N.N., zeitgenössischer Stich (Ebay Angebot) [Public domain], via Wikimedia Commons).

Heute taucht der Name dieses Zweigs der Familie gelegentlich in lokalhistorischen Beiträgen auf. Es handelt sich hierbei zumeist um Abhandlungen über den bereits erwähnten sogenannten „Eremiten von Gauting“, Theodor von Hallberg zu Broich. Dieser war eines der insgesamt elf Kinder, die aus der Ehe zwischen Tillmann Peter von Hallberg zu Broich und seiner Frau Rosa, einer geborenen Freiin Quadt von Wykrath zu Alsbach, hervorgingen.14

Über Theodor von Hallberg-Broich, der unter anderem als Verfasser des gemeinsam mit seinen Brüdern im Jahre 1819 veröffentlichten antiklerikalen und preußenkritischen „Deutschen Kochbuchs für Leckermäuler und Guippees“, diverser Reisebeschreibungen und durch ein öffentliches Heiratsgesuch in einer bayerischen Zeitung aus dem Jahr 1840 einen nachhaltigen Eindruck bei den Zeitgenossen hinterließ,15 kursierten bereits im 19. Jahrhundert zahlreiche, zum Teil kuriose Geschichten. Diese finden bis in die jüngste Zeit ihren Niederschlag in historischen Veröffentlichungen.16

Der „Eremit von Gauting“, dessen eigenartig anmutendes Pseudonym sich aus Hallbergs späterem, zwischen München und dem Starnberger See gelegenen Schloss Fußberg in Gauting herleitet und u.a. zur Unterzeichnung kritischer Beiträge in bayerischen Zeitschriften verwandt wurde,17 erscheint nicht nur ob seines bis in die heutige Zeit nachwirkenden Charismas, sondern auch wegen seiner angeblich fanatischen Gegnerschaft zu Napoleon als Schlüsselfigur, will man sich der Geschichte der Familie der Freiherren von Hallberg-Broich im frühen 19. Jahrhundert und ihrem Verhältnis zur französischen Besatzung des Rheinlands nähern.

Im nächsten Beitrag der Blogserie soll der bishergie Stand der Forschungen hierzu kurz umrissen werden.

Anmerkungen:

1 Christian Samuel Theodor Bernd (1775-1854) wurde 1822 in Bonn zum Universitätsprofessor für Diplomatik, Sphragistik und Heraldik ernannt. Zu seiner Person sowie weiteren bibliographischen Hinweisen siehe Eckart Henning, Auxilia Historica – Beiträge zu den Historischen Hilfswissenschaften und ihren Wechselbeziehungen, Köln/Weimar/Wien 2000, S. 173-174.

2 Die im Folgenden wiedergegebenen Transkriptionen wurden in Rechtschreibung und Zeichensetzung dem heutigen Schriftbild weitestgehend angepasst.

3 Franz von Hallberg-Broich, Briefe an Theodor Bernd, Handschriftenabteilung der Universitäts- und Landesbibliothek Bonn, Signatur S 2548. Die im folgenden Absatz gemachten Angaben und Zitate beziehen sich auf ebenfalls auf dieses Dokument. Im 1835 erschienenen Werk Theodor Bernds ist Franz von Hallberg-Broich mit dem Titel eines spanischen Orbistleutnants unter den Subskribenten aufgeführt. Vgl. Christian Samuel Theodor Bernd, Beschreibung der im Wappenbuche der Preussischen Rheinprovinzen gelieferten Wappen, nebst einer Farbentafel, VIII. Heft, Bonn 1835, S. X. 

4 Herbert M. Schleicher, Ernst von Oidtman und seine genealogisch-heraldische Sammlung in der Universitäts-Bibliothek zu Köln (= Veröffentlichungen der Westdeutschen Gesellschaft für Familienkunde e.V., Bd. 7), Köln 1994, Mappe 551, S. 482.

5 Das Sterbedatum des Franz von Hallberg-Broich ist in der Oidtmanschen Genealogie nicht angegeben. Für die hier verwendete Angabe, die als Ort des Ablebens des Franz von Hallberg-Broich die Stadt Wiesbaden angibt, siehe August Kurtzel, Rudolf von Gottschall, Friedrich Bienemann (Hrsg.), Unsere Zeit: Deutsche Revue der Gegenwart. Monatsschrift zum Conversations-Lexikon, Bd. 6, Leipzig 1862, S. 700–706, hier S. 704.

6 Schleicher 1994 (wie Anm. 4) , Mappe 551, S. 483.

7 Schleicher 1994 (wie Anm. 4), Mappe 551, S. 478.

8 Schleicher 1994 (wie Anm. 4), Mappe 551, S. 482.

9 Schleicher 1994 (wie Anm. 4), Mappe 551, S. 482.

10 Geburts- und Sterbedatum des Bernhard Josef sind unbekannt. In der an Theodor Berndt gesandten Familiengeschichte wird Bernhard Josef von Hallberg-Broich nicht erwähnt. Vgl. Hallberg-Broich (wie Anm. 3), S 2548.

11 Zur Usurpation des Freiherrentitels siehe Schleicher 1994 (wie Anm. 5), Mappe 551, S. 481. Zur Re-Privilegierung des rheinischen Adels im Zeitalter der Restauration siehe Christof Dipper, Der rheinische Adel zwischen Revolution und Restauration, in: Helmuth Feigl, Willibald Rosner (Hrsg.), Adel im Wandel. Vorträge und Diskussionen des 11. Symposions des Niederösterreichischen Instituts für Landeskunde, Horn 2.-5- Juli 1990,  (=Studien und Forschungen des Niederösterreichischen Instituts für Landeskunde, Bd. 15), Wien 1991, S. 91-116, hier S. 106. 

12 In der von Freiherr Franz von Hallberg-Broich an den Bonner Genealogen Theodor Berndt gesandten Familiengeschichte wird zudem die Herrschaft des Peter Tillmann über die Güter Brachelen, Lohmar, Algard, Menden, Rauschendorf, Meindorf und Mundt angegeben. In der Oidtmanschen Genealogie sind die Güter Lohmar und Brachelen als Herrschaften des Bruders Bernhard Josef verzeichnet. Siehe hierzu Hallberg-Broich (wie Anm. 3), S 2548; Schleicher 1994 (wie Anm. 4), Mappe 551, S. 482.

13 Schleicher 1994 (wie Anm. 4), Mappe 551, S. 481 und 490.

14 Theodor, Franz und Carl von Hallberg-Broich besaßen vier Schwestern und drei Brüder: Maria Elisabeth (1762-?), Maria Theresia (1764 – ?), Eva Bernhardina (1767-?), August Adolf (1770–1792), Alexander August (1776–1814), Bernhard Johannes (1779–1781) sowie Caroline Josephina (1781–1859). Der noch zur Zeit der französischen Besatzung lebende Alexander August wird im vorliegenden Aufsatz nicht behandelt. Dieser war im Jahr 1793 als Capitular der Benediktinerabtei in Siegburg beigetreten und demnach für den geistlichen Stand vorgesehen. Dass dieser sich an kriegerischen Ereignissen oder der Verwaltung der Familiengüter beteiligte, konnte nicht nachgewiesen werden und ist daher unwahrscheinlich. Er verstarb, laut der Familiengeschichte, die in der Autographensammlung der Universität Bonn vorhanden ist, bereits am 6. Juli 1814. Hier heißt es über ihn: „Er lebte ganz für die Wissenschaften.“ Zu allen Angaben vgl. Schleicher 1994 (wie Anm. 4), Mappe 551, S. 482–483; Willi Dovern, Broicher Familienbuch 1668 – 1944 (=Veröffentlichungen des Jülicher Geschichtsvereins 4), Jülich 1985, S. 151; Erich Wisplinghoff, Die Benediktinerabtei Siegburg (= Germania Sacra – Neue Folge 9, Erzbistum Köln Bd. 2), Berlin 1973, S. 235; Hallberg-Broich (wie Anm. 3), S 2548.

15 Zum Heiratsinserat siehe Wolter von Egan-Krieger, Zwischen Weitsicht und Widersinn: Theodor Freiherr von Hallberg-Broich – Eine Lebensbeschreibung, Norderstedt 2007, S. 235–246. In Bezug auf die Reisebeschreibungen sind zu nennen: Theodor von Hallberg-Broich, Reise durch Skandinavien im Jahr 1817, Leipzig 1818; ders., Reise-Epistel durch den Isar-Kreis, Augsburg 1822; ders., Reise durch Italien, Augsburg 1830; ders., Ueber den Rhein-Donau-Kanal und den alten Handelsweg nach Indien, Augsburg 1831; ders., Frankreich-Algier, München 1837; ders., Reise nach dem Orient: zum Besten der Kolonie Hallberg im Freisinger Moos, Stuttgart 1839; ders., Deutschland, Russland, Caucasus, Persien: 1842-1844, Stuttgart 1844.

16 Siehe u.a. Egan-Krieger 2007 (wie Anm. 15); Dominique Müller-Grote, Freiherr von Hallberg-Broich – Geckenhafter Sonderling mit wohltätiger Gesinnung, in: Jahrbuch des Rhein-Sieg-Kreises 2008, (2007), S. 58 – 61; Werner Bülow, Der Eremit von Gauting – Theodor Freiherr von Hallberg-Broichs Leben, Ansichten und Reisen, Rosenheim 1991.

17 Zur Verwendung des Pseudonymns siehe Egan-Krieger 2007 (wie Anm. 15), S. 198–207. Theodor und Carl von Hallberg-Broich waren ebenfalls als Autoren für die 1819 durch die preußische Zensur verbotene Zeitschrift „Hermann – Eine Zeitschrift von und für Westfalen“ tätig. Siehe hierzu Adolf Dressler, Die Entwicklung des Pressewesens in der Stadt Hagen in Westfalen von seinen Anfängen bis zum Ende des 19. Jahrhunderts, Hagen 1932, S. 5–59; Egan-Krieger 2007 (wie Anm. 15), S. 57-78.

Quelle: http://rhad.hypotheses.org/559

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Aus der “Fluchtkiste” ins WWW: Einblicke in die rheinischen Adelsarchive auf Schloss Ehreshoven

Gängige Archivklischees von schmucklosen Archivräumen und einer eher amtsstubenmäßigen Atmosphäre werden auf Schloss Ehreshoven in Engelskirchen im bergischen Land nicht bedient. Und auch die hier archivfachlich professionell durch den Landschaftsverband Rheinland verwahrten Bestände der Vereinigten Adelsarchive im Rheinland e.V. können als durchaus außergewöhnliche „Fundgrube“ für Historiker bezeichnet werden. Grund genug, sie im Ansschluss an die Online-Stellung der Netzbiographie zum Fürsten und Altgrafen Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck in einem Blogbeitrag vorzustellen…

Zugegeben: Es gibt tristere Orte, die ein Historiker auf der Suche nach den entscheidenden Quellen für seine Arbeit mitunter aufsuchen muss. Vor den vom Wassergraben gespiegelten Mauern des Schlosses Ehreshoven waiden im Sommer auf sattgrünen Wiesen zottelige Hochlandrinder. Nicht selten kommt es vor, dass der sich unerschrocken dem beeindruckenden Steintor nähernde Besucher Kamerateams ausweichen muss, die hektisch gestikulierend darum bemüht sind, Schauspieler ins rechte Licht zu rücken.

Schloss Ehreshoven, Außentor

Außentor des Schlosses Ehreshoven in Engelskirchen bei Overath mit Blick auf das Schloss (Foto/Rechte: Hans-Werner Langbrandtner).

Es besteht also kein Zweifel daran, dass auch das altehrwürdige Ehreshoven, dessen Geschichte bis in das Jahr 1355 zurückverfolgt werden kann, in der Moderne angekommen ist. War das Schloss vom Spätmittelalter bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts im Besitz der rheinischen Grafenfamilie von Nesselrode-Ehreshoven, so beheimatet es heute ein adeliges Damenstift der Rheinischen Ritterschaft. Die Produktion der öffentlich-rechtlichen Vorabendserie “Verbotene Liebe”, die hier in Teilen produziert wird, hat das Schloss auch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht (zu diesen und weiteren Informationen siehe Homepage Stift Ehreshoven)

Die langersehnte Auflösung des „Cliff-Hangers“ wartet für (Kunst-)Historiker allerdings in einem Seitenteil der Vorburg. Hier werden die Archivbestände der Vereinigten Adelsarchive im Rheinland e.V. archivfachlich durch das Archivberatungs- und Fortbildungszentrum des Landschaftsverbands Rheinland (AFZ-LVR) betreut und verwahrt. Die Bestände umfassen dabei derzeit allein auf Ehreshoven 21 Familienarchive so bekannter Adelsfamilien des nördlichen Rheinlands, wie der Grafen Wolff Metternich zur Gracht, der Grafen von Hoensbroech, der Freiherren von Fürstenberg, der Freiherren Geyr von Schweppenburg oder der Freiherren von und zu Gymnich. Darüber hinaus sind 29 weitere Adelsarchive am Wohnort der jeweiligen Familien benutzbar. Da es sich um Privatarchive handelt, ist eine vorherige Anmeldung bzw. Benutzungsanfrage über das AFZ erforderlich. Eine Übersicht der Bestände, die auch als pdf-Datei auf den Seiten des AFZ  abrufbar ist, gibt hierüber erste Auskunft.

Die Eingangs des Magazins ausgestellte „Fluchtkiste“ aus dem 17. Jahrhundert, in der einst das Archiv der Grafen Wolff Metternich zu Gracht verwahrt und bei Gefahr zum Stadtpalais in Köln geflüchtet werden konnte, kann nur kurz von den eigentlichen Dimensionen der Archivregale ablenken, deren Inhalt noch auf Jahrzehnte hinaus Material für wissenschaftliche Forschungen bieten dürfte.

Archivkiste Gracht

“Fluchtkiste” des Grachter Archivs aus dem 17. Jahrhundert im Magazin der Vereinigten Adelsarchive im Rheinland e.V. auf Schloss Ehreshoven (Foto/Rechte: Hans-Werner Langbrandnter).

 

Archivregale Ehreshoven Langbrandtner

“Laufende Meter” – Archivregale im Magazin der Vereinigten Adelsarchive im Rheinland e.V. auf Schloss Ehreshoven (Foto/Rechte: Hans-Werner Langrbrandtner).

Was erwartet den Benutzer konkret in den Beständen? Bereits ein Blick in die diversen im AFZ in der Abtei Brauweiler einsehbaren Findbücher der Einzelarchive offenbart ein breites Quellenrepertoire. Neben mittelalterlichen Urkunden, Kataster-, Rechnungs- und Tagebüchern aus der Frühen Neuzeit finden sich durchaus zahlreiche „moderne“ Quellen zur Adelsgeschichte wie Fotografien und Briefwechsel des frühen 20. Jahrhunderts. Die Einblicke, die für Historiker über diese hier nur ansatzweise skizzierten Deposita in die adligen Lebenswelten möglich sind, sind somit zeitlich ausgreifend. Vergleichende Fragestellungen auf Grundlage des hier vorhandenen Archivmaterials sind somit über die in der Netzbiographie vorgestellte schillernde Person des Fürsten und Altgrafen Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck hinaus denkbar.

Archiv Dyck Ehreshoven

Front eines Archivregals im Magazin der Vereinigten Adelsarchive im Rheinland e.V. auf Schloss Ehreshoven mit Blick auf Dycker Archivquellen (Foto/Rechte: Hans-Werner Langbrandtner).

Auch abseits rein adelsgeschichtlich ausgerichteter Fragestellungen sind die Bestände auf Schloss Ehreshoven beachtenswert. Durch die mannigfaltige Einbindung des Adels in landesherrliche Herrschafts- und Verwaltungsangelegenheiten über Krisenzeiten wie die der Französischen Revolution von 1789 hinweg und seines hieraus resultierenden, ausgreifenden personalen Netzwerks, lassen sich auch Erkenntnisse zu gänzlich anders gelagerten Fragestellungen generieren. Auch hier können die diversen Beiträge der Netzbiographie als erstes Beispiel dienen, die ausgehend von genuin adelsgeschichtlichen Fragestellungen (Elisabeth Schläwe, Der junge Graf als Reiseliterat auf Kavalierstour), über kunsthistorische (Martin Wolthaus, Die Ahnengalerie der Altgrafen und Fürsten zu Salm-Reifferscheidt-Dyck), gendergeschichtliche (Elisabeth Schläwe, Die Mutter – Augusta Maria von Truchsess Zeil-Wurzach), militärgeschichtliche (Florian Schönfuß, Offizier der preußischen Landwehr), wissenschaftsgeschichtliche (Rita Hombach, Botaniker) sowie netzwerkanalytische (Gudrun Gersmann, Postrevolutionäre Netzwerke) Zugriffe bereits einige mögliche Perspektiven aufzeigen.

Aus Sicht online-affiner Historiker ist zudem zu begrüßen, dass sich neben der Familie der Grafen Wolff Metternich zur Gracht, Eigentümer des im Zuge der Netzbiographie ausgewerteten Archivs Schloss Dyck, auch andere archivbesitzende Familien des rheinischen Adels offen gegenüber einer wissenschaftlichen Aufbereitung von Archivdokumenten im „WWW“ zeigen.

In Ergänzung zu den Befunden der Netzbiographie sollen zukünftig im Blog „Rheinischer Adel – Ein geschichtswissenschaftlicher Forschungsblog“ ausgewählte Dokumente zu verschiedensten Facetten der Adelsarchive in Transkription vorgestellt werden. Ausdrücklich willkommen sind hierbei auch Gastbeiträge, gerne auch zu adelsgeschichtlichen Themen abseits des Rheinlandes.

Ob es abgesehen von Schloss Ehreshoven ebenfalls derartig idyllische und ertragreiche Arbeitsstätten für Adelshistoriker gibt? Hinweise werden mit Spannung erwartet!

Martin Otto Braun

Für die Bereitstellung der Fotografien aus den Archivräumen sowie Informationen zu den Beständen der Vereinigten Adelsarchive im Rheinland e.V. bedanke ich mich recht herzlich bei Dr. Hans-Werner Langbrandtner, Ansprechpartner für die Adelsarchive in Ehreshoven und wissenschaftlicher Archivar des Archivberatungs- und Fortbildungszentrums des Landschaftsverbands Rheinland in der Abtei Brauweiler.

Quelle: http://rhad.hypotheses.org/480

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Ein Attentat auf Napoleon?

Am 30. Frimaire des Jahres XIII (21. Dezember 1804) wurde der 1768 auf Schloss Broich bei Jülich geborene Freiherr Theodor von Hallberg-Broich von den französischen Behörden des Hochverrats angeklagt. Mehrere Zeugen bezichtigten ihn, in einer Gaststätte Schmähreden auf Napoleon Bonaparte gehalten und ein Attentat auf den frisch zum Kaiser der Franzosen gekrönten Feldherrn geplant zu haben.

Der Arretierung des in bayerischen Militärdiensten stehenden Hallbergs folgte ein längeres Gerichtsverfahren sowie seine Einkerkerung in der Pariser Conciergerie. Aus Sorge um ihren Sohn, der nicht nur seelisch, sondern auch körperlich unter den Haftbedingungen litt, flehte seine Mutter in den folgenden Monaten bei den französischen Behörden, aber auch beim Kaiser selbst um die Freilassung ihres Sohnes.

In ihrem Bittschreiben an Napoleon führte die Mutter als Gewährsmann für die unerschütterliche Treue zu Frankreich und der Person des Kaisers auch den „Comte de Salm“ auf. Hiermit war mit großer Sicherheit Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck gemeint, der durch zahlreiche Ämter einigen Einfluss in Paris besaß.

Die hier nur angedeutete Gegenüberstellung beider Schicksale verdeutlicht, dass längst nicht jeder rheinische Adlige gewillt war, mit dem napoleonischen Regime zu kooperieren. Während Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck aufgrund seines Einflusses in Paris in den Quellen als „Retter in der Not“ erscheint, sollte der schließlich aus der Haft entlassene Theodor von Hallberg-Broich noch längere Zeit unter den Folgen dieses Vorfalls zu leiden haben. Die Planung eines Attentats auf den Kaiser der Franzosen konnte ihm zwar nicht nachgewiesen werden, seine Schmähreden ließen sich jedoch nur unweit schwerer aus der Welt schaffen.

Martin Otto Braun

Quelle: http://rhad.hypotheses.org/416

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In den Salons von Paris

Eine breite gesellschaftliche Vernetzung kann als Basis der erfolgreichen politischen und wissenschaftlichen Tätigkeit Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dycks gesehen werden. Dabei profitierte der Dycker Schlossherr nicht nur von seinen persönlichen Qualitäten als Netzwerker.

Vielmehr konnte er insbesondere in der französischen Zeit des Rheinlandes von den bereits etablierten Kontakten seiner zweiten Ehefrau Constance de Salm (1767–1845) zehren.

Die engagierte femme de lettres unterhielt bereits vor ihrer Ehe mit Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck einen gut frequentierten Salon im Paris der nachrevolutionären Epoche. Zu eben diesem Kreis, der sich zum größten Teil aus herausragenden zeitgenössischen Gelehrten, Schriftstellern und Künstlern zusammensetzte, stieß Salm-Reifferscheidt-Dyck um das Jahr 1800 hinzu. Im geistigen Fahrwasser der Idéologues und der Décade philosophique – ihrem publizistischen Sprachrohr – erhielt er nicht nur einen Zugang zu bedeutenden Intellektuellen der Zeit, sondern ebenfalls zu einer Vielzahl weiterer gesellschaftlicher Netzwerke.

Neben den Beiträgen zur Person Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dycks ist daher eine eingehendere Beleuchtung des gesellschaftlichen Engagements der Constance de Salm sowie dem Verhältnis der beiden Ehepartner zueinander innerhalb der Netzbiographie von großer Bedeutung. Die Beiträge zum Wirken der Constance und den gemeinsamen Pariser Netzwerken des Ehepaares profitieren dabei nicht zuletzt von einer intensiven Zusammenarbeit mit einer Forschergruppe des Deutschen Historischen Instituts Paris (DHI Paris). Die Forscherinnen des DHI Paris widmeten sich in den vergangenen Jahren der Erschließung des umfangreichen Korrespondenznachlasses der Constance de Salm, der im Archiv der Société des amis du Vieux Toulon et de sa région in Toulon verwahrt wird und nun auch online zugänglich ist (siehe http://dhdhi.hypotheses.org/902 sowie http://dhdhi.hypotheses.org/1575).

Martin Otto Braun

Quelle: http://rhad.hypotheses.org/375

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