Die Königreiche Bayern und Württemberg und die revolutionären Institutionen in Frankfurt 1848/49

Nach dem Ausscheiden von Sabine Thielitz wurde in der ersten Hälfte dieses Jahres Philipp Hartmann als neuer wissenschaftlicher Mitarbeiter dem Editionsprojekt zugeteilt. Von 2007–2010 studierte Philipp Hartmann an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn im Bachelorstudiengang Geschichte (Kernfach) und Germanistik, vergleichende Literatur- und Kulturwissenschaft. Im Anschluss folgte ebenfalls an der Universität Bonn das Masterstudium in Geschichte, mit einem Auslandsaufenthalt an der Université de Fribourg (Schweiz), welches er 2013 erfolgreich abschloss. Erste berufliche Erfahrungen sammelte Philipp Hartmann als studentische Hilfskraft am Lehrstuhl für Geschichte der Frühen Neuzeit […]

Quelle: http://achtundvierzig.hypotheses.org/672

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10 Thesen zur guten Wissenschaftskommunikation in den sozialen Medien #zehnthesen

Zur Vorbereitung auf den Workshop Wissenschaftskommunikation “Image statt Inhalt?”, organisiert von der VolkswagenStiftung, haben Tobias Wulf, Gesche Schifferdecker und Sascha Foerster zehn Thesen zur guten Wissenschaftskommunikation in den sozialen Medien aufgestellt. Diese Thesen sollten eigentlich der internen Vorbereitung auf den Workshop dienen, wir möchten diese aber heute als Beitrag zur Diskussion um die Standards qualitätsvoller Wissenschaftskommunikation veröffentlichen und diskutieren, ja sogar bearbeiten lassen. Mit sozialen Medien meinen wir Twitter, Facebook, Google+ und andere Dienste, aber besonders Blogs in ihren verschiedenen Formen. Grundlage der Thesen ist die Annahme, dass Wissenschaftskommunikation, Öffentlichkeitsarbeit und sogar Wissenschaftspraxis in den sozialen Medien nicht mehr einfach auseinander zu halten sind.
Diese 10 Thesen befinden sich auch in diesem Etherpad, in dem sie kollaborativ von jedem ergänzt, verändert und korrigiert werden können.

https://etherpad.mozilla.org/06nDt3TJy7

  1. In den sozialen Medien gelten einerseits die gleichen Regeln für gute wissenschaftliche Praxis wie in allen anderen Publikationsorganen. Andererseits können sich aus Rezipientenperspektive hier private, dienstliche und wissenschaftliche Kanäle vermischen. Dies kann ein Vorteil sein, muss aber bedacht bzw. strategisch geplant werden.
  2. In den sozialen Medien macht es Sinn, die Persönlichkeit des Autors in den Vordergrund zu stellen – vor allem, wenn diese einen Zusammenhang zu den Inhalten herstellt. In der Ansprache der Zielgruppe(n) ist ein persönlicher Ton durchaus erwünscht und angemessen. Dies impliziert jedoch keine Abwertung der wissenschaftlichen Inhalte.
  3. Statistiken können die Reichweite der verschiedenen Postings deutlich machen, aber Reichweite allein ist kein Kriterium für die Qualität eines Postings. Andererseits bedeutet ein Posting ohne Reichweite verfehlte Kommunikation.
  4. Die Stärke der sozialen Medien ist, dass Wissenschaftler selbst ohne weitere Zwischenschritte (wie institutionalisierte Fach- oder Publikumsmedien) zum Sprachrohr werden und so ihre Inhalte direkt kommunizieren können.
  5. Soziale Medien sind niedrigschwellig und können schon zu einem frühen Zeitpunkt im Wissenschaftsprozess genutzt werden. So wird der gesamte Prozess abgebildet und nicht nur das wissenschaftliche Ergebnis.
  6. Soziale Medien sind eine neue (nachgelagerte) Form der Filterung – die die alten Formen wissenschaftlicher Qualitätssicherung nicht ersetzen will, aber als zusätzliches Instrument angesichts immer unüberschaubarer werdender Massen von Inhalten im Netz für diesen Bereich neben sie tritt.
  7. Soziale Medien intensivieren im besten Fall die Kommunikation von Wissenschaftlern untereinander und mit der interessierten Öffentlichkeit. Dafür ist aber eine interaktive Nutzung nötig anstelle von einseitigem Senden.
  8. Gute Wissenschaftskommunikation in den sozialen Medien arbeitet Hand in Hand mit den klassischen Medien, denn jedes Medium hat seine Stärken und Schwächen, die sich im Idealfall ergänzen.
  9. Soziale Medien bedeuten Kommunikation auf Augenhöhe, sie sind mehr Dialog als Monolog. Diese Arbeitsweise verändert auch Prozesse in Organisationen.
  10. Die sozialen Medien und die Kommunikation in denselben verändern sich ständig, deswegen sollte man aktuelle Trends und Entwicklungen verfolgen und auf diese eingehen.

Weiterführende Links:

Nach #woem und #siggeneraufruf: Redet miteinander! Über gute Wissenschaftskommunikation, Mein tumblr: http://t.co/kgeETiV1be

— Jens Rehländer (@Jens_Rehlaender) June 18, 2014

Zur Gestaltung der Kommunikation zwischen Wissenschaft, Öffentlichkeit und den Medien. Empfehlungen vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen
http://www.leopoldina.org/uploads/tx_leopublication/2014_06_Stellungnahme_WOeM.pdf

Siggener Aufruf
http://www.wissenschaft-im-dialog.de/wissenschaftskommunikation/weiterentwicklung/siggener-aufruf.html

Quelle: http://gab.hypotheses.org/1336

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Sektion 1: Abstract zum Referat von Jacques van Rensch Mr. über niederländische Kooperationsprojekte mit Ehrenamtlichen

Jacques van Rensch Mr. (Regionaal Historisch Centrum Limburg, Maastricht) berichtet in seinem Referat „Genealogen in NL in Verbindung mit ‚Foto zoekt familie‘-Projekt des Koninklijk Institut voor de Tropen“ über die sowohl hilfreiche als auch aufwendige Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen

Seit fast zwei Jahrzehnten hat in den Niederlanden die Zusammenarbeit zwischen freiwilligen oder ehrenamtlichen Mitarbeitern und Archiven einen rasanten Aufschwung genommen. Das erste große Projekt auf nationaler Ebene war in den 1990er Jahren das beim damaligen Reichsarchivdienst in Angriff genommene Projekt „Genlias“, eine zentrale Datenbank, in der Informationen aus allen Urkunden des Personenstandsregisters gespeichert wurden. Das Projekt, das teilweise noch immer läuft (www.wiewaswie.nl), wäre ohne das Engagement von ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die die Daten in die Datenbank übertragen, nicht denkbar gewesen.

In den letzten Jahren gibt es eine ganze Reihe von größeren und kleineren Projekten, an denen sich Freiwillige beteiligen. Meistens ist es nicht schwierig Freiwillige anzuwerben, z.B. über einen Bericht in der Lokalzeitung. Bekannt aus letzter Zeit sind das Projekt „Foto zoekt Familie“, ein Projekt des Koninklijk Instituut voor de Tropen und „Viele Hände machen leichte Arbeit“. Bei diesem Kooperationsprojekt werden durch „crowdsourcing“ Massenakten digitalisiert (z.B. Eintragungsregister für Wehrpflichtige, Kataster und Grundbuch oder Polizeimelderegister), die Freiwillige nachher zu Hause auswerten und in einer zentralen Datenbank speichern (www.velehanden.nl).

Ehrenamtliche nehmen dem Archiv viel Arbeit ab, aber man bekommt die Arbeit nicht umsonst. Es erfordert einen gewissen Personaleinsatz des Archivs, es müssen Büroräume und Computer bereitgestellt werden und es fallen Reisekosten an. Man sollte darauf achten, dass die Aufgaben der Ehrenamtlichen auf deren Interessen und Kenntnisse abgestimmt sind. Hinzu kommt, dass das Archiv auch verantwortlich für eine gewisse Qualitätssicherung ist. Es gibt auch Grenzen des Einsatzes: Bei klassischen Verzeichnungsarbeiten, z.B. bei Kirchenarchiven und Vereinsarchiven, sind die Erfahrungen mit ehrenamtlichen Mitarbeitern bis auf wenige Ausnahmen nicht so günstig.

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Kurzbiographie von Jacques van Rensch

  • Seit 2005 Reichsarchivar in der Provinz Limburg beim Regionaal Historisch Centrum Limburg
  • Jura-Studium an der Universität Nimwegen, Archivausbildung an der Reichsarchivschule
  • 1978–1992 Abteilungsleiter Stadtarchiv Maastricht und 1992–2005 Reichsarchiv Limburg: Verzeichnung von Archiven, archivrechtliche Fragen
  • Forschung: Rechtsgeschichte, Geschichte kirchlicher Institutionen und Adelsgeschichte

Quelle: http://lvrafz.hypotheses.org/1391

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“Geistermauern”: Architektur – Redewendung – Weltbild

Die in der traditionellen chinesischen Architektur unmittelbar hinter dem Eingangstor eines Anwesens platzierte kurze Mauer wird im Deutschen “Schattenmauer” (eine wörtliche Übersetzung des dafür gängigen Begriffs yingbi 影壁) oder auch “Geistermauer” genannt.[1]. Befindet sich eine solche Mauer vor dem Eingangstor eines traditionellen chinesischen Gebäudes, wird sie  zhaobi 照壁 (“Spiegelmauer”) oder zhaoqiang 照墻 (“Spiegelwand”) genannt – diese Wände konnten auch aus Holz gefertigt sein.

yingbi 影壁

Eine “Geistermauer” auf dem Gelände des “Neuen Sommerpalastes” (Yiheyuan 頤和園), Beijing – Foto: Georg Lehner 

Der Zweck einer solchen Wand liegt auf der Hand:

“Sie verhindert, daß böse Geister ins Haus eindringen, weil Geister nur schnurgeradeaus gehen und nicht den Bogen um die Schattenmauer machen können.”[2]

Wohl auf diesen Aspekt spielt auch die chinesische Redewendung zhuan yingbi 轉影壁 (“sich um die Geistermauer herumdrehen”) an, was nichts anderes bedeutet als “wie die Katze um den heißen Brei herum gehen”, also “es zu vermeiden, die Wahrheit zu sagen”[3]

Was mit den “bösen Geistern” gemeint ist, erläuterte bereits der Architekt Ernst Boerschmann (1873-1949) im ersten Band seines Werkes Die Baukunst und religiöse Kultur der Chinesen:

“[...] gewissermaßen die negative Bestimmung jener Geistermauer, nämlich der Abschluß gegen fremde Einflüsse, daher der Name Yin pi, Schattenmauer. Das Volk, das alle feinen Gedanken vergröbert und versinnlicht, bezeichnet diese Einflüsse als böse Geister, und im Hinblick darauf haben wir fremden bisher ein Recht gehabt, von einer Geistermauer zu reden, die den bösen Geistern verbietet, schnurstracks ins Innere zu gelangen.”[4]

Die “positive Seite” dieser Abschirmungswand strich Boerschmann jedoch ebenfalls hervor:

“ist die Offenbarung der Weltidee, wie man sie sich heimisch wünscht im Hause oder im Tempel. Die Mauer, die darum auch, wie wohl seltener Chao pi, Spiegelmauer, genannt ist, soll den Gedanken des Ewigen wiederspiegeln, konzentriert wie in den Zauberspiegel des Lao tsze, in dem man die Geheimnisse der Natur erkennt, wie in einem Brennpunkt. Deshalb sind auf dieser Mauer [...] als dem Spiegel, entsprechende Darstellungen angebracht, die jene Weltanschauung widerspiegeln sollen. Umgekehrt wird auch der Weltgedanke von diesem Spiegel wieder zurückstrahlen und in die Anlage, in die Herzen der Bewohner verstärkt eindringen. Es ist die gleiche Vorstellung, wie von dem Zauberspiegel unserer Märchen, in denen auch etwas aus dem Spiegel heraus ersehen wird, was nicht nur rückstrahlend ist.”[5]

  1. Weitere gängige Übersetzungen: Schutzmauer, Schutzwand (gegen böse Geister).
  2. Wolfram Eberhard: Lexikon chinesischer Symbole. Die Bildsprache der Chinesen (München, 5. Aufl., 1996) 250. Vgl. dazu auch Walter Böttger: Kultur im Alten China (Leipzig 1977) 116. sowie Hochschule Ludwigshafen am Rhein: Ostasienlexikon, Stichwort “Geistermauer”.
  3. Grand Dictionnaire Ricci, Bd. 2, S. 163 (Nr. 2599).
  4. Ernst Boerschmann: Die Baukunst und religiöse Kultur der Chinesen. Bd. 1: Pu t’o shan. Die heilige Insel der Kuan yin, der Göttin der Barmherzigkeit (Berlin 1911) 42.
  5. Ebd.

Quelle: http://wenhua.hypotheses.org/1182

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Vortrag: Christoph Sonnlechner, Wien Geschichte Wiki (Offene Archive 2.1)

Christoph Sonnlechner, Wien Geschichte Wiki. Ein semantisches MediaWiki als Wissensplattform für die Stadt (Konferenz “Offene Archive 2.1″, Stuttgart, 3. April 2014):
Das Video und die Folien des Vortrags sind ab sofort online!

Quelle: http://archive20.hypotheses.org/1750

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Winterschool “Saisir l’Europe/ Europa als Herausforderung” – ein Tagungsbericht

Europa steckt in einer schwierigen Phase. Gestartet als ein Projekt der Hoffnung, der Völkerverständigung, der wirtschaftlichen Prosperität und politischen Stabilität, ist es seit einigen Jahren zu einer Chiffre von Finanz- und Schuldenkrise, Legitimationskrise, von Rechtspopulismus und Abschottung geworden. Mit dem Scheitern der Abstimmungen über die europäische Verfassung unter anderem in Frankreich erlitt das Projekt Europa 2005 einen herben Rückschlag. Es sah sich mit dem Vorwurf konfrontiert, die Menschen aus dem Blick zu verlieren. Heute führt der Auftrieb rechtspopulistischer Parteien und das Erstarken nationalistischer Argumente die von vielen geteilte ablehnende Haltung gegenüber der europäischen Integration vor Augen.

Offenbar glauben längst nicht mehr alle Menschen an eine positive Entwicklung von Politik und Wirtschaft im Rahmen der EU. Für viele überzeugte Europäer wirkt dies wie eine Absage an die europäisch geltenden Ideale von Demokratie, Menschenrechte und Frieden. Vielleicht braucht Europa eine differenziertere Betrachtung. Zwischen allzu monokausalen Legitimitätsdiskursen, die selten Raum für alternative Denkmuster lassen, und einer generellen Ablehnung der europäischen Integration, gilt es neue Wege zu finden, über Formen der Vergemeinschaftung in Europa zu diskutieren.

In diesem Sinne kann man „Europa als Herausforderung“ denken– so heißt ein 2012 ins Leben gerufenes deutsch-französisches Kooperationsprojekt (zu französisch „Saisir l’Europe“), an dem zahlreiche Universitäten und Forschungseinrichtungen beiderseits des Rheins beteiligt sind. Die hier angesiedelten Wissenschaftler nahezu aller akademischen Disziplinen haben es sich zum Auftrag gemacht, über die Grundlagen des hochkomplexen Gebildes namens Europa zu reflektieren.

Die Versammlung dieser Gruppe überzeugter, wenn auch nicht unkritischer Europäer im Rahmen einer Winterschool in Frankfurt (Februar 2014) diente dem Zweck, über die epistemischen Grundlagen und heuristischen Ansätze einer Verwissenschaftlichung von Europa zu debattieren. Wahrscheinlich bedarf es nicht nur einer internationalen, sondern auch interdisziplinären Kooperation, um in einem immer nur schrittweise voranschreitenden Prozess und in einem Akt umfassender Selbstreflexivität darüber zu beraten, was die Wissenschaft zum besseren Verständnis unserer Gemeinschaft beitragen kann. Und dabei sollte sie noch die kritische Distanz wahren zu einem Europa verstanden als politische Institution, die auf die Etablierung eines europäischen Forschungsraumes bedacht ist und die Wissenschaften zu diesem Zweck großzügig fördert.

Es sei die Frage erlaubt nach dem, was eigentlich eine Wissenschaft leisten kann, die von der europäischen Einigung selbst in hohem Maße profitiert und politischen Normen und Prämissen aufgeschlossen gegenübersteht, diese selbst nur allzu oft rezipiert und sich zu eigen gemacht hat. Hat eine Disziplin wie die Geschichte mit ihren Vordenkern eines Jacques Le Goff, der Europa schon im Mittelalter aufziehen sieht, nicht zur Verstetigung der europäischen Meistererzählung beigetragen? Das Resultat dieser teleologischen Lesart, das machte Daniel Schönpflug (Berlin) deutlich, ist die Alternativlosigkeit, mit der wir Europa heute denken. Nichts birgt ein größeres Risiko als das Denken in Ausschließlichkeiten. Die Wissenschaft solle dahin kommen, Europa nicht als Gegebenes zu begreifen und ihren Axiomen als ein a priori zugrunde zu legen, so Schönpflug. Deutlich wurde in Frankfurt, dass Europa ein historisch, politisch und sozial verortetes Konstrukt ist, dessen Prämissen wir uns gewahr werden müssen.

Sozialstaat, Nachhaltigkeit und urbane Gewalträume sind die Forschungsachsen von „Europa als Herausforderung“. Sie bilden die thematische Grundlage für den Forschungsverbund. Selbstreflexivität heißt, sich über die Grundlagen jedweder Erkenntnis und die der Untersuchung zugrunde liegenden Parameter zu verständigen. Dabei ist auf der Frankfurter Tagung immer wieder das hermeneutische Problem der Standortgebundenheit jeden Wissenschaftlers zu Tage getreten. Dieser bewegt sich in einem Geflecht aus Normen und Konventionen. Die wohl schwierigste Aufgabe besteht darin, diese zu überwinden.

Jede Theorie zu und über Europa sei zwangsläufig philosophisch und ideologisch geprägt, stellte Pierre Monnet (Frankfurt) fest. Dahinter steht die Annahme, dass in jede Betrachtung Normen einfließen, die die Gesellschaft vorgibt. Zum Thema der Nachhaltigkeit verwies Monnet auf das sich fortwährend wandelnde Verhältnis von Kultur und Natur. Das, worauf sich der Anspruch der Nachhaltigkeit richtet, ist keineswegs abschließend definiert. Als nachhaltig kann man genauso Maßnahmen zum Schutz der Umwelt, als auch zum Erhalt von Arbeitsplätzen oder zur Steigerung der Mobilität bezeichnen. In diesem Sinne argumentiert auch die Europäische Kommission, die den Ausbau transeuropäischer Verkehrsachsen wie die Strecke Paris-Bratislava via Stuttgart forciert. Für Anaïs Volin (Lyon) stellt „Nachhaltigkeit“ eine Sonde dar, die gegensätzlichen Positionen in der Auseinandersetzung um Stuttgart 21 und anderer Verkehrsgroßprojekte in Europa zu durchleuchten. In dem konflikthaften Umfeld der Nachhaltigkeitsdebatte sei insgesamt das Auftreten dominierender Diskurse zu beobachten, ergänzte Anahita Grisoni (Lyon). Diese Diskurse bezögen ihre Legitimität aus einem moralisch-ethischen Impetus. Der Verweis auf die Verantwortung gegenüber künftigen Generationen fungiere als Legitimationsmuster, mit dem die Alternativlosigkeit (umwelt-) politischer Maßnahmen glaubhaft gemacht werde.

Alternativlos wird auch der Umgang mit Gewalt in Europa gedacht. Während sich Europa nach außen abschottet und seine Außengrenzen einer Festung gleichen, wird im Innern oftmals die Illusion eines gewaltfreien Raumes gehegt. Es ist charakteristisch für die Aufklärung und den Liberalismus seit dem späten 18. Jahrhundert, Gewalt im Zuge fortschreitender Zivilisierung als ein in absehbarer Zeit überkommenes Problem zu betrachten. Folgt man Jan Philipp Reemtsma, so klammert sich die Gesellschaft heute an die Strategie der „Verrätselung“ und betont ihr Unverständnis gegenüber den multiplen Katastrophen der europäischen Geschichte seit 1914. Als Vertreterin der Forschungsachse urbane Gewalträume machte Teresa Koloma Beck (Berlin) darauf aufmerksam, wie die Vorstellung eines gewaltarmen Europas auch als Abgrenzungsmerkmal gegenüber sogenannten Entwicklungsländern fungiere. Dabei dürfe nicht vergessen werden, dass Krieg und Gewalt inhärenter Bestandteil des europäischen Vergesellschaftungsprozesses war, und wir heute zwar in einer auf den ersten Blick relativ gewaltarmen Gesellschaft leben, in dieser Gewalt aber immer wieder auftritt. Was bedeutet vor diesem Hintergrund das Schweigen der Geistes- und Sozialwissenschaften, die sich offenbar das Zivilisierungsaxiom der Aufklärung zu eigen gemacht und zur Bedeutung der Gewalt in unserer heutigen Gesellschaft jenseits rationaler Problemlösungsansätze wenig zu sagen haben?

Die Stärke von „Europa als Herausforderung“ liegt in der kritischen Betrachtung dieses Verhaftetseins in einem der jeweiligen Disziplin inhärenten Geflechts von Vorannahmen, die den analytischen Blick beeinflussen und nicht selten trüben. Darauf machte auch Arnaud Lechevalier (Paris) aufmerksam, der zum Thema Sozialstaat auf die für jedes Land typische Betrachtungsweise der Beschäftigungs-und sozialen Leistungssysteme verwies. Historisch habe sich der Sozialstaat im nationalen Rahmen entwickelt, haben sich nationale Sprachmuster und soziale Begriffskategorien herausgebildet. Lechevalier plädierte für einen vergleichenden Ansatz, der die Verflechtungen zwischen Frankreich und Deutschland sowie die jeweiligen Spezifika konturieren helfe. Auch mit der Globalisierung verliere der nationale Vergleich nicht an Bedeutung, sondern werde durch ein komplexes Mehrebenenmodell ergänzt, das das Zusammenspiel zwischen lokalem, nationalem und europäischem Raum aufgreife.

Der Ansatz der Verflechtung war denn auch der rote Faden der Tagung. Als Prisma zur Fokussierung von kollektiven Vorstellungen, Vorurteilen, Normen sowie deren Produktions- und Verbreitungsmechanismen bewährte sich wiederholt der Ansatz der „histoire croisée“. Ihr prominentester Vertreter auf der Tagung, Michael Werner (Paris), wies auf das Gewicht der Sprache hin. Sprache beeinflusse die Wahrnehmung der Realität, wobei schon Übersetzungen zu Bedeutungsverschiebungen führten. Der englische Begriff der «sustainability» hat im Deutschen eine Doppelbedeutung und kann sowohl «Dauerhaftigkeit» als auch «Vertretbarkeit» bezeichnen. Werner machte mit diesem Beispiel die Wanderung von Begriffen durch die verschiedenen Sprachen deutlich, um zu zeigen, wie sich Akteure mit den historisch gewachsenen Sprachtraditionen auseinanderzusetzen haben, wie aber auch Begriffe durch Sprachimporte verändert werden.  Die Aufnahme von Termini aus einer fremden Sprache geschehe dabei oftmals nach einer Logik, hinter der sich eine bestimmte politische oder ideologische  Agenda verberge. Mit dem Ansatz der Verflechtung verbindet sich insofern eine Strategie zur Entwirrung der vielfältigen Interdependenzen zwischen den Vergleichsobjekten, ob dies Staaten, Regionen oder Städte sind. Sprache wird hier selbst zum Untersuchungsobjekt, das Europa als großen Austausch- und Kommunikationsraum greifbar werden lässt.

Am Ende hat die Tagung keine abschließende Antwort auf die „europäische Frage“ gegeben. Aber sie hat deutlich gemacht, welche Vorstellungen sich mit Europa verbinden und welche Risiken diese in sich tragen. Die Entzauberung Europas ist nicht zu verwechseln mit der Absage an seine Idee. Die Tagung hat gezeigt, wie die Europäer Europa als einen Prozess mit vielfältigen Konstanten und Faktoren denken können und sollten. Das Streben nach einer gemeinsamen europäischen Identität berge das Risiko der Exklusivität, erinnerte Schönpflug. Impliziert Inklusion nach Innen auch Exklusion nach Außen, geht die Anstrengung für eine gemeinsame Identität nicht selten zu Lasten Dritter, die von diesem Integrationsprozess ausgeschlossen sind. Europa dürfe nicht als homogene und geschlossene Entität gedacht werden. Darin kommt auch die Sorge vor einem Eurozentrismus zum Ausdruck, der europäische Phänomene privilegiert und die Verflechtung mit der übrigen Welt vernachlässigt. Falk Bretschneider (Paris) plädierte dafür, die Beziehung Europas zur übrigen Welt nicht aus dem Blick zu verlieren und die hier stattfindenden Interaktionen als Erkenntniszuwachs für die Betrachtung Europas nutzbar zu machen.

Bildnachweis: Wikimedia Commons (public domain).

Quelle: http://gewalt.hypotheses.org/504

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“Mein liebes Herz” – Zeichnungen von der Westfront im 1. Weltkrieg

 

Briefe und Zeichnungen von der Westfront (1. Weltkrieg) – Wilhelm Weber (Ausstellung)

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Zeichnungen des pfälzischen Künstlers und Lehrers Wilhelm Weber, der im Ersten Weltkrieg im Verbund der bayerischen Armee an der Westfront im Einsatz war, zeigt die Abteilung Kulturelles Erbe/Stadtarchiv Speyer in einer Kooperation mit der Universitätsbibliothek Heidelberg. Die kleine Ausstellung im Foyer der Bibliothek zeigt einen Querschnitt des Werks von Weber, der seine Eindrücke an und hinter der Front in zahlreichen Graphit-, Tusche- und Buntstiftzeichnungen festgehalten hat. Neben dem „Alltag“ in den Schützengräben bilden seine Zeichnungen auch Landschaften, Gebäude und Dörfer hinter den Frontlinien sowie Unterstände und Quartiere der Soldaten ab. Die Ausstellung mit dem Titel „Mein liebes Herz“ wird bis Mitte September 2014 gezeigt und ist montags bis freitags ab 8.30 Uhr und am Wochenende ab 9 Uhr bis zur Schließung der Universitätsbibliothek um 1 Uhr nachts zu sehen.

 

Der pfälzische Lehrer Wilhelm Weber, 1887 in Neustadt an der Weinstraße geboren und 1964 in Speyer gestorben, diente im Ersten Weltkrieg als Soldat und Offizier der bayerischen Armee an der Westfront. Er erlebte einige der grauenvollsten Schlachten des Krieges mit, etwa die Schlacht an der Somme. Seine Zeichnungen, mit denen er sich vermutlich auch die Zeit des Wartens und der Ungewissheit an der Front vertrieben hat, verschickte er meist zusammen mit Feldpostbriefen an seine Frau – in aller Regel überschrieben mit „Mein liebes Herz“, was der Ausstellung den Titel verlieh. Die Schau stellt exemplarische Werke sowie die Biographie des Künstlers Weber vor. Ergänzt wird sie durch ein erweitertes Web-Angebot: Über sogenannte QR-Codes, die unter anderem auf ein Bildernetzwerk verweisen, lassen sich sämtliche Zeichnungen mit zusätzlichen Beschreibungen und Texten auch im Internet abrufen. Im Stadtarchiv Speyer werden über 60 Zeichnungen Wilhelm Webers verwahrt. Im Rahmen einer größeren Präsentation zum Ersten Weltkrieg in Speyer und der Pfalz werden die Zeichnungen im November und Dezember 2014 auch im Stadtarchiv Speyer gezeigt.

 

Links:

 

Zeichnungen und Briefe Wilhelm Webers:

 

Im Schützengraben http://de.pinterest.com/speyerarchiv/im-sch%C3%BCtzengraben-wilhelm-weber-1887-1964/

 

Quartiere http://de.pinterest.com/speyerarchiv/quartiere-wilhelm-weber-1887-1964/

 

Landschaften von W. Weber http://de.pinterest.com/speyerarchiv/landschaften-wilhelm-weber-1887-1964/

 

Feldpostbriefe von W. Weber http://de.pinterest.com/speyerarchiv/feldpostbriefe-wilhelm-weber-1887-1964/

 

Quelle: http://histbav.hypotheses.org/2520

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Keine Gnade für die Franzosen?

Die Schlacht bei Alerheim Anfang August 1645 war ein Desaster für die kurbayerische Armee – hohe Verluste, dazu der Tod des Feldherrn Mercy. In den Korrespondenzen mit seinen Gesandten beim Westfälischen Friedenskongreß bewegte Kurfürst Maximilian allerdings ein ganz anderes Thema: Angesichts des Blutzolls, den die französischen Regimenter geleistet hatten, fürchtete er, „es werden sich abermal gehässige leüth finden, welche spargiren dürffen, als ob die unserige auß sonderbarem haß und rach forderist den Franzosen hart zuesetzen und sie nit wie die Teutsche gefangen nemmen, sonder ohne ainige erthaillung der begerten quartier nidermachen thetten“ (Maximilian an seine Gesandten am 9.8.1645, in: Die diplomatische Korrespondenz Kurbayerns zum Westfälischen Friedenskongreß, Bd. 2: Die diplomatische Korrespondenz Kurfürst Maximilians I. von Bayern mit seinen Gesandten in Münster und Osnabrück, Teilband 2: August – November 1645, bearb. v. Gabriele Greindl und Gerhard Immler (Quellen zur Neueren Geschichte Bayerns, 2/2), München 2013, S. 369).

Hatte der Kurfürst in diesem Moment tatsächlich Sorge, daß der Krieg sich radikalisierte und die Kriegführung von einer neuen Verbitterung geprägt sein würde? Eigentlich war es in der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs unüblich, den Gegner niederzumachen, wenn er den Kampf aufgeben wollte und um „Quartier“ bat, also darum, als Kriegsgefangener behandelt zu werden. Dies war zum wenigsten Ausdruck einer humanen Kriegführung als vielmehr dem Umstand geschuldet, daß auf beiden Seiten Söldner kämpften, die nicht aus ideologischen oder religiösen Gründen in den Krieg gezogen waren, sondern einen Beruf ausübten. Es gab eine gewisse Solidarität unter den Söldnern, und Gefangenen machte man oft das Angebot, in der Armee des Siegers zu dienen: Diese Söldner wurden „untergestoßen“, wie man sagte, fehlten also nicht nur dem Gegner, sondern verstärkten sogar die eigenen Truppen – während sie selbst wiederum in Lohn und Brot standen. Feindliche Söldner nicht zu töten, sondern gefangen zu nehmen, konnte eine win-win-Situation für alle Beteiligten sein.

Genau dieser Mechanismus war in der Schlacht von Mergentheim, ungefähr drei Monate vor Alerheim, gestört worden – angeblich. Denn es kamen Gerüchte auf (interessanterweise mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung von einigen Wochen), denen zufolge die siegreiche bayerische Armee „ein unerhörliche crudelitet und verbitterung insonnderheit wider die Franzosen erscheinen lassen, keinem kein quartier geben wollen, sonder alle nidergemacht und den Teutschen allein verschont haben“ (so Maximilian an seine Gesandten am 12.7.1645, S. 291). Kurfürst Maximilian war angesichts dieser Berichte aufs Höchste alarmiert. Eine solche Eskalation der Gewalt paßte nur schlecht zu seinen Bestrebungen, mit der französischen Seite so schnell wie möglich ein armistitium, eine Beilegung der Kämpfe also, zu erreichen. Natürlich wußte er wie auch sonst alle Zeitgenossen, daß im Kampfgeschehen so erbittert gefochten werden konnte, daß jeder Comment unter den Söldnern vergessen wurde, „da der unbündig soldat in der hütz der waffen und rabbia in keinem zaun zu halten“ (ebd. S. 370, siehe ähnlich auch schon S. 312 u.357 die bayerischen Gesandten am 19.7. und 8.8.1645).

Doch in diesem Fall gab es offenbar noch ein anderes Kalkül. Von französischer Seite wurde die Debatte über das angebliche Massaker an französischen Söldnern bei Mergentheim über Wochen und Monate hochgehalten. Damit hielt man die bayerische Seite auf Trab, die sich nach Kräften bemühte, dieses Gerede als irrig abzutun. Doch mochten diese Gerüchte tatsächlich haltlos sein, halfen sie der französischen Seite doch, den bayerischen Sieg bei Mergentheim in eine moralische Katastrophe für den Sieger zu verwandeln – was wiederum den politischen Preis für das von Maximilian so sehnlich gewünschte armistitium hochtrieb. Jedenfalls instruierte der Kurfürst seine Gesandten in Münster, daß die französischen Verluste bei Alerheim ganz normal im Zuge der Kämpfe zustande gekommen seien und nicht infolge von bayerischen Exzessen. Das Thema läßt sich noch bis September 1645 verfolgen, denn Haslang berichtete noch am 7.9.1645 von dieser Affäre (Bd. 2,2, S. 461). Ob tatsächlich nationale Befindlichkeiten eine Rolle im Krieg spielten, ist angesichts dieser politischen Dimension der Debatte schwer zu entscheiden.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/461

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Chronicon Bürglense – Einleitung, Übersetzung und Kommentar (Kapitel 1)

Nachdem es im Blog aus verschiedenen Gründen eine Weile still war, soll nun eine neue Reihe gestartet werden. Geplant ist es, in den nächsten Monaten kapitelweise das sogenannte Chronicon Bürglense, Gründungsbericht und Traditionsbuch des sanktblasianischen Priorats Bürgeln mit lateinischem Text und deutscher Übersetzung im Blog zu veröffentlichen. Damit adaptieren wir eine Idee des Mittelalterblogs, wo seit einigen Monaten eine Übersetzung der Historia Occidentalis des Jakob von Vitry veröffentlicht wird.

Im Folgenden soll kurz die Relevanz der Quelle für die Forschung sowie deren Inhalt, Entstehungskontext und Überlieferung vorgestellt werden. Daran an schließen der lateinische Text und eine deutsche Übersetzung des ersten Kapitels, sowie ein kurzer Kommentar zum ersten Kapitel.

I. Relevanz der Quelle für die Forschung

Zwar hat das Chronicon Bürglense einen deutlich lokaleren Bezug als die Historia Occidentalis des Jakob von Vitry, es handelt sich aber keineswegs um eine nur für die landesgeschichtliche Forschung interessante Quelle. Es ist vielmehr ein gutes Beispiel dafür, dass die anlässlich der Ausschreibung eines Editionsstipendiums von den MGH unlängst postulierte Trennung in landesgeschichtliche Quellen einerseits und für die Mittelalterliche Geschichte im Allgemeinen relevante Quellen andererseits, kaum möglich ist.1 Das Chronicon bietet nämlich sowohl Informationen für die landesgeschichtliche Erforschung des Klosters St. Blasiens, von dessen Prioraten sowie der Adelsgeschichte des Breisgaus, ist aber auch als Beispiel klösterlicher Gründungsgeschichten oder Historiae fundationum monasteriorum – so der von Jörg Kastner gewählte Sammelbegriff2 – relevant. Es bietet Ansatzpunkte für Fragen nach Entstehungsgrund und Funktion dieser Quellen3, aber auch zu Fragen adligen Selbstverständnisses, klösterlichen Reformbewegungen oder der Qualität von Besitzübertragungen.

II. Inhalt

Ähnlich wie die wesentlich prominenteren Zwiefalter Chroniken (1, 2) beschreibt das Chronicon Bürglense die Gründung eines, wenn auch deutlich kleineren Klosters, durch eine Adelsfamilie. Im Falle des zwischen Basel und Freiburg, unweit von Schliengen gelegenen Bürgelns,4 war dies die nach Ausweis des Chronicons die im Breisgau, Burgund und Rhätien begüterte Familie der Herren von Kaltenbach. Anders als die Gründer von Zwiefalten, die Grafen Liutold von Achalm und Kuno von Wülflingen, traten Werner von Kaltenbach und seine Frau Ita aber bereits anlässlich der initialen Schenkung in das Kloster St. Blasien ein, ein Schritt, den  – teilweise vor, teilweise nach den Eltern – auch zwei Söhne und zwei Töchter vollzogen.5. Damit traten alle Mitglieder der Familie ins Kloster St. Blasien und dessen Priorate ein,6, hier Kapitel 2, S. 367)), ein in seiner Totalität durchaus ungewöhnlicher Fall.7

Neben dem beinahe hagiographisch anmutendem Lob der Gründerfamilie und deren Klostereintritt, schildert das Chronicon auch die weitere Entwicklung Bürgelns und damit verbundene Rechtsstreitigkeiten. Besonderen Raum nimmt dann das Wirken der von Werner dem Jüngere und Wipert von Kaltenbach, den Söhnen des ursprünglichen Schenkers, für Bürgeln ein. Während beide zeitweise als Pröpste von Bürgeln tätig waren8, hebt das Chronicon insbesondere Wipert von Kaltenbach hervor, der im 17. und letzten Kapitel des Chronicons – einer Auflistung von Traditionsnotizen – mehrfach als Ankäufer von Gütern und Vermittler von Schenkungen dargestellt wird.9. Das Chronicon Bürglense beinhaltet damit auch Elemente eines Traditionsbuchs, wenngleich mir diese weniger im Vordergrund zu stehen scheinen, als dies Jörg Kastner in seiner vergleichenden Studie postuliert und in der “Darstellung der Besitzgeschichte” Bürgelns, das “eigentliche[n] Vorhaben” des Chronicons gesehen hat10.

III. Entstehungskontext und Überlieferung

Das Chronicon selbst ist wohl zwischen 1160 und 1180 im Kloster St. Blasien entstanden, ein späteres sankblasianisches Repertorium schreibt es einem Mönch Konrad des 12. Jahrhunderts zu, der möglicherweise noch Zeitgenosse Wiperts von Kaltenbach war.11.

Das Chronicon Bürglense liegt bislang nicht in einer modernen Edition, sondern lediglich in einem Druck des 18. Jahrhunderts vor, den der Sanktblasianer Mönch Rusten Heer besorgte.12. Dieser stützte sich dabei zwar hauptsächlich auf eine Abschrift des Chronicons, die 1494 der Notar Ulrich Buck anfertigte und zudem ins Deutsche übersetzte,13) konnte aber auch noch auf das heute verlorene Autograph zurückgreifen, nach Angabe Bucks ein ungefähr handbreiter und sieben Ellen langer Rodel, der heute wohl verloren ist.14 Heer notierte gelegentlich Variationen aus dem Autograph hielt sich aber sonst an die Abschrift Bucks, der nach Heer auch die zusammenfassenden Kapiteltitel verfasste.15.

Notarszeichen und Schriftproben

Notarzeichen des Notars Ulrich Buck und Schriftproben aus dem heute verlorenen Autograph sowie der Handschrift GLA Karlsruhe 65/139, gedruckt Chronicon Bürglense, S. 384

 

IV. Lateinischer Text und Deutsche Übersetzung

Kapitel 1: Qualiter Monasterium in monte Bürglen inchoatum sit, et cuius mons ipse antea fuit?

Omne, quod praedicatur aut scribitur, si veritatis ratione caret, vacuum et inane non ambigitur. Unde ad depellendas caliginosas tetrae oblivionis tenebras, et ad verae cognitionis luces serenandas, stili narratione duximus dignum, ad utilitatem posterorum, qualiter Dei servitium in monte Bürglon monasteriali more sit initiatium. Praedictus namque mons cum omni sua pertinentia in Dominium parentelae, quae dicitur de Caltinbach, attinet hereditario iure a progenitorum prosapia, et illorum potestati deditus fuit et subditus curae. Nam pridem vetus ibidem constructa habebatur ecclesia, ac unius Clerici informabatur instantia: Nunc vero Domini optitulante gratia monachorum (uti in praesenti cernere est) solerti instituitur vigilantia.

Kap. 1: Wie das Kloster am Berg Bürgeln begonnen sein soll und wem der Berg zuvor gehörte?16

Man zweifelt nicht an, dass alles, was verkündet oder geschrieben wird – sofern es am Grundsatz der Wahrheit mangelt – leer und unnütz ist. Deshalb, um die dunkle Finsternis des schändlichen Vergessens zu vertreiben und um das Licht der wahrhaften Erkenntnis zu erhellen, hielten wir es für angemessen zum Nutzen der Nachwelt zu erzählen, wie am Berg Bürgeln der Dienst an Gott nach klösterlicher Gewohnheit seinen Anfang nahm. Der besagte Berg gehört – erbrechtlich von einer Vorfahrensippe herrührend – nämlich, mit allem seinem Zubehör zur Herrschaft einer Verwandtengruppe, die von Kaltenbach genannt wird; er war ihrer Herrschaft gegeben und ihrer Obhut unterworfen. Dort soll vor langer Zeit eine alte Kirche erbaut und ihr durch die Emsigkeit eines einzelnen Klerikers Gestalt gegeben worden sein. Nun aber ist sie dank der Hilfe und der Gnade des Herrn mit der klugen Fürsorge der Mönche versehen worden (wie es derzeit zu sehen ist).

V. Kommentar

Jörg Kastner hat dieses erste Kapitel als “einleitende Arenga” beschrieben, in der “in gewohnter Weise die Entstehungsursache des Werkes” angezeigt werde.17. Dabei wird einerseits auf den Nutzen des Werks für die Nachwelt (ad utilitatem posterorum) verwiesen, andererseits ein allgemeiner Impetus für Geschichtsschreibung bemüht, nämlich, dass Geschehenes nicht in Vergessenheit geraten dürfe (ad depellendas caliginosas tetrae ovlivionis tenebras).

Ist die Rechtfertigung des Schreibens also eher topisch gehalten und kann als “weiteres Beispiel für die im Hirsauisch-St. Blasianischen Bereich wirksamen Formtendenzen” beschrieben werden,18, so scheinen mir die allgemeine Qualität des Lateins, insbesondere aber die Bemühungen um eine ausgeprägte Metaphorik, sowie gewisse Parallelitäten in der Satzkonstruktion (ac unius Clerici informabatur instantia […] monachorum solerti instituitur vigilantia) auf eine hohe sprachliche Bildung des Autors und dessen literarischen Anspruch hinzuweisen. Auch wenn der Autor ähnliche Werke möglicherweise gekannt hat, habe ich aber keine größeren Übernahmen aus anderen Werken feststellen können.

Mangels eigener Kompetenz in der Beurteilung sprachlicher Fragen wird sich die Kommentierung künftiger Kapitel eher auf den historischen Kontext konzentrieren, für Anregungen, Kommentare und Hinweise zur sprachlichen Qualität des Chronicon Bürglense sowie hinsichtlich von möglichen wörtlichen Übernahmen aus anderen Quellen bin ich aber sehr dankbar.

Empfohlene Zitierweise: Chronicon Bürglense, Kapitel 1, eingeleitet, übersetzt und kommentiert von Johannes Waldschütz, in: Mittelalter am Oberrhein, 13. Juni 2014,  http://oberrhein.hypotheses.org/?p=425 (ISSN: 2199-210X).

  1. Vgl. dazu auch die Diskussion bei Archivalia
  2. Vgl. Jörg Kastner: Historiae fundationum monasteriorum. Frühformen monastischer Institutionengeschichtsschreibung im Mittelalter (Münchener Beiträge zur Mediävistik und Renaissance-Forschung 18), München 1978
  3. Vgl. die bisherige Forschungsdiskussion zusammenfassend: Stephan Molitor: Das Traditionsbuch. Zur Forschungsgeschichte einer Quellengattung und zu einem Beispiel aus Südwestdeutschland, in: Archiv für Diplomatik 36 (1990), S. 61–92, der dazu tendiert auch Chartularchroniken als Traditionsbücher einzuordnen und deren rechtliche und sakrale Funktion gegenüber deren historiographischer und administrativer Funktion höher bewertet. Den historiographischen Aspekt betonen Kastner, Historiae und Hans Patze: Adel und Stifterchronik. Frühformen territorialer Geschichtsschreibung im hochmittelalterlichen Reich, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 100 (1964), S. 8–81 und 101 (1965), S. 67–128. Dabei hebt Patze eher die Bedeutung der Chronistik für den Adel hervor, während Kastner diese als “Frühformen monastischer Institutionengeschichtsschreibung” deutet
  4. Nicht wie Kastner, Historiae S. 45 fälschlicherweise meint Bürglen in der Schweiz
  5. Vgl. zur Chronologie der Eintritte Adolf Schmidt-Clever: Die Gründung der Probstei Bürgeln. Mit einem Nachwort von Friedrich Pfaff, in: Alemannia 40 (1912), S. 47-80, hier S. 76f., online einsehbar mit US-Proxy; hinsichtlich der historischen Fragen wenig hilfreich aber den Inhalt paraphrasierend: Robert Gerwig:
  6. Ein im Chronicon genannter dritter Sohn tritt ist sonst nicht historisch greifbar und könnte früh verstorben sein, vgl. Conradi de S. Blasio Chronicon Bürglense, hg. von Rusten Heer, in: Ders.: Anonymus Murensis denudatus et ad locum suum restitutus seu acta fundationis principalis Monast. Murensis denuo examinata, et auctori suo adscripta…, Freiburg i. Br. 1755, Appendix II, S. 365-84, Digitalisat bei der Bayerischen Staatsbibliothek
  7. Vgl. als Parallelbeispiel den Fall der Grafen von Cappenberg, die ihre Burg in ein Stift umwandelten, Norbert Bewerunge: Der Ordenseintritt des Grafen Gottfried von Cappenberg, in: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 33, 1981, S. 63-81
  8. Vgl. dazu Urkundenbuch des Klosters Sankt Blasien im Schwarzwald. Von den Anfängen bis zum Jahr 1299, bearb. von Johann Wilhelm Braun (Veröffentlichungen der Kommission für Geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Reihe A: Quellen 23), 2 Bde. und CD, Stuttgart 2003, Vorbemerkung zu Nr. 131
  9. Chronicon Bürglense, S. 381-383, UB St. Blasien, Nr. 131
  10. Vgl. dazu Kastner, Historiae, S. 45f. mit der Beurteilung des Werks als “Vorstufe einer Cartularchronik“
  11. Conradi Monachi Saeculo XII, vgl. ausführlich Adolf Schmidt-Clever, Gründung, S. 47
  12. Conradi de S. Blasio Chronicon Bürglense, hg. von Rusten Heer, in: Ders.: Anonymus Murensis denudatus et ad locum suum restitutus seu acta fundationis principalis Monast. Murensis denuo examinata, et auctori suo adscripta…, Freiburg i. Br. 1755, Appendix II, S. 365-84, Digitalisat bei der Bayerischen Staatsbibliothek
  13. Heute GLA Karlsruhe 65/139, vgl. zu dieser Handschrift den Eintrag im Katalog: Die Handschriften der Staatsarchive in Baden-Württemberg, Bd. 2: Die Handschriften 65/1-1200 im Generallandesarchiv Karlsruhe beschrieben von Michael Klein, Wiesbaden 1978, hier S. 61 (online einsehbar bei Google Books); ebenfalls zu dieser und weiteren davon abhängigen Handschriften, UB St. Blasien, Nr. 130 (Vorbemerkung
  14. Vgl. Chronicon Bürglense, S. 383
  15. Chronicon Bürglense, S. 365.
  16. Für Hilfe bei der Übersetzung bin ich Dr. Tobie Walther, Mark Wittlinger M. A. und Albert Stoer zu großem Dank verpflichtet
  17. Kastner, Historiae, S. 45
  18. Kastner, Historiae, S. 45

Quelle: http://oberrhein.hypotheses.org/425

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