Schuldzuweisungen unter Verbündeten

In seiner Antwort an Maximilian von Bayern kam der Feldherr Tilly gleich zur Sache: Den Vorwurf, daß der spanische Rückzug bei Frankenthal wegen „meinem langsamen hierunter marchiern“ nötig gewesen sei, solle „billicher massen von mir refutiert, vnd abgelaint werden“. Es war durchaus ungewöhnlich und zeigte die helle Wut des Feldherrn, wie sehr er sich über die Vorhaltungen des spanischen Feldherrn Gonzalo de Cordova echauffierte (Generalleutnant Tilly an Maximilian von Bayern, Ladenburg 14.11.1621, BayHStA Kurbayern Äußeres Archiv 2297 fol. 414-415 Ausf.). Mit ihm sollte der Generalleutnant der Katholischen Liga in abgestimmten Aktionen gegen die Truppen vorgehen, die im Reich noch für die Sache des geächteten Pfalzgrafen kämpften.

Die Abstimmung aber war alles andere als einfach, und so erhob Tilly seinerseits Vorwürfe gegen den spanischen Feldherrn. Generell machte der Generalleutnant der Liga klar, daß er „Don Gonzalo fir ainen beschaidnen Caualliero im comandirn erckhenne“ – ein in seiner Deutlichkeit bemerkenswert drastisches Urteil.

[...]

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/1220

Weiterlesen

Hofzeremoniell 1500–1800, Teil II: Zeremoniell des Kaiserhofes 1500–1800

Ein Gastbeitrag von Mark Hengerer Der Hof war Treffpunkt von Personen mit unterschiedlichen Merkmalen, die über Differenzierung bzw. Rang entschieden: Lebensalter, sex bzw. gender, Gestalt/Herkunft im weitesten Sinne/Konfession/biographisch zugerechnete Ereignisse (z.B. militärische Erfolge) usw….

Quelle: http://hofkultur.hypotheses.org/1283

Weiterlesen

Die Damen der Kaiserin: Der Orden der „Sklavinnen der Tugend“ (Teil 1)

Dass Kaiserin Eleonora Gonzaga-Nevers 1662 einen Orden stiftete, der ausschließlich an Frauen aus fürstlichem und adeligem Hause vergeben werden konnte, ist mittlerweile aus der Literatur bekannt, vor allem durch Publikationen zum Ordenszeichen, die es seit dem 18. Jahrhundert wiederholt gegeben hat.

 

Die Basis der Kenntnisse über diese Vereinigung ist allerdings denkbar schmal – alle Erörterungen zu diesem Orden stützen sich fast ausschließlich auf die Publikation der Satzungen und einer Mitgliederliste, die Herzog Ferdinand Albrechts von Braunschweig-Wolfenbüttel (1636-1687), der sich 1674/75 in Wien aufgehalten hatte, in seine später gedruckte Reisebeschreibung aufgenommen hat1. Wieder abgedruckt hat beides Jahrzehnte später Johann David Köhler in einem Beitrag in seiner „Münzbelustigung“2, und so dürfte das Wissen um diesen Damenorden seinen Weg in die ordensgeschichtliche Literatur genommen haben3.

Bis heute findet man allerdings widersprüchliche Einschätzungen des Ordenszwecks: So subsumiert Hippolyt Heliot 1756 die Sklavinnen unter den geistlichen Frauenorden; eine Zuordnung, der noch die aktuelle Habsburger-Seite des Museums Schloss Schönbrunn folgt4. Auf der Homepage der Kapuzinergruft in Wien dagegen meint man, der Orden habe auf die Gleichheit von Mann und Frau abgezielt. Wiederholt wurde der Orden auch als weiblicher „Ritterorden“ eingeschätzt.

[...]

Quelle: https://kaiserin.hypotheses.org/321

Weiterlesen

Widerständigkeit als Bildungsziel

In diesem Beitrag schildert Nora Schröder, wie im Rahmen eines Seminars politische Widerständigkeit im öffentlichen Raum thematisiert, erprobt und reflektiert werden kann. Im Fokus steht die (Aus-)Bildung politischer Subjektivität im Kontext gesellschaftlicher Machtverhältnisse.

Der Beitrag von Nora Schröder als PDF.

„Wir wollen, dass Sie mal so richtig Ärger machen“. Mit diesem, vielleicht etwas provokativen Aufschlag begannen wir unser Seminar. Wir schauten in zwanzig teilweise neugierige, vor allem aber erschrockene Gesichter. Diese gehörten zu Augsburger Bachelorstudierenden der Sozialwissenschaften und des Lehramts, die der Seminartitel „Widerständigkeit als Bildungsziel: Politische Subjektivität im Kontext gesellschaftlicher Machtverhältnisse“ zu der ersten Auftaktsitzung unseres Seminars locken konnte. Die irritierten Blicke der Studierenden sagten mir, dass sie einen solch direkten Praxisbezug wohl nicht gewohnt waren oder ihn zumindest nicht erwartet hatten.

[...]

Quelle: https://lehrgut.hypotheses.org/437

Weiterlesen

Make the humanities scientific again – Denken in Modellen

„Fakten […] entstehen am Schnittpunkt von Modellen“ [Baudrillard] Nicht Konvention [bzw. gar Relativismus] ist hier im Spiel, sondern Konvenienz im Sinne der Zusammenführung von Modellen, der iterativen Verkettung epistemischer Figurationen. – Hans-Jörg Rheinberger, 2006[1]

So förderlich ihre Gedanken auch seien: Die Geistes- und Sozialwissenschaftler begingen, so der Mikrobiologe  und Erkenntnistheoretiker Ludwik Fleck 1935, einen charakterischen Fehler: sie haben allzu grossen Respekt, eine Art religiöser Hochachtung vor naturwissenschaftlichen Tatsachen. Bis heute hat sich hieran – trotz aller dekonstruktiven Arbeit u. a. der Science and Technology Studies – nicht allzu viel geändert. Wer seine Arbeit als Geisteswissenschaftler mit jener der exakten, messbaren, empirischen Wissenschaften vergleicht –  wer von den humanities aus auf die „richtigen sciences blickt – den beschleicht zuweilen ein Gefühl der Minderwertigkeit. In den sciences werden reproduzierbare Lösungen erarbeitet, funktionierende technische Verfahren entwickelt, Patente angemeldet und Drittmittel eingeworben – in Grössenordnungen an die unsereiner nicht einmal zu denken wagt. Die in der öffentlichen Diskussion immer wieder aufgeworfene Frage nach der gesellschaftlichen Relevanz, dem gesellschaftlichen Nutzen einer Forschungsrichtung, zielt viel öfter auf die humanities als auf die sciences und sie verunsichert uns Geisteswissenschaftler viel eher als unsere Kollegen in den Naturwissenschaften.

[...]

Quelle: https://shocknawe.hypotheses.org/546

Weiterlesen

„N. O. Body – Aus eines Mannes Mädchenjahren“ – von einer Medizinhistorikerin neu gelesen I: Hinführung und Fragestellung

Titelseite der Originalausgabe von 1907.

Dieser Blogpost ist der erste einer Reihe von Beiträgen von Marion Hulverscheidt.

Hinführung und Fragestellung

In der Liste der historischen Selbstzeugnisse von Intersexuellen/Hermaphroditen gibt es prominente und wenigere bekannte Schilderungen. Einschlägig bekannt ist die Lebensgeschichte von Adélaïde Herculine Barbin (dt. Foucault 1998), einem Menschen, der als Mädchen aufwächst, sich nicht zugehörig fühlt, von einem Arzt dann als Mann entdeckt wird und fortan gezwungen wird, im männlichen Geschlecht zu leben. Dies gelingt ihm nicht gut und er begeht 1868 Selbstmord, sein Tagebuch hinterlassend. Adélaïde Herculine alias Camille alias Abel bietet sich an als Identifikationsfigur und als Leit-Opfer.

[...]

Quelle: https://intersex.hypotheses.org/4931

Weiterlesen

Research Project: Lebanese Diasporic Village Communities and their Practices of Reproduction and Community Development

Inauguration of the Lebanese-Canadian House in Batroun in the presence of the three initiators from Halifax, hosted by the Minister of Foreign Affairs and Emigration Gebran Bassil within the agenda of the Lebanese Diaspora Energy Conference 2017 © Marie Karner 2017

In May 2017, the Lebanese-Canadian House was officially inaugurated as part of the Lebanese Diaspora village in the historic centre of Batroun, a coastal city in North Lebanon. Three successful businesspersons who live in the Canadian City of Halifax (Nova Scotia) secured funding for the renovation works and curated the exhibition inside the house. The initiators are also highly engaged in Halifax’s Lebanese community in roles such as the “Lebanese Honorary Consul for the Maritimes” or the “President of the Lebanese Chamber of Commerce”. The honorary consul is one of the well-known property developers with roots in the Lebanese village of Diman. While the first immigrants earned their income as peddlers, today’s so-called “Diman developers” are highly involved in the emergence of Halifax’s skyline thanks to their large investments and influence in planning decisions.

Lebanese diasporic village communities have emerged due to emigration that began to intensify during the second half of the 19th century. Many Christians left their villages in Mount Lebanon to seek better economic opportunities abroad.

[...]

Quelle: http://oib.hypotheses.org/987

Weiterlesen

Sehnsucht, Stolz und Schmach: Die vielen Gesichter Stalins

Stalin-Büste vor der Lipezker Parteizentrale der der Kommunistischen Partei der Russischen Föderation, Foto: Ekaterina Makhotina

2017, im Jubiläumsjahr der Oktoberrevolution, steht ihr Macher, Vladimir Lenin, im Schatten seines Nachfolgers, Josif Stalin.[1] Zumindest ist Stalin die historische Figur, die den meisten Platz in der öffentlichen Debatte über die sowjetische Geschichte und russische Gesellschaft einnimmt, sei es als Reaktion auf die Umfrageergebnisse des Lewada-Zentrums, laut denen Stalin als „herausragendste Person der russischen Geschichte“ genannt wurde[2], oder als Reaktion auf die Installation einer Stalin-Büste neben derer der33 anderen Herrscher Russlands im Hof des Museums für Militäruniformen in Moskau oder aufgrund der Gedenktafel an einer Moskauer Universität.[3] In-  und außerhalb des Landes wird Russen ein „Stalin-Kult“ attestiert.

Der seit 64 Jahren tote sowjetische Diktator ist im Herbst 2017 eindeutig ein Objekt der „heißen Erinnerung“ oder einer noch-nicht-vergangenen Vergangenheit. Die weit bekannte Titelüberschrift Michail Gefters „Stalin starb gestern“ aus dem Jahr 1988[4] ist somit bis heute gültig. Umso verwunderlicher ist es, dass es abseits von der Feststellung einer „Stalin-Renaissance“ oder eines „Stalin-Trends“[5] im heutigen Russland keine Diskussion darüber gibt, was diese „Erinnerung“ ausmacht, was die Gründe dafür sind, und ob es sich überhaupt um eine „Erinnerung“ handelt. Dabei ließen sich viele der genannten Phänomene als Medialisierung der stalinschen Popularität deuten, – und darum wird es im folgenden Beitrag gehen.

[...]

Quelle: https://erinnerung.hypotheses.org/1541

Weiterlesen

140 Jahre vegetarische Gastronomie

Zugegeben, es gibt kein vegetarisches Restaurant, das seit 140 Jahren besteht. Den Titel des ältesten Veggie-Lokals darf das Hiltl in Zürich (seit 1898 bzw. ab 1904 unter der Geschäftsführung von Ambrosius Hiltl) für sich in Anspruch nehmen. Die erste vegetarische Gaststätte Kontinentaleuropas befand sich vermutlich in Leipzig, wo Lida Bernecker 1875, im Entstehungsjahr des Leipziger Vegetariervereins, dessen Mitarbeiterin sie war, am Markt gegenüber vom (heute: Alten) Rathaus ein vegetarisches Pensionat und Lokal gründete[1].
Zwei Jahre später konnten auch Wiener/innen rein vegetarisch speisen. Das vor 140 Jahren eröffnete Restaurant damit zu den frühesten Gastronomiebetrieben mit vegetarischer Kost.

Im Frühling 1877 beschloss das Bäckerehepaar Karl und Magdalena Ramharter, in ihrem Geschäft im 8. Bezirk einen vegetarischen Mittagstisch einzurichten[2]. Ein Mittagstisch war eine Gelegenheit zum Mittagessen, die von Privatpersonen (sehr oft Frauen) in deren Wohnungen oder von Greißler/innen, Fleischhauer/innen oder Bäcker/innen in den Verkaufslokalen temporär angeboten wurde.

[...]

Quelle: https://veggie.hypotheses.org/212

Weiterlesen