Einführung

Die 1950er Jahre bieten immer wieder einen faszinierenden Forschungsgegenstand – auch für die Musikwissenschaft. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kommt es zu erheblichen Umbrüchen in politischer, gesellschaftlicher, sozialer und kultureller Hinsicht. 1949 erfolgt die doppelte Staatsgründung von BRD und DDR, die folgenden Jahre sind geprägt von Wiederaufbau und Kaltem Krieg. Im Musikleben der neuen Bundesrepublik gibt es erhebliche Veränderungen: Die von den Nationalsozialisten als „entartet“ gebrandmarkte Musik von Komponisten wie Arnold Schönberg, Igor Strawinsky oder Paul Hindemith wird wieder aufgeführt. Viele Werke aus den 1930er und 1940er Jahren werden nun erstmals rezipiert. Grundsätzlich stellt sich bei Komponisten, Musikkritikern und Musikredakteuren des Rundfunks die Frage, wie die zukünftige Musik – nach der humanitären Katastrophe und einschneidenden Zäsur der nationalsozialistischen Diktatur – aussehen wird. Viele junge Komponisten streben nach einem völligen Neuanfang, andere suchen nach neuen Anknüpfungsmöglichkeiten an die Tradition, wiederum andere führen Bisheriges ohne Bruch weiter. So ist die Musik der 1950er Jahre gleichermaßen durch Kontinuitäten und radikale Umbrüche gekennzeichnet.

Im Serialismus zeigt sich eine neue Richtung und Kompositionsweise, die in den 1950er Jahren insbesondere bei den jungen, experimentierenden Komponisten vorherrscht. Anknüpfend an die Organisation der Tonhöhen in einer Zwölftonreihe in der Zweiten Wiener Schule um Arnold Schönberg wird im seriellen Komponieren die Vor-Ordnung des musikalischen „Materials“ in Reihen auch auf andere musikalische Parameter wie Rhythmus, Dynamik und Klangfarbe übertragen. Die Darmstädter Ferienkurse für Neue Musik (erstmals 1946) werden zu einem Zentrum der zeitgenössischen Musik und zu einem Austauschforum von Komponisten, Interpreten und Musikschriftstellern. Karlheinz Stockhausen, Pierre Boulez, Luigi Nono und Bruno Maderna gehören zu den zentralen Figuren in Darmstadt: So unterschiedlich ihre jeweiligen kompositionstechnischen Verfahren und ästhetische Ideen sind – ihre Namen stehen für eine junge Komponistengeneration, die radikale Neuerungen umsetzt: Sie stehen für die musikalische „Avantgarde“. Darüber hinaus wird in der ersten Hälfte der 1950er Jahre eine Reihe von elektronischen Studios für Musik gegründet, etwa in Köln und München. Das Aufkommen der elektronischen Musik, die direkt vom Komponisten – ohne Vermittlung durch einen Interpreten – elektronisch generiert wird, entfacht zahlreiche Diskussionen über das Wesen der Musik.

Diese Neuerungen stehen meist im Fokus der Musikgeschichtsschreibung, da sie einen Wandel anzeigen und rezeptionsgeschichtlich relevant sind. Sie machen jedoch nur einen Teil der Musiklandschaft der 1950er Jahre aus. Hier seien nur einige weitere Aspekte umrissen: Das Werk vieler Komponisten zeichnet sich durch neoklassizistische, neobarocke und neoromantische Tendenzen aus, oft mit Rückgriff auf traditionelle Gattungen. Einige Komponisten knüpfen an Atonalität und Zwölftontechnik an, abseits des Serialismus. Die großen Komponisten der klassischen Moderne wie Arnold Schönberg (gest.1951), Igor Strawinsky (gest. 1971) und Paul Hindemith (gest. 1963) schaffen ihr Spätwerk. Daneben werden Laien- und Volksmusik im Kontext der Jugendmusik-bewegung gefördert.

Mit dem Ende der unmittelbaren Nachkriegszeit, also um 1949, lässt sich im Musikschrifttum ein Bewusstsein dafür beobachten, dass man sich in einer Zeit des Umbruchs befinde. Während die einen die neuen Entwicklungen als Chance deuten, sehen andere eine Krise und prophezeien sogar den Untergang der Musikkultur. Eine äußerst spannende Zeit, insbesondere wenn man sich für den ästhetischen Diskurs interessiert, der mit der Produktion und Rezeption von Musik einhergeht!

 

Introduction

The 1950s present a consistently fascinating object of research – for musicologists, too. After the end of the Second World War there are extensive changes in political, social and cultural respects. In 1949 the simultaneous foundation of the Federal Republic of Germany and the German Democratic Republic takes place; the following years are shaped by reconstruction and the Cold War. In the musical life of the new Federal Republic there are considerable changes: Music by composers like Arnold Schönberg, Igor Stravinsky and Paul Hindemith, which was considered degenerated (“entartet“) by the National Socialists, is performed again. Many works from the 1930s and 1940s are presented publically for the very first time. For composers, music critics and broadcasting editors the question arises of what music – after the humanitarian catastrophe and incisive break of the National Socialist dictatorship – will look like in future. Many young composers strive for a total renewal, others search for new possibilities to tie in with tradition, and yet others continue their customary path without any disruption. Thus the music of the 1950s is marked by both continuity and upheaval.

Serialism presents itself as a new direction and method of composition which predominates in the 1950s, in particular among the young experimenting composers. Following up the organisation of pitches in a twelve-tone row within the Second Viennese School around Arnold Schönberg, in serial compositions the pre-ordering of the musical “material“ in series is transferred to other musical parameters such as rhythm, dynamics and timbre. The Darmstädter Summer Course for New Music (since 1946) becomes the centre of contemporary music and a forum for composers, interpreters and music writers. Karlheinz Stockhausen, Pierre Boulez, Luigi Nono und Bruno Maderna are among the central figures in Darmstadt: Though their composition techniques and aesthetic ideas might be different – their names stand for a young generation of composers who implement radical innovations: They represent the musical “avant-garde“. Furthermore a series of studios for electronic music is set up in the first half of the 1950s, e.g. in Cologne and Munich. The emergence of electronic music which is generated directly by the composer – without an interpreter – arouses many discussions about the essence of music.

These innovations are focussed on in music historiography, since they indicate a change and have relevance for the course of music history. However, they constitute only one part of the musical landscape of the 1950s. Here are only a few other aspects outlined: The work of many composers is characterized by neoclassical, neo-Baroque and neoromantic tendencies, often with recourse to traditional genres such as the symphony. Some composers base their compositions on atonality and dodecaphony, apart from serialism. The great composers of classical modernity such as Arnold Schönberg (d. 1951), Igor Strawinsky (d. 1971) und Paul Hindemith (d. 1963) create their late work. Besides, folk music and music for laymen are promoted in the context of the youth music movement (“Jugendmusikbewegung“).

With the end of the immediate post-war period, around 1949, an awareness of being in a time of radical change can be noticed in music literature. While some interpret these new developments as a chance, others see a crisis and even predict the decline of musical culture. An utmost exciting period, especially if you are interested in the aesthetic discourse which accompanies the production and reception of music!

Quelle: http://avantmusic.hypotheses.org/46

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»Auf der Autobahn« zum Grammy für das Lebenswerk: Kraftwerk als Pioniere elektronischer Popmusik

Oft als »Pioniere« der elektronischen Popmusik bezeichnet, gehören Kraftwerk ohne Zweifel zu deren frühen und einflussreichsten Protagonisten. Als Teil einer transnationalen Pop-Avantgarde von Mitte der 1970er bis Anfang der 1980er Jahre wird ihnen bis heute eine enorme Wirkkraft zugesprochen. Kraftwerks ästhetischer Einfluss auf das transnationale Idiom »Pop« war tiefgreifend, die Ehrung mit dem Lifetime Achievement Award auf der diesjährigen Grammy-Verleihung am 25. Januar in Los Angeles wenig überraschend. Alexander Simmeth untersucht in seinem Beitrag die Entwicklung der Band und ihre Rolle für die Transnationalisierung der Popkultur. Er legt seinen Fokus vor allem auf das Jahr 1975 und fragt: Wie hat Kraftwerks neuer Stil die Popmusik verändert? Und wie haben die Wahrnehmung der Band und der große Erfolg vor allem in den USA wiederum Kraftwerk beeinflusst, etwa in Bezug auf ihr sorgfältig gepflegtes Image oder ihr Auftreten in Deutschland?

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Quelle: http://netzwerk.hypotheses.org/1948

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Nur Samstag Nacht: “Saturday Night Fever” 1977, ein spätmoderner Entwicklungsroman

 

„Spiegel“-Titel vom 16.10.1978

Den Spielfilm „Saturday Night Fever“ umgab nicht nur hierzulande lange ein hartnäckiges Missverständnis. Er feiere, so hieß es, eine glitzernde Scheinwelt, in der narzisstische Mitmacher konsumierten statt kritisierten. Er repräsentiere den neukonservativen Wertehimmel der „Lord-Extra-Generation angepaßter Jungen und Mädchen“.1 Andere sahen eher Resignation und Flucht vor bedrückenden Gegenwartsproblemen. 1978, auf dem Höhepunkt der so genannten Disco-Welle, waren sich westdeutsche Beobachter aber darin einig, das massenhafte Tanzen zu elektronisch reproduzierter Musik als Anpassung und Entpolitisierung der jungen Generation deuten zu dürfen.2

Auch nachdem die Welle und die mit ihr verbundene Kulturkritik abgeflaut waren, blieb „Saturday Night Fever“ als belangloses „Sozialaufsteigerfilmchen“ gespeichert.3 Poststrukturalistisch gewendet lässt sich der Streifen als Auftakt zu einer Reihe international erfolgreicher Tanzfilme wie „Fame“ (1980), „Flashdance“ (1983) oder „Footlose“ (1984) verstehen, die in den neoliberalen 1980er-Jahren dem Publikum ein unternehmerisches Verhältnis zum eigenen Körper nahebrachten.4

So eindeutig liegen die Dinge jedoch nicht. Zwar ist Arbeit am Selbst in „Saturday Night Fever“ ein zentrales Motiv. Es wird aber im Rahmen eines Entwicklungsnarrativs auf mehrdeutige Weise inszeniert. Die folgende Wiederbesichtigung versucht keine abschließende Einordnung. Da die Zeit um 1980 zunehmend in den zeithistorischen Horizont rückt, soll der Beitrag dazu anregen, sich mit diesem ikonischen Kulturprodukt erst einmal näher zu beschäftige

„Saturday Night Fever“ ist eine Coming-of-Age-Geschichte, die mit Elementen einer Sozialreportage durchsetzt ist. Die Tanzszenen sind realistischer Teil der Handlung.5 Das Drehbuch orientierte sich an einer – größtenteils fingierten – Reportage des Journalisten Nik Cohn, die 1976 unter dem Titel „Tribal Rites of the New Saturday Night“ erschienen war und von einem Tanzlokal in Bay Ridge im New Yorker Stadtteil Brooklyn erzählte.6 Dass Cohn von den „Stammesriten“ der Discogänger sprach, exotisierte deren Lebenswelt7 – was als neuer, anthropologisch verfremdeter Blick auf die eigene Kultur verstanden werden kann, genauso aber als langlebiges Stereotyp des primitiven süditalienischen Migranten.

 

Die von John Travolta dargestellte Hauptfigur Tony Manero ist 19 Jahre alt, arbeitet als Verkäufer in einem Farbengeschäft, ist beliebt bei seinem Chef und den Kunden. Bei seinen arbeitslosen Eltern trifft er dagegen nur auf Vorwürfe und Unverständnis. Sie bevorzugen seinen älteren Bruder, der Priester werden soll. Nach Feierabend ist Tony Anführer einer Jungsclique und Star der lokalen Diskothek. Zwar wird er glaubwürdig als bezaubernder Tänzer in Szene gesetzt; abseits der Tanzfläche erscheint sein Verhalten nach den Maßstäben einer progressiven Entwicklungspsychologie aber als problematisch. Das szenische Psychogramm zeigt Tony und seine Peers als halbstarken Männerbund, der seine familiäre und gesellschaftliche Unterlegenheit mit aggressivem Verhalten gegen Frauen, rivalisierende ethnische Gangs und Homosexuelle kompensiert.

Eine Alternative lernt Tony in Gestalt von Stephanie Mangano kennen, die auch aus Brooklyn kommt, aber in Manhattan nach Besserem strebt. Bis Tony ihr auf diesem Weg folgen kann, muss er durch tiefe Krisen gehen: unversöhnlichen Familienstreit, einen Vergewaltigungsversuch, den Tod eines Freundes. Zudem wird ihm und Stephanie bei einem Tanzwettbewerb als Lokalmatadoren der erste Preis zugesprochen, obwohl ein Latinopaar besser war – dies erlebt Tony als Verrat an dem, was ihm heilig ist: dem Tanzen. Durch diese existenziellen Erfahrungen geläutert, lässt er am Ende die Diskothek und das perspektivlose Leben in Brooklyn hinter sich, um aus sich etwas zu machen. Wiederkehrende Einstellungen auf Brücken und rollende Stadtbahnen visualisieren das romantische Motiv der Reise als Lebenspassage, der Identitätsfindung in der Konfrontation mit der Welt.8

In der Bundesrepublik Deutschland lief „Saturday Night Fever“ am 13. April 1978 unter dem Titel „Nur Samstag Nacht“ an. 1,16 Millionen Mal wurde bis zum Ende des Jahres in westdeutschen Kinos Eintritt für diesen Film bezahlt – das machte ihn zum Kassenschlager der Saison (in der DDR wurde der Film nicht gezeigt).9 Rekordverdächtig waren auch die Verkaufszahlen des zugehörigen Soundtrackalbums, das in erster Linie das englische Brüdertrio The Bee Gees mit der typischen Falsettstimme von Barry Gibb bestritt. Dieser Erfolg verdankte sich nicht zuletzt dem neuartigen Einsatz von Crossmarketing, bei dem sich die Werbung für Tonträger (Singles und LP) und Kinofilm wechselseitig Aufmerksamkeit zuspielten. Dass der Soundtrack nicht auf die Filmhandlung zugeschnitten war, erschien dabei nebensächlich. Einige zentrale Tracks stammten aus anderen Zusammenhängen, und keiner der Beteiligten arbeitete auf einen Disco-Sound hin. Dennoch funktionierte die eingängige Mischung aus tanzbaren, funkig angehauchten Stücken, Balladen und dramatischen Einsprengseln wie einer discofizierten Variante des ersten Satzes aus Ludwig van Beethovens Fünfter Symphonie.10

Anders als manche westdeutsche Kritiker meinten, steht die Diskothek in „Saturday Night Fever“ keineswegs für Leistung, Zielstrebigkeit und Aufstiegsorientierung im bürgerlichen Sinn. Tony ist, wie seine Freunde sagen, der „King“. Aus der Fülle seiner Macht heraus kann er die eine Frau zurückweisen und mit der anderen gönnerhaft eine Runde tanzen. Als Herrscher seiner Clique regelt er, wann Speed eingeschmissen wird und wer als nächster die Autorückbank belegen darf. Diese Duodezsouveränität steht jedoch an einem Abgrund der Planlosigkeit. „Ich scheiß auf die Zukunft“, antwortet Tony seinem Chef, als dieser ihm den erbetenen Vorschuss abschlägt und ihn zu Vorausschau und Sparsamkeit anhält (im Original: „Fuck the future“, 05:07). Die Lebenswege der Älteren, das macht der Film deutlich, führen nur in Sackgassen – aber auch das Tanzen ist kein Zukunftsmodell (45:05). Dabei ist Tony durchaus jemand, „der lernt, der sich bildet, sein Pensum verrichtet“, wie es in Freddy Quinns Anti-Gammler-Song „Wir“ von 1966 hieß.

Wenn es ums Tanzen geht, arbeitet Tony mit Ernst und Lust, ist ehrgeizig und kompetitiv, hat eigenen Stil. Eingestreut in Boy-meets-girl-Händel gewinnt ein autodidaktisches Subjekt an Kontur, das seine Begabung im Training entfaltet hat. Tonys Selbstgestaltung orientiert sich dabei nicht an einem schulischen Wissenskanon, sondern nutzt das Bildungsangebot der Massenmedien. So erfahren wir, dass er Tanzfiguren im Fernsehen gesehen und diese selbstständig variiert hat (51:55).

Weitere Impulse kommen von den neuen Helden des 1970er-Jahre-Kinos. In Tonys Zimmer hängen Poster von Silvester Stallone als Rocky Balboa und Al Pacino als moralischer Cop Frank Serpico. Die italoamerikanischen Underdogfiguren verbinden Härte und Geschmeidigkeit ebenso wie Bruce Lee, die Ikone der Asian Martial Arts, dessen Kampfposen Tony vor dem Spiegel nachahmt. In dieser vielfach zitierten Szene fallen zudem weiblich besetzte Praktiken der Selbstpflege ins Auge. Tony, der zunächst nur einen schwarzen Slip trägt, fönt und kämmt sich, legt Schmuck an, kleidet sich in schimmerndes Rosa (06:25 – 07:35). Der selbstbewusste Zugriff auf unterschiedliche kulturelle Register zeigt sich auch in den von Lester Wilson choreographierten Tanzszenen, insbesondere in einem Solo auf halber Strecke des Films (59:20 – 1:01:34).

Für diesen Auftritt gilt die Aussage eines zeitgenössischen Ratgebers, Disco schöpfe die Vielfalt des „dance heritage“ aus.11 Neben Elementen der Ballett- und Jazzdance-Tradition enthält der Film unter anderem Anleihen bei der russischen Folklore, Armwellen (wie sie zeitgleich beim so genannten Breakdance zu finden sind) und pantomimische Kommentare zur Körperarbeit (Hemd zuknöpfen, Schweiß abwischen). Was im Leben nicht gelingt – dem Disparaten eine Ordnung zu geben –, funktioniert hier mit Leichtigkeit. Aber dieses Können, so die Botschaft, hat noch keine sinnvolle Richtung gefunden.

Die Diskothek repräsentiert eine letztlich unproduktive Sphäre der Selbstverschwendung, die Tony in der Tretmühle einer kapitalistischen Verliererexistenz gefangen hält. Seine Wandlung vollzieht sich erst, als er sich von der Welt der Diskothek abwendet, und zwar nach dem Sieg im erwähnten Tanzwettbewerb, bei dem zu Tonys maßloser Enttäuschung das Leistungsprinzip hinter den falsch verstandenen Zusammenhalt der Peergroup und der ethnischen Solidarität zurücktreten musste. Sein Zorn gegen die Unaufrichtigkeit seiner Fans weitet sich zu der Einsicht, das bedrückte Leben in den unteren Zonen der Gesellschaft korrumpiere die zwischenmenschlichen Beziehungen.

Zugleich schreibt der Film dem Weg nach oben nur begrenzt utopischen Charakter zu. Die Aufsteigerin Stephanie fällt durch angestrengte Distinktionsmanöver und bornierte Bildungsbeflissenheit auf. Die Kosten ihrer Aufwärtsmobilität sind Überforderung, Einsamkeit sowie die Abhängigkeit von einem älteren Kreativarbeiter, der sie ausnutzt und bevormundet. Zu Tonys Vorbild kann sie werden, weil sie entschlossen nach dem eigenen Lebensplan sucht und Risiken dabei nicht scheut. Am Ende des Films ist völlig offen, ob Tony die neue Situation bewältigen wird, auch ob er seine Körperbildung in einen Lebensunterhalt wird ummünzen können. Die erste Etappe ist erreicht, weil er Grenzen überwunden hat; weil er es zugelassen hat, ein anderer zu werden und sich selbst dadurch näher zu kommen.

In der Zeitgeschichtsschreibung erscheinen popkulturelle Phänomene allzu häufig nur als Symptome sozioökonomischer und politischer Großwetterlagen. Ein Beispiel ist die Annahme, Punk habe die Hoffnungslosigkeit einer krisengeschüttelten Jugend „nach dem Boom“ zum Ausdruck gebracht. Solche Verkürzungen verzichten darauf, ästhetische Praxis als „erstrangige Sinnressource in der Massendemokratie“ ernst zu nehmen.12 Damit bringen sie sich um Einsichten – etwa in Techniken der Selbstführung, die Michel Foucault als zentrales Handlungsfeld moderner Gesellschaften herausgearbeitet hat.13

Im Fall von „Saturday Night Fever“ geht es nicht darum, ein deutlich konturiertes subversives Potenzial aufzudecken, das der Film in der Breite vermutlich nicht entfaltet hat. Aber unter dem kulturkritischen Deutungsballast kommt ein plurales Angebot möglicher Selbstverhältnisse zum Vorschein, das neue Perspektiven auf vermeintlich bekannte Prozesse eröffnen kann. Dazu müssten allerdings die konkreten Handlungskontexte historischer Disco-Akteure der 1970er- und 1980er-Jahre untersucht werden.14

Hier weiterlesen.

(Hier wird der erste Teil eines Artikels wiedergegeben. Der vollständige Text ist erschienen in der Zeitschrift Zeithistorische Forschungen. Zitierhinweis: Alexa Geisthövel, Ein spätmoderner Entwicklungsroman: „Saturday Night Fever“/„Nur Samstag Nacht“ (1977), in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History, Online-Ausgabe, 10 (2013), H. 1,
URL: http://www.zeithistorische-forschungen.de/16126041-Geisthoevel-1-2013)

 

  1. Horst F. Neißer/Werner Mezger/Günter Verdin, Jugend in Trance? Diskotheken in Deutschland, Heidelberg 1979, S. 76.
  2. Alexa Geisthövel, Anpassung: Disco und Jugendbeobachtung in Westdeutschland, 1975–1981, erscheint 2013 in: Pascal Eitler/Jens Elberfeld (Hg.), Zeitgeschichte des Selbst. Die „Disco-Welle“ zwischen 1975 und 1979 (in der Bundesrepublik eher 1978/79) machte die zuvor subkulturelle Tanz- und Ausgehpraxis des „partying“ mehrheitsfähig, begleitet von der Etablierung des Disco-Genres in der Musik- und Filmindustrie.
  3. Dagegen Michael Heim, Saturday Night Fever: Der Messias tanzt bügelfrei, 4.11.2007, URL: http://einestages.spiegel.de/static/topicalbumbackground/659/der_messias_tanzt_buegelfrei.html (dort auch zahlreiche Abbildungen).
  4. Sherril Dodds, Dance on the Screen. Genres and Media from Hollywood to Experimental Art, Basingstoke 2001, S. 37.
  5. Dorothee Ott, Shall we dance and sing? Zeitgenössische Musical- und Tanzfilme, Konstanz 2008, S. 79.
  6. Nik Cohn, Tribal Rites of the New Saturday Night, in: New York, 7.6.1976.
  7. Stelios Christodoulou, ‚A straight heterosexual film‘: Masculinity, Sexuality, and Ethnicity in Saturday Night Fever, in: Networking Knowledge. Journal of the MeCCSA Postgraduate Network 4 (2011) H. 1, URL: http://ojs.meccsa.org.uk/index.php/netknow/article/view/60, hier S. 7, S. 19f.
  8. Joseph Kupfer, „Stayin’ Alife“: Moral Growth and Personal Narrative in Saturday Night Fever, in: Journal of Popular Film and Television 34 (2007), S. 170-178.
  9. http://www.hdg.de/film/class125_id1000680.html (siehe dort auch das deutsche Filmplakat).
  10. Richard Buskin, Classic Tracks: The Bee Gees Stayin’ Alive, August 2005, URL: http://www.soundonsound.com/sos/aug05/articles/classictracks.htm.
  11. Jack Villari/Kathleen Sims Villari, (The Official Guide To) Disco Dance Steps, Secaucus 1978, S. 61.
  12. Kaspar Maase, Der Banause und das Projekt schönen Lebens. Überlegungen zu Bedeutung und Qualitäten alltäglicher ästhetischer Erfahrung, in: Kulturation. Online-Journal für Kultur, Wissenschaft und Politik 1/2004, URL: http://www.kulturation.de/ki_1_text.php?id=25, Abschnitt II.
  13. Vgl. dazu Maren Möhring, Die Regierung der Körper. „Gouvernementalität“ und „Techniken des Selbst“, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 3 (2006), S. 284-290.
  14. Hinweise geben, auf unterschiedliche Weise, Anleitungen, Ratgeber und spärliche autobiographische Zeugnisse: Lernt tanzen wie John Travolta, in: Bravo, 22.6.1978; Kitty Hanson, Disco Fieber. Alles über die Disco-Welle, München 1979; Peter Cornelsen, John Travolta. Mit Tanzkurs, Film- und Diskographie, Bergisch Gladbach 1978; Thomas Hermanns, Für immer d.i.s.c.o., München 2009. Zu den USA vgl. neuerdings Alice Echols, Hot Stuff. Disco and the Remaking of American Culture, New York 2010.

 

Quelle: http://pophistory.hypotheses.org/709

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Nur Samstag Nacht: “Saturday Night Fever” 1977, ein spätmoderner Entwicklungsroman

„Spiegel“-Titel vom 16.10.1978

Den Spielfilm „Saturday Night Fever“ umgab nicht nur hierzulande lange ein hartnäckiges Missverständnis. Er feiere, so hieß es, eine glitzernde Scheinwelt, in der narzisstische Mitmacher konsumierten statt kritisierten. Er repräsentiere den neukonservativen Wertehimmel der „Lord-Extra-Generation angepaßter Jungen und Mädchen“.1 Andere sahen eher Resignation und Flucht vor bedrückenden Gegenwartsproblemen. 1978, auf dem Höhepunkt der so genannten Disco-Welle, waren sich westdeutsche Beobachter aber darin einig, das massenhafte Tanzen zu elektronisch reproduzierter Musik als Anpassung und Entpolitisierung der jungen Generation deuten zu dürfen.2

Auch nachdem die Welle und die mit ihr verbundene Kulturkritik abgeflaut waren, blieb „Saturday Night Fever“ als belangloses „Sozialaufsteigerfilmchen“ gespeichert.3 Poststrukturalistisch gewendet lässt sich der Streifen als Auftakt zu einer Reihe international erfolgreicher Tanzfilme wie „Fame“ (1980), „Flashdance“ (1983) oder „Footlose“ (1984) verstehen, die in den neoliberalen 1980er-Jahren dem Publikum ein unternehmerisches Verhältnis zum eigenen Körper nahebrachten.4

So eindeutig liegen die Dinge jedoch nicht. Zwar ist Arbeit am Selbst in „Saturday Night Fever“ ein zentrales Motiv. Es wird aber im Rahmen eines Entwicklungsnarrativs auf mehrdeutige Weise inszeniert. Die folgende Wiederbesichtigung versucht keine abschließende Einordnung. Da die Zeit um 1980 zunehmend in den zeithistorischen Horizont rückt, soll der Beitrag dazu anregen, sich mit diesem ikonischen Kulturprodukt erst einmal näher zu beschäftige

„Saturday Night Fever“ ist eine Coming-of-Age-Geschichte, die mit Elementen einer Sozialreportage durchsetzt ist. Die Tanzszenen sind realistischer Teil der Handlung.5 Das Drehbuch orientierte sich an einer – größtenteils fingierten – Reportage des Journalisten Nik Cohn, die 1976 unter dem Titel „Tribal Rites of the New Saturday Night“ erschienen war und von einem Tanzlokal in Bay Ridge im New Yorker Stadtteil Brooklyn erzählte.6 Dass Cohn von den „Stammesriten“ der Discogänger sprach, exotisierte deren Lebenswelt7 – was als neuer, anthropologisch verfremdeter Blick auf die eigene Kultur verstanden werden kann, genauso aber als langlebiges Stereotyp des primitiven süditalienischen Migranten.

Die von John Travolta dargestellte Hauptfigur Tony Manero ist 19 Jahre alt, arbeitet als Verkäufer in einem Farbengeschäft, ist beliebt bei seinem Chef und den Kunden. Bei seinen arbeitslosen Eltern trifft er dagegen nur auf Vorwürfe und Unverständnis. Sie bevorzugen seinen älteren Bruder, der Priester werden soll. Nach Feierabend ist Tony Anführer einer Jungsclique und Star der lokalen Diskothek. Zwar wird er glaubwürdig als bezaubernder Tänzer in Szene gesetzt; abseits der Tanzfläche erscheint sein Verhalten nach den Maßstäben einer progressiven Entwicklungspsychologie aber als problematisch. Das szenische Psychogramm zeigt Tony und seine Peers als halbstarken Männerbund, der seine familiäre und gesellschaftliche Unterlegenheit mit aggressivem Verhalten gegen Frauen, rivalisierende ethnische Gangs und Homosexuelle kompensiert.

Eine Alternative lernt Tony in Gestalt von Stephanie Mangano kennen, die auch aus Brooklyn kommt, aber in Manhattan nach Besserem strebt. Bis Tony ihr auf diesem Weg folgen kann, muss er durch tiefe Krisen gehen: unversöhnlichen Familienstreit, einen Vergewaltigungsversuch, den Tod eines Freundes. Zudem wird ihm und Stephanie bei einem Tanzwettbewerb als Lokalmatadoren der erste Preis zugesprochen, obwohl ein Latinopaar besser war – dies erlebt Tony als Verrat an dem, was ihm heilig ist: dem Tanzen. Durch diese existenziellen Erfahrungen geläutert, lässt er am Ende die Diskothek und das perspektivlose Leben in Brooklyn hinter sich, um aus sich etwas zu machen. Wiederkehrende Einstellungen auf Brücken und rollende Stadtbahnen visualisieren das romantische Motiv der Reise als Lebenspassage, der Identitätsfindung in der Konfrontation mit der Welt.8

In der Bundesrepublik Deutschland lief „Saturday Night Fever“ am 13. April 1978 unter dem Titel „Nur Samstag Nacht“ an. 1,16 Millionen Mal wurde bis zum Ende des Jahres in westdeutschen Kinos Eintritt für diesen Film bezahlt – das machte ihn zum Kassenschlager der Saison (in der DDR wurde der Film nicht gezeigt).9 Rekordverdächtig waren auch die Verkaufszahlen des zugehörigen Soundtrackalbums, das in erster Linie das englische Brüdertrio The Bee Gees mit der typischen Falsettstimme von Barry Gibb bestritt. Dieser Erfolg verdankte sich nicht zuletzt dem neuartigen Einsatz von Crossmarketing, bei dem sich die Werbung für Tonträger (Singles und LP) und Kinofilm wechselseitig Aufmerksamkeit zuspielten. Dass der Soundtrack nicht auf die Filmhandlung zugeschnitten war, erschien dabei nebensächlich. Einige zentrale Tracks stammten aus anderen Zusammenhängen, und keiner der Beteiligten arbeitete auf einen Disco-Sound hin. Dennoch funktionierte die eingängige Mischung aus tanzbaren, funkig angehauchten Stücken, Balladen und dramatischen Einsprengseln wie einer discofizierten Variante des ersten Satzes aus Ludwig van Beethovens Fünfter Symphonie.10

Anders als manche westdeutsche Kritiker meinten, steht die Diskothek in „Saturday Night Fever“ keineswegs für Leistung, Zielstrebigkeit und Aufstiegsorientierung im bürgerlichen Sinn. Tony ist, wie seine Freunde sagen, der „King“. Aus der Fülle seiner Macht heraus kann er die eine Frau zurückweisen und mit der anderen gönnerhaft eine Runde tanzen. Als Herrscher seiner Clique regelt er, wann Speed eingeschmissen wird und wer als nächster die Autorückbank belegen darf. Diese Duodezsouveränität steht jedoch an einem Abgrund der Planlosigkeit. „Ich scheiß auf die Zukunft“, antwortet Tony seinem Chef, als dieser ihm den erbetenen Vorschuss abschlägt und ihn zu Vorausschau und Sparsamkeit anhält (im Original: „Fuck the future“, 05:07). Die Lebenswege der Älteren, das macht der Film deutlich, führen nur in Sackgassen – aber auch das Tanzen ist kein Zukunftsmodell (45:05). Dabei ist Tony durchaus jemand, „der lernt, der sich bildet, sein Pensum verrichtet“, wie es in Freddy Quinns Anti-Gammler-Song „Wir“ von 1966 hieß.

Wenn es ums Tanzen geht, arbeitet Tony mit Ernst und Lust, ist ehrgeizig und kompetitiv, hat eigenen Stil. Eingestreut in Boy-meets-girl-Händel gewinnt ein autodidaktisches Subjekt an Kontur, das seine Begabung im Training entfaltet hat. Tonys Selbstgestaltung orientiert sich dabei nicht an einem schulischen Wissenskanon, sondern nutzt das Bildungsangebot der Massenmedien. So erfahren wir, dass er Tanzfiguren im Fernsehen gesehen und diese selbstständig variiert hat (51:55).

Weitere Impulse kommen von den neuen Helden des 1970er-Jahre-Kinos. In Tonys Zimmer hängen Poster von Silvester Stallone als Rocky Balboa und Al Pacino als moralischer Cop Frank Serpico. Die italoamerikanischen Underdogfiguren verbinden Härte und Geschmeidigkeit ebenso wie Bruce Lee, die Ikone der Asian Martial Arts, dessen Kampfposen Tony vor dem Spiegel nachahmt. In dieser vielfach zitierten Szene fallen zudem weiblich besetzte Praktiken der Selbstpflege ins Auge. Tony, der zunächst nur einen schwarzen Slip trägt, fönt und kämmt sich, legt Schmuck an, kleidet sich in schimmerndes Rosa (06:25 – 07:35). Der selbstbewusste Zugriff auf unterschiedliche kulturelle Register zeigt sich auch in den von Lester Wilson choreographierten Tanzszenen, insbesondere in einem Solo auf halber Strecke des Films (59:20 – 1:01:34).

Für diesen Auftritt gilt die Aussage eines zeitgenössischen Ratgebers, Disco schöpfe die Vielfalt des „dance heritage“ aus.11 Neben Elementen der Ballett- und Jazzdance-Tradition enthält der Film unter anderem Anleihen bei der russischen Folklore, Armwellen (wie sie zeitgleich beim so genannten Breakdance zu finden sind) und pantomimische Kommentare zur Körperarbeit (Hemd zuknöpfen, Schweiß abwischen). Was im Leben nicht gelingt – dem Disparaten eine Ordnung zu geben –, funktioniert hier mit Leichtigkeit. Aber dieses Können, so die Botschaft, hat noch keine sinnvolle Richtung gefunden.

Die Diskothek repräsentiert eine letztlich unproduktive Sphäre der Selbstverschwendung, die Tony in der Tretmühle einer kapitalistischen Verliererexistenz gefangen hält. Seine Wandlung vollzieht sich erst, als er sich von der Welt der Diskothek abwendet, und zwar nach dem Sieg im erwähnten Tanzwettbewerb, bei dem zu Tonys maßloser Enttäuschung das Leistungsprinzip hinter den falsch verstandenen Zusammenhalt der Peergroup und der ethnischen Solidarität zurücktreten musste. Sein Zorn gegen die Unaufrichtigkeit seiner Fans weitet sich zu der Einsicht, das bedrückte Leben in den unteren Zonen der Gesellschaft korrumpiere die zwischenmenschlichen Beziehungen.

Zugleich schreibt der Film dem Weg nach oben nur begrenzt utopischen Charakter zu. Die Aufsteigerin Stephanie fällt durch angestrengte Distinktionsmanöver und bornierte Bildungsbeflissenheit auf. Die Kosten ihrer Aufwärtsmobilität sind Überforderung, Einsamkeit sowie die Abhängigkeit von einem älteren Kreativarbeiter, der sie ausnutzt und bevormundet. Zu Tonys Vorbild kann sie werden, weil sie entschlossen nach dem eigenen Lebensplan sucht und Risiken dabei nicht scheut. Am Ende des Films ist völlig offen, ob Tony die neue Situation bewältigen wird, auch ob er seine Körperbildung in einen Lebensunterhalt wird ummünzen können. Die erste Etappe ist erreicht, weil er Grenzen überwunden hat; weil er es zugelassen hat, ein anderer zu werden und sich selbst dadurch näher zu kommen.

In der Zeitgeschichtsschreibung erscheinen popkulturelle Phänomene allzu häufig nur als Symptome sozioökonomischer und politischer Großwetterlagen. Ein Beispiel ist die Annahme, Punk habe die Hoffnungslosigkeit einer krisengeschüttelten Jugend „nach dem Boom“ zum Ausdruck gebracht. Solche Verkürzungen verzichten darauf, ästhetische Praxis als „erstrangige Sinnressource in der Massendemokratie“ ernst zu nehmen.12 Damit bringen sie sich um Einsichten – etwa in Techniken der Selbstführung, die Michel Foucault als zentrales Handlungsfeld moderner Gesellschaften herausgearbeitet hat.13

Im Fall von „Saturday Night Fever“ geht es nicht darum, ein deutlich konturiertes subversives Potenzial aufzudecken, das der Film in der Breite vermutlich nicht entfaltet hat. Aber unter dem kulturkritischen Deutungsballast kommt ein plurales Angebot möglicher Selbstverhältnisse zum Vorschein, das neue Perspektiven auf vermeintlich bekannte Prozesse eröffnen kann. Dazu müssten allerdings die konkreten Handlungskontexte historischer Disco-Akteure der 1970er- und 1980er-Jahre untersucht werden.14

Hier weiterlesen.

(Hier wird der erste Teil eines Artikels wiedergegeben. Der vollständige Text ist erschienen in der Zeitschrift Zeithistorische Forschungen. Zitierhinweis: Alexa Geisthövel, Ein spätmoderner Entwicklungsroman: „Saturday Night Fever“/„Nur Samstag Nacht“ (1977), in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History, Online-Ausgabe, 10 (2013), H. 1,
URL: http://www.zeithistorische-forschungen.de/16126041-Geisthoevel-1-2013)

 

  1. Horst F. Neißer/Werner Mezger/Günter Verdin, Jugend in Trance? Diskotheken in Deutschland, Heidelberg 1979, S. 76.
  2. Alexa Geisthövel, Anpassung: Disco und Jugendbeobachtung in Westdeutschland, 1975–1981, erscheint 2013 in: Pascal Eitler/Jens Elberfeld (Hg.), Zeitgeschichte des Selbst. Die „Disco-Welle“ zwischen 1975 und 1979 (in der Bundesrepublik eher 1978/79) machte die zuvor subkulturelle Tanz- und Ausgehpraxis des „partying“ mehrheitsfähig, begleitet von der Etablierung des Disco-Genres in der Musik- und Filmindustrie.
  3. Dagegen Michael Heim, Saturday Night Fever: Der Messias tanzt bügelfrei, 4.11.2007, URL: http://einestages.spiegel.de/static/topicalbumbackground/659/der_messias_tanzt_buegelfrei.html (dort auch zahlreiche Abbildungen).
  4. Sherril Dodds, Dance on the Screen. Genres and Media from Hollywood to Experimental Art, Basingstoke 2001, S. 37.
  5. Dorothee Ott, Shall we dance and sing? Zeitgenössische Musical- und Tanzfilme, Konstanz 2008, S. 79.
  6. Nik Cohn, Tribal Rites of the New Saturday Night, in: New York, 7.6.1976.
  7. Stelios Christodoulou, ‚A straight heterosexual film‘: Masculinity, Sexuality, and Ethnicity in Saturday Night Fever, in: Networking Knowledge. Journal of the MeCCSA Postgraduate Network 4 (2011) H. 1, URL: http://ojs.meccsa.org.uk/index.php/netknow/article/view/60, hier S. 7, S. 19f.
  8. Joseph Kupfer, „Stayin’ Alife“: Moral Growth and Personal Narrative in Saturday Night Fever, in: Journal of Popular Film and Television 34 (2007), S. 170-178.
  9. http://www.hdg.de/film/class125_id1000680.html (siehe dort auch das deutsche Filmplakat).
  10. Richard Buskin, Classic Tracks: The Bee Gees Stayin’ Alive, August 2005, URL: http://www.soundonsound.com/sos/aug05/articles/classictracks.htm.
  11. Jack Villari/Kathleen Sims Villari, (The Official Guide To) Disco Dance Steps, Secaucus 1978, S. 61.
  12. Kaspar Maase, Der Banause und das Projekt schönen Lebens. Überlegungen zu Bedeutung und Qualitäten alltäglicher ästhetischer Erfahrung, in: Kulturation. Online-Journal für Kultur, Wissenschaft und Politik 1/2004, URL: http://www.kulturation.de/ki_1_text.php?id=25, Abschnitt II.
  13. Vgl. dazu Maren Möhring, Die Regierung der Körper. „Gouvernementalität“ und „Techniken des Selbst“, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 3 (2006), S. 284-290.
  14. Hinweise geben, auf unterschiedliche Weise, Anleitungen, Ratgeber und spärliche autobiographische Zeugnisse: Lernt tanzen wie John Travolta, in: Bravo, 22.6.1978; Kitty Hanson, Disco Fieber. Alles über die Disco-Welle, München 1979; Peter Cornelsen, John Travolta. Mit Tanzkurs, Film- und Diskographie, Bergisch Gladbach 1978; Thomas Hermanns, Für immer d.i.s.c.o., München 2009. Zu den USA vgl. neuerdings Alice Echols, Hot Stuff. Disco and the Remaking of American Culture, New York 2010.

Quelle: http://pophistory.hypotheses.org/709

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aventinus visio Nr. 5 [30.06.2013]: „Teenagermelodie“ – Kommerz und Wandel der Jugendkultur Ende der fünfziger Jahre im Spielfilm ‘Wenn die Conny mit dem Peter’ (1958)

Ende der 50er Jahre wandelte sich die Gesellschaft; es betraf v.a. Jugend­liche und ihr Freizeitverhalten. Neue Musik wie Rock’n’Roll wurde gemäßig­ter und neben rebellischen Halbstarken aus dem Arbeitermilieu, entwickelte sich eine weitere, schichtübergreifende Gruppe Jugendlicher: die Teenager. http://bit.ly/11WHHy1

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2013/06/4566/

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Tagung: Digitale Rekonstruktionen mittelalterlicher Bibliotheken

Bei der Tagung „Digitale Rekonstruktionen mittelalterlicher Bibliotheken“ werden verschiedene Projekte vorgestellt, deren Ziel es ist, Bestände mittelalterlicher Bibliotheken, die heute weltweit zerstreut sein können, digital zusammenzuführen und zu erschließen. Auch werden Möglichkeiten aufgezeigt, diese Bestände wissenschaftlich zu nutzen und die vorhandenen Daten und Metadaten in übergreifende Portale einzuspeisen. Schließlich sollen die Anforderungen diskutiert werden, die aktuelle Arbeiten aus der Sprach- und Literaturwissenschaft, der Kunstgeschichte und der Musikwissenschaft an solche digitalen Rekonstruktionen stellen. Veranstalter: Universität Trier, Historisch-Kulturwissenschaftliches Forschungszentrum Trier, Technische Universität Darmstadt, Stadtbibliothek/Stadtarchiv Trier Datum: [...]

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/1799

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Projektskizze: “Wütende Gemeinschaften. Die Kultivierung von Emotionen in der Musikkultur von Punk bis Grunge”

Mit dem Aufkommen der Punkmusik und -kultur Mitte der siebziger Jahre erhielt ein neues Phänomen Einzug in die Geschichte der Populärmusik: öffentlich zur Schau gestellte und intensiv ausgelebte Wut. Davon ausgehend lässt sich eine Entwicklung musikalischer Stilrichtungen erkennen, in denen das Transportieren und teils extrovertierte Ausleben ablehnender, anklagender Emotionen unerlässlicher, wenn nicht zentraler Bestandteil ist. Die Entstehung von Punk markiert damit, nicht allein musikhistorisch, einen Wendepunkt, von dem aus sich bis heute eine Vielzahl von Genres und KünstlerInnen der expressiven Darstellung von Wut, Zorn oder Hass als zentralem Element ihres Schaffens widmen (bspw. Punk, Hardcore, Heavy Metal oder Grunge).

Zusammenhängend mit der Entwicklung einer „wütenden Musikkultur“ bildeten und bilden sich Gemeinschaften, die auf verschiedene Weise und in verschiedenen Kontexten mit einer Vielzahl von Praktiken mit Musik und KünstlerInnen interagieren. Dabei ist davon auszugehen, dass in den Konstitutionsprozessen dieser Gemeinschaften, beispielsweise in Peer‐Groups, Emotionen eine tragende Rolle zukommt – unabhängig davon, ob sie situativen Charakter wie bei Konzerten haben oder langfristige Beziehungen darstellen. Die nähere Untersuchung dieses Zusammenspiels von Musik, Emotionen und Gemeinschaft im Kontext einer „wütenden Musikkultur“ in Deutschland und Großbritannien stellt den zentralen Aspekt dieses Projekts dar.

Empirisch richtet sich der Fokus des Projekts vor allem auf Selbsterzeugnisse der zu untersuchenden Szenen, darunter Fanzines, Interviews, Musikvideos oder Performances. Anhand der Identifizierung und Analyse von szenespezifischen Praktiken und Diskursen soll untersucht werden, wie bestimmte Formen von Emotionalität in diesen (sub-)kulturellen Kontexten geprägt beziehungweise hervorgebracht werden und welche Rolle diese Emotionen bei der Konstitution von Gemeinschaften spielen. Das theoretische Fundament der Arbeit bilden vor allem Auseinandersetzungen mit Fragen der Subjektivierung und neuere Ansätze der historischen Emotionsforschung.

Die zentralen Fragestellungen des Projekts lauten:

Wie wird aufgrund der musikalischen und performativen (Re‐)Präsentation von wütenden Emotionen die Entstehung von (emotionalen) Gemeinschaften initiiert? Welche Rolle spielen andere Emotionen, die im assoziativen Umfeld von Wut rangieren (Aggressivität, Hass, Zorn etc.) bei der Konstruktion von Gemeinschaften im Kontext einer „wütenden Musikkultur“?

Das Dissertationsprojekt wird im Rahmen der Forschungsgruppe “Gefühlte Gemeinschaften? Emotionen im Musikleben Europas” am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung bearbeitet. Betreuer sind Dr. Sven-Oliver Müller (Max-Planck-Institut für Bildungsforschung) und PD Dr. Jochen Bonz (Universität Bremen).

Quelle: http://pophistory.hypotheses.org/428

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Österreichisches Klosterportal

Eigentlich müsste es ja “Ordensportal” heißen, weil das Österreichische Klosterportal wesentlich mehr bietet als einen Wegweiser nur zu den “Klöstern” in Österreich. Vielmehr beinhaltet es Informationen zur Geschichte und den Kulturgütern aller in Österreich niedergelassenen Ordensgemeinschaften. Das Portal ist ein Service des Referats für die Kulturgüter der Orden. Dieses Referat ist von der Superiorenkonferenz der männlichen Ordensgemeinschaften Österreichs (SK) und der Vereinigung der Frauenorden Österreichs (VFÖ) damit beauftragt, die Kulturgüterpflege in den Ordensgemeinschaften zu unterstützen: durch Vernetzung der Ordensleute, die in ihren Gemeinschaften Archivalien, [...]

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/193

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