Workshop: Gender meets Generation and Pop in Europe. Göttingen, 18.-19. Juli 2013
45er, 68er, 89er: Es sind vor allem die sogenannten politischen Generationen, die in der Historiographie zur deutschen Zeitgeschichte prägnant skizziert worden sind. Konstituiert werden sie – nach dem klassischen Konzept von Karl Mannheim – durch das Erleben einer tiefgreifenden gemeinsamen Umbrucherfahrung bestimmter Alterskohorten, manifestiert zumeist in Kriegen, Revolutionen oder anderen gewaltsamen und politisch aufgeladenen Ereignissen. Weitere Möglichkeiten des prägenden Einflusses auf die Bildung von Generationen, z.B. durch konsumtorische, mediale oder lebensweltliche Erfahrungen werden demgegenüber häufig ignoriert bzw. banalisiert.
Die bisherige Vernachlässigung von populär- und alltagskulturellen Erfahrungswelten zeitigt zudem deutliche Folgen für die Analyse geschlechterspezifischer Generationenbildungen. Die meisten Protagonisten generationeller Formierungen im politischen Raum sind männlich. Generationelle Erfahrungen und Deutungen von Frauen werden mit Ausnahme herausragender Politikerinnen hingegen ignoriert oder allenfalls unter die von Männern subsummiert. Die bisherige Blindheit von generationellen Konstruktionen gegenüber der Kategorie Geschlecht einerseits und der Populärkultur andererseits möchte der Workshop überwinden, indem gezielt danach gefragt wird, welche geschlechterspezifischen generationellen Deutungen mit dem Bereich der Populärkultur – hier Mode und Musik – in Europa zwischen 1950 und dem Jahr 2000 verbunden waren. Dieser Zeitraum wird ausgewählt, weil sich in ihm zum einen die Ausprägung und Kommerzialisierung der Rock- und Popmusik vollzog und zum anderen die Mode – erstmals unabhängig von sozialen Schichten und Stadt-Land-Unterschieden – als Teil einer weitgefächerten Konsumgüterindustrie zum bedeutsamen Distinktionsmittel zwischen den Generationen avancierte.
Donnerstag, 18. Juli 2013
13.00 Uhr
Begrüßung und Einführung
Prof. Dr. Dirk Schumann (Georg-August-Universität Göttingen)
PD Dr. Lu Seegers (Humboldt-Universität zu Berlin)
13.30 Uhr
Keynote
Geschlechterspezifik und Generation in Mode und Musik im 20. Jahrhundert.
Prof. Dr. Uta Poiger (History Department, Northeastern University Boston)
14.15 Uhr – 16.00 Uhr
Sektion 1: Populärkultur, Konsum und generationelle Stile
Von männlicher Politik zu gegendertem Konsum? – Skeptische Anmerkungen zum Bemühen, das Generationskonzept für die historische Forschung zu retten.
Prof. Dr. Kaspar Maase (Ludwig-Uhland-Institut für Empirische Kulturwissenschaft, Eberhard Karls Universität Tübingen).
Transnationale Subkultur? Gender und Generation als Probleme der Popgeschichte nach 1945.
Bodo Mrozek (Zentrum für Zeithistorische Forschung, Potsdam)
«Konservativ ist in!» Die „Lebenswelt der ‘anderen 68er’ im ‘Zeitalter der Uneleganz’.
Dr. Anna von der Goltz (History Department, Georgetown University)
16 Uhr – 16.30 Uhr Kaffeepause
16.30 Uhr – 18.15 Uhr
Sektion 2: Musik als Trigger für generationelle Verortungen
„Erst ma´ eins auf die Fresse’“ – Wut und Weiblichkeit in den frühen deutschen Punkszenen.
Henning Wellmann (Forschungsgruppe „Gefühlte Gemeinschaften“, Max-Planck-Institut für Bildungsforschung Berlin)
Girls in the Gang: Constructing Violence in Urban Space in Budapest in the 1960s.
Dr. Sándor Horváth (Historisches Institut, Akademie der Wissenschaften Ungarn, Budapest)
Ab 19.00 Uhr gemeinsames Abendessen
Freitag, 19. Juli 2013
9.00 – 12.15 Uhr
Sektion 3: „Generationen-Kleider“: Mode als generationelle Aneignung und Imagination im Ost-West-Vergleich
Gender als interdependente Kategorie? Sich kleiden in Mutter-Tochter-Beziehungen.
Nadine Wagener-Böck (Institut für Kulturanthropologie/Europäische Ethnologie, Georg-August-Universität Göttingen)
Die Queen of Punk im Wunderland. Text-Gewebe im Werk Vivienne Westwoods.
Julia Hoffmann (DFG-Graduiertenkolleg Generationengeschichte, Georg-August-Universität Göttingen)
Kaffeepause
“Sowohl meine Oma als auch meine Mama nähten sich selbst die Kleider…”:
weibliches Nähen als generationsübergreifendes Überlebens- und Distinktionsmittel in der spätsowjetischen Konsumkultur .
Anna Tikhomirova (Abteilung Geschichtswissenschaften, Universität Bielefeld)
Zwischen Tradition und Beat. Junge Jugoslawinnen im Spannungsfeld neuer Körpererfahrung und alter Moral.
Nathalie Keigel, (Historisches Department, Universität Hamburg)
12.15 – 13.00 Uhr Mittagsimbiss
13.00 – 14.30 Uhr
Sektion 4: Generationelle Ästhetisierungen der Populärkultur in Europa
“For a Mother’s love”. Die Dialektik zwischen Melodrama und Generationen.
Vănia Morais (DFG-Graduiertenkolleg Generationengeschichte, Georg-August-Universität Göttingen)
„Ich sehe was, was Du nicht siehst und das ist anders!“ Alternative Lebensstile als habituelle Abgrenzung zur Elterngeneration in den 1970er Jahren in BRD und DDR.
Dr. Rebecca Menzel (Zentrum für Zeithistorische Forschung, Potsdam)
14.30 Uhr bis 15.30 Uhr
Schlussdiskussion
Veranstalter: DFG-Graduiertenkollegs 1083 “Generationengeschichte. Generationelle Dynamik und historischer Wandel im 19. und 20. Jahrhundert”, Georg-August-Universität Göttingen
Datum, Ort: 18.07.2013-19.07.2013, Göttingen, Heyne-Haus, Papendiek 16, 37073 Göttingen
Spielzeugland
Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2013/07/spielzeugland.html
Irische Geschichte, Teil 5: Bürgerkrieg und Spaltung
Soldaten der irischen Armee auf einem Schiff |
Regierungstruppen |
Denkmal für die erschossenen IRA-Kämpfer in Ballyseedy |
Kevin O'Higgins |
Sinn Féin Plakat gegen die RUC |
Literaturhinweise:
T. R. Dwyer - Michael Collins
Michael Collins (DVD, Spielfilm)
The Wind that shakes the Barley (DVD, Spielfilm)
Bildnachweise:
Soldaten auf Schiff - National Library of Ireland on The Commons (gemeinfrei)
Regierungstruppen - unknown - personal collection (gemeinfrei)
Ballyseedy - Patrick McAleer (CC-BY-SA 2.5)
Kevin O'Higgins - unbekannt (gemeinfrei)
Plakat - Ógra Shinn Féin (CC-BY-SA 3.0)
Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2013/06/irische-geschichte-teil-5-burgerkrieg.html
Das “Unternehmen Barbarossa” und die deutsche Kriegswirtschaft
Wirtschaft, Politik und Militär – diese drei Elemente waren im NS-Regime eng miteinander verbunden. Als die sogenannte “Blitzkriegsstrategie” der ersten beiden Jahre des Zweiten Weltkriegs an ihr plötzliches Ende kam, musste die NS-Führung auf politischer Ebene die Kriegsstrategie anpassen. Doch musste, um den Krieg weiterführen zu können, vor allem aber die Kriegswirtschaft für die länger andauernden und ressourcenbindenden Kriege umstrukturiert werden.
Im Zuge des sogenannten „Unternehmen Barbarossa“ erließ Adolf Hitler am 20. Juni 1941 den Befehl, in den Krieg gegen die Sowjetunion einzutreten. Bereits am 22. Juni 1941 durchbrachen deutsche Panzertruppen die ersten sowjetischen Stellungen, so dass deutsche Infanterieeinheiten weiter in das Landesinnere vordringen konnten.1 In der deutschen Führung war man sich sicher, mit der bis dahin an der Westfront erfolgreichen Strategie des „Blitzkriegs“ innerhalb kürzester Zeit wichtige sowjetische Stellungen einnehmen und den letztendlichen Sieg herbeiführen zu können. Doch bereits im August 1941 mehrten sich auf Seiten der deutschen militärischen Führung unter Generalstabschef Halder erhebliche Zweifel am Erreichen eines schnellen Sieges: Das Vordringen der deutsche Truppen geriet durch die personellen und materiellen Verluste ins Stocken, denn das unüberschaubar große Kriegsterrain und die zahlenmäßige Überlegenheit der Roten Armee waren unterschätzt worden. Obwohl die deutschen Truppen im Oktober 1941 in der Doppelschlacht von Wjasma und Brjansk der Roten Armee erhebliche Verluste zufügten, schafften es die deutschen Truppen nicht, den von Hitler erlassenen Befehl, die sowjetische Hauptstadt Moskau anzugreifen, erfolgreich durchzuführen. Extreme Witterungsbedingungen und eine sowjetische Gegenoffensive am 5./6. Dezember 1941 drängten die deutschen Truppen bis auf weiteres zurück. Statt einem schnellen Sieg sah sich die deutsche Führung nun einem Zweifrontenkrieg gegenüber, zudem erklärte auch die USA am 11. Dezember 1941 dem Deutschen Reich den Krieg.2 Die bereits 1941 auf deutscher Seite erlittenen Verluste sowohl materieller als auch personeller Art waren erheblich. Außerdem schienen mit dem Scheitern vor Moskau die schnell führbaren Kriege an ihr jähes Ende gekommen zu sein. So erkannte die deutsche Führung, dass für länger andauernde Kriege neben einer Anpassung der Kriegsstrategie vor allem das gesamte kriegswirtschaftliche Konzept umgestellt werden musste.3 Hitler übertrug nun die Aufgabe der Effektivierung der Rüstungsindustrie und ihre Ausrichtung auf lange, ressourcenbindende „Abnutzungskriege“ Albert Speer, dem bisherigen Generalbauinspektor der Reichshauptstadt. Als neuer Reichsminister für Bewaffnung und Munition übernahm Speer dabei vor allem „den Auftrag die Wirtschaft des „Dritten Reichs“ mit Entschiedenheit auf die Erfordernisse der Kriegsführung umzustellen.“4
Speer übernahm von seinem Vorgänger Fritz Todt, der am 8. Februar 1942 bei einem Flugzeugabsturz tödlich verunglückt war, das 1940 eingerichtete Reichsministerium für Bewaffnung und Munition. Die sogenannte „Organisation Todt“ war ab März 1940 damit beauftragt, das „Kompetenz- und Koordinationschaos“5 zwischen den wirtschaftspolitischen Entscheidungsträgern durch eine zentrale, vereinfachte Planungsbehörde zu ersetzen. Nach der Niederlage vor Moskau wurde Todts „Stellung durch einen Führererlass“ entschieden aufgewertet, doch vermochte er bis zu seinem Tod keine tiefgreifenden Maßnahmen zur schnellen Rüstungssteigerung in die Wege zu leiten.6 Mit der darauffolgenden „Speerschen Selbstverwaltung“ sollten die Kompetenzen und Befugnisse der Rüstungsproduktion in sogenannten „Lenkungsbereichen“ wie „Ringen“ und „Ausschüssen“ gebündelt werden. Diese Gremien wurden von den Industrievertretern selbst besetzt. So entstand in den Kriegsjahren von 1942 bis 1944 zwischen der deutschen Privatwirtschaft und dem NS-Regime eine hochkomplexe Kooperationsstruktur, die für die Industrievertreter die erstmalige Möglichkeit der “Selbstverwaltung” mit sich brachte.7
Die Speersche „Selbstverwaltung der Industrie“ war alternativlos staatlich vorgegeben und bot den für alle deutschen Betriebe verbindlichen Rahmen für ihre wirtschaftlichen Aktivitäten. Der Anreiz für die Unternehmen, „freiwillig“ an der „Selbstverwaltung der Industrie“ teilzuhaben und mit den staatlichen Behörden zu kooperieren und für sie Rüstungsaufträge abzuwickeln, lag in folgendem Prinzip: Indem Todt und Speer die Industrie als Kooperationspartner scheinbar auf Augenhöhe mit den staatlichen Behörden hob und der Industrie in ihren Bereichen Verantwortung und Selbstständigkeit zugestanden und übertrugen und sie an der Macht der nationalsozialistischen Herrschaft teilhaben ließen, waren staatliche Eingriffe auf die Autonomie der Unternehmen nicht mehr so offensichtlich bzw. wurden von den Unternehmen anfangs nur in wenigen Fällen als störend empfunden.8 Doch die Regulation bzw. beabsichtigte Verschärfung des Wettbewerbes durch Speers Behörden stellte einen Eingriff in den Markt und in die Autonomie der Unternehmen dar. Darüber hinaus bestimmten in den Ausschüssen und Ringen die marktführenden Unternehmen, die sich in den ausgetragenen Konkurrenzkämpfen durchsetzen konnten, die unternehmerischen Entscheidungen aller übrigen Unternehmen, die in den Selbstverwaltungsorganen waren und profitierten von ihrer Dominanz. Auch dies war ein Eingriff in die Autonomie der Unternehmen und bedeutete eine Einschränkung ihrer Handlungsfreiräume. Zweifellos verschwammen mit der „Selbstverwaltung der Industrie“ die Grenzen zwischen „staatlicher Wirtschaftsadministration“ und „privatwirtschaftlicher Sphäre“,9denn diese war eine Schnittstelle zwischen Industrie und Staat. In dieser Selbstverwaltung der Industrie wuchs auch im Laufe des Krieges die politische Mitverantwortung.10 Genauso waren die führenden Figuren dieser Organisationsform, nämlich die „NS-Industriellen“, geschickt eingesetzte „Zwitter“, die die Vermischung von Staat und Industrie symbolisierten und gleichzeitig einen staatlichen Zugriff auf unternehmerischen Handlungsraum ermöglichten.11
Gewisse Handlungsfreiräume der Unternehmen bestanden für die Zeit unter Speer im Wesentlichen darin, dass die Unternehmen gegensätzliche Interessen wie ihr Streben nach Selbsterhaltung und der Ausrichtung auf eine Friedenswirtschaft verfolgen konnten, ohne dass ihnen dafür staatliche Repressalien drohten. Mag dies dem mangelnden Durchgreifen der Speerschen Behörden geschuldet sein, die auch strukturelle Probleme der Selbstverwaltung nicht effektiv zu bewältigen vermochten, so muss doch darauf hingewiesen werden, dass die Unternehmen in der Verfolgung ihrer unternehmerischen Interessen und in der späteren Entwicklung von Interessen, die sich gegen die kriegswirtschaftlichen Ziele Speers richteten, lediglich ihr ökonomisches Streben nach Wachstum, Profit und längerfristigem Überleben zum Ausdruck brachten, das jedes privatwirtschaftliche Unternehmen, das in einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung agiert, kennzeichnet.12
Empfohlene Zitierweise: Blümel, Jonathan (2013): Das “Unternehmen Barbarossa” und die deutsche Kriegswirtschaft. In: JBSHistoryBlog.de. URL: http://jbshistoryblog.de [Zugriff: DD:MM:YYYY]
- Vgl. Hartmann, Christian: Unternehmen Barbarossa. Der deutsche Krieg im Osten 1941-1945. München 2011. S. 38. ↩
- Vgl. Hartmann 2011. S. 37-44. ; Wehler, Hans-Ulrich: Der Nationalsozialismus. Bewegung, Führerherrschaft, Verbrechen 1919-1945. München 2009. S. 255. ↩
- Vgl. Wehler, Hans-Ulrich: Der Nationalsozialismus: Bewegung, Führerherrschaft, Verbrechen, 1919-1945. München 2009. S. 255. ↩
- Siehe Hildebrand, Klaus: Das Dritte Reich. München 2009. S. 88 ; Vgl. auch Müller, Rolf-Dieter: Albert Speer und die totale Rüstungspolitik im totalen Krieg, in: Kroener, Bernhard R. / Müller, Rolf-Dieter / Umbreit, Hans: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. Organisation und Mobilisierung des deutschen Machtbereichs. Kriegsverwaltung, Wirtschaft und personelle Ressourcen. 1942-1944/45. Stuttgart 1999. S. 275. ↩
- Siehe Erker, Paul: Industrieleiten in der NS-Zeit: Anpassungsbereitschaft und Eigeninteresse von Unternehmern in der Rüstungs- und Kriegswirtschaft. Passau 1994. S. 16. ↩
- Vgl. Wehler 2009. S. 256 ; Müller in: Kroener / Müller / Umbreit. 1999. S. 276. ↩
- Vgl. Tooze, Adam: Ökonomie der Zerstörung: die Geschichte der Wirtschaft im Nationalsozialismus. Bonn 2007. S. 647. ↩
- Vgl. Erker in: Erker, Paul / Pierenkemper, Toni: Deutsche Unternehmer zwischen Kriegswirtschaft und Wiederaufbau. Studien zur Erfahrungsbildung von Industrie-Eliten. München 1999. S. 8. ↩
- Siehe Volkmann, Hans-Erich: Ökonomie und Expansion: Grundzüge der NS-Wirtschaftspolitik: Ausgewählte Schriften. München 2003. S. 100. ↩
- Vgl. Volkmann 2003 S. 76. ↩
- Vgl. Erker in: Erker / Pierenkemper 1999. S. 7. ↩
- Vgl. Buchheim, Christoph: „Unternehmen in Deutschland und NS-Regime 1933-1945. Versuch einer Synthese“, in: Historische Zeitschrift 282 (2006). S. 379-381. ↩
Irische Geschichte, Teil 4: Der irische Unabhängigkeitskrieg
Mitglieder der dritten Tipperary-Brigade der IRA, 1921 |
Der Begriff eines "Krieges" ist hier allerdings irreführend, wenn man ihn sich wie den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg vorstellt, mit Armeen, die einander auf dem Schlachtfeld gegenüberstehen. Die Irish Volunteers, die sich kurz darauf in Irish Republican Army, IRA, umbenannten, waren eine irreguläre Armee, schlecht ausgerüstet und ausgebildet, aber mit großer Unterstützung in der Bevölkerung und guter Kenntnis des Gebiets, in dem sie kämpften. Ihre bevorzugte Taktik war der Hinterhalt (das einzige Mal, dass sie in größerem Maßstab eine britische Stellung direkt angriffen, endete in einem Desaster) von kleinen Einheiten. Sie trugen keine Uniformen und führten einen irregulären Guerilla-Krieg. Entsprechend schickten die Briten auch nur relativ wenig reguläre Truppen gegen sie, sondern griffen auf eine Verstärkung der RIC sowie auf zwei irreguläre Freiwilligenverbände zurück, die sich bald einen Namen machen sollten: die Auxiliary Division of the Royal Irish Constablery (ADRIC, Hilfsdivision der königlich-irischen Polizei, oft als Auxies oder Auxiliaries bezeichnet) und die Black and Tans (etwa: Schwarz-und-Hellbraune, wegen der Farbe ihrer Uniformen), eine Art Söldnertruppe, die sich vor allem aus Veteranen des Ersten Weltkriegs zusammensetzte, die nicht mehr zurück ins Zivilleben fanden.
Auxiliaries und Black and Tans in Dublin, 1921 |
Die gegenseitige Gewalt nahm bis zum November 1920 immer weiter zu. Zu diesem Zeitpunkt waren rund 300 Menschen auf beiden Seiten getötet und wesentlich mehr verwundet oder (im Fall der IRA) gefangengenommen worden. Der Krieg war mindestens genauso sehr eine Polizeiaktion wie ein bewaffneter Kampf, und der Versuch, Mitglieder und besonders Anführer der IRA zu identifizieren stellte ein zentrales Betätigungsfeld der RIC dar, was Offiziere der RIC wiederum zu primären Angriffszielen der IRA machte. Besonders berüchtigt war die sogenannte "Cairo Gang" (nach dem Cairo Café in dem sie sich zu treffen pflegten und ihrem vorherigen Einsatz in Ägypten) in Dublin, eine Gruppe von etwas mehr als einem Dutzend Polizisten, die drauf und dran waren, mit ihrem besonders effektiven Spitzelnetzwek die komplette IRA-Struktur in der Stadt zu zerlegen. Es war Michael Collins, der den Plan entwickelte sie alle zu ermorden und den Befehl dazu gab. Neben der Cairo Gang wollte Collins auch die Agenten der RIC töten lassen und hatte zu diesem Zweck eine Liste von 50 Namen zusammengestellt. Der "Verteidigungsminister" der Republik bestand jedoch darauf, sie auf 35 zusammenzukürzen, da bei vielen Namen überhaupt nicht klar war, ob es sich überhaupt um Spione handelte - Collins und seine Unterstützer in der IRA waren nicht gerade zimperlich, was solche Unklarheiten anging. Sie töteten, genauso wie ihre Gegner von den Black and Tans und den Auxiliaries, lieber zu viele als zu wenige Menschen in der Hoffnung, dadurch einen Gegner zu erwischen.
Die "Cairo Gang"; fast alle starben am "Bloody Sunday" |
Beide Seiten griffen nun wesentlich freizügiger auf Gewalt zurück. Die IRA legte einige großangelegte Hinterhalte, die zweistellige Opferzahlen unter den Soldaten zufolge hatten, während die britischen Kräfte freizügiger als bisher Verdächtige inhaftierten oder gleich ermordeten. Von den rund 2000 Toten des Konflikts starben fast drei Viertel nach dem "Bloody Sunday". Doch die Gewaltspirale benachteiligte wie bereits am "Bloody Sunday" die Briten. Die IRA galt als legitime Freiheitskämpferin, die Briten als blutige Unterdrücker und Mörder. Der Ruf besonders der Auxiliaries und der Black and Tans war so schlecht, dass sogar der englische König in öffentlichen Reden auf Mäßigung drang und am 22. Juni 1921 sogar eine Rede hielt, in der er zum Friedensschluss aufrief. Friedensverhandlungen zwischen der IRA und Großbritannien, die 1920 erfolgversprechend gewirkt hatten, bevor die IRA wegen der Forderung, vor weiteren Gesprächen die Waffen niederzulegen den Kontakt abgebrochen hatte, wurden wieder aufgenommen und im Juli 1921 ein Waffenstillstand erklärt. Die Zeit des Waffenstillstands sollte für die eigentlichen Verhandlungen genutzt werden.
David Lloyd George |
Vermutlich war dies den meisten IRA-Mitgliedern selbst bereits klar. Im Vorfeld der Verhandlungen nutzte Éamon de Valera, der Präsident der irischen Republik, dieses Wissen, um den populären Michael Collins als mit umfangreichen Vollmachten ausgestatteten Unterhändler nach London zu schicken und so die Verantwortung abzuschieben. Der Vertrag, der aus diesen Verhandlungen im Dezember 1921 hervorging, war gemäß der Theorie, dass gute Verhandlungen beide Seiten unbefriedigt zurücklassen, ein voller Erfolg: Irland wurde als "Freistaat" unabhängig (und behielt den englischen König als Oberhaupt, weswegen es nicht "Republik" heißen durfte), löste sich ansonsten aber von Großbritannien. Die Briten bestanden außerdem darauf, dass das im vierten Home-Rule-Gesetz geschaffene irische Parlament für zwei Jahre zum Dáil Éireann ko-existierte und den Vertrag ebenfalls ratifizierte. Nominell vereinigte der Vertrag Irland als Gesamt-Freistaat, doch die sechs nördlichen Counties (deren Grenze von einer Kommission festgelegt werden sollte) hatten die Möglichkeit, aus dem Vertrag auszusteigen und stattdessen unter der Home Rule Teil des Vereinigten Königreichs zu bleiben, eine Möglichkeit, von der allen Beteiligten klar war, dass sie ergriffen werden würde.
Michael Collins |
Weiter geht's in Teil 5.
Literaturhinweise:
Richard English - Armed Struggle - The history of the IRA
T. R. Dwyer - Michael Collins
Michael Collins (DVD, Spielfilm)
The Wind that shakes the Barley (DVD, Spielfilm)
Bildnachweise:
IRA Tipperary - unbekannt (gemeinfrei)
Auxiliaries und Black and Tans - National Librabry of Ireland and the Commons (gemeinfrei)
Cairo Gang - Hulton Getty (gemeinfrei)
Lloyd George - Harris & Ewing (gemeinfrei)
Michael Collins - W. D. Hogan for C & L Walsh Photographers (gemeinfrei)
Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2013/06/irische-geschichte-teil-4-der-irische.html
aventinus recensio Nr. 37 [12.06.2013]: Thomas König: Die Frühgeschichte des Fulbright Program in Österreich, Innsbruck u.a.: StudienVerlag 2012. 26,90 €. ISBN 978-3-7065-5088-8
Irische Geschichte, Teil 3: Der Weg in den Bürgerkrieg
Abteilung der Ulster Volunteers |
Wandmalerei in Belfast zur Erinnerung an 1916 |
Sinn Féin Wahlkampf für den inhaftierten Joseph McGuiness |
Von Deutschen eroberter britischer Schützengraben 1918 |
Éamon de Valera |
Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2013/06/irische-geschichte-teil-3-der-weg-in.html
durchsichten: Ostmitteleuropa Transnational. Studien zur Verflechtungsgeschichte I bis III, koord. v. Katja Naumann
Irische Geschichte, Teil 2: Die irische Frage
Opfer der Great Famine |
Charles E. Trevelyan, zu der Zeit Finanzminister |
Benjamin Disraeli, 1878 |
Irischsprachiges Informationsschild |
Charles Stewart Parnell |
Nach einer Parlamentsreform 1911, die das House of Lords weitgehend entmachtete und das Veto nur für zwei Jahre suspensiv gestaltete, verabschiedete das House of Commons 1914 endgültig ein Gesetz für die irische Home Rule, die jedoch wegen des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs sofort wieder suspendiert wurde. Die IPP hatte zu diesem Zeitpunkt ihren Zenit bereits überschritten und begann gegenüber der radikalen Sinn Féin an Boden zu verlieren. Irland stand kurz vor dem Bürgerkrieg zwischen Nationalisten und Unionisten.
Weiter geht's im dritten Teil.
Charles Stewart Parnell - Mathew Brady, Levin Corbin Handy (gemeinfrei)
Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2013/05/irische-geschichte-teil-2.html