Klassenkampf auf Grönländisch

Parlamentswahlen im Zeichen des Konflikts zwischen Zentrum und Peripherie

von Ebbe Volquardsen

Als das Grönländische Fernsehen (KNR) am Freitag, den 28. November 2014, kurz nach Schließung der Wahllokale seine Prognose veröffentlichte, sah alles danach aus, als würde sich bewahrheiten, was die Umfragen seit Wochen vorausgesagt hatten. Sara Olsvig, 36 Jahre alt, studierte Anthropologin und frisch gewählte Vorsitzende der linken Oppositionspartei Inuit Ataqatigiit (IA), würde, so ließ sich das Balkendiagramm lesen, gemeinsam mit den sozialliberalen Demokraten eine souveräne Mehrheit erhalten und Grönlands neue Premierministerin werden. Die bisherigen Regierungsparteien, die sozialdemokratische Siumut und die bürgerliche Atassut, lagen weit abgeschlagen. Doch es sollte anders kommen.

Der spannende Wahlabend begann mit der Veröffentlichung der Prognose. Foto: Ebbe VolquardsenDer lange Wahlabend begann mit der Veröffentlichung der Prognose. FOTO: EBBE VOLQUARDSEN

Als sich nicht mehr leugnen ließ, dass die tatsächlichen Hochrechnungsergebnisse erheblich von der Prognose abwichen, diese gar ins Gegenteil verkehrten, räumte der Moderator ein, auf welche Weise der »Exit Poll« zustande gekommen war. Man hatte direkt nach dem Urnengang gut 1100 Wähler nach deren tatsächlichem Wahlverhalten gefragt, eine Zahl, die bei rund 40000 Wahlberechtigten eigentlich repräsentative Daten versprach. Allerdings hatte das Fernsehen seine Demoskopen nur in die vier größten Städte geschickt. In der Hauptstadt Nuuk, dem wichtigen Fischereihafen Sisimiut, der Tourismushochburg Ilulissat und dem wirtschaftlich angeschlagenen Qaqortoq ganz im Süden lebt zusammen etwas mehr als die Hälfte der Grönländer. Verlässliche Daten ließen sich hier trotzdem nicht ermitteln.

Die Schwierigkeiten der Meinungsforscher verdeutlichen Besonderheiten, die in Grönland Teil der politischen Realität sind. Keiner der 74 bewohnten Orte ist mit einem anderen durch eine Straße verbunden. Flugzeuge, Helikopter und eine in den Sommermonaten verkehrende Fähre sind die einzigen Städte und Dörfer verbindenden Verkehrsmittel. Auch Politiker, Journalisten und Demoskopen verfügen nicht über ausreichend Zeit und finanzielle Mittel, um in allen Landesteilen präsent zu sein. In der Bevölkerung trägt die spärliche Infrastruktur zu sozialer Ungleichheit und zur Verfestigung höchst unterschiedlicher Lebensentwürfe bei, Konfliktlinien, die sich auch im Wahlverhalten niederschlagen. Während eine privilegierte, gebildete und global orientierte Elite aus Nuuk mittlerweile zum Einkaufen ins isländische Reykjavík, häufig nach Kopenhagen und von dort in alle anderen Teile der Welt fliegt, stellt schon eine Reise in die Hauptstadt in den Biografien vieler Bewohner der abgelegenen Landesteile ein einmaliges Ereignis dar. Das Durchschnittseinkommen in Nuuk ist viermal höher als in den ärmsten Küstenorten.

Unterschiedliche Lebensrealitäten
Die unterschiedlichen Lebensrealitäten in Zentrum und Peripherie werden besonders dann sichtbar, wenn auch diejenigen eine Stimme haben, die im Alltag nur selten Gehör finden. An den Wahlen nehmen auch die traditionell lebenden Fischer und Robbenfänger an den zahlreichen Außenposten teil, an der alltäglichen politischen Debatte in der Regel nicht. So bewahrheitet sich im selbstverwalteten Grönland, was der Soziologe Seymour Martin Lipset bereits zu Beginn der 1980er Jahre als generelle Entwicklung aller demokratischen Systeme prognostiziert hatte: die Relevanz der klassischen ökonomischen Scheidelinie zwischen links und rechts schwindet zugunsten eines neuen gesellschaftlichen Konflikts, der zwischen jenen ausgetragen wird, die in soziokulturellen Fragen postmaterielle Positionen vertreten (können) und jenen, die an traditionellen Werten festhalten.

Letztere Wähler vertreten in Grönland die sozialdemokratische Siumut-Partei und die neue Partii Naleraq des ehemaligen Premierministers Hans Enoksen, die sich als Lobby der kleinen Leute und der Fischereiwirtschaft versteht. Wie die urban orientierte Inuit Ataqatigiit (und die inzwischen bedeutungslose Partii Inuit) verorten sich auch Siumut und Naleraq auf der linken Hälfte des politischen Spektrums. In der Tat: Mehr als 80 Prozent der Grönländer haben am Freitag links gewählt, mehr als 90, wenn man die sozialliberalen Demokraten dazurechnet. Von der »rotesten Demokratie der Welt« sprach Lars Trier Mogensen in der dänischen Zeitung Information. Dennoch: Bei der Suche nach einer gemeinsamen politischen Linie haben die Kategorien links und rechts jegliche Bedeutung verloren. In Grönland schwelt ein sozialer Konflikt, der sich mit dem Schlagwort »Nuuk gegen den Rest« beschreiben lässt. Eine Prognose, die die Stimmen aus der Hauptstadt überrepräsentiert, liefert zwangsläufig ein verzerrtes Bild.

Die Haupstadt Nuuk ist Hochburg der Partei Inuit Ataqatigiit. FOTO: EBBE VOLQUARDSEN

In der Hauptstadt Nuuk hat die Partei Inuit Ataqatigiit ihre Hochburg. FOTO: EBBE VOLQUARDSEN

Nachdem die Siumut-Partei mit ihrem neuen Vorsitzenden, dem Polizeibeamten Kim Kielsen, entgegen aller Erwartungen über den gesamten Wahlabend hinweg souverän in Führung gelegen hatte, wurde es kurz vor Schluss doch noch spannend. Endlich waren auch die Stimmen aus Nuuk ausgezählt. In der Hauptstadt hatten sich fast 70 Prozent der Wähler für Inuit Ataqatigiit und Demokraten entschieden. Auf einmal lagen reformaffiner Stadtblock und Traditionalisten landesweit fast gleichauf. Mit nur 300 Stimmen Vorsprung machte Siumut am Ende das Rennen. Seit Montag führt Kim Kielsen Koalitionsverhandlungen. Erwartet wird, dass sich Grönlands künftiger Premier gegen eine große Koalition und für eine Regierung aus Siumut, Naleraq und bürgerlicher Atassut entscheidet. Ein solches Bündnis hätte eine Einstimmenmehrheit. In den hippen Cafés im Stadtzentrum von Nuuk herrscht seither Katerstimmung; von einem »schwarzen Freitag« ist die Rede.

Jahre des Aufbruchs
Noch vor ein paar Jahren hatte alles ganz anders ausgesehen. 2008 hatte sich eine überwältigende Mehrheit der Grönländer in einer Volksabstimmung für die Selbstverwaltung ausgesprochen. Es begann eine Zeit des Aufbruchs. Grönländisch wurde Amtssprache, der lokalen Regierung wurden zahlreiche neue Verantwortlichkeiten übertragen, unter anderem für die Verwaltung der unter dem schmelzenden Eis vermuteten Rohstoffe, die langfristig eine völlige Loslösung von Dänemark finanzieren könnten. Die grönländischen Wähler hatten Mut bewiesen – und waren der Meinung, dass neue Politiker her mussten, um die anstehenden Herausforderungen zu bewältigen. Bei den nächsten Wahlen schickten sie die jahrzehntelang dominierende Siumut-Partei erstmals in der Geschichte des grönländischen Parlamentarismus in die Opposition. Wie in vielen anderen ehemaligen Kolonien war die Regierungszeit der Partei wiederholt von Korruption und Vetternwirtschaft geprägt gewesen. Nun übernahm ein neues Bündnis aus Inuit Ataqatigiit und Demokraten unter Führung von Premierminister Kuupik Kleist (IA).

Kleist ist einer von den Menschen, die den meisten – unabhängig von politischer Nähe – sofort sympathisch und vertrauenserweckend erscheinen. Es muss irgendetwas mit seinem Äußeren zu tun haben, mit seiner Gestik und Mimik. Selbst der treueste Siumut-Anhänger in der grönländischen Provinz würde Kleist bedenkenlos einen Gebrauchtwagen abkaufen, wenn es denn Straßen gäbe, auf denen man damit fahren könnte. Dies und wohl auch seine Herkunft aus Qullissat, einer 1972 rabiat abgewickelten Bergarbeiterstadt und seither Symbol postkolonialer Empörung, mögen begünstigt haben, dass sich die Grönländer 2009 über alle sozialen Klassengrenzen hinweg mehrheitlich für einen politischen Neuanfang unter Kleists Führung aussprachen.

Erstmals hatte Grönland nun eine Regierung, deren Minister größtenteils an Universitäten studiert hatten, zumeist in Dänemark. Hatte Kleists Vorgänger, der heutige Naleraq-Vorsitzende Hans Enoksen, sich ausschließlich auf Grönländisch geäußert und selbst für dänische Gespräche einen Dolmetscher hinzugezogen, so verhandelten die Mitglieder des ersten Selbstverwaltungskabinetts, unter ihnen gleich mehrere junge Frauen, nicht nur auf Dänisch, sondern auch souverän auf Englisch. Zu einer Zeit, als Grönland aufgrund der neuen Selbstverwaltung, des Klimawandels und der im Land vermuteten Rohstoffe weltweite Aufmerksamkeit auf sich zog, machte Kleists Regierung eine gute Figur auf internationalem Parkett. Mit der grönländischen Sprache indes hatten einige der Minister ihre Schwierigkeiten.

Postkoloniale Nachwehen
Das sprachpolitische Schisma Grönländisch versus Dänisch ist eine der zähesten nur schwer zu überwindenden postkolonialen Nachwehen. Obwohl Grönland als zweisprachig zu bezeichnen ist, gilt das längst nicht für alle Bewohner. Es wird geschätzt, dass etwa die Hälfte der Grönländer nur wenig oder gar kein Dänisch spricht und versteht. Hinzu kommt, dass in Ostgrönland und ganz im Norden um die Siedlung Qaanaaq Dialekte gesprochen werden, die so stark von der grönländischen Standardvarietät abweichen, dass das Westgrönländische, wie es in Nuuk gesprochen wird, für diese Menschen praktisch erste Fremdsprache ist. Doch es gibt auch Grönländer, die ihre eigene Landessprache nur unzulänglich beherrschen.

Bis in die 1990er Jahre hinein war das Schulsystem streng zweigeteilt; es gab grönländischsprachige und dänischsprachige Klassen. Letztere waren ursprünglich eingerichtet worden, um die Kinder der im Land lebenden Dänen in deren Muttersprache zu unterrichten. Doch auch viele grönländische Eltern entschieden sich für die mit höherem sozialem Status verbundenen dänischen Klassen. Auf diese Weise entstand eine Minderheit von rein dänischsprachigen Grönländern, denen einerseits hervorragende Ausbildungsmöglichkeiten an dänischen Universitäten offenstanden, die aber andererseits nicht in der Lage waren mit ihren Landsleuten außerhalb des dänisch geprägten Nuuk zu kommunizieren, und denen daher zuweilen vorgeworfen wird, keine richtigen Grönländer zu sein.

Wie offen die aus dem Sprachenkonflikt resultierenden Wunden noch immer sind, illustriert die kurze Erfolgsgeschichte der Partii Inuit, die 2013 aus dem Stand mit über sechs Prozent der Stimmen ins grönländische Parlament einzog. Empört über Kleists Inklusion der rein dänischsprachigen Minister in sein Kabinett, erklärte sich die Partei zur Interessenvertreterin all jener, die nur die grönländische Sprache beherrschen, und forderte die Verbannung des Dänischen aus allen öffentlichen Institutionen. Konnte die Partei mit ihrer radikal antikolonialen Rhetorik beim ersten Mal noch punkten, so war sie bereits anderthalb Jahre später zur Splittergruppe geworden. Die konsequente Weigerung der freilich zweisprachigen Politiker, sich gegenüber den Medien auf Dänisch zu äußern und an den zahlreichen dänischsprachigen Podiumsdiskussionen teilzunehmen, wurde selbst von der eigenen Zielgruppe nicht goutiert. Nur Grönländisch zu sprechen, ist für die betreffenden Personen keineswegs ein Grund persönlichen oder nationalen Stolz zu empfinden. Im Gegenteil: Es ist ein Grund zur Scham. Privilegierte, die sich, indem sie freiwillig auf den Gebrauch des Dänischen verzichten, zu Repräsentanten der stigmatisierten Einsprachigen erklären, lassen die vermeintlich Repräsentierten die tägliche Demütigung gleich doppelt spüren.

In den kleineren Siedlungen entlang der Küste liegt bei Wahlen meist die Siumut-Partei vorn. FOTO: EBBE VOLQUARDSEN

Sozialer Aufstieg – das ist das postkoloniale Dilemma – ist in Grönland eng mit dem Beherrschen der dänischen Sprache verbunden. Für die gut bezahlten Jobs in Nuuk ist Zweisprachigkeit Voraussetzung, im Zweifelsfall reicht Dänisch aus. Die wiederkehrende Forderung, die erste Fremdsprache Dänisch doch gleich durch das international viel wichtigere und im Fall Grönlands kolonial unvorbelastete Englisch zu ersetzen, erscheint nur auf den ersten Blick als naheliegende Lösung. Grönländer sind dänische Staatsbürger, denen ein Umzug nach Kopenhagen, Aarhus oder Tullebølle jederzeit bedingungslos offensteht. Der für Grönländer am leichtesten zugängliche Arbeits- und Ausbildungsmarkt außerhalb des Heimatlandes würde wegfallen, entschiede man sich für die Hintanstellung des Dänischen auf den Lehrplänen.

Nation Branding
Auch wenn die Konflikte um Sprachfertigkeiten, Ethnizität und die seit dem 19. Jahrhundert immer wieder aufgeworfene Frage, was einen Grönländer eigentlich ausmacht, noch längst nicht beigelegt sind, konnte man in der Regierungszeit Kuupik Kleists den Eindruck gewinnen, dass andere Themen den Grönländern zumindest wichtiger waren. Auf der Welle der positiven Grundstimmung, die die errungene Selbstverwaltung ausgelöst hatte, wurden originelle – teilweise witzige – Nation Branding-Kampagnen entworfen, grönländische Akteure aus Politik, Wirtschaft und Kultur traten souverän und selbstbewusst im Ausland auf, und selbst in Dänemark häuften sich die Anzeichen dafür, dass der verbreitete paternalistische Blick auf die ehemalige Kolonie allmählich einer Sichtweise wich, die Grönland als gleichberechtigte Partnerin innerhalb des Königreichs anerkannte. Wie ausgeprägt der Akzent des Einzelnen, wie dunkel sein Haar, und wie ausgewogen das Verhältnis zwischen Dänen und Inuit auf seinem Stammbaum ist, schienen auf einmal nebensächliche Fragen zu sein. Wer sich mit dem neuen selbstverwalteten Grönland identifizierte, gehörte auch dazu. Am Horizont über der Davis Strait ließ sich bereits die souveräne Staatsnation erahnen.

Angesichts der durchweg gut bewerteten Performanz des ersten Selbstverwaltungskabinetts und der sich positiv entwickelnden Wirtschaft ist erstaunlich, dass die grönländischen Wähler Kuupik Kleist bei den Wahlen im Frühjahr 2013 eine zweite Amtszeit verwehrten. Eine Erklärung dafür mag sein, dass die Realpolitik des besonnenen Premiers den durch die Selbstverwaltung euphorisierten Grönländern nicht markant genug in Richtung einer erhofften wirtschaftlichen Unabhängigkeit und einer daraus folgenden Loslösung von Dänemark wies. Denkbar ist auch, dass sich manche Wähler von der Regierung übergangen oder misrepräsentiert fühlten, jene etwa, die sich aufgrund mangelnder Ausbildung nicht schnell genug an das von Kleist skizzierte global orientierte Grönland anzupassen vermochten. Die postkolonialen Wunden, von denen in Kleists Regierungszeit kaum noch die Rede war, sind noch nicht überall verheilt. An dieser Stelle kam Aleqa Hammond von der Siumut-Partei ins Spiel, die vorgab die heilende Salbe zu kennen. Von März 2013 bis Oktober 2014, als Nuuks Bürger sie förmlich aus dem Amt jagten, war Hammond Grönlands erste Premierministerin.

Ask Rostrup kriegt einen Schreck
Für den Bruchteil einer Sekunde konnte man dem politischen Kommentator des Dänischen Rundfunks (DR) Ask Rostrup anmerken, dass er selbst darüber erschrocken war, was er soeben gesagt hatte. Während ganz Grönland auf die Ergebnisse aus Nuuk wartete, die darüber entscheiden würden, ob das neue Oberhaupt des Landes Kim Kielsen oder Sara Olsvig hieß, hatte das grönländische Fernsehen einige Experten ins Studio geladen. Zusammen mit Rostrup, bekannt für seine scharfzüngigen Analysen, ließ der Moderator Aleqa Hammonds anderthalbjährige Regierungszeit Revue passieren. Dann folgte die Schlussbewertung des dänischen Gasts. Zu keinem Politiker weltweit, resümierte Rostrup, habe Dänemarks Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt je ein schlechteres Verhältnis gehabt als zu Hammond. Ein kurzes Zucken beim Moderator. Derart deutliche Worte von dänischer Seite waren im grönländischen Fernsehen selten. Ein kurzes Zucken beim Gast. Hatte er die Grenze dessen, was zu sagen sich für einen Medienvertreter der ehemaligen Kolonialmacht ziemt, überschritten? Schließlich ein einvernehmliches Nicken. Rostrups Statement war direkt, aber treffend gewesen. Wie hatte es dazu kommen können, dass die zwei Frauen, Regierungschefinnen im selben Königreich und noch dazu beide Sozialdemokratinnen, ein derart angestrengtes Verhältnis zueinander pflegten?

2013 war das internationale Medieninteresse an den grönländischen Parlamentswahlen groß gewesen. Es gab eine Geschichte zu erzählen. Das an Bodenschätzen reiche Grönland stand am Scheideweg, »arktisches Dubai oder arme Fischernation« zu werden, wusste etwa der Fernsehsender n-tv plakativ zu berichten. Dabei herrschte in der grönländischen Politik grundsätzlich Einigkeit darüber, dass die zahlreichen Rohstoffe, etwa die für die Elektronikindustrie so wichtigen Seltenen Erden, gehoben werden mussten, wenn das Land eines Tages wirtschaftlich auf eigenen Füßen stehen sollte. Die strittige Frage war also nicht das Ob, sondern das Wie. Kuupik Kleists Regierung machte niemandem Illusionen. Erst künftige Generationen würden von den Rohstoffeinnahmen profitieren. Die aufwändigen Bergbauvorhaben wollte Kleist von langer Hand vorbereiten und mit Hilfe internationaler Experten planen; auf den Abbau von Uran wollte er verzichten. Herausforderin Aleqa Hammond hingegen vermittelte den Eindruck, als könne nun alles ganz schnell gehen – und vor allem ohne dänische Hilfe. Ihr Ziel sei, ließ sie die Wähler wissen, ein unabhängiger grönländischer Staat zu ihren Lebzeiten, finanziert aus den Einnahmen der Minenindustrie. Hammond war zu diesem Zeitpunkt 47 Jahre alt.

Grönländischer Nationalismus
Die nationalistischen Untertöne in der Rohstoffdebatte wurden von den internationalen Medien zumeist nicht zur Kenntnis genommen; für die Grönländer waren sie wahlentscheidend. Es war Hammond gelungen, einen Keil zwischen die einfachen Leute und die international orientierte Nuuker Elite zu treiben, die sich im Dänischen ebenso zu Hause fühlte wie im Grönländischen, und für die die Aufarbeitung etwaiger postkolonialer Traumata daher keine Rolle mehr spielte. Hammonds diskursive Allianzbildung zwischen Volk und Regierung, die sich gegen eine vermeintlich volksferne kulturelle Elite richtet, erinnert stellenweise an die Strategien rechtspopulistischer Parteien auf dem europäischen Festland.

Aleqa Hammond ist eine soziale Aufsteigerin. Darüber spricht sie gern und viel. Als Tochter eines nordgrönländischen Robbenfängers ist sie in bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen. Da sie nicht in Roskilde oder Kopenhagen studiert hat, sondern in den USA und Kanada, sind ihre persönlichen Verbindungen nach Dänemark weniger stark ausgeprägt als die der meisten anderen privilegierten Grönländer. Als sie die dänische Zeitung Information fragte, was das Beste sei, das sie von den Dänen gelernt habe, antwortete Hammond freilich im Scherz, das sei das Rezept für braune Soße – und bewies damit erhebliches diplomatisches Ungeschick. Die Äußerung war allzu symptomatisch für den harschen Ton, den die neue Regierung gegenüber Dänemark und der dänischsprachigen Minderheit im eigenen Land angeschlagen hatte.

Gleich mehrere der zu Kuupik Kleists Regierungszeit eingestellten Experten an den Spitzen der landeseigenen Unternehmen ersetzte Hammond durch die sprichwörtlichen Vettern, die oftmals die nötigen Qualifikationen vermissen ließen. Zudem setzte die Premierministerin eine Versöhnungskommission ein, die sich mit der Aufarbeitung des in der Kolonialzeit und darüber hinaus begangenen Unrechts befassen sollte. Was grundsätzlich keine schlechte Idee war, verwandelte sich schnell zur rhetorischen Kriegserklärung. Es lag auf der Hand, dass die dänische Regierung in einem solchen Gremium nicht Platz nehmen würde. Sie hätte unweigerlich dem indirekten Vergleich der eigenen Kolonialvergangenheit mit dem südafrikanischen Apartheitsregime zugestimmt. Es war Mandelas Südafrika, wo 1996 erstmals eine Versöhnungskommission ihre Arbeit aufnahm.

Als Hammonds Koalition das bislang geltende Uranabbau-Verbot mit der denkbar knappsten Parlamentsmehrheit aufhob, fühlten sich nicht nur große Teile der Grönländer vor den Kopf gestoßen. Auch die Dänen sahen sich übergangen. Man war der Ansicht, dass eine solche Entscheidung ins Ressort der Außen- und Sicherheitspolitik und somit in Kopenhagener Zuständigkeit fiel. Auch die internationalen Konzerne, die Interesse bekundet hatten in die grönländischen Bergbauprojekte zu investieren, registrierten die neuen internen und externen Spannungen und die zuweilen schlichtweg unseriös wirkende Performanz von Hammonds Kabinett. Auf einmal erschien ein Engagement in Grönland ein äußerst risikobehaftetes Vorhaben zu sein; das »Rohstoffabenteuer«, von dem die internationalen Medien im Vorfeld der Wahlen teils euphorisch berichtet hatten, war nur wenige Monate später in weite Ferne gerückt.

Neuwahlen
Es war das versuchte Aussitzen eines Spesenskandals, das Aleqa Hammond im Oktober 2014 zu Fall brachte. Aus einem Prüfungsbericht des Finanzausschusses war hervorgegangen, dass die Premierministerin private Reisen und eine Familienfeier aus öffentlichen Mitteln finanziert hatte. In den Augen vieler Grönländer war die Affäre, die Hammond bei geschickterer Handhabung durchaus hätte überleben können, der sprichwörtliche Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Hier zeigte sich, dass Grönland eben nicht jene »Bananenrepublik« war, von der die dänischen Zeitungen – hier Børsen – inzwischen wieder sprachen. Die Sympathien der dänischen Öffentlichkeit für die Führung der arktischen Insel waren binnen eines Jahres merkbar abgekühlt. Doch Hammonds arrogantes Auftreten und ihr offenkundiger Mangel an Demut nach Bekanntwerden der Veruntreuung erinnerten zu sehr an überwunden geglaubte Zeiten, als dass die Grönländer die Verfehlungen der Premierministerin hätten durchgehen lassen. Atugagdliutit und Sermitsiaq, die beiden einzigen Zeitungen des Landes, sprachen sich unmissverständlich für Neuwahlen aus, und nachdem ein Misstrauensvotum im Parlament zunächst gescheitert war, dauerte es nur wenige Tage, bis der kleine Koalitionspartner Atassut und einige Siumut-Minister Hammond endgültig das Vertrauen entzogen. Insbesondere die Jugendverbände der Parteien hatten ihre Abgeordneten mit Nachdruck zu diesem Schritt aufgefordert. Für die junge Generation im selbstverwalteten Grönland ist Machterhalt kein Selbstzweck mehr – unabhängig vom politischen Standpunkt.

Am Tag des Misstrauensvotums forderten vor dem Parlament in Nuuk rund 600 Menschen Hammonds Rücktritt. Eine so große Demonstration hatte es in der Geschichte Grönlands noch nicht gegeben. Dass der Protestzug nicht nur die Meinung der Nuuker Bildungselite repräsentierte, die Hammond ohnehin kritisch gegenüber stand, veranschaulicht eine von der Zeitung Sermitsiaq in Auftrag gegebene Umfrage. Auf dem Höhepunkt des Spesenskandals sprach sich selbst in den abgelegenen Siedlungen eine Mehrheit für die junge IA-Politikerin Sara Olsvig als Premierministerin aus. Zu diesem Zeitpunkt stand die Kür Kim Kielsens als Hammonds Nachfolger im Amt des Siumut-Vorsitzenden freilich noch bevor. Kielsens Sieg bei den Neuwahlen am 28. November 2014 kam dennoch einer Überraschung gleich. Nur einen Tag zuvor war durchgesickert, dass der Haushalt des Siumut-Kabinetts ein erhebliches Defizit aufwies, eine unangenehme Wahrheit, die Finanzminister Vitus Qujaukitsoq (S) offensichtlich bis nach den Wahlen hatte geheim halten wollen. Hatten vor anderthalb Jahren die Rohstoffdebatte, die angestrebte Unabhängigkeit und allgemein nationalistische Töne den Wahlkampf dominiert, so stand nun die in die Krise geratene Ökonomie des Landes im Fokus.

In den Zentren der Fischereiwirtschaft, etwa in Sisimiut, konnte Hans Enoksens Partii Naleraq punkten. FOTO: EV

Kim Kielsens Partei ist beides: Wahlgewinnerin und -verliererin. Zwar konnte sich Siumut knapp als stärkste politische Kraft behaupten, hat aber gegenüber 2013 rund acht Prozentpunkte verloren, während das Ergebnis von Inuit Ataqatigiit nahezu gleich geblieben ist. Dass Kielsen, wenn er denn will, dennoch auf eine große Koalition verzichten kann, liegt vor allem am Wahlerfolg von Hans Enoksens Partii Naleraq, die als Anwältin der Fischereiwirtschaft ein ähnliches Programm vertritt wie Siumut. Allein in der Uran-Frage sind sich die beiden Parteien uneinig. Enoksen hatte zu Beginn des Jahres aufgrund eines persönlichen Konflikts mit Aleqa Hammond mit seiner ehemaligen Partei gebrochen. Nach dem Spesenskandal bot sich Naleraq vielen vorherigen Siumut-Wählern offenbar als unvorbelastete Alternative an. Auch in der neuen Siumut-Fraktion sitzen mehrere politische Newcomer, während einige prominente Regierungsmitglieder den erneuten Einzug ins Parlament verfehlten. Das grönländische Personenwahlsystem ermöglicht es, den einzelnen Politiker abzustrafen und doch seiner Stammpartei treu zu bleiben. Überhaupt spielen familiäre und freundschaftliche Verbindungen zu den Kandidaten in einem Land mit nur 56000 Einwohnern oft eine größere Rolle als politische Zustimmung zu deren Positionen. Während Siumut fast überall verloren hat, konnte die Partei in Kim Kielsens Heimatstadt Paamiut um immerhin drei Prozent zulegen.

Zwei unterschiedliche Kandidaten
»Die Dänen kennen den richtigen Kim Kielsen nicht«, schrieb Bent Højgaard Sørensen am Wahltag in der dänischen Zeitung Berlingske. Vorausgesetzt man hat nur den dänischsprachigen Teil des Wahlkampfs verfolgt, fällt es aus europäischer Perspektive in der Tat schwer zu verstehen, warum sich die grönländischen Wähler nicht eindeutig für Sara Olsvig entschieden haben. Während Olsvig, eine attraktive junge Frau, als eloquente und sympathische Politikerin auftrat und in akzentfreiem Dänisch ihre Standpunkte darlegte, wirkte Kielsen nervös, oft aggressiv und geriet immer wieder ins Stocken. Er machte einen umprofessionellen Eindruck. Zwar ist Kielsen absolut in der Lage, an einer dänischsprachigen Debatte teilzunehmen, doch verglichen mit Kuupik Kleists, Aleqa Hammonds und eben auch Sara Olsvigs Sprachkenntnissen wirkt sein Dänisch geradezu mangelhaft. Auch wird sich manch ein dänischer Beobachter des politischen Grönland selbstkritisch fragen müssen, ob Kielsen, der konsequent im blauen Anorak auftrat, nicht auch rein physiognomisch ein bisschen zu sehr »Eskimo« ist, als dass man dem Politiker aus europäischer Sicht Vertrauen schenken könnte. Mehrere Jahrhunderte stereotyper dänischer Darstellungen von Grönländern haben ihre Spuren hinterlassen. Frantz Fanon lässt grüßen.

Für die grönländischen Wähler indes haben derartige Überlegungen keine Rolle gespielt. Wie zu lesen ist, konnte Kielsen in den grönländischsprachigen TV-Duellen durchaus überzeugen und schließlich, indem er sich als bodenständiger Mann aus dem Volk präsentierte, den Rückstand seiner Partei wettmachen. Mit Kielsen und Olsvig standen zwei äußerst unterschiedliche Politikercharaktere zur Wahl, was die auseinanderklaffenden Wahlergebnisse in Hauptstadt und Peripherie nur unterstreichen. Während die Anthropologiestudentin Olsvig im Kopenhagen der Nuller Jahre Bourdieu und Lévi-Strauss las, ging Polizist Kielsen im sozial belasteten Paamiut auf Ganovenjagd. Während Olsvig mit den meisten ihrer Wähler auf Facebook befreundet ist, steht in Kielsens Büro - wie er dem dänischen Fernsehen stolz vorführte - eine Tiefkühltruhe mit selbst erlegtem Rentierfleisch.

Die beiden Kandidaten repräsentieren je einen Teil der grönländischen Bevölkerung, die einander fremd geworden sind. Kuupik Kleists von manchen als zu rasant empfundener Reformeifer und Aleqa Hammonds schädliches Ausspielen der Armen gegen die Reichen, der Fischer gegen die Studierten und der Grönländischsprachigen gegen die Bilingualen haben die gesellschaftliche Spaltung befördert. Es wäre im Interesse des wirtschaftlich angeschlagenen Landes, wenn Kielsen und Olsvig zueinanderfänden und eine Koalition der inneren Einigung bildeten. Doch auch wenn sich Kielsen anders entscheidet, weiß er, dass die alten Zeiten nicht zurückkommen. Seit Einführung der Selbstverwaltung ist Grönland politisch gereift und hat binnen kurzer Zeit eine starke Zivilgesellschaft entwickelt, in der auch der Opposition eine wichtige Rolle zukommt. Egal ob man Kielsens oder Olsvigs Wirtschaftspolitik für überzeugender hält, muss man sich um die Verfassung einer Nation, die eine schlechte Regierung zu stürzen vermag, eigentlich keine Sorgen machen.

Quelle: http://nofoblog.hypotheses.org/61

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Wie plant man eine (Kultur-)Bloggerreise? Möglichkeiten, Risiken und Nebenwirkungen

Zwischen dem 28. und 30. November 2014 ist der Eine oder Andere vielleicht über das Hashtag #kbreise14 gestolpert. Die von der Kunsthalle Karlsruhe, der Karlsruhe Tourismus GmbH sowie Art & Design Museums Basel initiierte Reise für Kulturblogger rief einige Diskussionen hervor - bei den Veranstaltern, bei den Teilnehmern und zum Glück auch in der Social Media Community, die sich mit Kultur- und Museumsthemen befasst. tl;dr Die Kunsthalle Karlsruhe und ihre Kooperationspartner verdienen Respekt für den „Sprung ins kalte Wasser“ und ihre erste Bloggerreise #kbreise14. […]

Quelle: http://musermeku.hypotheses.org/2068

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DH-Videoclip Adventskalender – Tür 3

Trinity is very much at the forefront at developing Digital Humanities, not just in Ireland but across Europe” sagt die charmante Jane Ohlmeyer, Professorin am Trinity College Dublin – wer wagt da zu widersprechen? Ziemlich eindrucksvoll ist die Zahl an verschiedenen DH-Projekten und Aktivitäten am Trinity College allemal, wie das Anfang des Jahres veröffentlichte Imagevideo beweist.

Kleine Schleichwerbung am Rande, ab Minute 1:11 wird das mit DARIAH assoziierte Projekt CENDARI vorgestellt.

Viel Vergnügen beim Ansehen des Videoclips:

 

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=4349

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Filmproduktion im Museum – Wael Shawkys „Cabaret Crusades“

Wael Shawky bei Dreharbeiten

Wael Shawky bei den Dreharbeiten im K20 im Oktober 2014.
Foto: Kunstsammlung, © Kunstsammlung NRW

In der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen (K20) ist zurzeit eine Einzelausstellung des Ägypters Wael Shawky zu sehen. Der 1971 in Alexandria geborene Künstler präsentiert dort sein Filmprojekt "Cabaret Crusades", das während der dOCUMENTA (13) im Jahr 2012 viel Beachtung erfahren hat und auf Amin Maaloufs Buch "Der heilige Krieg der Barbaren. Die Kreuzzüge aus arabischer Sicht" von 1983 basiert.

In Shawkys dreiteiliger Arbeit sind Marionetten Akteure der historischen Geschehnisse der Kreuzzüge vom ausgehenden 11. bis ins frühe 13. Jahrhundert: Der erste, in Italien produzierte Teil "The Horror Show File" (2010) stellt die Geschichte des Ersten Kreuzzugs von 1095 bis zur Einnahme Jerusalems durch die Franken im Jahr 1099 dar. Die Protagonisten – in dem Fall kostbare Holzmarionetten aus dem 18. Jahrhundert – vertont Shawky wie auch in den beiden weitern Filmen in Hocharabisch. In dem zweiten, in Frankreich entstandenen Teil "The Path to Cairo" (2012) spielen detailreiche, handgefertigte Marionetten aus Keramik die Ereignisse der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts nach, in der den Muslimen mit der Einnahme von Edessa 1144 ein wichtiger Schlag gegen die europäischen Kreuzritter gelingt. Und in dem letzten, längsten und aufwendigsten der drei Filme – "The Secrets of Karbalaa" (2014) – führen eigens für das Projekt auf Murano produzierte Glasmarionetten den Zweiten und den Dritten Kreuzzug im 12. Jahrhundert auf. Die Trilogie endet mit der Zerstörung Konstantinopels durch venezianische Kreuzfahrer im Jahr 1204.

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Marionette aus Murano-Glas für den dritten Teil "The Secrets of Karbalaa".
© Achim Kukulies / © Kunstsammlung NRW

Shawky thematisiert mit seinen Filmen – und zwar bereits vor dem Ausbruch des Arabischen Frühlings 2010/11 – die Konflikte im Nahen Osten, deren Schauplätze damals, vor rund 1000 Jahren, wie heute Aleppo, Bagdad und Damaskus sind.Mit dem Perspektivenwechsel, nämlich der Schilderung der christlichen Kreuzzüge aus arabischer Sicht, wirft der Künstler Fragen nach den Mechanismen und Konstruktionen der Geschichtsschreibung auf. Auch die Darsteller, die an Schnüren geführten, ferngesteuerten Marionetten, unterstützen diesen Aspekt: Wer eigentlich sind die Fädenzieher?

Was interessiert nun uns, Mitglieder des GRK1678 an dieser Ausstellung? Das für uns Besondere an der Düsseldorfer, von Doris Krystof kuratierten Schau ist die Tatsache, dass der dritte Film "The Secrets of Karbalaa" während der Ausstellung im Museum produziert wurde – sichtbar für alle Besucher. Die Grabbehalle des K20 wurde dafür dreigeteilt: In einem Kinosaal sind die beiden ersten Teile der "Cabaret Crusades" zu sehen. Darüber hinaus sind einige der Keramikmarionetten aus dem zweiten Teil in Vitrinen präsentiert, und den größten Teil der Ausstellung nimmt das eigens für die Shawky-Produktion eingerichtete Filmstudio ein. Gut einen Monat lang hat ein etwa dreißigköpfiges Team – Künstler, Kulissenbauer, Beleuchter, Marionettenspieler, Kostümbildner, Techniker – dort akribisch an dem Projekt gearbeitet. Wer im Oktober das Museum besuchte, konnte durch eine Glasscheibe in das Studio blicken und den Betrieb beobachten: Manchmal wurde laut gehämmert, manchmal lag der Geruch von Weihrauch in der Luft, weil für die Filmhandlung Rauch benötigt wurde. Der Künstler gab seine Anweisungen, die Kulisse wurde umgebaut, Marionetten wurden angekleidet. Alles unter den Blicken der Besucher. Das Museum als Herstellungsstätte, als Ort der Produktion, als temporäres Künstleratelier. Der Herstellungsprozess, der kreative Akt als öffentliches, als ausstellungswertes Ereignis.

Inzwischen ist der Dreh abgeschlossen, das Studio aber bleibt weiter ausgestellt: Eine aufwendig gestaltete Drehbühne, technisches Equipment, Werktische, Regale voller Requisiten und vor allem die bizarren Glasmarionetten in ihren auf den Leib geschneiderten Kostümen sind weiterhin sichtbar und zeugen von einem einzigartigen Experiment.

Der Film befindet sich zurzeit in der Postproduktion, am 04.12.14 wird er im Düsseldorfer Schmela Haus uraufgeführt – wir sind gespannt!

Linda Walther & Anja Gottwaldt

Uraufführung: "The Secrets of Karbalaa", 04.12.14, 19:00 Uhr, Schmela Haus

Ausstellung: "Wael Shawky. Cabaret Crusades", bis 04.01.15, Kunstsammlung NRW (K20)

Konferenz: "The Art of Making History", 11. + 12.12.14, Schmela Haus

Ausstellungskatalog: "Wael Shawky. Cabaret Crusades", Kerber Verlag

Quelle: http://grk1678.hypotheses.org/243

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Rezensions-Digest November 2014

Christian Volkmar Witt: Rezension zu: Wolfgang Breul / Stefania Salvadori (Hgg.): Geschlechtlichkeit und Ehe im Pietismus. Leipzig 2014, in: sehepunkte 14 (2014), Nr. 11, 15.11.2014

http://www.sehepunkte.de/2014/11/21977.html

Andreas Weber: Two volumes of 'Low Countries Studies on the Circulation of Natural Knowledge' (Rezension), in: sehepunkte 14 (2014), Nr. 11, 15.11.2014

http://www.sehepunkte.de/2014/11/22660.html

Christof Spannhoff: Rezension zu: Norbert Fischer / Ortwin Pelc (Hrsg.): Flüsse in Norddeutschland. Zu ihrer Geschichte vom Mittelalter bis in die Gegenwart. Neumünster 2013, in: H-Soz-Kult, 28.11.2014

http://www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-22166

Claudia Curcuruto: Rezension zu: Irene Fosi / Alexander Koller (a cura di): Papato e Impero nel pontificato di Urbano VIII (1623-1644). Città del Vaticano 2013, in: sehepunkte 14 (2014), Nr. 11, 15.11.2014

http://www.sehepunkte.de/2014/11/26321.html

Heinz Duchhardt: Rezension zu: Annette Gerstenberg (Hg.): Verständigung und Diplomatie auf dem Westfälischen Friedenskongress. Historische und sprachwissenschaftliche Zugänge. Köln/Weimar/Wien 2014, in: sehepunkte 14 (2014), Nr. 11, 15.11.2014

http://www.sehepunkte.de/2014/11/24766.html

Nina Schweisthal: Rezension zu: Malte Griesse (ed.): From Mutual Observation to Propaganda War. Premodern Revolts in Their Transnational Representations. Bielefeld 2014, in: sehepunkte 14 (2014), Nr. 11, 15.11.2014

http://www.sehepunkte.de/2014/11/25345.html

Helmut Zander: Rezension zu: Kristine Hannak: Geist=reiche Critik. Hermetik, Mystik und das Werden der Aufklärung in spiritualistischer Literatur der Frühen Neuzeit. Berlin/Boston 2013, in: H-Soz-Kult, 26.11.2014

http://www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-22712

Johannes Arndt: Rezension zu: Marjolein 'T Hart: The Dutch Wars of Independence. Warfare and Commerce in the Netherlands, 1570-1680. London/New York 2014, in: sehepunkte 14 (2014), Nr. 11, 15.11.2014

http://www.sehepunkte.de/2014/11/25404.html

Hannes Ziegler: Rezension zu: Bent Jörgensen: Konfessionelle Selbst- und Fremdbezeichnungen. Zur Terminologie der Religionsparteien im 16. Jahrhundert. Berlin 2014, in: sehepunkte 14 (2014), Nr. 11, 15.11.2014

http://www.sehepunkte.de/2014/11/25726.html

Marco Cavarzere: Rezension zu: Natalie Krentz: Ritualwandel und Deutungshoheit. Die frühe Reformation in der Residenzstadt Wittenberg (1500-1533). Tübingen 2014, in: sehepunkte 14 (2014), Nr. 11, 15.11.2014

http://www.sehepunkte.de/2014/11/24990.html

Daniel Timothy Goering: Rezension zu: Darrin M. McMahon / Samuel Moyen (Hrsg.): Rethinking Modern European Intellectual History. Oxford 2014, in: H-Soz-Kult, 07.11.2014

http://www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-22259

Herbert Jaumann: Rezension zu: Jean-Paul Oddos: Isaac de Lapeyrère (1596-1676). Un intellectuel sur les routes du monde. Paris 2012, in: sehepunkte 14 (2014), Nr. 11, 15.11.2014

http://www.sehepunkte.de/2014/11/25689.html

Grażyna Jurewicz: Rezension zu:  Hans-Joachim Schwarz / Renate Schwarz: Moses Mendelssohn und die Krankheit der Gelehrten. Psychologisch-biographische Studie. Hannover 2014, in: H-Soz-Kult, 06.11.2014

http://www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-23297

Dietrich Blaufuß: Rezension zu: Philipp Jakob Spener: Briefe aus der Dresdener Zeit. Band 3: 1689. Herausgegeben von Udo Sträter und Johannes Wallmann, in Zusammenarbeit mit Klaus vom Orde. Tübingen 2013, in: sehepunkte 14 (2014), Nr. 11, 15.11.2014

http://www.sehepunkte.de/2014/11/24883.html

Gabriel Almer: Rezension zu: Alexander Weber: Konfessionelle Konflikte nach dem Westfälischen Frieden. Die Religionsbeschwerden der katholischen Kirche des Herzogtums Kleve im 18. Jahrhundert. Hamburg 2013, in: sehepunkte 14 (2014), Nr. 11, 15.11.2014

http://www.sehepunkte.de/2014/11/24912.html

Hillard von Thiessen: Rezension zu: Carmen Winkel: Im Netz des Königs. Netzwerke und Patronage in der preußischen Armee 1713-1786. Paderborn 2013, in: sehepunkte 14 (2014), Nr. 11, 15.11.2014

http://www.sehepunkte.de/2014/11/23825.html

Quelle: http://frueheneuzeit.hypotheses.org/1832

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Lebendige Musikgeschichte: Ein Besuch im Archiv des IMD

Im letzten Monat hatte ich die Gelegenheit, eine Woche lang im Archiv des Internationalen Musikinstituts Darmstadt (IMD) zu recherchieren. Das IMD ist vor allem dafür bekannt, dass es die Internationalen Ferienkurse für Neue Musik ausrichtet, die seit 1946 alle zwei Jahre in Darmstadt stattfinden und seit über 65 Jahren ein wichtiges Zentrum der zeitgenössischen Musikproduktion darstellen.1 Denken wir etwa an das Wirken von Boulez, Stockhausen, Nono, Cage und Adorno in den 1950er Jahren, so lässt sich mit Recht sagen: In Darmstadt wurde Musikgeschichte geschrieben. Und diese Geschichte wird im Archiv des IMD gründlich dokumentiert.

Internationales Musikinstitut Darmstadt (IMD)

Das IMD ist ruhig und recht unscheinbar am Rand der Innenstadt Darmstadts gelegen, gut erreichbar mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Die Bibliothek enthält eine beeindruckende Sammlung von (ca. 40.0000) Partituren und wissenschaftlichen Publikationen zur Musik des 20. und 21. Jahrhunderts. Das Archiv umfasst Zeitungsartikel, Fotos, Briefe (insbesondere von und an Wolfgang Steinecke), Programmhefte, Livemitschnitte von Vorträgen und Konzerten und viele weitere Dokumente zu den Darmstädter Ferienkursen und auch ganz allgemein zur (klassischen) Musik nach 1945. Anhand dieser Dokumente lassen sich eindrücklich Entwicklungen, Dynamiken und Konstellationen der Musikgeschichte nach 1945 nachvollziehen.

Im Rahmen meines Dissertationsprojekts (zur Idee des Fortschritts in der Musik in den 1950er Jahren) war die Pressesammlung von besonderem Interesse für mich. Hier verfügt das Archiv über eine beträchtliche und gut organisierte Zusammenstellung von Presseartikeln zu vielen wichtigen Komponisten des 20. Jahrhunderts sowie durchschnittlich einen Ordner pro Ferienkursjahrgang mit Artikeln aus unterschiedlichen deutschen (teils auch ausländischen) Zeitungen. Die chronologische Sortierung ist für einen Forscher äußerst ergiebig, denn sie bietet die Möglichkeit, die Schwerpunkte der einzelnen Jahre und die Entwicklungslinien in der Musikkritik über einen größeren Zeitraum herauszuarbeiten.

Besonders angetan war ich von dem groß angelegten Digitalisierungsprojekt (http://www.internationales-musikinstitut.de/archiv/digitalisierung.html), welches das IMD 2010 mit Unterstützung des Kulturfonds Frankfurt RheinMain in Angriff genommen hat. Bislang wurden Tondokumente, Briefe und Fotos digitalisiert, die nun in einer Datenbank vor Ort recherchier- und einsehbar sind. Eine Schlagwortsuche ermöglicht dabei das schnelle Auffinden von Dokumenten zu einem bestimmten Thema. So konnte ich zum Beispiel mit nur einem Klick eine Zusammenstellung aller Briefe aufrufen, in denen es um serielle Musik geht – eine Aufgabe, die ohne Digitalisierung mehrere Tage in Anspruch genommen hätte. Diese Datenbank soll zukünftig auch online verfügbar sein, sodass z.B. ein amerikanischer Musikwissenschaftler sich leicht über den Bestand des Archivs informieren kann, bevor er die weite Reise nach Darmstadt antritt. Dies erscheint mir insbesondere als eine gute Idee, da das Archiv unter Musikforschern eher weniger bekannt ist – was in einem gewissen Widerspruch steht zu seinem reichhaltigen und bedeutenden Bestand. Ein erklärtes Ziel des IMD bei dem Projekt ist auch die Ausbildung eines „Forschungsnetzwerkes zur Neuen Musik“ (Homepage), in Kooperation mit verschiedenen Universitäten. Während es auf Seiten der Komponisten, Musiker und Veranstalter schon ein elaboriertes Neue-Musik-Netzwerk gibt, ist das entsprechende Forschungsnetzwerk noch eher spärlich ausgebaut, daher kann man gespannt auf weitere Entwicklungen blicken.

Link zur Homepage des IMD: http://www.internationales-musikinstitut.de/

1Die Ferienkurse sind übrigens auch für Musikwissenschaftler offen und sehr lohnenswert, wie ich aus eigener Erfahrung bestätigen kann. Neben Vorträgen und Seminaren zu Kompositionstechniken, Ästhetik, Werkanalyse, Musikgeschichte etc. besteht die Möglichkeit, an einer musikjournalistischen „Schreibwerkstatt“ teilzunehmen.

Quelle: http://avantmusic.hypotheses.org/254

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DH-Videoclip Adventskalender – Tür 2

Hinter dem zweiten Türchen des DH-Videoclip Adventskalenders verbirgt sich heute die Vorstellung des Studiengangs “Digital Humanities MA / MSc” des University College London, veröffentlicht Mitte 2013.

“The UCL Centre for Digital Humanities brings together people from a wide range of disciplines to develop research and teaching in a vibrant multidisciplinary field.
Digital humanities research takes place at the intersection of digital technologies and humanities. It aims to produce applications and models that make possible new kinds of research, both in the humanities disciplines and in computer science and its allied technologies. It also studies the impact of these techniques on cultural heritage, memory institutions, libraries, archives and digital culture.” (Quelle: http://youtu.be/E2KzTPnU0Eo)

Achtung aufgemerkt, alle TextGrid-Fans, bei Minute 1:05 – ist da nicht der Text-Bild-Link-Editor im Einsatz?

Hier gehts nun zum Clip:

 

 

 

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=4340

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