Neuigkeiten von der höchsten Hausnummer Deutschlands

Breaking Hausnummern-News, dargebracht mit viermonatiger Verspätung: Bis vor kurzem war die in Pulheim bei Köln gelegene Venloerstraße 1503 die höchste Hausnummer Deutschlands (vgl.), doch nun wurde diese in Otto-Lilienthal-Straße 4 abgeändert, wie die Welt berichtet. Damit gibt es einen neuen Rekordhalter: Venloer Straße 1501!

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/1022371994/

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Piketty lesen

Anfang des Jahres erschien „Capital in the Twenty-First Century“ (Harvard University Press) von Thomas Piketty und produziert seitdem eine Bugwelle an öffentlicher Aufmerksamkeit. Die französische Fassung des Buches war im Vorjahr noch etwas untergegangen, wohingegen die vor kurzem nachgereichte deutsche Ausgabe schon jetzt ein Verkaufserfolg sein dürfte (C.H. Beck). Vornehmlich die Gesellschaften des alten „Westens“ fühlten sich angesprochen, die als Untersuchungsbeispiel herhalten mussten. Es wäre interessant zu wissen, wie etwa von Ökonomen in China, Afrika und Indien über Piketty diskutiert wird – falls überhaupt. […]

Quelle: http://moraleconomy.hypotheses.org/224

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Die Beziehung zwischen der CAA und den Digital Humanities

Die Computer Applications and Quantitive Methods in Archaeology (CAA) Konferenzreihe bietet dieses Jahr eine Session zu

Theoretical issues, and the relation of CAA with the Digital Humanities

an – das ist eine erfreuliche Annäherung von verwandten Gebieten. Die CAA hat eine lange Tradition in der Zusammenarbeit von Archäologen, Informatikern und Mathematikern, die bereits in den 70er Jahren begonnen haben Computeranwendungen für geisteswissenschaftliche Fragestellungen nutzbar zu machen. Die Themen der dedizierten DH Session sind:

  • Towards a Theory of Practice in Applied Digital Field Methods
  • Computational Ancient Environments. Can archaeologists extend themselves?
  • Modelling the archaeological process
  • The immortality of the tangibles – the service of digital, virtual, and cyber archaeology in the construction of archives of human identity
  • Moving the focus from “know how” to “know why” 3D modeling cultural heritage
  • Machine learning and Pattern Recognition for Archaeological Research

Schnellentschlossene können bis Mitternacht noch einen Abstract mit 500 Wörtern einreichen:
Link zum Programm der CAA 2015 in Siena.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=4302

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ARTigo: Der Blick der Tagger auf die Bilder von gestern oder gab es 1897 bereits Laptops?

Schaut man sich die Tags der ARTigo-Bilder an, stößt man zwangsläufig auf „falsche“ Tags. Tags also, die den Inhalt des Bildes nicht korrekt benennen. Das aber macht sie interessant, denn es zeigt, wie prägnant bestimmte Aussagen sind, wie z.B. Gesten, die Form oder allgemein das Aussehen von Objekten. Diese Bildaussagen gehören stets in einen bestimmten Kontext. Werden sie aber mit einem anderen Kontext verbunden, wirken sie manchmal komisch und zeigen uns damit um so deutlicher, wie unterschiedlich unsere Sicht von der des zeitgenössischen Betrachters ist und mit welchen anderen Augen wir heute auf die Bilder schauen.

Das Beispiel der Geste Napoleons, der seine Hand in die Jacke schiebt, ist bekannt. In der ARTigo-Datenbank finden sich dazu mehrere Bilder, die das Tag „Napoleon“ tragen, obwohl dieser nicht abgebildet ist. Sogar das folgende ist mit „Napoleon“ getaggt, obwohl der Name des Abgebildeten „Karl Friedrich Ludwig“ gut leserlich darunter steht. Hier bliebe festzustellen, wann die Spieler „Napoleon“ taggen. Geben sie das Tag gleich am Anfang im Moment des ersten Eindrucks ein, noch bevor ihr Blick auf die Schrift gefallen ist, oder eher am Ende der Spielminute, wenn sie den Namen des Porträtierten eigentlich gelesen haben müssten.

Karl Kuntz - Karl Ludwig Erbprinz. v. Baden 1755-1801, 19. Jh.Bild 1

Das folgende Foto von König Ludwig II. ist mit dem Begriff „Arzt“ getaggt worden. Wohl wegen der weißen Jacke, die an einen Arztkittel erinnert.

Joseph Albert - Porträtstudie von König Ludwig II, 1862Bild 2

Das Porträt von Eugène Scribe, einem französischen Dramatiker, wurde mit „Telefon“ getaggt. Auf dem Bild ist ein solches Gerät nicht zu erkennen, wohl aber ordnen wir die Geste der Nachdenklichkeit heute einem telefonierenden Mann zu.

Atelier Nadar, Eugène Scribe, 1856Bild 3

Was sehen Sie auf dem nächsten Bild? Wenn sie hier einen Mann mit einem Cowboyhut und Laptop erkennen, dann sind Sie damit nicht allein, denn diese Tags wurden auch von ARTigo-Spielern für das Bild vergeben.

Es handelt sich um einen Scherenschnitt (?) von Franz Marc, den er 1897 im Alter von 17 Jahren anfertigte und der seinen Vater beim Malen zeigt. Das, was wir heute als Laptop interpretieren, dürfte ein Malkoffer sein.

Franz Marc - Bildnis des Vaters beim Malen, 1897Bild 4

Während des Spiels werden dem Spieler keine Meta-Daten, wie Titel, Künstler oder das Entstehungsjahr angezeigt, so dass er wirklich frei assoziieren kann und seine Tags nicht von den darin enthaltenen Informationen abhängig macht.

„Falsche“ Tags beruhen immer auf einem Vorwissen über andere als im Bild gezeigte Inhalte. Das Vorwissen heutiger Kunstbetrachter ist verschieden von dem des zeitgenössischen Publikums. Wie groß die Unterschiede sind, bemerken wir vermutlich in den meisten Fällen nicht, nur in wenigen Ausnahmefällen, wie den hier gezeigten.

Digitale Bildquelle: www.artigo.org

Bild 1: Karl Kuntz: Karl Ludwig Erbprinz. v. Baden 1755-1801, 19. Jh.
Bild 2: Joseph Albert – Porträtstudie von König Ludwig II, 1862/64
Bild 3: Atelier Nadar, Eugène Scribe, 1856/58
Bild 4: Franz Marc – Bildnis des Vaters beim Malen, 1897

Quelle: http://games.hypotheses.org/1843

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Einladung zum 4. Berliner DH-Rundgang

Der Interdisziplinäre Forschungsverbund Digital Humanities in Berlin (ifDHb) lädt zum 4. Berliner DH-Rundgang ein. Gastgeber ist das Computerspielemuseum.

Termin: Dienstag, 09.12.2014, 15:00-16:30 Uhr
Ort: Computerspielemuseum, Karl-Marx-Allee 93a, 10243 Berlin

Computerspiele waren die ersten Anwendungen, die Jedermann und -frau ermöglichten, mit Computern umzugehen. Bis heute und auch in Zukunft werden sie auch die am meisten benutzten Anwendungsprogramme sein. In Computerspielen wird unsere traditionelle Kultur mit den Möglichkeiten der digitalen Technologien zusammengebracht, womit sie im Rahmen der digitalen Revolution mit vielen ihrer Aspekte integral verbunden sind.

Bei einem geführten Rundgang durch die Ausstellung können Sie sich mit vielen Originalexponaten einen kompakten Überblick über die historische Entwicklung bis heute machen. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen und mit der Sammlung eine der weltweit größten Sammlungen rund um Computerspielekultur und -geschichte zu besichtigen. Als Gesprächspartner stehen Ihnen der Kurator Andreas Lange und Sammlungsleiter Dr. Winfried Bergmeyer zur Verfügung.

Die Teilnahme ist kostenlos, wir bitten jedoch um eine verbindliche Anmeldung. Die Teilnehmerzahl ist beschränkt.

Die nächsten Berliner DH-Rundgang-Termine:

  • 28. Januar 2015: Universitätsbibliothek und Mediathek im Grimm-Zentrum der Humboldt-Universität zu Berlin
  • 20. Februar 2015: Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) / Fachbereich Gestaltung
  • 25. März 2015: Koordinierungsstelle für wissenschaftliche Universitätssammlungen in Deutschland
  • April 2015: Deutsches Archäologisches Institut (DAI)
  • Mai 2015: Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft (HIIG)
  • Juni 2015: Freie Universität Berlin / Institut für Informatik / AG Netzbasierte Informationssysteme

Sie wollen auch zu einem Berliner DH-Rundgang einladen? Dann schreiben Sie uns bitte eine kurze E-Mail an info@ifdhberlin.de oder nehmen Sie telefonisch Kontakt zu uns auf.

Weitere Informationen finden Sie auf der Website: http://www.ifdhberlin.de/arbeitsfelder/dh-rundgang/.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=4297

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Do Curricula inspire historical thinking?

 

In recent years, German-speaking history didactics has once again focused on curricula and syllabuses. The Swiss “Lehrplan 21″ project has demonstrated how controversial curricular issues remain to this day.


English

 

In recent years, German-speaking history didactics has once again focused on curricula and syllabuses (after a lengthy lull in the 1990s). The Swiss “Lehrplan 21″ project has demonstrated how controversial curricular issues remain to this day. In post-PISA Germany, many new curricula have also been developed, frequently aiming high by trying to outline the specific “core” of a given subject. A recent example of this is the history curriculum for highschools in North-Rhine Westphalia. But can this curriculum live up to its own standards?

 

Domain-specific competencies?

According to the preface and the introductory remarks to the new curriculum, it aims to “focus entirely on domain-specific […] competencies”.[1] From an academic point of view, the fact that the didactics of history does not have a consensual competency model[2] is neither surprising nor problematic. It does, however, hinder the process of devising a curriculum. Nevertheless, there are central terms and categories that delineate the core of the subject of history, particularly historical consciousness, historical thinking, and narrative competence. Despite the fact that the new curriculum mentions all of these categories, it still does not provide a coherent, domain-specific competency model. All in all, it lists four competency areas: substantive competency (apparently a sort of super-competence, encompassing substantive knowledge, terminological and categorical knowledge, as well as the “ability to handle historical narratives”), methodological competence, evaluation and action competence.[3] Interestingly enough, the very same competencies can be found in the curricula for other subjects such as educational science, geography, philosophy, psychology, religious education, occasionally even PE.[4] Why are different domain-specific operations being forced into the same terminological corset? Or is it in the end content, rather than specific mental operations, that defines the core of a subject?

Public history and history education

For several years now, didactic theory has agreed on the notion that one of the goals of history education is to raise students’ awareness of public uses of history. As is commonly known, Hans-Jürgen Pandel has even proposed that the ability to handle such forms of public history is a competency in its own right.[5] The new curriculum, too, states that one of the goals of history education is to enable students to “take part in the culture of memory and history.” It therefore subsumes “competencies that are necessary to allow the processes and the results of historical thinking to become a factor in everyday life” under (unspecific) action competence.[6] This makes it even more surprising that many institutions and media relevant to public history are not mentioned at all: museums, theatres, newspapers, television, the Internet— none whatsoever! This is as baffling as the fact that, unlike the other competencies, action competence—which is certainly relevant for handling public history—is not explicated through concrete examples from the field of history. This makes it plausible to assume that de facto only minor importance is attached to action competence. This impression is confirmed by the regulations for the 2017 central school-leaving exams, the first round of exams to be based on the new curriculum. Public history plays no role whatsoever in these guidelines. There is one key topic called “history politics.” However, this does not concern current aspects of public history but rather “how National Socialism was dealt with in the occupation zones.”[7] Tempi passati (bygone times)!

Unrecognized subjective needs for historical orientation in a multicultural society?

According to the new curriculum, “the tasks of history education are bundled into the mission of promoting a reflexive historical consciousness,” and “the subject is characterized by historical thinking.”[8] Seen from the theory of history, historical thinking always starts with a need for historical orientation. The needs for orientation or for understanding is objective on the one hand, but subjective on the other.[9] In a multicultural society, subjective needs for historical orientation tend to be exceedingly heterogeneous. The new curriculum, however, hardly considers these needs at all. Terms such as subject orientation and individualization are absent (the only exception being the chapter on assessment). Learner-specific interests are mentioned only once—and only in the passages dealing with additional history courses, which are not relevant to the final exams.[10]

Standardized curricula and historical thinking – a contradiction?

The points discussed raise a fundamental question, which goes beyond the North-Rhine Westphalian curriculum: What room do political standards, narrow curricula, and centralized exams leave for enabling individual historical thought processes? So far, the discussion on curricula and guidelines has been marked by a “deathlike silence,” as Markus Bernhardt recently put it.[11] If the dual purpose of curricula as “administrative regulations” and as “instruments for lesson planning”[12] is taken seriously, then this needs to change. We need an intensive dialogue between history scholars, teachers at universities and schools, and educational politicians about matters of content and relevance—and particularly about what it means to think historically.[13]

 

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Literature

  • Conrad, Franziska: “Alter Wein in neuen Schläuchen” oder “Paradigmawechsel”? Von der Lernzielorientierung zu Kompetenzen und Standards. In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 63 (2012), pp. 302‒323.
  • Pandel, Hans-Jürgen: Geschichtsdidaktik. Eine Theorie für die Praxis, Schwalbach/Ts. 2013, pp. 179‒205.
  • Schönemann, Bernd: Lehrpläne, Richtlinien, Bildungsstandards. In: Günther-Arndt, Hilke / Zülsdorf-Kersting, Meik (Eds.): Geschichts-Didaktik. Praxishandbuch für die Sekundarstufe I und II. 6., rev. Edition, Berlin 2014, pp. 50‒66.

External links

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[1] Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen (Ed.): Kernlehrplan Geschichte für die Sekundarstufe II Gymnasium/Gesamtschule in Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf 2014, p. 9.Online at http://www.schulentwicklung.nrw.de/lehrplaene/upload/klp_SII/ge/KLP_GOSt_Geschichte.pdf (last access 17.10.2014).
[2] Cf. Barricelli, Michele / Gautschi, Peter / Körber Andreas: Historische Kompetenzen und Kompetenzmodelle. In: Barricelli, Michele / Lücke, Martin (Eds.): Handbuch Praxis des Geschichtsunterrichts. Vol. 1, Schwalbach/Ts. 2012, pp. 207‒235.
[3] Cf. note 1,pp. 15ff.
[4] Cf. http://www.schulentwicklung.nrw.de/lehrplaene/lehrplannavigator-sek-ii/gymnasiale-oberstufe/ (17.10.2014).
[5] Most recently in Pandel, Hans-Jürgen: Geschichtsdidaktik. Eine Theorie für die Praxis, Schwalbach/Ts. 2013, pp. 232f.
[6] Cf. note 1, p. 16.
[7] Vorgaben Abitur 2017 ‒ Geschichte, pp. 4f. Available online at http://www.standardsicherung.schulministerium.nrw.de/abitur-gost/fach.php?fach=12 (last access 17.10.2014).
[8] Cf. note 1, pp. 11f.
[9] Rüsen, Jörn: Historik. Theorie der Geschichtswissenschaft, Cologne 2013, especially p. 35 and 68.
[10] Cf. note 1, p. 13.
[11] Bernhardt, Markus: Geschichtsdidaktik nach PISA ‒ Bilanzen und Perspektiven. Eine bibliometrische Analyse. In: Sauer, Michael et al. (Eds.): Geschichtslernen in biografischer Perspektive. Nachhaltigkeit ‒ Entwicklung ‒ Generationendifferenz, Göttingen 2014, pp. 349‒363, here p. 360.
[12] Schönemann, Bernd: Curriculum/Lehrplan. In: Ulrich Mayer et al. (Eds.): Wörterbuch Geschichtsdidaktik. 2nd, revised and expanded ed. Schwalbach/Ts. 2009, pp. 39‒41, here p. 40.
[13] It is in this context that the theoretical consistency of the “table of progression for the overarching competency expectations,” which is a part of the new syllabus, would have to be discussed. Cf. note 1, pp. 53–60.

 

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Image Credits
The curriculum of North-Rhine Westphalia, picture © Elisabeth Leng 2014.

Recommended Citation
Martin, Daisy: Dilemmas not Dichotomies. In: Public History Weekly 2 (2014) 36, DOI:  dx.doi.org/10.1515/phw-2014-2763.

Copyright (c) 2014 by De Gruyter Oldenbourg and the author, all rights reserved. This work may be copied and redistributed for non-commercial, educational purposes, if permission is granted by the author and usage right holders. For permission please contact: julia.schreiner (at) degruyter.com.

 

 

Deutsch

 

Über Lehrpläne und Richtlinien wurde in der deutschsprachigen Geschichtsdidaktik lange Zeit kaum mehr intensiv diskutiert. Dass das Thema die Gemüter erhitzen kann, hat jüngst jedoch das Schweizer Projekt “Lehrplan 21″ gezeigt. Auch in Deutschland sind im Post-PISA-Zeitalter zahlreiche neue Lehrpläne erarbeitet worden. Sie erheben in der Regel einen hohen Anspruch. Ihr Ziel besteht darin, den spezifischen “Kern” eines bestimmten Faches zu profilieren. Ein aktuelles Beispiel dafür ist der im August dieses Jahres in Kraft getretene Kernlehrplan Geschichte für die Sekundarstufe II in Nordrhein-Westfalen. Wird er diesem Anspruch gerecht?

 

Fachliche Kompetenzen?

Folgt man dem Vorwort und den Vorbemerkungen zum neuen Lehrplan, dann geht es um eine “Fokussierung auf rein fachliche […] Kompetenzen”.[1] Dass die Geschichtsdidaktik über kein konsensfähiges Kompetenzmodell verfügt,[2] ist unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten zwar weder überraschend noch besonders problematisch, es erschwert aber den Prozess der Lehrplankonstruktion. Gleichwohl gibt es zentrale Begriffe und Kategorien, die den Kern des Faches Geschichte ausmachen, v.a. Geschichtsbewusstsein, historisches Denken und narrative Kompetenz. Alle diese Kategorien erwähnt der neue Lehrplan zwar, aber ein kohärentes fachspezifisches Kompetenzmodell bietet er trotzdem nicht. Insgesamt nennt er vier Kompetenzbereiche: Sachkompetenz (offenbar eine Art Superkompetenz, definiert als Mischung aus Sachwissen, begrifflichem bzw. kategorialem Wissen und der “Befähigung zum Umgang mit Narrationen”), Methodenkompetenz, Urteilskompetenz und Handlungskompetenz.[3] Bezeichnenderweise finden sich exakt dieselben Kompetenzbereiche auch in den Kernlehrplänen zahlreicher anderer Fächer, zum Beispiel in Erziehungswissenschaft, Geographie, Philosophie, Psychologie, Religion, aber auch in Technik, teilweise sogar im Fach Sport.[4] Warum zwingt man unterschiedliche fachliche Operationen in ein gemeinsames begriffliches Korsett? Oder sollten es am Ende die Inhalte sein, die den Kern der Fächer ausmachen, nicht fachspezifische Operationen?

Geschichtskultur und historisches Lernen

Theoretisch ist seit langem unstrittig, dass Geschichtsunterricht nicht zuletzt die Aufgabe hat, SchülerInnen für gegenwartsgebundene, also aktuelle Formen öffentlicher Nutzung und Inszenierung von Geschichte zu sensibilisieren. Hans-Jürgen Pandel hat daher bekanntlich sogar eine eigene geschichtskulturelle Kompetenz vorgeschlagen.[5] Auch der neue Kernlehrplan Geschichte erkennt ein wichtiges Ziel historischen Lernens in der Befähigung zur “Teilhabe an der Geschichts- und Erinnerungskultur”. Unter dem (fachunspezifischen) Begriff der Handlungskompetenz subsumiert er daher “Kompetenzen, die erforderlich sind, um Prozesse und Ergebnisse historischen Denkens lebensweltlich wirksam werden zu lassen”.[6] Umso erstaunlicher ist, dass von zahlreichen Institutionen und Medien der Geschichtskultur im Kernlehrplan nicht die Rede ist: Museum, Theater, Zeitungen, Fernsehen, Internet ‒ Fehlanzeige! Erstaunlich ist auch, dass gerade die geschichtskulturell relevante Handlungskompetenz, anders als Sach- und Urteilskompetenz, nicht inhaltsfeldbezogen konkretisiert wird. Das legt die Vermutung nahe, dass man ihr de facto nur eine untergeordnete Bedeutung beimisst. Dieser Eindruck bestätigt sich, wenn man einen Blick in die Vorgaben für das Zentralabitur Geschichte 2017 wirft. Grundlage des Zentralabiturs ist dann erstmals der neue Kernlehrplan. Aber in den entsprechenden Vorgaben spielt das Thema Geschichtskultur keine Rolle. Ein inhaltlicher Schwerpunkt lautet zwar “Vergangenheitspolitik”. Dabei geht es jedoch nicht um gegenwärtige Formen der Geschichtskultur, sondern um den “Umgang mit dem Nationalsozialismus in den Besatzungszonen”.[7] Tempi passati!

Verkannte subjektive Orientierungsbedürfnisse in multikulturellen Gesellschaften

“Die Aufgaben des Geschichtsunterrichts”, so der neue Kernlehrplan, “sind fokussiert im Auftrag der Förderung eines reflektierten Geschichtsbewusstseins”, und “historisches Denken” sei “für das Fach charakteristisch”.[8] Geschichtstheoretisch betrachtet stehen am Anfang historischer Denkprozesse immer historische Orientierungsbedürfnisse. Solche Orientierungsbedürfnisse bzw. Erkenntnisinteressen sind einerseits objektiver, andererseits aber vor allem auch subjektiver Natur.[9] Die in multikulturellen Gesellschaften zunehmend heterogenen subjektiven Orientierungsbedürfnisse von SchülerInnen nimmt der neue Kernlehrplan jedoch kaum in den Blick. Begriffe wie Subjektorientierung und Individualisierung tauchen darin (allenfalls mit Ausnahme des Kapitels zur Leistungsbewertung) nicht auf. Subjektive Interessen der Lernenden spielen als Faktor historischer Erkenntnis nur ein einziges Mal eine Rolle ‒ bezeichnenderweise aber nicht in den Passagen zu den Grund- und Leistungskursen, sondern nur dort, wo von den nicht-abiturrelevanten Zusatzkursen im Fach Geschichte die Rede ist.[10]

Standardbasierte Lehrpläne und historisches Denken ‒ ein Widerspruch?

Dieser Befund wirft eine Frage auf, die über das Beispiel des NRW-Kernlehrplans hinausgeht und von grundlegender Bedeutung ist: Welche Spielräume lassen politische Standardsetzungen, enge Lehrplanvorgaben und zentrale Abiturprüfungen eigentlich noch für die Anbahnung individueller historischer Denkprozesse? Bislang, so kürzlich Markus Bernhardt, herrscht in der Curriculum- und Richtliniendiskussion “Grabesstille”.[11] Wenn man Lehrpläne in ihrer doppelten Funktion als “Verwaltungsvorschriften” und “Planungsinstrumente” ernst nimmt,[12] muss sich das ändern. Wir brauchen endlich wieder einen intensiven Dialog zwischen Geschichtswissenschaft, Geschichtsdidaktik, Schule und Bildungspolitik über Inhalts- und Relevanzfragen und nicht zuletzt darüber, was es eigentlich heißt, historisch zu denken.[13]

 

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Literatur

  • Conrad, Franziska: “Alter Wein in neuen Schläuchen” oder “Paradigmawechsel”? Von der Lernzielorientierung zu Kompetenzen und Standards. In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 63 (2012), S. 302‒323.
  • Pandel, Hans-Jürgen: Geschichtsdidaktik. Eine Theorie für die Praxis, Schwalbach/Ts. 2013, S. 179‒205.
  • Schönemann, Bernd: Lehrpläne, Richtlinien, Bildungsstandards. In: Günther-Arndt, Hilke / Zülsdorf-Kersting, Meik (Hrsg.): Geschichts-Didaktik. Praxishandbuch für die Sekundarstufe I und II. 6., überarb. Neuaufl., Berlin 2014, S. 50‒66.

Externe Links

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[1] Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.): Kernlehrplan Geschichte für die Sekundarstufe II Gymnasium/Gesamtschule in Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf 2014, S. 9. Verfügbar unter http://www.schulentwicklung.nrw.de/lehrplaene/upload/klp_SII/ge/KLP_GOSt_Geschichte.pdf (Letzter Zugriff 17.10.2014).
[2] Vgl. Barricelli, Michele / Gautschi, Peter / Körber Andreas: Historische Kompetenzen und Kompetenzmodelle. In: Barricelli, Michele / Lücke, Martin (Hrsg.): Handbuch Praxis des Geschichtsunterrichts. Bd. 1, Schwalbach/Ts. 2012, S. 207‒235.
[3] Vgl. Anm. 1, S. 15ff.
[4] Vgl. http://www.schulentwicklung.nrw.de/lehrplaene/lehrplannavigator-sek-ii/gymnasiale-oberstufe/ (17.10.2014).
[5] Vgl. zuletzt Pandel, Hans-Jürgen: Geschichtsdidaktik. Eine Theorie für die Praxis, Schwalbach/Ts. 2013, S. 232f.
[6] Vgl. Anm. 1, S. 16.
[7] Vorgaben Abitur 2017 ‒ Geschichte, S. 4f. Verfügbar unter http://www.standardsicherung.schulministerium.nrw.de/abitur-gost/fach.php?fach=12 (Letzter Zugriff 17.10.2014).
[8] Vgl. Anm. 1, S. 11f.
[9] Rüsen, Jörn: Historik. Theorie der Geschichtswissenschaft, Köln 2013, v.a. S. 35 und 68.
[10] Vgl. Anm. 1, S. 13.
[11] Bernhardt, Markus: Geschichtsdidaktik nach PISA ‒ Bilanzen und Perspektiven. Eine bibliometrische Analyse. In: Sauer, Michael u.a. (Hrsg.): Geschichtslernen in biografischer Perspektive. Nachhaltigkeit ‒ Entwicklung ‒ Generationendifferenz, Göttingen 2014, S. 349‒363, hier S. 360.
[12] Schönemann, Bernd: Curriculum/Lehrplan. In: Mayer, Ulrich u.a. (Hrsg.): Wörterbuch Geschichtsdidaktik. 2., überarb. u. erw. Aufl., Schwalbach/Ts. 2009, S. 39‒41, hier S. 40.
[13] In diesem Zusammenhang müsste dann auch über die theoretische Konsistenz der “Progressionstabelle zu den übergeordneten Kompetenzerwartungen” diskutiert werden, die Teil des neuen Kernlehrplans ist. Vgl. Anm. 1, S. 53‒60.

 

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Abbildungsnachweis
Foto des Lehrplans Nordrhein-Westfalen, © Elisabeth Leng 2014

Empfohlene Zitierweise
Thünemann, Holger: . In: Public History Weekly 2 (2014) 36, DOI:  dx.doi.org/10.1515/phw-2014-2763.

Copyright (c) 2014 by De Gruyter Oldenbourg and the author, all rights reserved. This work may be copied and redistributed for non-commercial, educational purposes, if permission is granted by the author and usage right holders. For permission please contact: julia.schreiner (at) degruyter.com.

 


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Resilience of Empowerment

EmpowerpicARTE

Ausschnitt aus dem Dokumentarfilm “Wachstum, was nun?” in der ARTE-Mediathek

„Wachstum, was nun?“ fragt der neueste Dokumentarfilm von Marie Monique Robin, den ARTE am vergangenen Samstag in dritter Wiederholung gezeigt hat. Der Film setzt sich mit Alternativen zum volkswirtschaftlichen Wachstumsprogramm in Zeiten von Umwelt-, Finanz- und Wirtschaftskrisen auseinander. Doch wer die alte Leier von sturer Wachstumskritik und einfachen „Small-is-beautiful“-Lösungen erwartet, wird enttäuscht.

Mit einer beachtlichen Bandbreite an Interviewpartnern, thematischen Zugängen und anschaulichen Projektbeispielen über den Globus verteilt gelingt es dem Film einen durchaus überzeugenden sowie anspruchsvollen Zusammenhang zwischen betriebswirtschaftlicher Selbstorganisation, sozialer Gerechtigkeit und Umweltschutz zu skizzieren.

Der Begriff der Resilienz taucht dabei nicht nur als leeres Schlagwort auf, sondern wird im Mund der befragten “Resilienz-Praktiker” zu einem konkreten Handlungsbegriff, der vor allem eines nahelegt: Resilienz als die Frage nach der Fähigkeit einer Gruppe zu begreifen, zentrale ökonomische Zusammenhänge und deren unmittelbare Auswirkungen auf das Zusammenleben selbst zu gestalten.

Regionale Währungen, urbane Landwirtschaft oder Kraftwerksgenossenschaften werden in dem Film nicht als Ideen vorgestellt, Konsum durch Entsagung oder das internationale Wirtschaftssystem durch Subsistenzwirtschaft zu ersetzen. Die durchaus gespitzte Kritik am heiligen Gral des BIP zielt nicht darauf ab wirtschaftliches Wachstum an sich zum Feindbild zu machen. Dem Film liegt wohl vielmehr die Frage zugrunde: Auf welche Weise versuchen Menschen weltweit ihre eigenen Antworten auf die Fragen nach der Qualität und Quantität von wirtschaftlichem Wachstum (wie viel von welchem Wachstum wollen wir wozu?) zu koordinieren, umzusetzen und auszutesten? Und, wie erfolgreich sind sie damit?

Tatsächlich sind die unerwarteten Auswirkungen dieser „Sozialexperimente“ auf den unterschiedlichsten Ebenen in der Gemeinschaft wohl das eindrücklichste, was dieser Film zu bieten hat. Dass die meisten Projekte für regionales Wachstum und Wohlstand in der Gemeinschaft gesorgt haben, ist da noch am wenigsten überraschend.

Da ist zum Beispiel das regionale Währungssystem von Conjunto Palmeiras, einem Vorort von Fortaleza, Brasilien. Es versteht sich als ein komplementäres Währungssystem, will den Real also nicht komplett ersetzen, sondern unter anderem durch Mikrokredite und einen 10-% Rabatt beim Kauf der Regionalwährung die Wertschöpfung in der Gemeinde halten. Mit Erfolg. Was vormals ein von Abwanderung bedrohter Stadtteil war, weil die Lebenshaltungskosten im Verhältnis zu den Löhnen und dem Arbeitsangebot vor Ort zu stark anstiegen, ist nun unter anderem in der Lage seine BewohnerInnen mit Arbeit und erschwinglichen Gütern zu versorgen.

Diese Entwicklung hing allerdings entscheidend davon ab, dass sich bereits im Vorfeld eine politische engagierte Vereinigung der Bewohner des Stadtteils (ASMOCOMP) gegründet hat, innerhalb derer es möglich war unterschiedliche Zukunftsvorstellungen zu organisieren und auszutesten[1]. Gleichzeitig drängt sich der Eindruck auf, dass die heutige Attraktivität des Stadtteils für seine BewohnerInnen nur insoweit direkt mit der Regionalwährung zu tun hat, insofern diese die Unmittelbarkeit von wirtschaftlichen Handlungszusammenhängen fördert und zu einer lebendigen Gemeinschaft beiträgt, die für den Einzelnen interessante Möglichkeiten bietet, sich selbst einzubringen und in Kontakt zu seinen Mitmenschen zu stehen.

Diese Selbstorganisation der BürgerInnen in der Vereinigung kann insofern als resilient verstanden werden, als es ihr gelungen ist auf die bedrohlicher werdende Wirtschaftslage im Viertel mit der Gründung einer eigenen Bank zu reagieren und damit die Abhängigkeit von größeren, für sie selbst kaum beeinflussbaren volkswirtschaftlichen Zusammenhänge in ein ausgewogenes Verhältnis zur gemeinschaftlichen Selbstbestimmung zu bringen. Mit dieser Bank ist es den BewohnerInnen beispielsweise wiederum möglich Einfluss auf die finanzielle Förderung von Projekten im Viertel zu nehmen (auch solche Projekte, die von kommerziellen Banken kaum kreditwürdig wären): Projekte die zur Reduktion des ökologischen Fußabdrucks beitragen, stehen dabei ganz oben auf der Liste (vlg. auch Rike 2008).

Die Fähigkeit zur gemeinschaftlichen Selbstorganisation auf einer lokalen Ebene war auch in Kandebas, einem nepalesischen Bergdorf sowohl Bedingung als auch Chance, um sich mittels eines genossenschaftlich geführten Wasserkraftwerks von der unzuverlässigen, zentralen Energieversorgung unabhängig zu machen. Dadurch seien nicht nur die Familieneinkommen (und damit natürlich auch die Zahl an Handys und PCs) gestiegen, sondern auch Überschüsse erwirtschaftet worden, die die Genossenschafter, und damit die BewohnerInnen des Dorfes für weitere Investitionen in der Gemeinde und dessen weiterer Entwicklung einsetzen konnten. Gleichzeitig hat das Dorf damit einen Beitrag zur umweltfreundlichen Energiegewinnung gleistet und sich unabhängig von den Ölimporten gemacht, die für 1,5 Mrd. US-Dollar jährlich (2013) nach Nepal importiert werden.

Auch dieses Beispiel zeigt, dass es dem Film nicht um eine pauschale Wachstumskritik geht, die auf ein stumpfes Plädoyer für Autarkie oder Askese hinausläuft, sondern dass er gerade dort ansetzt, wo das bestehende Wirtschaftssystem eben nicht in der Lage war den (oft zunächst ökonomischen) Bedürfnissen vor Ort gerecht zu werden. Weniger Ideologie als vielmehr der Wunsch nach Verbesserung und zum Teil die schiere Not sind der Ausgangspunkt dafür, dass die dokumentierten Gruppen den Bereich ihrer ökonomischen Selbstbestimmung ausgeweitet haben. Der Clou dabei: Mit diesen Ansätzen wurden eben nicht nur die ursprünglichen Ausgangsprobleme angegangen, sondern darüber hinaus mitunter noch weitreichendere Veränderungen angestoßen, die die betreffenden Gemeinschaften in ihren Augen „resilienter“ machen:

„Innovationen wie urbane Landwirtschaft, kommunale Energie, neue Formen des Konsums, all das, was wir als new economy bezeichnen, hat nicht nur wirtschaftliche Aspekte. Es sind auch Prozesse, die die Kommunen stärken und sie resilienter machen für Erschütterungen, die von außen kommen.“ Juliet B. Shor (Autorin von „Plentitude“)

Dass dies notwendigerweise im Kern ein dezentraler Ansatz bleibt liegt nicht an einer vermeintlichen Glorifizierung von Lokalität, sondern daran, dass sowohl die Möglichkeit der Selbstbestimmung als auch die gewünschten Auswirkungen der Unmittelbarkeit von wirtschaftlichen Handlungszusammenhängen eben nur bis zu einem begrenzten Personenkreis erhalten bleiben. Auch wenn der Film einige visionäre Anklänge nicht verbergen kann, so behauptet er dennoch keine einfachen Gesetzmäßigkeiten oder glaubt aus seinen Beobachtungen unmittelbare Handlungsempfehlungen ableiten zu können. Unstrittig ist darüber wohl nur sein Blick für das Potential des sozioökonomischen Experimentierens im Sinne der These “Resilience of Empowerment”.

Bleibt zu fragen, ob der Gedanke der Resilienz als lokales Ermächtigungskonzept letztenendes auch als eine recht unkritische Antwort auf die angegebenen Krisen der großen Systeme gelesen werden kann, verschiebt sich doch damit der Handlungs- und Wandlungsauftrag an die kleine Dorfgemeinschaft.

Der Dokumentarfilm „Wachstum, was nun?“ wird noch einige Tage auf der ARTE-Mediathek unter http://www.arte.tv/guide/de/050584-000/wachstum-was-nun abrufbar sein (ebenso in anderen einschlägigen sozialen Medien wie http://www.youtube.com/watch?v=PP3optDBN8c oder in der Videothek Ihres Vertrauens).

 

[1] Sohn, Rike (2008): Die solidarische Sozioökonomie der Banco Palmas in Fortaleza/Brasilien. Lokale Währungskomplemente als Bestandteil integrativer Entwicklung, in: Zeitschrift für Sozialökonomie, 45. Jahrgang, 158/159. Folge.

 

Quelle: http://resilienz.hypotheses.org/305

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Einer von 37.000 ist einer von 24 Millionen!

Damit hatte kaum jemand gerechnet, zumindest nicht vor dem ersten Wahlgang vom 2. November 2014: Klaus Johannis wird der neue Präsident von Rumänien. Der Bürgermeister von Hermannstadt und Vorsitzende der Christlich-Liberalen Allianz fuhr bei einer Rekordwahlbeteiligung von 64,1 Prozent mit 54,5 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen1 einen überragenden Sieg im zweiten Wahlgang der rumänischen Präsidentschaftswahlen 2014 ein. Über die Gründe, wie er binnen zweier Wochen einen Rückstand von 10 Prozentpunkten auf den Erstplazierten Victor Ponta nicht nur aufholen,2 sondern seinerseits in einen 10 Prozentpunktevorsprung umwandeln konnte, ist in den letzten Tagen schon viel gemutmaßt worden. Mit Sicherheit hat die deutlich gestiegene Wahlbeteiligung damit zu tun – junge Menschen und ältere Leute vor allem, die im ersten Wahlgang noch zu Hause geblieben waren, machten sich nun auf und gingen in die Wahllokale, um dort ihre Stimme abzugeben. Und diese zusätzlichen Stimmen kamen in erster Linie Klaus Johannis zugute. Was aber führte zu diesem Anschwellen der Wählerströme?

Zum einen war es die furchtbar desaströs verlaufene Abstimmung im Ausland, die viele Rumänen im Lande selber dazu brachte, nun ihre Stimme in die Waagschale zu werfen. Dreieinhalb Millionen Rumänen leben im Ausland, und viele von ihnen wollten am 2. November in den eigens eingerichteten Wahllokalen wählen gehen. Durch eine schlampige Organisation und überforderte Mitarbeiter wurden sie aber vielfach daran gehindert. Zwar waren in 95 Staaten insgesamt 294 Wahllokale eingerichtet worden, zumeist in den Botschaften und Konsulaten,3 doch waren diese zumeist sehr dürftig ausgestattet. So standen im Generalkonsulat in München nur fünf Wahlkabinen zur Verfügung,4 während andernorts Stempel fehlten oder die Stimmzettel ausgingen. In London waren die Einlaßkontrollen der Botschaft so strikt, daß über 1000 Wahlberechtigte innerhalb der Öffnungszeiten einfach nicht mehr in das Gebäude kamen.5 Protestierende Rumänen wurden in Paris, London, Wien und Turin von der Polizei vertrieben. Rasch wurden Vorwürfe laut, die Regierung unter Führung von Premierminister Ponta, zugleich Kandidat der Sozialdemokraten für das Präsidentenamt, hätte diese Situation bewußt herbeigeführt oder zumindest billigend in Kauf genommen,6 um zu verhindern, daß die Diaspora allzu viele Stimmen abgeben konnte, denn in der Tendenz wählt diese keinen linken Kandidaten. So bot die Stadt München an, für den 2. Wahlgang unentgeltlich nicht nur Räumlichkeiten, sondern auch Wahlurnen und Sichtblenden zur Verfügung zu stellen – von rumänischer Seite hieß es nur, daß daran kein Interesse bestehe.7 Was die Sozialdemokraten dabei völlig unterschätzen, war die Wut der Rumänen, in der Disapora wie in der Heimat, und die Macht der modernen Kommunikation. Denn die Tausende von Emails, SMS und Kommentaren via Twitter und Facebook, oft versehen mit Bildern von den unhaltbaren Zuständen vor den Wahllokalen, die die Lieben aus der Ferne an die Familie daheim sandten, trugen viel zu der Stimmung bei, die den satten Vorsprung von Victor Ponta binnen zweier Wochen dahinschmelzen ließ. In Rumänien wurde in mehreren Städten für das Wahlrecht der Auslandsrumänen demonstriert,8 und auch Klaus Johannis selbst machte seinem Unmut hierüber Luft. Als Sündenbock wurde der Außenminister ausgetauscht… geholfen hat dieses Manöver indes nicht.

Zum anderen war es der Wahlkampf selber und vor allem dessen ideologische Zuspitzung in den Tagen vor der Stichwahl, der viele Rumänen dazu motivierte, am 16. November zur Stichwahl zu gehen. Präsentierte sich Klaus Johannis als der unbestechliche und fleißige Macher im strahlend weißen Hemd (“Gesetz. Nicht Diebstahl.” oder “Taten. Kein Gerede.”),9 der auch mal mit seinem siebenbürgisch-sächsischen Image kokettierte, setzte Victor Ponta eindeutig auf die rumänisch-nationale Karte. So warb er nicht nur mit dem Slogan “Wir sind stolz, Rumänen zu sein”, den man in Rumänien gerne im Munde führt, sondern griff auch zu kräftigeren Ausdrücken. Johannis sei “kein richtiger Rumäne” und auch “kein orthodoxer Christ”.10 Er, Ponta, lehne “Kerle aus dem Ausland” ab, die “Rumänien mit Füßen getreten” hätten – wen er genau damit meinte, ließ er sich nicht entlocken, aber in Verbund mit einem Sager, wonach er in Johannis einen “Vertreter ausländischer Interessen” sah, der Siebenbürgen sogar von Rumänien abspalten wolle, wird die Stoßrichtung klar.11 Sie Wahlplakate der Sozialdemokraten zeigten einen Victor Ponta, der zwar brav im modischen Anzug herablächelte, aber optisch stets begleitet war von pseudofolkloristischen Stickereien,12 was an die Plakate zur Europawahl erinnerte, die mit ähnlichen Motiven und sogar der “Endlosen Säule” von Constantin Brâncuși geschmückt waren.13 Für Victor Ponta sprach sich auch die orthodoxe Kirche aus, zu der sich fast 90 Prozent der Rumänen bekennen. Unverhohlen ließ sie wissen, daß nur ein Kandidat mit dem richtigen Glauben, eben ein Orthodoxer, als Staatspräsident tragbar wäre14 – und dies sogar noch am Tag der Stichwahl.15 Vizepremier Liviu Dragnea sagte ebenso deutlich wie dämlich, daß Popen, die die Wahl Victor Pontas unterstützen, den orthodoxen Glauben verteidigten.16 Der peinsame wie peinliche Gipfel dieses nationalen wie religiösen Schwachsinns war erreicht, als Victor Ponta behauptete, Klaus Johannis würde die Nationalhymne Rumäniens nicht kennen – in einem Interview darauf angesprochen, schmetterte dieser sofort los17 und bewies dabei sowohl Textsicherheit wie auch Kenntnis der Melodie. Ponta selber scheiterte übrigens live im Fernsehen an dieser Aufgabe…18

Und so sollte die national-religiöse Stoßrichtung Victor Pontas nicht verfangen. Die rumänischen Wähler waren erkennbar wenig daran interessiert, welcher Konfession oder welcher MInderheit der Kandidat der Nationalliberalen angehörte. Nichts dokumentiert dies schöner als jener mit Kugelschreiber geschriebene Text auf einem Stückchen Papier, den ein unbekannter Scherzbold an eines der 10 Dixiklos klebte, die man in München beim Generalkonsulat für die Wartenden aufgestellt hatte – “Stimmen Sie hier für einen christlich-orthodoxen Präsidenten”. Sie interessierten sich vielmehr für einen Mann, der seit gut 14 Jahren in Hermannstadt als Bürgermeister viele Reformen in Gang setzte und mit seiner pragmatischen Wirtschaftspolitik Erfolge feierte. Sie sahen einen Kandidaten, der mit zart siebenbürgisch-sächsischem Akzent in bedächtiger Manier seine Ideen präsentierte und nicht die ewig hohlen Phrasen der etablierten Politikerkaste aus Bukarest ins Volk hineindreschen wollte. Und sie hörten wohl gut zu, als er sich für ganz konkrete Verbesserungen des Wahlsystems wie Briefwahl einsetzte und sich nicht in unrealistischen Versprechungen verlor.

Als Klaus Johannis im Rahmen eines Vortrags, den er bei einem Besuch im damaligen Südost-Institut am 4. Mai 2010 hielt, auf die Fortschritte zu sprechen kam, die in Hermannstadt unter seiner Ägide gemacht wurden, da sprach er recht wenig über sich selber. Rumänien, so sagte er, habe eine fleißige und talentierte Bevölkerung, nur mit der Organisation des Landes hapere es. Seine Aufgabe war es in Hermannstadt eben, Voraussetzungen zu schaffen, Dinge zu entflechten und sinnvoll neu zu organisieren, als Ansprechpartner immer da zu sein und als Vorbild zu dienen. Den wirtschaftlichen Aufschwung, den haben dann die Menschen selber erarbeitet. Mit diesen bescheidenen Worten beschrieb er seine Tätigkeit. Klaus Johannis, der bei seiner ersten Wahl im Jahre 2000 von 69 Prozent der Hermannstädter, die an die Urnen gegangen waren, gewählt worden war, obwohl nicht einmal mehr 2 Prozent der Bevölkerung dort noch Siebenbürger Sachsen sind, war der Bürgermeister aller 148.000 Einwohner. Nun ist er, einer von noch verbliebenen 37.000 Rumäniendeutschen, der Präsident von 24 Millionen rumänischen Staatsbürgern. Ein Bürgerpräsident, das will er sein. Einer von ihnen.

  1. http://ro.wikipedia.org/wiki/Alegeri_preziden%C8%9Biale_%C3%AEn_Rom%C3%A2nia,_2014
  2. Unmittelbar nach dem ersten Wahlgang schrieb Karl-Peter Schwarz, daß Johannis “es schwer haben [wird],  diesen Vorsprung einzuholen”, Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 256 vom 4.11.2014, S. 8
  3. http://www.mediafax.ro/politic/alegeri-prezidentiale-2014-in-strainatate-sunt-294-de-sectii-primii-voteaza-cei-din-noua-zeelanda-13482717
  4. Karl-Peter Schwarz, “Verhinderte Wahlbürger”, Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 256 vom 4.11.2014, S. 3
  5. http://www.romania-insider.com/chaos-at-romanias-voting-polls-abroad-long-queues-protests/134937/
  6. http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/rumaenien-der-deutschstaemmige-praesidentschaftskandidat-klaus-johannis-im-portrait-13266420.html
  7. http://www.br.de/mediathek/video/sendungen/nachrichten/rumaenien-stichwahl-auslandsrumaenen-muenchen-100.html
  8. http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/chaotische-wahl-in-rumaenien-verhinderte-wahlbuerger-13245411/protest-gegen-13245465.html
  9. http://blog.br.de/studio-wien/files/2014/10/Foto-Johannis-2.jpg
  10. http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/klaus-johannis-gewinnt-praesidentenwahl-2014-in-rumaenien-13270731.html
  11. http://derstandard.at/2000008110216/Stichwahl-in-RumaenienAuslaendische-Kerle-gegen-Korrupte
  12. http://someseanul.ro/wp-content/uploads/2014/10/afis-electoral-ponta-presedinte.jpg
  13. http://www.cotidianul.ro//upload/images/original/ponta-afis-slogan.fjte7chyq4.jpg
  14. http://portalsm.ro/2014/11/biserica-ortodoxa-il-sustine-pe-victor-ponta/ und http://www.hotnews.ro/stiri-politic-18526239-video-predica-biserica-din-moftinu-mic-satu-mare-fim-uniti-votam-presedinte-ortodox-victor-ponta-caci-poate-uneasca-ajute-ducem-viata-noastra-calea-desavarsirii.htm
  15. http://www.digi24.ro/Stiri/Digi24/Actualitate/Social/Biserica+si+politica+Predica+pentru+un+presedinte+ortodox
  16. http://www.b365.ro/alegeri-prezidentiale-2014-dragnea-preotii-care-il-sustin-pe-ponta-apara-credinta-ortodoxa_218937.html
  17. http://www.youtube.com/watch?v=gJ-04WSUG-s
  18. http://www.youtube.com/watch?v=emEfmi6HQfc

Quelle: http://ostblog.hypotheses.org/318

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Mit den Greifen über Schweden

Malmö Aviation auf dem Flughafen von Umeå Foto: CC-BY Michael Meichsner

Malmö Aviation auf dem Flughafen von Umeå
Foto: CC-BY Michael Meichsner

Gullydeckel der Kommune Malmö im Museum Malmöhus slott Foto: CC BY Michael Meichsner

Gullydeckel der Kommune Malmö im Museum Malmöhus slottFoto: CC-BY Michael Meichsner

 

Auf meinem letzten Inlandsflug in Schweden war der pommersche Greif ein Begleiter, den ich nicht unbedingt erwartet hatte. Die schwedische Fluggesellschaft Malmö Aviation trägt den gekrönten pommerschen Greifen in ihrem Firmenlogo und auch die Bordzeitung des Unternehmens trägt den kurzen Titel Grip, also Greif.

Bei genauerer Betrachtung ist der Greif in und um Malmö ein ständiger Begleiter: Er wird von weiteren Firmen genutzt, die ihren Sitz in Schonen haben bzw. hatten: Die Lundenser Studentenverbindung Malmö Nation nutzt ihn als Symbol und benennt ihre Studentenzeitung auch nach dem Greifen. Die Suche schweift von der Luft zum Boden – auch die Gullydeckel in Malmö zeigen den Greifen.

Der Anfang dieser Darstellungsbegeisterung ist in der Wappenverleihung Eriks von Pommern an Malmö 1437 zu suchen. In dem erhaltenen Privileg heißt es, die Gemeinde Malmö solle für immer die beschriebenen Wappen und Kleinodien auf ihrem Siegel und Schild führen. Folgend wurde das Wappen näher beschrieben: auf weißem Feld ein roter Greifenkopf mit rotem Hals und roten Ohren mit einer goldenen Krone auf dem Haupt sowie auf dem Helm ebenso ein rotes Greifenhaupt mit einer goldenen Krone sowie einem Busch weißer und roter Straußenfedern. Zur genaueren Beschreibung findet sich auf dem Wappenprivileg eine Zeichnung dieses Wappens.

 

Wappenbrief Malmös vom 23.04.1437, Stadtarchiv Malmö Foto: CC BY-SA Sven Rosborn

Wappenbrief Malmös vom 23.04.1437, Stadtarchiv Malmö
Foto: CC-BY-SA Sven Rosborn

Nach einer kurzen Recherche zeigt sich, dass das Malmöer Wappen heute das einzige offizielle Kommunalwappen in Schweden ist, das den Greifen zeigt und somit auf die Zeit des ersten Unionskönigs der Kalmarer Union zurückgeht. Auf der Ebene der schwedischen Regionen findet sich noch das Wappen Schonens, das ebenso den Greifen zeigt. Dieses geht jedoch auf spätere Entwicklungen zurück, als Schonen nach 1658 an Schweden fiel und kein eigenes Wappen hatte. Zur Repräsentation der neugewonnenen Landschaft auf dem Begräbnis Karls X. Gustav 1660 wurde kurzerhand ein neues geschaffen, wobei man sich an dem Wappen Malmös orientierte. In Dänemark findet sich kein einziges Kommunalwappen, welches auf die Herrschaft des Greifen Erich von Pommern zurückzuführen ist.

Die Privilegierung Malmös steht in Zusammenhang mit einer Konzentration des Königs aus dem Greifengeschlecht auf die Öresundregion. Seit März 1413 stärkte Erik von Pommern diese Region in wirtschaftlicher, militärischer und politischer Hinsicht. Er gründete die Stadt Landskrona, befestigte die östliche Seite des Öresunds mit der Festung Krogen und verlagerte die Stadt Helsingör. Darüberhinausgehend erwarb er Kopenhagen für das dänische Königtum. In Malmö verlieh er dem Rat weitere Privilegien und sorgte für die Befestigung der Stadt.

Die visuelle Anbindung Malmös an das Herrscherhaus der Greifen ist in Spannungen innerhalb der Kalmarer Union zu suchen. Erik von Pommern entstammte dem Geschlecht der pommerschen Herzöge aus der Seitenlinie der Herzöge von Pommern-Stolp und erhielt zunächst den typischen Namen Bogislaw. Durch dynastische Zufälle und die energische Politik seiner Ziehmutter Margrete I. von Dänemark avancierte der junge Pommer zum Thronfolger in Dänemark, Schweden und Norwegen als Erik VII., Erik XII. und Erik III. Ab 1397 war er Regent der Kalmarer Union, die diese drei Königreiche zusammenfasste. Nach dem Tod Margaretes I. 1412 war Erik Alleinregent, wobei er die Interessen der verschiedenen Reichsräte stets in seine Politik mit einkalkulieren musste. Solange der Interessenausgleich funktionierte waren keine größeren Spannungen innerhalb der Union festzustellen. Dies wandelte sich jedoch in den 1430er Jahren. In Schweden brach 1434 ein Aufstand aus, der sich zunächst gegen eine Erhöhung von Abgaben richtete. Diesem Aufstand schlossen sich schwedische Hochadlige an, wobei nun v.a. die zentralistische Regierungsweise Eriks mit der Bevorzugung nichtschwedischer Adliger für schwedische Reichsgüter und dessen Thronfolgepläne für die drei nordischen Königreiche im Mittelpunkt standen. Zunehmend vehementer versuchte der König eine pommersche Thronfolge für die Unionsreiche durchzusetzen. Ins Auge fasste er dabei seinen Cousin Bogislaw IX., der auch im oben erwähnten Wappenbrief Malmös als Thronfolger genannt ist. Angesichts dieser Politik einer Bevorzugung pommerscher Verwandter des Königs – Bogislav wurde mit bedeutenden Burgen und Besitzungen in Dänemark bedacht – brach auch Unmut im dänischen Reichsrat aus.

Auch wenn 1436 ein Ausgleich zwischen Erik und dem schwedischen Reichsrat erzielt werden konnte, waren die Probleme, die Erik mit dem Adel seiner Reiche hatte, nicht vollständig ausgeräumt. Auch in Dänemark wuchs 1438 die Unzufriedenheit mit Eriks zentralistischem Regierungsstil und seinen Plänen, die Greifen als Erben der Unionskönigswürde zu installieren. Der Konflikt zwischen den Mitgliedern der Reichsräte und Erik von Pommern kulminierte schließlich 1439 in der aufeinander folgenden Absetzung Eriks  als König in Dänemark und Schweden. Die Norweger schlossen sich dieser Entscheidung später an – die Union zwischen den Reichen sollte aber fortbestehen. Die Wappenverleihung an Malmö ist in diesem Kontext als Versuch des Königs zu verstehen, in einer schwierigen Zeit Verbündete in einer der wichtigsten Handelsstädte der Öresundregion zu gewinnen.

Um den Konflikten in seinen Reichen zu entgehen und um eine zentrale Position im Ostseeraum einzunehmen, zog sich Erik 1438 nach Gotland zurück. Von dort aus versuchte er bis 1449 weiterhin Einfluss auf die Entwicklungen innerhalb der Kalmarer Union zu nehmen. Gotland war auch schon vorher ein sicherer Hafen für Erik. Das Privileg für Malmö wurde1437 so auch auf der Visborg abgefasst – seit dem ersten Viertel des 15. Jahrhunderts eine der bedeutendsten Burganlagen des Ostseeraums. Seinen Lebensabend verbrachte Erik schließlich wieder als Herzog von Pommern-Stolp, er starb 1459 in Rügenwalde/Darłowo.

An die Zeit des Unionskönigs aus dem Greifengeschlecht erinnern also noch heute der Greif im Stadtwappen Malmös oder die Fluggesellschaft Malmö Aviation. Auch wenn Erik von Pommern seine Königswürde am Ende verlor, ist es noch möglich mit dem König  über Schweden und die Ostsee zu reisen…

Malmö Aviation über Schweden Fotos: CC BY Michael Meichsner

Malmö Aviation über Schweden
Fotos: CC BY Michael Meichsner

Quelle: http://nordichistoryblog.hypotheses.org/2715

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