
Quelle: http://mws.hypotheses.org/1571
Geschichtswissenschaftliche Blogs auf einen Blick
Quelle: http://mws.hypotheses.org/1571
Ein interessanter Beitrag zum Ersten Weltkrieg, in dem wichtige Begriffe und Akteure behandelt werden. Es sind originale Tonaufnahmen und Interviews von gegenwärtigen Experten, die zum Thema Erster Weltkrieg arbeiten zu hören
Quelle: http://lernen-aus-der-geschichte.de/Online-Lernen/content/10909
Am 15./16. Juni 2012 fand an der Hochschule Fulda, Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften, eine Arbeitstagung der Sektion Wissenssoziologie zum Thema „Wer oder was handelt? Die Handlungsfähigkeit von Subjekten zwischen Strukturen und sozialer Praxis“ statt. Wie in dem der Tagung vorausgehenden … Weiterlesen
1001 stories of Denmark
Screenshot der englischsprachigen
Android-App
Ich habe das Stichwort “Erinnerungskultur 2.0″ auf diesem Blog bei einem früheren Beitrag bereits verwendet, es ging um ein norwegisches Projekt. Mal sehen, ob daraus nun sogar der Titel einer längeren Serie wird. Jedenfalls ist es hochspannend, zu beobachten, wie in Nordeuropa mehrere erinnerungskulturelle Projekte Elemente des Web 2.0 aufgreifen. In diesem Fall handelt es sich um das Projekt 1001 Geschichten über Dänemark, das erfreulicherweise nicht nur auf Dänisch, sondern nahezu vollständig (!) auch auf Englisch zugänglich ist. Das Grundprinzip ist schnell erklärt: Die Seite verzeichnet 1001 Stätten des dänischen kulturellen Erbes, die sich mithilfe einer Karte oder nach verschiedenen Kriterien (zuletzt hochgeladen, am besten bewertet, alphabetisch) durchsuchen lassen. Eingetragene User können eigene Beiträge verfassen, andere Beiträge kommentieren, neue Orte hinzufügen und neben ihren eigenen Erzählungen auch Bild, Video- und Audiomaterial hochladen. Die 1001 ursprünglichen Einträge und die 50 übergreifenden Thementexte können nicht verändert, aber kommentiert werden. Betrieben wird die Seite von der Abteilung Kulturarv [Kulturerbe] innerhalb der Kulturstyrelsen, einer staatlichen Institution unter der Ägide des Kulturministeriums, welche als kulturpolitische administrative Zentrale fungiert.
Die Seite baut sehr stark auf die Einbindung der User durch ihre eigenen Beiträge. Hier ist auch die Wortwahl bemerkenswert, wenn mit dem dänischen “1001 fortællinger” dezidiert auf das “Geschichtenerzählen” verwiesen wird, persönlich gefärbte Erinnerungen also; die Beiträge gehen oft von eigenen Vorlieben oder der Wohn-, Arbeits- oder Kindheitsumgebung der Erzählenden aus. Da ist bei einigen schon eine gehörige Portion Nostalgie mit im Spiel, aber das ist auch gewollt, um die persönliche Note zusätzlich zu betonen. Im Anschluss an den oben bereits erwähnten Beitrag scheint es also, als ob der Beschäftigung mit Geschichte (als verabsolutierender Kollektivsingular) die subjektiven Geschichten vieler Einzelner entgegengesetzt werden sollen. Oder man könnte sagen: Monolithisch daherkommende, Allgemeingültigkeit für sich in Anspruch nehmende Deutungen werden durch solche persönlichen Beiträge aufgebrochen und bereichert. Es könnte gut sein, dass sich in bestimmten Bereichen der Geschichtsforschung künftig facettenreichere Bilder aufgrund solchen Materials zeichnen ließen. Könnten diese persönlichen Erzählungen und Kommentare nicht die Grundlage für künftige Forschungen über Alltagskultur, Lokalgeschichte und Geschichtskultur jenseits der etablierten Institutionen bilden? Auf jeden Fall besitzen solche Projekte erhebliches Potenzial zur Mobilisierung geschichtsinteressierter Privatpersonen. Auf diese Weise könnten sich viel breitere Kreise am öffentlichen Geschichtsdiskurs beteiligen. Luke Tredinnick schreibt in diesem Zusammenhang vom Potenzial digitaler Technologien, neue Arten von Geschichten zu kreieren und ein neues Verhältnis zur Vergangenheit zu erlauben.
“Technological innovation has augured what Henry Jenkins has described as ‘participatory’ culture, in which individuals more actively intervene in the structure and make-up of cultural discourse, fashioning the stuff of culture in more personal, fragmented, and playful ways. History is clearly succumbing to this participatory mode. It is not merely the opening up of primary source materials, from census data, to genealogical records, [that] has enabled individuals to construct their own disintermediated relationship with the past. It is also that the proliferation of popular histories, and a popular engagement with the past across both new and traditional media, creates a fertile interaction of the scholarly history and mass culture which cannot leave either unchanged.”
Die Frage ist natürlich, ob die professionelle Geschichtsforschung bereit ist, solche Stimmen wahrzunehmen. So manche Fachvertreter werden darauf setzen, dass sich qua Institutionalisierung und qua Reputationsaufbau innerhalb hermetischer disziplinärer Publikations- und Kommunikationsforen nicht allzuviel ändert. Die Deutungshierarchien oder auch -hegemonien dürften sich als langlebig erweisen. Von daher sollte das Augenmerk auch auf der Herausforderung liegen, welche die Öffnung des historischen Diskurses für so subjektive Stimmen wie auf 1001 Geschichten über Dänemark in sich birgt. Tredinnick spricht von “the making of histories [man beachte den Plural!] in digitally mediated contexts”. Wenn wir von Geschichtswissenschaft im digitalen Zeitalter sprechen, sollten wir nicht nur davon reden, dass etablierte Akteure der Geschichtsvermittlung einfach den medialen Wandel vollziehen, so wichtig und bemerkenswert dies auch ist. Doch gerät in den Hintergrund, dass sich neue Formen und Foren für die Auseinandersetzung mit Geschichte herausbilden. “It is not merely that an objectively knowable past is repurposed for changing cultural contexts, but that different kinds of historical discourses are mobilized within a more participatory mode of cultural engagement. […] In the immediacy of digital culture, history perhaps regains part of its mythapoic [sic!] function.”
Zurück zu den Geschichten aus 1001 dänischen Erinnerungsorten: Ein einführendes Video (nachfolgend mit englischen Untertiteln) zeigt Suchmöglichkeiten und einige Beispiele für Userbeiträge und gibt einen guten ersten Eindruck – verbunden mit einigen humorigen Abschnitten, welche die Schwierigkeiten aufgreifen, eine gescheite Aufnahme hinzubekommen. Klar wird aber auch, wie verschieden die Beiträge ausfallen können, vom Hamlet-Gedenkstein inklusive Gedicht-Deklamation bis hin zu einem Stück Straßenmusik, von einem begeisterten Wissenschaftler am Niels-Bohr-Institut bis hin zu einer naturnahen Interpretation der dänischen Nationalhymne.
Ergänzt wird diese Seite durch Apps für mobile Endgeräte, die für iOs und für Android bereitstehen. Unterwegs kann man also den nächstgelegenen historischen Ort, der auf der Seite verzeichnet ist, z.B. auf dem Smartphone aufrufen und sich Hintergrundinformationen anzeigen lassen. Diese Anwendung hat noch Entwicklungspotenzial, doch die Erweiterung um solch eine mobile Variante ist eine klasse Sache. Der historische Reiseführer, der durch individuelle Kommentare noch mehr Einschätzungen dazu erlaubt, ob der fragliche Ort für einen selber wirklich interessant ist – das ist schon toll. Allerdings zeigt sich dann in einigen Regionen, dass die Dichte bei 1001 (plus weitere durch User hinzukommende) möglichen Besuchsorten streckenweise etwas dürftig ist. Auf Seeland (der Insel, auf der Kopenhagen liegt) findet man nun mal deutlich mehr Stätten des kulturellen Erbes als in einigen Teilen Jütlands. Außerdem könnte man sich die einleitenden Texte dann manchmal doch etwas grundlegender wünschen, um gedruckten Reiseführern ernsthafter Konkurrenz zu machen.
Auf der Hauptseite kann man einzelne Orte von besonderem Interesse zu einer Route zusammenstellen, um einen Trip von Geschichtsstätte zu Geschichtsstätte zu planen. Das verweist klar auf den immer weiter wachsenden Geschichtstourismus, dessen wirtschaftliche Implikationen durch einen eigenen Abschnitt zu Wirtshäusern und Hotels unterstrichen werden. Eine Auswahl von 17 Stück wird durch die jeweils besondere Bedeutung für die dänische Geschichte in das erinnerungskulturelle Konzept eingegliedert. Ohne Frage wird der an diesem Teilprojekt beteiligte dänische Gaststättenverband über die zusätzlich in die Gasthäuser strömenden Kunden nicht wenig erfreut sein.
Und dann gibt es da noch eine schöne Überraschung: Ein eigener Abschnitt widmet sich “Europäischen Erzählungen” – eine überzeugende Einbettung dänischer Geschichte in die europäische. Es geht darum, kulturelle, wirtschaftliche und politische Beziehungen zwischen Dänemark und dem Rest des Kontinents aufzuzeigen, Prägungen, Ideenexport und -import, Gemeinsamkeiten, auch die dänische Geschichte nicht rein national zu deuten, sondern als Teil der europäischen Geschichte zu vermitteln. Das verdient Respekt und es bleibt anzumerken, dass einem eine Überschrift wie “Europe – The Beautiful Story” in Zeiten der Eurokrise geradezu das Herz wärmt und einen angesichts des in Dänemark traditionell starken Europa- und EU-Skeptizismus doch überrascht.
In diesem Experiment von Qin Gao wurden 40 Probranden bezüglich ihrer Leistung, Arbeitsbelastung und Gedächtnisleistung untersucht. Hierzu sollten Sie ein Organisations-Schema aufbauen und 38 Texte (Artikel) in einer Kategorisierungs- oder Tagging-Aufgabe organisieren. Dabei wurde die Zeit gemessen, die sie dafür benötigten und mittels eines Fragebogens ihre Zufriedenheit. In einem späteren Interview wurden die Teilnehmer nach ihren Gewohnheiten zu ihrem persönlichen Informationsmanagement befragt.
Die Tagging-Teilnehmer berichteten eine höhere Arbeitsbelastung und Frustration als die Kategorisierungs-Teilnehmer. Das dürfte daher rühren, dass die Nutzer verschiedene Ziele mit ihren Tags erreichen möchten (Selektion von Tags für diverse Gelegenheiten führt zu mehr Tags; unterschiedliche Ebenen der Spezifität werden mit Tags bezeichnet, Beschreibung von verschiedenen Perspektiven des Inhalts), dies aber nicht immer schaffen, da sie beim Taggen gegen eigene Regeln verstoßen und somit Konsistenz nicht immer erreichen können.
In dieser Aufgabe geht es um das Wiederfinden von Information, die zuvor organisiert wurde. Es wurden keine großen Unterschiede zwischen beiden Gruppen (Tagging/Kategorisierung) in der Bearbeitungszeit gemessen, allerdings gab es einen signifikanten Unterschied in der Fehlerrate. Die Fehlerrate der Tagger war höher als die der Probanden, die die Informationen über eine Ordnerstruktur wiederfinden sollten. Dafür gibt es folgende Gründe:
Idealerweise können Tagging-Nutzer jeden Artikel mit zwei Klicks erreichen (einen Klick für den Tag, einen für den Artikel), was häufig weniger Klicks erfordert, als die Information in einem hierarchischen Ordnersystem wiederzufinden. Allerdings zeigten die Ergebnisse, dass die Gesamtzahl der Klicks, die ein Tagging-Nutzer für die Retrieval-Aufgabe benötigte, ähnlich zu der der Ordner-Nutzer war. Dies ist mit der hohen Fehlerrate beim Taggen verbunden, die den Vorteil der flachen Struktur aufhebt. Deshalb zeigen die Ergebnisse, dass es beim Taggen keine signifikante Reduktion in der Anzahl der Klicks gibt.
Die Tagger empfanden einen höheren Zeitdruck, als die Teilnehmer, die Ordner verwendeten. Das Ergebnis lässt darauf schließen, dass Retrieval-Aufgaben mehr kognitive Ressourcen von Tagging-Teilnehmern erfordern, als von Nutzern des hierarchischen Systems.
Der Vergleichstest für die Gedächtnisleistung zeigte, dass Tagger dazu tendierten, ein besseres Gedächtnis für das getaggte Material zu haben, als die Kategorisierungs-Teilnehmer, obwohl der Unterschied nicht signifikant war.
Sowohl in der Organistations- als auch in der Retrieval-Aufgabe wurden keine signifikanten Unterschiede in der Nutzerzufriedenheit zwischen beiden Gruppen festgestellt.
Obwohl die Tagger bei Organisationsaufgaben mehr Frustration zeigten, da ihnen klar war, dass sie Inkonsistenzen nicht vermeiden konnten, zeigten sie sich ähnlich zufrieden, wie die Ordner-Nutzer. Das könnte meiner Meinung nach mit dem sog. „Spreading-apart-Effekt“ begründet werden: Nach schwierigen Entscheidungen wird die gewählte Alternative aufgewertet und die nicht gewählte abgewertet (siehe hierzu auch Kognitive Dissonanz), so dass das zunächst empfundene Frustrationsgefühl dadurch verdrängt wird.
Fazit: Taggen ist kognitiv aufwändiger als Informationen in einem hierarchischen System zu verwalten. Vereinfacht kann man sagen, dass der Nutzer beim Taggen leicht den Überblick verliert; er kann letztlich seine Daten nicht „perfekt“ verwalten; seine Tags sind inkonsistent.
Meine Erklärung dafür ist, dass wir evolutiv bedingt stark in Kategorien denken und alles sofort darin einteilen. Das ist ein Mechanismus, der uns Menschen überlebensfähig macht. Tags überfordern uns in gewisser Weise. So schnell, wie sich die Technik ändert und neue Möglichkeiten schafft, können wir uns aber nicht anpassen. Gao stellt daher fest, dass die Frage nicht lauten darf: „Wird Tagging die Kategorisierung von Daten ersetzen?“, sondern lauten muss: “ Wie kann Tagging zusätzliche Informationen zur Kategorisierung bereitstellen?“
Die Vorteile, beide Systeme miteinander zu verbinden, dürfte die Lösung sein, damit der Nutzer seine kognitiven Leistungen zu einem höheren Grad ausnutzen kann.
Literatur:
Qin Gao: An Empirical Study of Tagging for Personal Information Organization: Performance, Workload, Memory, and Consistency. In: International Journal of Human-Computer Interaction, 27/7-9, 2011, S. 821-863
Quelle: http://games.hypotheses.org/843