Ein Buch mit an- und aufregender Wirkung: „Digitale Bildwissenschaft“ von Hubertus Kohle

Das Buch beschreibt, wie in der Kunstgeschichte bereits digital gearbeitet wird und zwar von der Recherche bis zur Publikation. Es zeigt außerdem, was noch möglich wäre, würden diese Möglichkeiten erkannt, was sich für die wissenschaftliche Arbeit ändert und warum es so wichtig ist, auf das Digitale in angemessener Weise zu reagieren.

Der Autor spricht u.a. die „Tendenz zur Kurztextproduktion“ an. In diesem Sinne möchte ich – quick and dirty – ein paar Gedanken zum Buch zu äußern:

  • Die Ausrede: „Das ist mir zu kompliziert. Das verstehe ich sowieso nicht“ gilt bei diesem Buch nicht. Verklausulierte und verschwurbelte Sätze werden Sie hier nicht finden. Es ist so verständlich geschrieben, dass Sie kaum einen Satz zweimal lesen müssen.
  • Und wenn Sie meinen, dass sei kein Qualitätsbeweis für ein wissenschaftliches Buch, dann muss ich Sie enttäuschen: Das ist es absolut! Gerade weil man jedem Gedanken des Autors folgen kann und nicht noch großartig interpretieren muss, führt das dazu, dass man nahtlos über den Inhalt nachdenken kann. Zwangsläufig. Das geht gar nicht anders.
  • Lesen Sie das Buch mit einem Computer in Reichweite. Der Autor nennt Beispiele und Links, die man unmittelbar ausprobieren möchte.
  • Museumsmenschen sollten nur die ersten drei Kapitel „Suchen“, „Analysieren“ und „Schreiben/Publizieren/Bewerten“ lesen. Was danach kommt, ist nichts für schwache Nerven, wenn Sie die Aktivität des Publikums ausschließlich in zurückgelegter Strecke durch Ihr Haus bemessen. Denn im Kapitel „Präsentieren / Rekonstruieren“ erfahren Sie, was Aktivität noch bedeuten und wozu sie führen kann, wo sie bereits wie praktiziert wird und vor allem werden hier Gründe aufgezeigt, warum die Zuwendung zum Digitalen zwingend nötig ist.
  • Aus welchen Gründen das Buch auch für Informatiker interessant sein kann, beschreibt François Bry hier.
  • Erzkonservativen Kunsthistorikern sei das Buch ebenfalls ans Herz gelegt. Ganz im Ernst: Wenn Sie sich wirklich auf die Thematik einlassen und mal mit klarem Kopf nachdenken, können Sie doch schon aus der Wissenschaftsgeschichte ableiten, dass es in der Kunstgeschichte nicht immer so weitergehen kann wie bisher. Außerdem sind die Dinosaurier schließlich auch irgendwann ausgestorben. Hier können Sie sich – was die neuen Technologien angeht – auf den neuesten Stand bringen lassen und erfahren, was und wie bereits geforscht wird. Stellen Sie sich vor, Sie wären 30 oder 40 Jahre jünger: was wären das für Möglichkeiten für Sie selbst!
  • Wenn Sie jünger und/oder nicht erzkonservativ sind und meinen, das Digitale in der Kunstgeschichte ginge Sie nichts an, sollten Sie über den vorigen Punkt mit den Dinosauriern erst recht nachdenken.
  • Open Access und Peer Review sind ebenfalls Themen, zu denen der Autor deutlich Stellung nimmt. Hier dürfte es ebenfalls Leser geben, die vorher besser eine Beruhigungspille nehmen.

So, das ist lang genug. Wer genaueres zu seinem Inhalt wissen möchte, muss das Buch selbst lesen. Und verstehen werden Sie es, wie bereits gesagt, auf jeden Fall.

Quelle: http://games.hypotheses.org/1102

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Statistik: Trau keiner!

<tl;dr> Ich kann mit einfachsten Verfahren phantastische Ergebnisse erzielen – wenn ich diese nur richtig überprüfe. 

Nach langer Zeit, in der ich vor allem an Dingen gearbeitet habe, die zu geheim, noch nicht spruchreif genug oder einfach zu langweilig für einen Blogpost waren, habe ich in dieser Woche endlich wieder ein lohnendes Thema gefunden. Es geht mal wieder um Statistik, diesmal allerdings mit konkretem Bezug zu einem Projekt, an dem ich gerade arbeite, aber auch zum letzten Post, den ich über das Thema verfasst habe (den über die Facebook-Likes-Studie).

Zur Zeit läuft bei uns das Nachfolgeprojekt zur Digitalen Rätoromansichen Chrestomathie, bei dem vorhandene lexikalische Ressourcen für die Annotation von bündnerromanischen Sprachdaten eingebunden werden sollen. Ich wurde mit der Evaluation beauftragt, inwieweit sich morphosyntaktische Informationen (bei Verben etwa Tempus, Numerus etc.) aus flektierten Wortformen ablesen lassen, deren Stammform sich eventuell gar nicht im Lexikon befindet. Zur Verfügung stehen mir dafür Listen über mehrere tausend Verben, die auf acht verschiedene Konjugationsklassen aufgeteilt sind. Auf Basis dieser Information sollte ich jetzt eine Art Ratespiel entwickeln, das für möglichst viele Verben die richtige Konjugationsklasse ermittelt.

Jetzt kann man sich vielerlei ausdenken, wie man die zur Verfügung stehende Information nutzt – spielt der erste Vokal, die Endung des Verbes, evtl. sogar seine Länge eine Rolle dafür, wie es konjugiert wird? Mein erster Gedanke war, genau solche Merkmale für die vorsortierten Verben zu ermitteln, um damit ein Modell zu trainieren, welches mir unbekannte Verben klassifiziert.

Zunächst wollte ich aber eine vernünftige Baseline haben – welche Ergebnisse liefert ein Verfahren, das nicht eigens entwickelt werden muss, sondern das ich direkt anwenden kann? Dafür bot sich ein n-Gramm-Rang-Modell an, das auch eingesetzt wird, um bei kurzen Texten zu erraten, in welcher Sprache sie verfasst sind. Dabei werden für möglichst viele Sprachen die Buchstabenfolgen bestimmter Länge (n-Gramme – bei Bigrammen zwei Buchstaben, bei Trigrammen drei usw.) nach ihrer Häufigkeit in Trainingstexten sortiert. Man spricht hier auch davon, dass ein Modell für die Sprache gebaut wird (auch wenn das hier ein sehr einfaches Modell ist). Das gleiche wird dann für den zuzuordnenden Text gemacht. Schießlich werden die Ränge der n-Gramme aus dem Testtext mit den Rängen aller Sprachmodelle verglichen  - es gewinnt die Sprache, bei der der geringste Unterschied besteht, was auch erstaunlich gut funktioniert.

Dieses Verfahren habe ich nun auf mein Rateproblem bezogen. Dabei habe ich aus 90% der Verbformen in meinen Listen n-Gramm-Modelle für die acht Konjugationsklassen gebaut und versucht die restlichen 10% diesen Klassen zuzuordnen. Eigentlich hatte ich keine großen Erwartungen an das Verfahren, da mir die Daten als zu kurz (meist <12 Zeichen) und zu wenig (einige Klassen enthalten weniger als 100 Einträge) erschienen, um verwendbare Modelle zu bauen. Um statistisch valide zu arbeiten, habe ich die Daten der einzelnen Klassen gescrambelt und das Leave-One-Out-Kreuzvalidierungsverfahren eingesetzt.

Die Ergebnisse dieses einfachen Modells erstaunten mich dann doch, auch die Tatsache, dass sie umso besser wurden, je größer ich das n der n-Gramme werden ließ. Nach der Kreuzvalidierung lag bereits das Unigrammmodell (also einfaches Buchstabenzählen) in über 50% der Zuteilungen richtig, das Bigrammmodell in über 70%, das Trigrammmodell in über 75%, ab dem Tetragrammmodell pendelt sich der Wert bei über 80% ein (der Erwartungswert wäre jeweils 12,5% gewesen). Ich konnte die Ergebnisse noch verbessern, indem ich die Daten vorsortierte:  Jeweils zwei der Klassen enden ihre Infinitivform auf -er bzw. -ir; drei der Klassen auf -ar. Wenn ich etwa für -er-Verben nur die betreffenden Klassen zur Auswahl stelle (also ausgehend von einem Erwartungswert 50%), habe ich bereits bei Trigrammen eine fast perfekte Zuordnung (99%), die dann ab Tetragrammen tatsächlich perfekt ist (100%). Bei -ar-Verben gilt das leider nicht in dem Umfang – mehr als 79% richtige Zuordnungen habe ich dabei nicht erreicht (Erwartungswert 33%). Naja, es sollte ja sowieso nur eine Baseline für ein elaborierteres Modell sein.

An dem Punkt erinnerte ich mich aber an die Studie, die behauptete, aus Facebook-Likes von Personen deren sexuelle Orientierung und noch einiges mehr ermitteln zu können. So sollten bspw. Personen mit homosexueller Orientierung vom System mit 88%iger Sicherheit erkannt werden. Allerdings wurde das in meinen Augen über eine etwas seltsame Methode evaluiert (ich schrieb drüber) – nämlich indem dem Algorithmus je eine Person mit homo- bzw. heterosexueller Orientierung präsentiert wurde und der dann nur noch entscheiden musste, welche Person zu welcher Gruppe gehört.

Ich habe jetzt diese Evaluation auch mal bei mir eingebaut, also jeweils Pärchen von Verben aus unterschiedlichen Klassen auf genau diese Klassen verteilen lassen. Auf einmal hatte ich jetzt nicht mehr knapp 80%, sondern über 99,9% Erfolgsquote bei der Zuteilung (33.748.628 korrekte Zuteilungen stehen 22722 falsche gegenüber). Aber halt – in der Facebook-Studie waren, wenn ich das richtig sehe, noch nicht einmal Trainings- und Testdaten getrennt (d.h. das Modell wurde mit den gleichen Daten trainiert, die hernach klassifiziert werden sollten). Dann hab ich mir die Kreuzvalidierung auch mal gespart – das Ergebnis: 3.377.132 richtige Zuteilungen, 3 falsche. Erfolgsquote 99,9999%. Dass diese Zahl so gut wie nichts mit Real-World-Anwendungen zu tun hat – geschenkt. Ich sollte wohl wirklich mal meine Skepsis zu fadenscheinigen Vorgehensweisen bei der Verwendung von Evaluationsmaßen über Bord werfen und  ein paar Papers schreiben.

Quelle: http://texperimentales.hypotheses.org/911

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Museumsverband Mecklenburg-Vorpommern: Kulturgüter müssen dem Markt entzogen werden

Neulich meldeten wir einen Beschluss des Museumsverbands Mecklenburg-Vorpommern, der den Schutz der Kulturgüter in den Museen und musealen Einrichtungen des Landes anmahnte. Unser Dank gilt dem Vorsitzenden des Museumsbunds für den folgenden Gastbeitrag.

Der Museumsverband in Mecklenburg-Vorpommern e.V. beobachtet im Rahmen seiner Qualitätsanalysen zur Museumslandschaft in Mecklenburg-Vorpommern als Fachverband für die Museen und musealen Einrichtungen seit Jahren den Umgang mit den in den Sammlungen der Museen und musealen Einrichtungen enthaltenen Kulturgüter. Dabei geht der Verband von der Prämisse aus, dass Kulturgüter in jedem Falle als außergewöhnlich schutzwürdig und dem Markt entzogen gewertet werden müssen.

Im Jahr 2007 hat der Museumsverband auf seiner Jahrestagung einen offenen Brief zur Lage der Museen verabschiedet. Leider müssen wir bei der heutigen Durchsicht des Papiers feststellen, dass er nicht nur unverminderte, sondern fortschreitende Gültigkeit hat. Ein jüngster Präzendenzfall ist der Verkauf von Beständen aus dem Stralsunder Stadtarchiv. Der Museumsverband hat sich deshalb mit einem offenen Brief unter dem Titel “Kulturerbe und der Vertrag der Generationen” erneut an die Öffentlichkeit gewandt.
Zugleich empfiehlt und mahnt der Museumsverband seine Mitglieder zu einem sorgfältigen und fachlich korrekten Umgang mit den in den musealen Sammlungen bewahrten Kulturgütern. Zum Schutz der Objekte in ihren Sammlungen empfahl der Vorstand des Museumsverbandes deshalb in diesem Jahr seinen Mitgliedern, eindeutige Regelungen zur Abgabe von Kulturgut, zur Entinventarisierung oder Deakzession in ihren Satzungen und Sammlungskonzeptionen zu verankern.

Wir mahnen als Verband seit einiger Zeit den Schutz der Sammlungen an, da es im Denkmalschutzgesetz des Landes (http://www.landesrecht-mv.de/jportal/portal/page/bsmvprod.psml?showdoccase=1&doc.id=jlr-DSchGMVrahmen&doc.part=X&doc.origin=bs&st=lr) heißt: “Werden bewegliche Denkmale in einer öffentlichen Sammlung betreut, so bedürfen sie nicht der Eintragung in die Denkmalliste.“ Es wird im Gesetz also vernünftigerweise davon ausgegangen, dass in öffentlichen Sammlungen ein entsprechender Schutz besteht. Genau dieser besteht aber aus unserer Sicht nicht.

Darum auch die eigene Richtlinie, die sozusagen eine niederschwellige Empfehlung an die Museen im Land ist, einen Schutz des Museumsgutes, bei fehlendem gesetzlichen Schutz, in den Museumssatzungen zu verankern.

Insofern ist die Causa Stralsund Anlass für den Museumsverband in Mecklenburg-Vorpommern gewesen, erneut auch den Schutz der Objekte in Museumssammlungen zu thematisieren. Unsere Empfehlung (http://www.museumsverband-mv.de/fileadmin/user_upload/Deaczession.pdf) nimmt ausdrücklich Bezug auf den Leitfaden des Museumsbundes. Dieser behandelt den empfohlenen Umgang der mit den Sammlungen Betrauten mit diesen.

Dr. Steffen Stuth
Vorsitzender

Quelle: http://kulturgut.hypotheses.org/239

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(3) Foucault: Die Macht und Herrschaft bestehender Diskurse – Von Susanne Weiß

Im dritten Teil ihrer Blogreihe gibt Susanne Weiß Einblicke in die von Michel Foucault (1926-1984) begründete Diskursanalyse. Der französische Philosoph verdeutlicht in dem Text Die Ordnung des Diskurses, erschienen in seinem Gesamtwerk Die Ordnung der Dinge (1966), auf welche Weise … Weiterlesen

Quelle: http://soziologieblog.hypotheses.org/4844

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Geschichte von Klöstern und Orden #OpenAccess (5)

In dieser Rubrik werden Bücher und Artikel, die sich mit der Geschichte von Klöstern und Orden beschäftigen und die nun (auch) online – und zwar Open Access – zur Verfügung stehen, aufgeführt. Das soll auch als Anreiz verstanden werden.    Alle hier aufgeführten Titel wurden auch in die kollaborative Bibliographie bei Zotero eingetragen.  (Mehr Informationen zur Ordensgeschichte bei Zotero: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/4479)  Der Link zum Ordner “OpenAccess”: https://www.zotero.org/groups/ordensgeschichte/items/collectionKey/N8MKDN8J Der RSS-Feed des Ordners “OpenAccess”:  https://api.zotero.org/groups/148107/collections/N8MKDN8J/items/top?start=0&limit=25     Binder, G.: Geschichte der bayerischen Birgitten-Klöster, in: Verhandlungen des Historischen Vereins für Oberpfalz [...]

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/4741

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Geschichte von Klöstern und Orden #OpenAccess (5)

In dieser Rubrik werden Bücher und Artikel, die sich mit der Geschichte von Klöstern und Orden beschäftigen und die nun (auch) online – und zwar Open Access – zur Verfügung stehen, aufgeführt. Das soll auch als Anreiz verstanden werden.    Alle hier aufgeführten Titel wurden auch in die kollaborative Bibliographie bei Zotero eingetragen.  (Mehr Informationen zur Ordensgeschichte bei Zotero: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/4479)  Der Link zum Ordner “OpenAccess”: https://www.zotero.org/groups/ordensgeschichte/items/collectionKey/N8MKDN8J Der RSS-Feed des Ordners “OpenAccess”:  https://api.zotero.org/groups/148107/collections/N8MKDN8J/items/top?start=0&limit=25     Binder, G.: Geschichte der bayerischen Birgitten-Klöster, in: Verhandlungen des Historischen Vereins für Oberpfalz [...]

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/4741

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Vier Schätze des Studierzimmers (III)

Nach allgemeinen Angaben zum Begriff der Vier Schätze und Bemerkungen zur Tusche wird im Folgenden der für das Anreiben der Tusche unerläßliche Reibstein (yan 硯 beziehungsweise yantai 硯臺) betrachtet. Jemand, der “die Felder des Tuschesteins pflügte” (geng yantian 耕硯田), verdiente sich seinen Lebensunterhalt mit Schreiben beziehungsweise mit literarischer Tätigkeit.

reibstein

Reibstein – Foto: Monika Lehner

Zilu 子路, eigentlich Zhong You 仲由, einer der Schüler des Konfuzius, gilt als “Schutzpatron” der Produzenten von Tuschereibsteinen. Reibsteine, die zum Anrühren der Stangentusche mit Wasser verwendet werden, wurden unter anderem in Gräbern von Adeligen aus der Zeit der Han-Dynastie (206 v. – 220. n. Chr.) gefunden. Größe und Form dieser Reibsteine orientieren sich zum einen nach der Größe des Pinsels und der jeweils benötigten Menge an Tusche.[1] Neben einer entsprechenden Vertiefung für das zum Anreiben des Tuschestücks benötigten Wassers findet sich auf jedem Reibstein eine entsprechend große Fläche (yanchi 硯池) zum Anreiben des Tuschestücks.

Diese Tuschesteine – daneben existieren auch Reib”steine” aus Keramik oder Metall – wurden in den verschiedenen Regionen Chinas produziert und in der Regel nach ihrer Herkunft benannt. Zu den berühmtesten zählen der bei Zhaoqing 肇慶 in der früheren Präfektur Duanzhou 端州 (Provinz Guangdong), hergestellte Duanyan 端硯, der in der Provinz Anhui produzierte Sheyan 歙硯 und auch der aus dem Süden der nordwestlichen Provinz Gansu stammende Taoyan 洮硯. Zusammen mit dem seit der Tang-Zeit und ursprünglich in Luoyang 洛陽 (in der heutigen Provinz Henan) hergestellten Chengniyan 澄泥硯 gelten diese als die vier berühmesten Reibsteine Chinas.[2]

Zu den berühmtesten Tuschesteinen entstanden im Laufe der Zeit zahlreiche Abhandlungen, die sich neben der “Entdeckung” der Fundstätten, Bedeutung einzelner Fundorte und Wegbeschreibungen zu diesen Plätzen auch mit Themen wie der Auswahl von Reibsteinen (Qualität, Formen, etwaige Mängel), möglichen Reparaturen von Reibsteinen und dergleichen beschäftigt.[3]

 

  1. Tsien Tsuen-hsuin: Paper and Printing (= Joseph Needham (Hg.): Science and Civilisation in China. Volume 5: Chemistry and Chemical Technology, Part 1; Cambridge 1985) 238. Vgl. auch Zhang Wei: The four treasures. Inside the scholar’s studio (San Francisco 2004) 2.
  2. Chen Tingyou: China – Die Kalligraphie (Beijing 2004) 42 sowie Zhang: The four treasures, 39-52
  3. Vgl. dazu die Beispiele bei Martina Siebert:  Pulu 譜錄. ‘Abhandlungen und Auflistungen’ zu materieller Kultur und Naturkunde im traditionellen China (opera sinologica 17; Wiesbaden 2006) 136 f. und 173.

Quelle: http://wenhua.hypotheses.org/539

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Vier Schätze des Studierzimmers (III)

Nach allgemeinen Angaben zum Begriff der Vier Schätze und Bemerkungen zur Tusche wird im Folgenden der für das Anreiben der Tusche unerläßliche Reibstein (yan 硯 beziehungsweise yantai 硯臺) betrachtet. Jemand, der “die Felder des Tuschesteins pflügte” (geng yantian 耕硯田), verdiente sich seinen Lebensunterhalt mit Schreiben beziehungsweise mit literarischer Tätigkeit.

reibstein

Reibstein – Foto: Monika Lehner

Zilu 子路, eigentlich Zhong You 仲由, einer der Schüler des Konfuzius, gilt als “Schutzpatron” der Produzenten von Tuschereibsteinen. Reibsteine, die zum Anrühren der Stangentusche mit Wasser verwendet werden, wurden unter anderem in Gräbern von Adeligen aus der Zeit der Han-Dynastie (206 v. – 220. n. Chr.) gefunden. Größe und Form dieser Reibsteine orientieren sich zum einen nach der Größe des Pinsels und der jeweils benötigten Menge an Tusche.[1] Neben einer entsprechenden Vertiefung für das zum Anreiben des Tuschestücks benötigten Wassers findet sich auf jedem Reibstein eine entsprechend große Fläche (yanchi 硯池) zum Anreiben des Tuschestücks.

Diese Tuschesteine – daneben existieren auch Reib”steine” aus Keramik oder Metall – wurden in den verschiedenen Regionen Chinas produziert und in der Regel nach ihrer Herkunft benannt. Zu den berühmtesten zählen der bei Zhaoqing 肇慶 in der früheren Präfektur Duanzhou 端州 (Provinz Guangdong), hergestellte Duanyan 端硯, der in der Provinz Anhui produzierte Sheyan 歙硯 und auch der aus dem Süden der nordwestlichen Provinz Gansu stammende Taoyan 洮硯. Zusammen mit dem seit der Tang-Zeit und ursprünglich in Luoyang 洛陽 (in der heutigen Provinz Henan) hergestellten Chengniyan 澄泥硯 gelten diese als die vier berühmesten Reibsteine Chinas.[2]

Zu den berühmtesten Tuschesteinen entstanden im Laufe der Zeit zahlreiche Abhandlungen, die sich neben der “Entdeckung” der Fundstätten, Bedeutung einzelner Fundorte und Wegbeschreibungen zu diesen Plätzen auch mit Themen wie der Auswahl von Reibsteinen (Qualität, Formen, etwaige Mängel), möglichen Reparaturen von Reibsteinen und dergleichen beschäftigt.[3]

 

  1. Tsien Tsuen-hsuin: Paper and Printing (= Joseph Needham (Hg.): Science and Civilisation in China. Volume 5: Chemistry and Chemical Technology, Part 1; Cambridge 1985) 238. Vgl. auch Zhang Wei: The four treasures. Inside the scholar’s studio (San Francisco 2004) 2.
  2. Chen Tingyou: China – Die Kalligraphie (Beijing 2004) 42 sowie Zhang: The four treasures, 39-52
  3. Vgl. dazu die Beispiele bei Martina Siebert:  Pulu 譜錄. ‘Abhandlungen und Auflistungen’ zu materieller Kultur und Naturkunde im traditionellen China (opera sinologica 17; Wiesbaden 2006) 136 f. und 173.

Quelle: http://wenhua.hypotheses.org/539

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Open Access zu staubigen Plunderkammern? Quellen zur Adelsgeschichte im Netz

Aus dem Eckturm des barocken Wasserschlösschens dringt noch ein Licht in den grauen Winterabend. Seit vielen Stunden schon sitzt der weithergereiste Forschende, die seltene Besuchsgelegenheit nutzend, fasziniert über Reisetagebüchern, Schreibkalendern und der altgräflichen Privatkorrespondenz. Gebrauchsspuren verschiedenster Art und die Aufbewahrung manch’ sensiblen Schriftstücks in zerfurchten Fluchtkisten lassen bereits einiges erahnen. Beim Durchblättern der modrigen Folioseiten fällt dem Benutzer plötzlich eine Haarlocke entgegen, und dann diese merkwürdigen Kerben im Papier. Unter den auffordernden Blicken der im zugigen Turmzimmer verewigten Ahnen kommt ihm schon bald der entscheidende Gedanke… .

 

Wer einmal in einem Adelsarchiv geforscht hat, wird die ganz besondere Atmosphäre sicherlich fast ebenso sehr empfunden haben. Hier am “Original” zu arbeiten, ist einmalig – und eine immens wichtige Erfahrung! Wer demgegenüber ein online publiziertes, hochauflösend präzises Quellendigitalisat oder gar eine Transkription, wenn nicht vollständige Edition nutzen kann, steht keineswegs abseits. Er wird seine Studien in aller Regel schneller vorantreiben können, mehr Material sichten und auswerten. Und er wird womöglich nicht lange allein bleiben. Denn die Sichtbarkeit der Überlieferungen, und damit der Adelsgeschichte an sich, wird durch das Medium Internet förmlich potenziert. Dabei schont der Nutzer das unwiederbringliche Archivgut, ganz zu schweigen von der Umwelt, seinem Geldbeutel und noch dazu die Zeit des betreuenden Archivars und/oder Archivbesitzers. Hätte er diesen nicht noch gern vor Ort einige Fragen gestellt?

 

Mit der Online-Publikation einer Auswahl den einzelnen Themenbeiträgen zugrundeliegender Quellentranskriptionen nimmt die multiperspektivische Netzbiographie zum Fürsten Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck den oben skizzierten Diskurs ein gutes Stück weit auf. Sie möchte die besonderen Chancen der Adelsforschung einer breiteren Öffentlichkeit vermitteln, aber ebenso für ihre Spezifika sensibilisieren – und nicht zuletzt zur Diskussion anregen.

Florian Schönfuß

Quelle: http://rhad.hypotheses.org/113

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Latein in der Feldkorrespondenz

„Mitunter kamen die lateinischen Weisheiten ihm bequem.“ So Golo Mann in seiner Wallenstein-Biographie über den Protagonisten (S. 408). Und tatsächlich findet man über das gesamte Werk verteilt immer wieder Zitate aus der Korrespondenz des Feldherrn, in der entsprechende Sentenzen auftauchen. „Amor et dominium non patitur socium“, räsonnierte Wallenstein über die damaligen Machtkonstellationen, besonders mit Blick auf Schweden. „Fronte capillata est, post haec occasio calva“ war sein warnender Satz an die Vertreter Stralsunds, den Widerstand gegen die kaiserliche Belagerungsarmee nicht mehr allzu lange aufrecht zu halten. Was ist nun mit diesen lateinischen Sprüchen anzufangen?

Für den Biographen Mann bietet es zunächst die Möglichkeit, eine weitere Facette der Persönlichkeit Wallensteins zu beleuchten. Der oft als dämonisch, kalt und berechnend dargestellte Feldherr hatte eben auch seine Schrullen, und dazu gehörte offenbar die Eigenheit, den alltäglichen Schriftverkehr mit ein wenig Bildungssubstrat zu unterfüttern. Wallenstein hatte, wie es sich für einen Adligen gehörte, ein wenig studiert und auch eine Cavalierstour absolviert, die ihn bis Italien geführt hatte. Gleichwohl wird man ihm sicher nicht gerecht, wollte man in dieser Manier nur ein Protzen mit angelernten lateinischen Sprüchen sehen. Natürlich war er im Kreise der Reichsfürsten ein Emporkömmling, doch seine Akzeptanz konnte und wollte er mit diesen Latinismen nicht erhöhen. Vielmehr tat der Herzog von Friedland das, was allgemein verbreitet war: Lateinische Einsprengsel finden sich in der Korrespondenz des 17. Jahrhunderts allenthalben.

Daß die Kanzleien dieser Zeit längst von Schreibern bevölkert waren, die eine solide Ausbildung genossen hatten, dabei nicht nur in der klassischen Literatur bewandert waren, sondern auch Latein als Idiom der Gelehrten beherrschten, ist keine Neuigkeit. Hier fällt aber auf, daß auch im Schriftverkehr der Militärs lateinische Sentenzen häufig auftauchten. Natürlich waren die Offiziere ganz überwiegend Herren von Stand, und viele von ihnen hatten ähnlich wie Wallenstein eine gewisse Bildung genossen. Doch die Feldkorrespondenz, die im Alltag des Kriegs entstand und ihn reflektierte, bot kaum Anlaß für geistige Feinsinnigkeiten. Das hinderte die Offiziere nicht, in ihren Schriftstücken immer wieder lateinische Versatzstücke einzuflechten. Dies gilt auch für einen Kommandeur wie Pappenheim, dessen Bild in der Literatur vor allem das des draufgängerischen Kavalleristen ist. (Vor einiger Zeit hab ich einmal die andere, gelehrte Seite Pappenheims nachzuzeichnen versucht.)

Über diese gelehrten Anflüge einiger Militärs hinaus ist aber auch zu beobachten, wie sehr die Briefschaften in diesen Jahren von lateinischen Ausdrücken und Halbsätzen geprägt waren. Für Philologen und Germanisten nicht überraschend, doch frage ich mich, inwieweit nicht auch Historiker aus dieser Beobachtung Erkenntnisse ableiten können. Lassen sich bestimmte Wendungen häufig erkennen? Aus welchen literarischen oder lexikalischen Bereichen sind diese Latinismen entnommen: vor allem aus der Jurisprudenz, der Theologie, der Geschichtsschreibung oder auch der Dichtung? Und gibt es bestimmte thematische Kontexte, in denen derartige Versatzstücke auftauchen? Mir selbst sind keine Arbeiten dazu bekannt (vielleicht habe ich Forschungen übersehen?), aber mir erscheint die Mühe lohnenswert, Untersuchungen in dieser Richtung voranzutreiben.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/142

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