„Weltweit vor Ort“: Revolutionserwartungen in Italien? Antonio Gramsci im Jahr 1917

Ist 1917, das Jahr der russischen Oktoberrevolution, auch als ein Epochenjahr für Italien anzusehen? Das Königreich Italien, das 1915 in den Ersten Weltkrieg eingetreten war, blieb 1917 vor allem im Bann der Kriegsereignisse. Die dramatische Niederlage von Caporetto, der Vormarsch der deutsch-österreichischen Truppen und die Flucht von großen Teilen der Bevölkerung aus Nordostitalien lösten zwar einen Schock aus, führten aber nicht zum Zusammenbruch des Staates oder zu einer revolutionären Umwälzung. Umso aufmerksamer wurde die russische Revolution von den sozialistischen Intellektuellen Italiens beobachtet, allen voran vom 1891 auf Sardinien geborenen Antonio Gramsci, der 1917 als Journalist in der sozialistischen Presse Turins aktiv war. 1921 gehörte er zu den Begründern der Kommunistischen Partei Italiens. 1937 starb der wichtigste antifaschistische Intellektuelle Italiens, für den auch Max Weber kein Unbekannter war, nach langjähriger Haft in Rom. Gramsci kann als einer der einflussreichsten marxistischen Denker des 20. Jahrhunderts gelten, sein OEuvre fand nach 1945 weltweite Ausstrahlung. Es beeinflusst bis zum heutigen Tage nicht nur die italienischen Sozialisten und Kommunisten, sondern ebenso die marxistisch geprägte Linke inner- und außerhalb Europas, darunter auch postkoloniale Intellektuelle.



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Quelle: http://mws.hypotheses.org/38805

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Koloniale Gefängnisse in Britisch-Indien

Mein Dissertationsprojekt beschäftigt sich mit dem Gefängnissystem, das im 19. Jahrhundert in Britisch-Indien entstand. Dabei soll es vor allem darum gehen, wie Wissen über Haft- und Straftechniken in lokalen Kontexten sich entwickelte, sich global verbreitete und welche Veränderung dieses Wissen durch die globale Zirkulation erfuhr.

Momentan bin ich dabei, die einschlägige Literatur zur Entstehung des modernen Gefängnisses und seiner Entwicklung zu sichten. Dabei wird schnell klar, dass in Europa das Zellengefängnis und die Haft sich als zentrale Merkmale des Strafsystems etablieren. Für Michel Foucault war diese „Geburt des Gefängnisses“ ein Teil in der sich entwickelnden Disziplinarmacht des modernen Staates. Im neuzeitlichen Gefängnis, das um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert entstand, ging es nicht mehr um Wegsperren und Bestrafen, sondern Disziplinierung und Erziehung des Gefangenen.1

Inwieweit sich dieses “moderne Disziplinarsystem” in europäisch beherrschten Kolonien etablierte, darüber gibt es unterschiedliche Ansichten. Eine Gruppe nimmt eine unvollständige Umsetzung des foucaultschen Idealtyps in den Kolonien an, während andere eine bewusste Nichtanwendung der disziplinarischen Prinzipien durch die Kolonialmacht sehen. In beiden Fällen entstand jedoch ein ausgeprochen repressives und durch Gewalt geprägtes Haftsystem, das aber gleichzeitig Häftlingen, ihren Angehörigen, Wärtern, Anstaltsleitern und Dritten Räume für eigenständiges Handeln bot.

Bisher bin ich der Auffassung, dass eine Bewertung kolonialer Gefängnisse als mehr oder weniger “modern” im Vergleich zu Europa nicht sinnvoll ist. Vielversprechender erscheint mir, das Gefängnis im Zusammenhang mit der Entwicklung von Herrschaftsstrukturen im kolonialen Staat zu untersuchen. Warum baute der Staat überhaupt teure Gefängnisse? Welche Überlegungen leiteten ihn dabei? Inwieweit wurde vorhandenes Wissen über Haft und Strafen umgesetzt, was wurde weshalb anders gemacht und was veränderte sich durch neue praktische Erfahrungen im Strafvollzug? Und schließlich, gab es einen Austausch von solchem “Strafvollzugswissen”, etwa zwischen verschiedenen Kolonialmächten, oder auch zwischen “westlichen” und “nicht-westlichen” Wissensträgern? Ein wichtiges Anliegen ist mir, binäre Kategorien von “Kolonisierern” vs. “Kolonisierten” oder “Staat vs. Häftlinge” zu hinterfragen.

Diese groben Fragen und Interessen leiten derzeit meine Literaturrecherche. Über zentrale Themen der Arbeit, wie “colonial knowledge”, Wissenschaft und Wissenstransfers, subalterne agency, das Spannungsverhältnis zwischen Diskursen über das Gefängnis sowie koloniale Gesellschaften und deren praktischen Folgen, werde ich in Zukunft hoffentlich detaillierter bloggen.

  1. Ich werde im Verlauf meiner Arbeit sicher noch ausführlicher über die manche Aspekte meiner Arbeit bloggen. Hier will ich zunächst nur ein paar meiner Anfangsideen skizzieren, weshalb ich auf Literaturangaben verzichte.

Quelle: http://rajprisons.hypotheses.org/54

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