Von Gummibären und essbarem Papier. Fluch und Segen im Archiv

Wir schreiben das Jahr 1965. Die Generation um Polke, Palermo und Richter stellen ihre Kunst in den Räumen der jungen Galeristen wie René Block und Konrad Fischer aus. Doch neben der Ausstellung der Werke selbst, spielt die Inszenierung derselben von der Einladungskarte, der oft an ein Happening erinnernden Eröffnung und der inszenierten Künstlerinterviews eine ebenso wichtige Rolle. Es gilt Aufmerksamkeit zu erwecken, die Galeriebesucher zu überraschen und sie in die Ausstellung zu integrieren. Was liegt da näher, als den Betrachter zu verköstigen. Und am besten gibt man den potentiellen Galeriebesuchern einen Vorgeschmack und druckt die Einladungskarten auf essbares Papier oder klebt ein Gummibär darauf. Und da behauptet man: Kunst macht nicht satt!

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Einladungskarte mit schwarzem Gummibär anlässlich der „Festwochenausstellung 65. Hommage à Berlin.

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Quelle: http://gra.hypotheses.org/2270

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Im Resilienztunnel – Bitte nehmen Sie mal die Brille ab!

Reaktion auf Michael Meyens Blog-Beitrag „Von den Verheißungen der Resilienz: Zur Epistemologie von Rungius und Weller“

von Christoph Weller

Praktische Epistemologie könnte heißen, die Brille abzusetzen und nicht mehr in die Welt, sondern auf die Brille zu schauen. Das mag sehr selbstbezogen und weltabgewandt wirken, aber wenn sich dabei herausstellen sollte, dass die abgesetzte Brille rosa, grüne oder gar schwarze Gläser hat, schlecht geschliffen ist und die Sicht erheblich einschränkt, werden Einzelne zumindest darüber nachdenken wollen, mal mit einer anderen Brille in die Welt zu schauen. Zu solchem Brillenwechsel will dieser Kommentar ermutigen.

Wenn Michael Meyen auf die „Epistemologie von Rungius und Weller“ (2016) reagiert, hat er unser Argument sehr klar erfasst: dass gerade Sozialwissenschaftler*innen auch die Aufgabe haben, die Brillen der Gesellschaft in Augenschein zu nehmen, weil wir davon ausgehen, dass gesellschaftliche Gruppen – und auch Wissenschaftler*innen – nur auf diejenige Welt reagieren und in derjenigen Welt handeln (können), die sie durch ihre jeweilige Brille wahrnehmen. Deshalb interessieren wir uns – im Kontext des Forschungsverbunds „ForChange“ – für die Resilienz-Brille und haben in unserem Blog-Beitrag „Die verheißungsvolle Schönheit der Resilienz“ (Rungius/Weller 2016) einige unserer Einsichten zu ihrem Schliff, ihrer Färbung, ihren Einseitigkeiten und den möglicherweise daraus resultierenden Blindheiten zur Diskussion gestellt: das positiv besetzte Modewort „Resilienz“ vermittelt Hoffnungen und Versprechen auf unbestreitbar gute Phänomene und Systeme, verschleiert damit aber normative Unsicherheiten und potenzielle Umstrittenheit, lenkt ab von ethischen Dilemmata und gehört mit seinen Scheinlösungen und Stabilisierungsperspektiven zu einem postmodernen Konservatismus, dessen verheißungsvoller Schönheit wir (selbst-)kritisch begegnen sollten.

Michael Meyen scheint uns in dieser Beschreibung der Epistemologie des Resilienz-Begriffs nicht grundsätzlich zu widersprechen, doch sieht er offensichtlich kein ernsthaftes Problem in den durch die Resilienz-Brille bedingten Beeinträchtigungen und dem daraus resultierenden Tunnelblick, über den wir mit der „verheißungsvollen Schönheit“ (wir hätten auch „Attraktivität“ schreiben können – vgl.

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Quelle: http://resilienz.hypotheses.org/1064

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Imaginationen der französischen Revolution im digitalen Spiel Assassin’s Creed: Unity

 „Des patriotes, ces abrutis!“ Imaginationen der französischen Revolution im digitalen Spiel Assassin’s Creed: Unity

Eugen Pfister (Wien)

Im November 2014 war – gerade rechtzeitig für den Weihnachtsverkauf – mit Assassin’s Creed: Unity (Ubisoft Montreal: CA 2014 / PS4 u.A.) das mittlerweile siebente Spiel der ungebrochen populären Action-Adventure-Spielereihe Assassin’s Creed1 von Ubisoft erschienen. Nach den Kreuzzügen, der Renaissance, dem amerikanischen Unabhängigkeitskrieg und dem „Goldenen Zeitalter der Piraterie“,2 ist die Rahmenhandlung des digitalen Spiels diesmal in der Hochphase der französischen Revolution in Versailles und Paris angesiedelt. Unity bleibt somit der Tradition des Geschichtstourismus treu; die SpielerInnen werden im Laufe des Spiels Zeuginnen und Zeugen ausgewählter historischer Ereignisse wie der Rede König Ludwig des XVI. vor den Etats Géneraux und des Sturms auf die Bastille. In der fiktionalen Gestalt des Assassinen Arno Dorian begegnen sie außerdem mehreren realen „great men and women3 wie Napoleon Bonaparte, dem Marquis de Sade, dem Comte de Mirabeau und nicht zuletzt Robespierre.

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Quelle: https://fnzinfo.hypotheses.org/852

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Frauenliteratur – ein Lemma mit positiven Nebenwirkungen und Spätfolgen

Nach einem für mich überaus interessanten Abstecher in die Gefilde der Männerliteratur (ja, es gibt sie doch!), den ich Anna Katharina Knaups Dissertation über den Männerroman zu verdanken habe, rudere ich wieder zu meinem hassgeliebten Steckenpferd, der ‚Frauenliteratur’, zurück. Da ich mich in meiner Dissertation mit Chick lit, der sogenannten neuen oder auch postfeministischen ‚Frauenliteratur’, beschäftige, ist es unumgänglich, nach der ‚alten’ zu fragen: Was wurde wann unter ‚Frauenliteratur’ verstanden und wovon möchte sich eine ’neue Frauenliteratur’ abgrenzen? Auch das ’neu’ kam mir nicht gar so ’neu’ vor. Ich war mir sicher, ’neue Frauenliteratur’ nicht das erste Mal in Zusammenhang mit Chick lit gelesen zu haben…

Eine glückliche Koinzidenz

Die einschlägigen ‚Frauenliteratur’-Artikel in Lexika und Nachschlagewerken1 haben mich aus zweierlei Gründen nicht ganz zufrieden gestellt; zum einen fokussieren sie meist die jeweilige Nationalphilologie – im Falle des Lemmas ‚Frauenliteratur’ die Germanistik, also die Entwicklung im deutschsprachigen Raum2 –, zum anderen sind sie meist nicht besonders aktuell. Diese beiden Punkte hängen womöglich zusammen. Dass die ’neue Frauenliteratur’ der 1970er Jahre in der Regel das ’neueste’ ist, was präsentiert wird, hängt mitunter damit zusammen, dass jüngere Resignifikationsversuche der ‚Frauenliteratur‘ wie Chick lit eher, oder jedenfalls prominenter, im angloamerikanischen Raum anzutreffen sind. Während ich mir allmählich – noch mehr im Kopf als auf Papier – meine eigene, stärker komparatistisch/transdisziplinär ausgerichtete Definition zusammenbastelte, stieß ich auf den Call for Papers des Gender Glossars. Dass das Lemma ‚Frauenliteratur’ ausgeschrieben war, kam für mich wie gerufen: ein Ansporn, um die angedachten, teils noch diffusen Definitionen und Zusammenhänge der vielen rezipierten Stimmen zu ordnen und niederzuschreiben.

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Quelle: https://chicklit.hypotheses.org/333

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Wann ist man eigentlich mutig?

Ich ernte in Gesprächen mit Menschen regelmäßig müde Lächeln (Plural), wenn ich antike Positionen der Ethik darlege und gleichzeitig auch explizit sage, dass diese Positionen in der Antike formuliert wurden. Besonders frustrierend war eine Begebenheit, bei der ich dummerweise vor der Darlegung der Argumente gesagt habe, dass es sich um eine Aussage des Aristoteles handelt. Es ging um den Mut und ich hatte plötzlich Angst. Kleiner Spaß. Jedenfalls: Aus irgendeinem Grund denken alle Leute, mit denen ich über dieses Thema spreche, dass die Bedeutung des Mutes in der Antike grundsätzlich … Wann ist man eigentlich mutig? weiterlesen

Quelle: http://philophiso.hypotheses.org/1099

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Teil 1: Schloss Richmond, ein frühes Meisterwerk von Claude Nicolas Ledoux?

Schloss Richmond wurde in den Jahren 1768/69 unter der Leitung des Hofbaumeisters Carl Christoph Wilhelm Fleischer errichtet. 1772 stürzten die hölzernen Kellerdecken ein und wurden von Wilhelm von Gebhardi durch steinerne Gewölbe ersetzt. 1785 fügte Christian Gottlieb Langwagen die noch heute das Schlösschen auf dem Dach krönende und dem Saal lichtgebende Laterne samt neuen Treppenanlagen hinzu. Schon frühzeitig hat die Forschung erkannt, dass der Entwurf zum Schlösschen nicht von Fleischer stammen kann. Die jüngere Forschung wollte das Schlösschen als Werk des englischen Architekten William … Teil 1: Schloss Richmond, ein frühes Meisterwerk von Claude Nicolas Ledoux? weiterlesen

Quelle: https://histbrun.hypotheses.org/435

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Wider Utopie und Realität aus marxistischer Perspektive – von Peter Schadt

„Vielleicht wird die wahre Gesellschaft der Entfaltung überdrüssig und läßt aus Freiheit Möglichkeiten ungenützt, anstatt unter irrem Zwang auf fremde Sterne einzustürmen“ (Adorno – Minima Moralia).

Gegen die Versuche einer positiven Ausmalung einer anderen Welt schrieb Adorno bereits in den vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts in seinem Werk Minima Moralia, dass in jeder Utopie bereits ein Moment der bestehenden Gesellschaft gesickert sei. Die Idee einer anderen Gesellschaft ist nach Adorno immer schon durchsetzt von den Bestimmungen des Bestehenden – und sei es nur in dem Versuch, diese zu negierendenn auch hier bleibt das Bestehende der (negative) Ausgangspunkt der Utopie. Adorno wirft also die Frage auf, ob das, was als wünschenswert vorgestellt wird, vielleicht gar nicht so wünschenswert ist, sondern vielmehr (negatives) Spiegelbild der „verwalteten Welt“. Damit leistet sich der Vertreter der kritischen Theorie freilich einen Widerspruch. Einerseits sieht er in den Utopien seiner Zeit Überbleibsel oder schlechte Negationen des Kapitalismus, andererseits liefert er selbst einen Beweis dafür, dass man diese Fehler gar nicht machen muss, da sie von außen erkennbar sind – immerhin fallen sie Adorno als solche Fehler auf. Aber ist mit dieser falschen Utopiekritik tatsächlich schon alles gesagt über die marxistische Kritik an dieser? Hat Adorno sich einfach geirrt und die Utopie als Leitmotiv hat gesiegt?

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Quelle: http://soziologieblog.hypotheses.org/9927

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Als Studentin zum Ernteinsatz in England 1953

(Ein Gastbeitrag von Ilse Meyer) [Vorbemerkung von Georg Rückriem und Adolf Meyer: Albrecht Heise hat in den „Glashausblättern“ Heft 10, April 1953 ausführlich über die ersten Jahre der Auslandsbeziehungen der Adolf-Reichwein-Hochschule mit England, speziell mit dem Balls Park College, berichtet. … Weiterlesen

Quelle: http://reichwein.hypotheses.org/1603

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Zur Überlieferung der „Historia seu Epistola de morte Ladislai regis Ungariae“

Die Untersuchung der Rezeption der Schlacht von Seckenheim führte mich zu kleinen Chronogramm-Sammlungen des 15. Jahrhunderts, in denen Chronogramme zum Tod des böhmischen und ungarischen Königs Ladislaus Postumus 1457 (GND) zu finden sind. Wie sehr dieser Tod ein frühes Medienereignis war, demonstriert die alte Zusammenstellung der Zeugnisse von Franz Palacky 1856 (Zeugenverhör über den Tod König Ladislaw’s, GBS), die überholt ist durch die Monographie von Rudolf Urbanek 1924, die zwar online vorliegt (ich verlinke den Registereintrag zu dem hier behandelten Text), aber auf Tschechisch geschrieben wurde, also in einer Sprache, die ich nicht beherrsche. Zu den wenigen Quellen, die sich nur diesem Aufsehen erregenden Ereignis widmen, zählt neben zahlreichen Kurztexten in Vers (nur die deutschsprachigen Lieder behandelt Christoph Fasbender in der Daphnis 39, 2010, S. 375–390 über den Tod des Ladislaus als „mediales Ereignis“ ohne Berücksichtigung der Arbeit von Urbanek) und Prosa die „Historia seu Epistola de morte Ladislai regis Ungariae“. Im Frühjahr 1458 sicher von einem Schlesier verfasst, stellt sie in gutem Latein (so Lhotsky: Quellenkunde 1963, S. 367f.) eine Anklage gegen Georg von Podiebrad dar, dem die (vermeintliche) Vergiftung des jugendlichen Königs aus dem Hause Habsburg zur Last gelegt wird. Für Frederick G. Heymann: George of Bohemia (1965), S.

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Quelle: http://archivalia.hypotheses.org/59300

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Der frühe Ranke und der Dreißigjährige Krieg

Der Dreißigjährige Krieg zählt gerade im deutschen Raum zu den bedeutendsten Erinnerungsorten. Heute, im frühen 21. Jahrhundert, haben Referenzen aus dem 20. Jahrhundert den Dreißigjährigen Krieg zurückgedrängt, doch im 19. Jahrhundert war dies noch ganz anders. Gerade die sich damals etablierende Geschichtswissenschaft hat sich mit viel Engagement Themen dieser Epoche zugewandt. Auch Leopold von Ranke, einer der wegweisenden Gelehrten in dieser Zeit, hat sich mit dieser Epoche beschäftigt. Interessanterweise hat sich sein Interesse aber mit Wallenstein auf eine zentrale Figur fokussiert; eine Geschichte des Dreißigjährigen Kriegs hat er nie vorgelegt.

In welcher Weise sich Bezüge zum Dreißigjährigen Krieg beim jungen Ranke nachweisen lassen, kann man jetzt bequem anhand einer neuen Briefedition nachvollziehen: Leopold von Ranke, Briefwechsel.

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Quelle: https://dkblog.hypotheses.org/989

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