Irgendwann während der re:publica oder auf einem der stARTcamps dachte ich, dass Barcamps als Form des persönlichen Austausches auch in der Wissenschaft eine schöne Sache wären. Diese Idee ist nicht neu, aber zumindet in den deutschen Geisteswissenschaften auch noch nicht wirklich angekommen. Umso passender, dass im Zusammenhang mit dem diesjährigen Historikertag ein THAT (The Humanities and Technology) Camp stattand.
Bar-was? Ist das was? Kann das was?
Ein Barcamp, auch Unkonferenz genannt, ist eine Form des Treffens und Dialoges zu einem bestimmten Thema – eine Art Expertenkreis. Dabei steht die Teilnahme jedem Interessierten offen und hat, ähnlich einer klassischen Tagung, ein strukturiertes Programm in Form von Sessions. Diese werden aber nicht vorher durch Call for Papers o.Ä. inhaltlich nach fachlichen Kriterien ausgewählt und von Vortragenden bestritten. Vielmehr kann sich jeder Teilnehmer überlegen, welche Aspekte des Rahmenthemas ihn interessieren. Zu Beginn des Barcamps werden diese vorgestellt und daraus der Sessionplan entwickelt. Das Programm entsteht also spontan aus den Ideen vor Ort. Meist finden mehrere Sessions parallel statt, sodass innerhalb des Rahmenthemas eine breite Palette an Unterthemen abgedeckt wird und jeder Teilnehmer die besuchen kann, die ihn interessieren.
Eine Session ist, im Gegensatz zu einem Konferenzpanel, kein Vortrag, sondern ein Austauschsforum. Dieses kann einführende Informationen etwa zu einem Projekt beinhalten, die dann diskutiert werden. Es kann aber auch darum gehen, zusammen die Lösung für ein Problem zu finden, sich Dinge erklären zu lassen oder Ideen zu sammeln. Der Gestaltungsrahmen ist völlig frei. Dies bringt im Gegensatz zu einer klassischen Tagung den Vorteil, dass nicht die Präsentation der eigenen Projekte (und der eigenen Person), sondern der fachliche Austausch im Mittelpunkt steht. Die Diskussionen gewinnen an Länge und Tiefe, auch Neulinge im Thema können ungehemmt Fragen stellen und beitragen, fachliche Expertise oder Titel sind nicht ausschlaggebend, um eine Session zu halten. Eine Seminaratmosphäre ohne Bewertung.
Das Internet, Konferenzen und Barcamps
Sessionplan vom THATcamp
Genauso war es beim THATcamp (das ich leider nur einen Tag besuchen, aber den zweiten zumindest auf Twitter unter dem Hashtag #thatcampgoe mitverfolgen konnte). Zwischen den aktiven Teilnehmern der Geschichts-Bloggosphäre, die sich u.a. über de.hypotheses.org und Twitter aktiv vernetzt, tummelten sich auch Barcamps-Newbies. Die Mehrheit hatte einen Bezug zum Thema Digital Humanities, sodass die recht anspruchsvollen Sessionthemen (Datenvisualisierung, Rechte im Netz, Vorratsdatenspeicherung, Social Mediat, Semantic Web, digitale Zusammenarbeit oder digitales Publizieren) mehrheitlich intensive Diskussionen mit sich brachten. Sie wurden auch auf Twitter (#thatcampgoe) fortgesetzt.
Gerade hier zeigte sich auch, warum Twitter ein hervorragendes Medium für Fachkonferenzen ist: die aktuelle Diskussion lässt sich durch die Twitterer gut, kurz und übersichtlich für diejenigen darstellen, die nicht vor Ort sind. Sie erhalten dadurch die Möglichkeit, ihre eigenen Gedanken einzubringen, einen Überblick über aktuelle Entwicklungen zu bekommen und auf neue Fachleute mit interessanten Projekten aufmerksam zu werden. Außerdem ist es einfacher, die Veranstaltung mitsamt der Diskussionen und der Teilnehmer im Nachgang zu dokumentieren und nachzulesen als mit Tagungsbänden.
Und ohne Internet?
Barcamps gibt es in der Zwischenzeit zu verschiedensten Fachthemen, die meisten haben einen Bezug zum Internet, wie die stARTcamp-Reihe zu Kunst und Kultur im digitalen Raum oder eben die THATcamps zu den Digital Humanities. Da Barcamps aus der Online-Szene kommen, verwundert das nicht. Es bedeutet aber auch nicht, dass sie dort bleiben müssen. Das Format ist so frei, dass es auf jedes Thema übertragen werden kann. Auch Forschungsbereiche können damit abgedeckt werden.
Der Mehrwert eines Barcamps gegenüber einer klassichen Konferenz zeigte sich (zumindest mir) auch bei THATcamp und Historikertag. Auch bei zweiterem gab es einen Schwerpunkt zu den Digital Humanities, einmal im Allgemeinen, präsentiert von der AG Digitale Geschichtswissenschaft (#digigw14), aber auch zu Schwerpunkten wie der Digitalisierung in den Altertumswissenschaften (#digialtwi14). Beide waren von interessanten Vorträgen zu verschiedensten Themen geprägt, die anschliessenden Fragerunden aber zeitlich relativ eng und wenig dialogisch. Die Skepsis gegenüber vielen Facetten der Digitalisierung und vor allem den Social Media wurde in den Fragen dort wesentlich deutlicher als beim THATcamp. Wahrscheinlich waren beim Historikertag schlicht mehr Zuhörer mit weniger Erfahrungen im Web anwesend, die Möglichkeiten für tiefere Diskussionen zwischen ihnen und den anwesenden Fachbloggern und Twitterstorians blieben durch das Format aber begrenzt.
Nun überrascht es nicht, dass an einem Barcamp zu Humanities und Technology weniger klassische Historiker teilnehmen als einer Fachtagung. Insgesamt zeigte auch die Twitter-Timeline zum Historikertag (#histag14) einen wesentlich geringeren Anteil an Twitterern als beim THATcamp. Einen Blick auf das Format zu werfen, lohnt aber auch ohne digitalen Background, weil es genau jenen Aspekt an klassischen Tagungen aufgreift und erweitert, der meist am produktivsten ist: den Austausch in der Kaffepause.
Quelle: http://kristinoswald.hypotheses.org/1412