Arno Münster: Utopie, Emanzipation, Praxis. Sozialphilosophische Interventionen; Berlin 2012 (Rezension)

Arno Münster, emeritierter Professor für deutsche Philosophiegeschichte, Ernst Bloch-Schüler und Autor vieler Schriften, die dem Wissenstransfer zwischen der deutschen und französischen Linken dienten, legt in Utopie, Emanzipation, Praxis zehn Texte (Vorträge, Aufsätze, ein Interview) vor, deren Gemeinsamkeit er darin sieht, einen „stets kritischen, dialektischen und materialistischen Ansatz in der Gesellschaftsanalyse mit der Analyse von Denksystemen“ zu verbinden, „die die Kritik der bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse immer noch mit der Hoffnung einer letztendlich vielleicht doch noch möglichen gesellschaftlich-politischen Durchsetzung des Emanzipationsgedankens und der sozialen Gerechtigkeit vereint“ (S.9).

Besonders wichtig scheint es Münster dabei der von ihm diagnostizierten „’Abwicklung’ und Marginalisierung des Marxismus nach der deutschen Wiedervereinigung“ etwas entgegenzusetzen (S.10) – indem vor allem an einen anderen, freiheitlichen Marxismus erinnert wird. Hierbei steht Ernst Bloch im Zentrum dreier Texte, und dessen „Grundverdienst“ sieht Münster dann auch darin, „dass er den Marxismus humanistisch, messianisch-utopisch bereichern, erneuern wollte“ (S.41f.). Der Aufsatz/Vortrag zu Jean Paul Sartre hebt positiv hervor, dass dieser mit seiner Kritik der dialektischen Vernunft, neben wenigen anderen „den wichtigsten theoretischen Beitrag zur Neubegründung einer kritischen, undogmatischen und auf weite Strecken neo-marxistischen Praxisphilosophie im 20.Jahrhundert“ geleistet hätte (S.98). Und zum Austromarxisten Max Adler wird auf dessen „sehr wertvollen und gleichzeitig auch sehr wichtigen Beitrag zur Entdogmatisierung des Marxismus“ aufmerksam gemacht (S.190), wie auch Pierre Bourdieu bescheinigt wird, sich „der marxistischen Kritik in zahlreichen Punkt angenähert“ zu haben (S.123).

Dieser Fokus auf einen anderen Marxismus hindert Münster aber nicht daran sich auch mit anarchistischen Autoren zu beschäftigen. So findet sich im Band ein kurzer Zeitungsartikel zum „radikale[n] libertäre[n] Pragmatiker“ Proudhon (S.136) und ein Vortrag/Aufsatz zur „Stirner-Rezeption im französischen Existentialismus“, in dem die Stirnerinterpretation von Albert Camus in Der Mensch in der Revolte im Mittelpunkt steht. Diese Fokussierung ist etwas schade, weil dem Einfluss Stirners, oder Stirner’sche Motive für die 1968er und die alternativen Bewegungen der 70er Jahre nachzugehen – von marxistischer Seite bisweilen in polemischer Absicht unterstellt – eine interessante Arbeit wäre und auch mit der Frage verbunden werden könnte, inwieweit, nach dem modischen Strukturalismuszwischenspiel der 1960er Jahre existentialistische Aspekte wieder aufgegriffen wurden. Mit dem Pariser Mai ’68, als der „umfassendste[n] spontane[n] Emanzipationsbewegung, die jemals über die so genannten ‚Konsumgesellschaften’ der Nachkriegszeit hinwegfegte“ (S.172), beschäftigt sich Münster, damals Augenzeuge der Ereignisse in einem weiteren Vortrag/Aufsatz.

Das Buch dürfte eine nette Lektüre für Menschen sein, die sich für die hier besprochenen Thematiken, bzw. Personen interessieren. Mir selbst erschien vieles nicht allzu originell, oft ein wenig zu knapp, bisweilen werden die von Münster geschätzten Autoren auch zu positiv perspektiviert. Man erfährt beispielsweise nichts davon, dass Bloch im Prinzip Hoffnung auf dem Höhepunkt des Stalinismus die anarchistische Kritik an der Diktatur des Proletariats als Ausdruck einer „Monomanie von Autoritätshass“ pathologisierte, sowie über seine Ausfälle gegen Dissidenten zu Zeiten der Moskauer Schauprozesse der 1930er Jahre. Im Sartre-Aufsatz gar kein Thema, wird dessen wichtige Auseinandersetzung mit Albert Camus an anderer Stelle kurz erwähnt, und – wie mir scheint – zu Unrecht Camus das Vertreten „links-liberale[r] Positionen“ vorgeworfen (S.152). Proudhons Antisemitismus wird erwähnt (S.134), aber nicht dessen massiver Antifeminismus, der seinerzeit schon Kritik hervorrief. Dass Max Adler 1919 einen „radikalen ultralinken Antiparlamentarismus“ (S.187) vertreten habe, scheint mir ebenso wenig zuzutreffen (siehe seinen Text Demokratie und Rätesystem, 1919), wie dessen Gegnerschaft zum Bolschewismus vereinseitigt wird, da Adler in den 1930er Jahren vehement betonte, dass „die russische Revolution auch in ihrer jetzigen Gestalt gegen alle feindlichen Bestrebungen des Kapitalismus und der bürgerlichen Reaktion zu verteidigen“ sei (Unsere Stellung zu Sowjetrussland, 1932).

Philippe Kellermann

Arno Münster: Utopie, Emanzipation, Praxis. Sozialphilosophische Interventionen. Karin Kramer Verlag, 2013, 208 Seiten, 19,80 Euro

Wir danken Philippe Kellermann herzlich für die Erlaubnis zur Erstpublikation dieser Rezension auf kritische-geschichte. Kellermann schreibt u.a. für Graswurzelrevolution und kritisch-lesen.de. Von ihm erschien zuletzt u.a. Anarchismus, Marxismus, Emanzipation (Berlin 2012, als Hrsg.).


Einsortiert unter:Arbeiterbewegung, Erfahrungen, Erinnerung, Geschichte, Literatur, Meinung

Quelle: https://kritischegeschichte.wordpress.com/2013/05/06/arno-munster-utopie-emanzipation-praxis-sozialphilosophische-interventionen-berlin-2012-rezension/

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Soziologischer Wochenrückblick im Zeitraum 16.-30. April 2013

Leistungs- und Konkurrenzdruck auf dem Arbeitsmarkt, Frauenquote, Charakterisierung des Konsumverhaltens und das menschliche Verhalten im Fahrstuhl – das beschäftigte uns die letzten zwei Wochen. Auf unserem Blog findet ihr eine Rezension und einen Tagungsbericht sowie praktische Tipps für das Studium. … Weiterlesen

Quelle: http://soziologieblog.hypotheses.org/4776

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Rezensionsüberblick April 2013

Willkommen zu unserem monatlichen Rezensionsüberblick. Wie immer stellen wir einen Überblick über die im letzten Monat erschienenen Online-Rezensionen mit mediävistischem Bezug zur Verfügung. Integriert sind die unten genannten Portale. In diesem Monat neu hinzugekommen ist Concilium medii aevi. Wer weitere aus allen mediävistischen Disziplinen kennt, hilft uns sehr durch einen kurzen Hinweis. Wir wünschen interessante und v.a. zeitsparende Lektüre!

[en:] Welcome to our review digest! Every month we provide an overview of all online published medieval reviews we can find. The sites mentionend below are included. Newly added this month: Concilium medii aevi. In case we miss some portal for online reviews from all disciplines concerned with medieval studies, please give us a hint. We wish you an interesting, and first of all a timesaving reading!

Per Klick auf den Namen können Sie zum Überblick für das jeweilige Portal springen

H-Soz-u-Kult
Sehepunkte
The Medieval Review
Francia-Recensio
H-Net Reviews
Reviews in History
Histara
ArtHist.net
Ordensgeschichte
Marginalia
Concilium medii aevi


H-Soz-u-Kult:

(Offizielle Homepage:
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Erscheinungsweise: ad hoc | frequency of publication: ad hoc

Orsolya Heinrich-Tamáska: Rezension zu: Bowlus, Charles R.: Die Schlacht auf dem Lechfeld. Stuttgart 2012, in: H-Soz-u-Kult, 03.04.2013.

Nina Mackert: Rezension zu: Arndt, Susan: Die 101 wichtigsten Fragen – Rassismus. München 2012, in: H-Soz-u-Kult, 04.04.2013.

Raphael Brendel: Rezension zu: Kuhlmann, Peter; Schneider, Helmuth (Hrsg.): Geschichte der Altertumswissenschaften. Biographisches Lexikon. Stuttgart 2012, in: H-Soz-u-Kult, 08.04.2013.

Thomas Wozniak: Rezension zu: Meller, Harald; Schenkluhn, Wolfgang; Schmuhl, Boje E. Hans (Hrsg.): Königin Editha und ihre Grablegen in Magdeburg. Halle (Saale) 2012, in: H-Soz-u-Kult, 10.04.2013.

Sita Steckel: Rezension zu: Noble, Thomas F. X.; Van Engen, John (Hrsg.): European Transformations. The Long Twelfth Century. Notre Dame/Indiana 2012, in: H-Soz-u-Kult, 10.04.2013.

Isabel Blumenroth: Rezension zu: Zingg, Roland: Die Briefsammlungen der Erzbischöfe von Canterbury, 1070–1170. Kommunikation und Argumentation im Zeitalter der Investiturkonflikte. Köln 2012, in: H-Soz-u-Kult, 17.04.2013.

Ernst-Dieter Hehl: Rezension zu: Müller, Harald; Hotz, Brigitte (Hrsg.): Gegenpäpste. Ein unerwünschtes mittelalterliches Phänomen. Köln 2012, in: H-Soz-u-Kult, 17.04.2013.

Jan-Hendryk de Boer: Rezension zu: Rudolph, Ulrich (Hrsg.): Philosophie in der islamischen Welt. Bd. 1: 1. 8.–10. Jahrhundert. Basel 2012, in: H-Soz-u-Kult, 17.04.2013.

Heinz-Jürgen Schulz-Koppe: Rezension zu: Johrendt, Jochen; Schmitz-Esser, Romedio (Hrsg.): Rom – Nabel der Welt. Macht, Glaube, Kultur von der Antike bis heute. Darmstadt 2010, in: H-Soz-u-Kult, 22.04.2013.

Athina Lexutt: Rezension zu: Schilling, Heinz: Martin Luther: Rebell in einer Zeit des Umbruchs. Eine Biographie. München 2012, in: H-Soz-u-Kult, 23.04.2013.

Julia Bruch: Rezension zu: Wulf, Tobias: Die Pfarrgemeinden der Stadt Köln. Entwicklung und Bedeutung vom Mittelalter bis in die Frühe Neuzeit. Siegburg 2012, in: H-Soz-u-Kult, 24.04.2013.

Stefanie Schild: Rezension zu: Vaughn, Sally N.: Archbishop Anselm 1093–1109. Bec Missionary, Canterbury Primate, Patriarch of Another World. Farnham 2012, in: H-Soz-u-Kult, 24.04.2013.

Sabine von Heusinger: Rezension zu: Laqua, Benjamin: Bruderschaften und Hospitäler während des hohen Mittelalters. Kölner Befunde in westeuropäisch-vergleichender Perspektive. Stuttgart 2011, in: H-Soz-u-Kult, 24.04.2013.

David Crispin: Rezension zu: Bachrach, David S.: Warfare in Tenth-Century Germany. Woodbridge 2012, in: H-Soz-u-Kult, 24.04.2013.

Meltem Kulaçatan: Rezension zu: Günay, Cengiz: Geschichte der Türkei. Von den Anfängen der Moderne bis heute. Stuttgart 2012, in: H-Soz-u-Kult, 25.04.2013.

Patrick Bühler: Rezension zu: Traninger, Anita: Disputation, Deklamation, Dialog. Medien und Gattungen europäischer Wissensverhandlungen zwischen Scholastik und Humanismus. Stuttgart 2012, in: H-Soz-u-Kult, 29.04.2013.

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Sehepunkte (13, 2013, Nr. 3):

(Offizielle Homepage:
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Erscheinungsweise: monatlich | frequency of publication: montly

Donald S. Richards: Mamluk administrative documents from St Catherine’s Monastery , Leuven: Peeters 2011. Rezensiert von Amir Mazor

Éric Vallet: L’Arabie marchande. État et commerce sous les sultans Rasūlides du Yémen (626-858/1229-1454), Paris: Publications de la Sorbonne 2010. Rezensiert von Stephan Conermann

John L. Meloy: Imperial Power and Maritime Trade. Mecca and Cairo in the Later Middle Ages, Chicago: Middle East Documentation Center 2010. Rezensiert von Stephan Conermann

Li Guo: The Performing Arts in Medieval Islam. Shadow Play and Popular Poetry in Ibn Dāniyāl’s Mamluk Cairo, Leiden / Boston / Tokyo: Brill Academic Publishers 2011. Rezensiert von Stephan Conermann

Nasser Rabbat: Mamluk History through Architecture. Monuments, Culture and Politics in Medieval Egypt and Syria, London / New York: I.B.Tauris 2010. Rezensiert von Daniel Redlinger

Ellen Kenney: Power and Patronage in Medieval Syria. The Architecture and Urban Works of Tankiz Al-Nāṣirī, Chicago: Chicago Studies on the Middle East 2009. Rezensiert von Nur Özdilmaç

Katherine Strange Burke: Archaeological Texts and Contexts on the Red Sea. The Sheikh’s House at Quseir al-Qadim. Diss., Univ. of Chicago, Ill., Ann Arbor, MI: UMI 2007. Rezensiert von Bethany Walker

Konrad Hirschler: The written word in the medieval Arabic lands. A social and cultural history of reading practices, Edinburgh: Edinburgh University Press 2011. Rezensiert von Dorothée Kreuzer

Bethany J. Walker: Jordan in the late Middle Ages. Transformation of the Mamluk Frontier, Chicago: Middle East Documentation Center 2011. Rezensiert von Yehoshua Frenkel

Sami G. Massoud: The Chronicles and Annalistic Sources of the Early Mamluk Circassian Period, Leiden / Boston / Tokyo: Brill Academic Publishers 2007. Rezensiert von Anna Katharina Angermann

Christian Mauder: Gelehrte Krieger. Die Mamluken als Träger arabischsprachiger Bildung nach al-Ṣafadī, al-Maqrīzī und weiteren Quellen, Hildesheim: Olms 2012. Rezensiert von Stephan Conermann

Kristen Stilt: Islamic Law in Action. Authority, Discretion, and Everyday Experiences in Mamluk Egypt, Oxford: Oxford University Press 2011. Rezensiert von Torsten Wollina

Yahya M. Michot: Ibn Tamiyya. Against Extremisms, Paris: Editions Albouraq 2012. Rezensiert von Abdelkader Al Ghouz

Caterina Bori / Livnat Holtzman (eds.): A Scholar in the Shadow: Essays in the Legal and Theological Thought of Ibn Qayyim al-Gawziyyah, Rom: Istituto per l’Oriente Carlo Alfonso Nallino 2010. Rezensiert von Miriam Ben Moshe

Ronald G. Asch: Die Stuarts. Geschichte einer Dynastie, München: C.H.Beck 2011. Rezensiert von Lena Oetzel

Toni Diederich: Siegelkunde. Beiträge zu ihrer Vertiefung und Weiterführung, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2012. Rezensiert von Thomas Vogtherr

Stuart Airlie: Power and Its Problems in Carolingian Europe, Aldershot: Ashgate 2012. Rezensiert von Sören Kaschke

Tom Graber / Martina Schattkowsky (Hgg.): Die Zisterzienser und ihre Bibliotheken. Buchbesitz und Schriftgebrauch des Klosters Altzelle im europäischen Vergleich, Leipzig: Leipziger Universitätsverlag 2008. Rezensiert von Ralf Lützelschwab

Ludger Honnefelder (Hg.): Albertus Magnus und der Ursprung der Universitätsidee. Die Begegnung der Wissenschaftskulturen im 13. Jahrhundert und die Entdeckung des Konzepts der Bildung durch Wissenschaft, Berlin: Berlin University Press 2011. Rezensiert von Sita Steckel

Rachel Koopmans: Wonderful to Relate. Miracle Stories and Miracle Collecting in High Medieval England, Philadelphia, PA: University of Pennsylvania Press 2011. Rezensiert von Uta Kleine

Sofia Meyer: Der heilige Vinzenz von Zaragoza. Studien zur Präsenz eines Märtyrers zwischen Spätantike und Hochmittelalter, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2012. Rezensiert von Miriam Czock

Christine Reinle / Harald Winkel (Hgg.): Historische Exempla in Fürstenspiegeln und Fürstenlehren, Bern / Frankfurt a.M. [u.a.]: Peter Lang 2011. Rezensiert von Alexander Krey

Andreas Rüther: Region und Identität. Schlesien und das Reich im Spätmittelalter, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2010. Rezensiert von Alexandra Kaar

Iohannis Alphonsi de Segovia: Liber de substancia ecclesie. Cura et studio Jose Luis Narvaja SJ prolegomenis instructis Santiago Madrigal Terrazas SJ, Münster: Aschendorff 2012. Rezensiert von Thomas Woelki

Andreas Sohn / Jacques Verger (Hgg.): Die universitären Kollegien im Europa des Mittelalters und der Renaissance, Bochum: Verlag Dr. Dieter Winkler 2011. Rezensiert von Constant Mews

Achim Wesjohann: Mendikantische Gründungserzählungen im 13. und 14. Jahrhundert. Mythen als Element institutioneller Eigengeschichtsschreibung der mittelalterlichen Franziskaner, Dominikaner und Augustiner-Eremiten, Münster / Hamburg / Berlin / London: LIT 2012. Rezensiert von James D. Mixson

Sabine Appel: Heinrich VIII. Der König und sein Gewissen. Eine Biographie, München: C.H.Beck 2012. Rezensiert von Raingard Esser

Carina Fryklund: Late Gothic Wall Painting in the Southern Netherlands, Turnhout: Brepols Publishers NV 2011. Rezensiert von Leonhard Helten

Gerhard Lutz / Angela Weyer (Hgg.): 1000 Jahre St. Michael in Hildesheim. Kirche – Kloster – Stifter, Petersberg: Michael Imhof Verlag 2012. Rezensiert von Markus Thome

Olaf Wagener (Hg.): Symbole der Macht? Aspekte mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Architektur, Bern / Frankfurt a.M. [u.a.]: Peter Lang 2012. Rezensiert von Christofer Herrmann

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The Medieval Review:

(Offizielle Homepage:
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Erscheinungsweise: ad hoc | frequency of publication: ad hoc

TMR 13.04.01, Herren, ed., The Cosmography of Aethicus Ister (Natalia Lozovsky)

TMR 13.04.02, Smith, The Taymouth Hours (Anne Rudloff Stanton)

TMR 13.04.03, Petts and Turner, eds., Early Medieval Northumbria (Karen Louise Jolly )

TMR 13.04.04, Bailey and Rigby, eds., Town and Countryside in the Age of the Black Death (Ann Carmichael)

TMR 13.04.05 Marchesi, Dante and Augustine (Montemaggi)

TMR 13.04.06 Tracy, Torture and Brutality (van Dijk)

TMR 13.04.07 Young, Crossing Boundaries (Hobbins)

TMR 13.04.08 Powell, Depositions (Serchuk)

TMR 13.04.09 Kaldellis and Krallis, The History: Michael Attaleiates (Treadgold)

TMR 13.04.10 Carlson, John Gower: Poetry and Propaganda (Irvin)

TMR 13.04.11 Fritz, La Cloche et la lyre (Wells)

TMR 13.04.12 Sweeney, Anselm of Canterbury (Novikoff)

TMR 13.04.13 Lauwers, La dîme, l’Église et la société féodale (Bouchard)

TMR 13.04.14 Mudan Finn, The Last Planatagenet Consorts (Hurlburt)

TMR 13.04.15 Bianchini, The Queen’s Hand (Ruiz)

TMR 13.04.16 Blumenfeld-Kosinski and Petkov, Philippe de Mézières (Hobbins)

TMR 13.04.17 Pitcher, Chaucer’s Feminine Subjects (Nakley)

TMR 13.04.18 Kamath, Authorship and First-Person Allegory (Delogu)

We will add the missing links, once we notice that they have been uploaded to the website of TMR itself. Unfortunately there is a certain delay between the distribution via newsletter and the publication online.

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Francia-Recensio: 2013-1

(Offizielle Homepage:
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Erscheinungsweise: vierteljährlich | frequency of publication: quarterly

(Since the last volume has not been published as expected in the end of March but in April, we added it belated to our March digest and put it into this April digest as well)

A. Châtelet, Hubert et Jan van Eyck, créateurs de l’Agneau mystique (Jacques Paviot)

T. Pécout, Du castrum au registre et vice-versa (Stefan Weiß)

P. Biller / C. Bruschi / S. Shelagh, Inquisitors and Heretics in Thirteenth-Century Languedoc (Alexander Patschovsky)

M. Bourin / P. Martinez Sopena, Anthroponymie et migrations dans la chrétienté médiévale (Christa Jochum-Godglück)

K. Witthinrich, … si negotio ecclesiae videtur expedire (Jochen Johrendt)

K. Schmuki / F. Schnorr / E. Tremp, Musik im Kloster St. Gallen (Eva-Maria Tralle)

R. Mullally, The Carole (Valeska Koal)

E. Daniel, Abbot Joachim of Fiore and Joachimism (Jürgen Miethke)

H. Gilomen, Juden in den spätmittelalterlichen Städten des Reichs: Normen – Fakten – Hypothesen (Jeremy Du Quesnay Adams)

M. Bellomo, Il doppio medioevo (Werner Maleczek)

L. Clemens / S. Hirbodian, Christliches und jüdisches Europa im Mittelalter (Dominique Bourel)

D. Pangerl, Die Metropolitanverfassung des karolingischen Frankenreiches (Florence Close)

O. Götze, Der öffentliche Kosmos (Patrick Gautier Dalché)

J. Jarrett, Rulers and Ruled in Frontier Catalonia (Daniel König)

S. Efthymiadis, The Ashgate Research Companion to Byzantine Hagiography (Peter Schreiner)

K. Herbers / P. Rückert, Pilgerheilige und ihre Memoria (Volker Caumanns)

M. McCormick, Charlemagne’s Survey of the Holy Land (Mattia Guidetti)

K. Weber, Die Formierung des Elsass im Regnum Francorum (Gerhard Lubich)

T. Lohse, Die Dauer der Stiftung (Nathalie Kruppa)

A. Sohn, Von der Residenz zur Hauptstadt (Joseph P. Huffman)

S. Patzold, Das Lehnswesen (Felix Grollmann)

H. van Hall, Eijsden, een vrijheid met Luikse stadsrechten (Alexis Wilkin)

D. Berger, Stift und Pfründe (Alexis Wilkin)

F. Close, Uniformiser la foi pour unifier l’Empire (Eugenio Riversi)

J. Schenk, Templar Families (Christian Vogel)

E. Magnou-Nortier, Aux origines de la fiscalité moderne (Olivier Bruand)

P. Linehan, Historical Memory and Clerical Activity in Medieval Spain and Portugal (Adeline Rucquoi)

S. Vaughn, Archbishop Anselm 1093–1109 (Brian Patrick McGuire)

G. Owen-Crocker, The Bayeux Tapestry (George T. Beech)

P. Rosemann / J. McEvoy / R. Grosseteste, Robert Grosseteste at Munich (Mechthild Pörnbacher)

C. Wilsdorf, L’Alsace des Mérovingiens (Laurent Naas)

C. Wilsdorf, Comment la sainte Croix parvint à Niedermunster (Alsace) (Laurent Naas)

P. Matarasso, Le baptême de Renée de France en 1510 (Jacques Paviot)

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H-Net Reviews:

(Offizielle Homepage:
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Erscheinungsweise: ad hoc | frequency of publication: ad hoc

Mary Jo Maynes, Ann Beth Waltner, eds. The Family: A World History. Oxford 2012 (Linda Walton)

Peter Heather: Empires and Barbarians: The Fall of Rome and the Birth of Europe. New York 2012 (Christopher Gennari)

Peter Mack: A History of Renaissance Rhetoric 1380-1620. Oxford 2011 (Brian J. Maxson)

Sammelrezension von G. Carole Woodall zu:
Ebru Boyar und Kate Fleet: A Social History of Ottoman Istanbul. Cambridge 2010.
Çiğdem Kafescioğlu: Constantinopolis/Istanbul: Cultural Encounter, Imperial Vision, and the Construction of the Ottoman Capital. University Park 2009.

Asher D. Biemann: Dreaming of Michelangelo: Jewish Variations on a Modern Theme. Stanford 2012 (Larry Silver)

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Reviews in History:

(Offizielle Homepage:
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Erscheinungsweise: ad hoc | frequency of publication: ad hoc

 Joseph Canning: Ideas of Power in the Late Middle Ages, 1296-1417, Cambridge 2011 (Chris Jones)

Marjorie Keniston McIntosh: Poor Relief in England, 1350-1600, Cambridge 2011 (Nigel Goose)

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Histara:

(Offizielle Homepage:
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Erscheinungsweise: ad hoc | frequency of publication: ad hoc

Gallet, Yves (dir.): Ex quadris lapidibus. La pierre et sa mise en oeuvre dans l’art médiéval. Turnhout 2012 (Claudia Matoda).

Treuil, René: Le mythe de l’Atlantide, Paris 2012 (Nicola Cucuzza).

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ArtHist.net:

(Offizielle Homepage:
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Erscheinungsweise: ad hoc | frequency of publication: ad hoc

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Ordensgeschichte:

(Offizielle Homepage:
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Erscheinungsweise: ad hoc | frequency of publication: ad hoc

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Marginalia:

(Offizielle Homepage:
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Erscheinungsweise: ad hoc | frequency of publication: ad hoc

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Concilium medii aevi:

(Offizielle Homepage:
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Erscheinungsweise: ad hoc | frequency of publication: ad hoc

Antonella Sveva Gai / Karl Heinrich Krüger / Bernd Thier (Hgg.), Die Klosterkirche Corvey. Geschichte und Archäologie (Denkmalpflege und Forschung in Westfalen 43.1.1), Darmstadt 2012. Rezensiert von Thomas Küntzel

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Quelle: http://mittelalter.hypotheses.org/837

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durchsichten: Melanie Hühn u.a. (Hg.): Transkulturalität, Transnationalität, Transstaatlichkeit, Translokalität, rezensiert v. Anika Bethan

http://geschichte-transnational.clio-online.net/rezensionen/id=15632 Trans-Begriffe sind in! Wegen der zunehmenden Komplexität und Diversität grenzüberschreitender Phänomene, aber auch des Perspektivenwechsels in den Sozial-, Kultur- und Geisteswissenschaften erfreuen sich die Begriffe Transnationalität, Translokalität, Transstaatlichkeit und Transkulturalität einer wachsenden Beliebtheit. Gleichzeitig nehmen damit die Unschärfen in der Verwendung dieser Begriffe zu. Die Beiträge dieses Bandes haben es sich zum Ziel gesetzt, […]

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2013/04/4036/

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Fachchinesisch?

In einem “Belehrende[n] Stammtischvortrag” eines (imaginären) “Original-Geographen”) im Kikeriki vom 16.11.1911 findet sich eine kurze Passage zur Chinesishcen Schrift:

[… ] Das Allerkurioseste ist die chinesische Schrift. Ein Baum zum Beispiel heißt Tam. Will man das schreiben, zeichnet man einen Baum auf. Zwei Bäume heißen Tam=Tam, da zeichnet man zwei Bäume, und der Wald heißt Tam tatatam tatatam Tam=Tam; da muß man also eine ganze Seite voller Bäume zeichnen. […] (Kikeriki Nr. 92, 16.11.1911, S. 2).

Der “Original-Geograph” kombiniert Fakten-Wissen zur Schrift, das in Büchern über China wiederholt präsentiert wurde, und Phantasien zur Wortbildung in exotischen Sprachen. Das Bedeutungsspektrum Holz – Baum – Wald ergibt sich tatsächlich durch Wiederholung, allerdings nicht in der Aussprache, sondern durch Wiederholung eines Elements im Schriftzeichen: Das Schriftzeichen 木 [shu], das einen stilisierten Baum darstellt, bedeutet „Holz, Baum, hölzern (im Sinne von: aus Holz gemacht)“. Wird dieses Element zweimal nebeneinander gestellt zu  林 [lin], bedeutet das Schriftzeichen „Wald, Hain“ (es gibt im Chinesischen keinen Dual). Wird 木dreimal genommen und zu 森 [sen] arrangiert, bedeutet dieses Zeichen „Wald, Forst“, aber auch „dicht (bewachsen), üppig“.

So sehr die chinesische Schrift die ‘Außenwelt’ fasziniert hat, so sehr stellte und stellt der Druck nichtlateinischer Schriften im allgemeinen und chinesischer Zeichen im Speziellen Buchgestalter und Buchdrucker vor immer neue Herausforderungen. Auch vielfältige technische Neuerungen scheinen daran nur wenig geändert zu haben …

Wie es begann

Einer der ersten China-Bestseller war die Historia de las cosas mas notables, ritos y costumbres del gran reyno de la China… des Juan González de Mendoza (um 1540–1617) , die 1585 in Rom bei Grassi erschien. Mendozas Beschreibung des Landes und seiner Bewohner verbreitete sich durch Übersetzungen ins Italienische, Deutsche, Französische, Englische und Lateinische innerhab weniger Jahre in ganz Europa [1] In den Ausgaben, die bei Andrea Muschio (fl. nach 1560) [2] gedruckt wurden, finden sich auf den Seiten 114 und 115 – in den Fließtext eingefügt – drei Zeichen:

Das dürften die wohl ersten in Europa gedruckten chinesischen Schriftzeichen sein [3]. In den Jahrhunderten danach wetteiferten europäische Druckereien um die ‘schönsten’ (d.h. ästhetisch ansprechendsten) Schriftzeichen, die Leistungsfähigkeit der Druckereien erreichte – wie Georg Lehner (2004) gezeigt hat, ein sehr hohes Niveau.

Neue Anläufe (?)

Die Beschäftigung mit chinesischen Typen und der Typographie des Chinesischen blieb ein Randthema der Typographie, der Satz chinesischer Zeichen ein ewiger Knackpunkt … bis sich Susanne Zippel 2011 des Themas annahm.[4] – als Hilfsmittel, den boomenden Markt China zu erobern [Rückentext]. Das Buch soll die modernen Klassikern der Typographie im Verlagsprogramm ergänzen: Die Lesetypografie von Willberg/Forssman [5] und die Detailtypografie von Forssman/De Jong [6]. Der Anspruch, der erhoben wird, ist hoch:

“Eine solide Einführung in die Welt der chinesischen (sowie der japanischen und koreanischen) Schriftsysteme, eine analytische Gegenüberstellung des lateinischen und des CJK-Schriftsystems” [Zippel (2011) Rückentext].

Der Titel wurde in Typografie- und Grafik-Kreisen bejubelt [7] und in eine Reihe mit Anatomie der Buchstaben von Karen Chang [8] und Decode Unicode [9] gestellt. Das passt vielleicht für die Ausstattung, die – Halbleineneinband, Folienprägung, zwei Lesebändchen. zahlreiche Abbildungen, amgenehme Haptik – so ist, wie vom Hermann-Schmidt-Verlag erwartet werden darf. Inhalt und Buchgestaltung kommen da nicht heran.

Am Beginn steht ein “Auftakt” (S. 1-17), der vier Beispiele multilingualer Unternehmenskommunikation vorstellt und so einen Problemaufriss gibt. Die ersten drei Kapitel sind eine tour de force durch die Geschichte der chinesischen Schrift (“Funktion und Geschichte”, S. 18-97), die Unterschiede zwischen (lateinischem) Alphabet und Schriftzeichen (“Buchstaben und Schrifzeichen”, S. 98-133) und Anforderungen an Zeichensätze und Fonts, Schriftfamilien und Schriftgeschichte (“Zeichensatz und Font”, S. 134-177).  Diese Abschnitte sind quasi Vorbereitung zum umfangreichsten Kapitel, das Empfehlungen zur CJK-Typografie und zur multilinguale Typografie gibt (“Typografie – aber wie?”, S. 178-277).

Die erste Karte – “Die chinesischen Sprachen oder Dialektbünde und ihre Ausdehnung in China” (S. 28 f.) nährt erste Bedenken. Auf einer Karte mit vegleichsweise wenig Text finden sich zahlreiche Transkriptionsfehler bei chinesischen Toponymen, u.a. “Shaangxi” [i.e. Shǎnxī 陕西 bzw. Shaanxi], “Shangxi” [i.e. Shānxī  山西],”Shangdong”  [i.e. Shāndōng 山東], “Jiling” [i.e. Jílín 吉林], “Tianjing” [i.e. Tiānjīn 天津]; Peking, Hongkong und Macao sind nicht der Pinyin-Transkription angepasst, für koreanische und japanische Toponyme wird keines der üblichen Transkriptionssysteme verwendet.

Beim ersten Reinlesen stößt der mit dem Chinesischen vertraute Leser auf einige irritierende Eigenheiten und vermeintliche Kleinigkeiten, die sich schnell summieren: Schriftzeichen im Fließtext sind rot gesetzt – wohl damit sie sich vom Rest schön abheben und ihre Exotik unterstrichen wird. Zu jedem Schrifzeichen wird die Transkription (die konsequent als “Umschreibung” bezeichnet wird) angegeben, die Regeln für die Pinyin-Transkription [10] werden nicht eingehalten: Transkribierten Wörter sind in Kapitälchen oder kursiven Kapitälchen gesetzt.

Ziel der ersten beiden Kapitel dürfte es sein, dem mit dem Chinesischen (und – in kleinerem Umfang – dem Japanischen und dem Koreanischen) nicht vertrauten Publikum dessen Mysterien näherzubringen. Im Text gibt es keine Angaben, woher Informationen bezogen wurden – die Auflistung im Quellenverzeichnis (S. 280 f.) wirkt eher beliebig. Mitunter scheinen Informationen einfach aus Wikipedia übernommen zu sein, so u.a. “Die Völker der Volksrepublik China” (S. 30), die die “Liste der 70 als Nationalitäten anerkannten Völker der VR China” mit der Auflistung “List of ethnic groups inChina” oder die Aufstellung “Die Dialekte der ethnischen Han-Chinesen” (S. 31), die die “Liste der chinesischen Dialekte” übernimmt (weshalb hier die Markierung der Töne fehlt, deren (ansonsten außer in Lehrbüchern übliches) Fehlen die Autorin als “Manko” empfindet [S.7]). Die verwendete (?) Literatur ist eher älteren Datums, einschlägige aktuelle Titel zur chinesischen Schrift fehlen.

Insgesamt hinterlassen die ersten beiden Kapitel einen zwiespältigen Eindruck.Die gegebenen Erklärungen reichen nicht aus, dem Laien das jeweils beschriebene Phänomen der chinesischen Sprache oder der chinesischen Schrift verständlich zu machen – trotz vieler Abbildungen, Übersichten und Tabellen. Diese bringen für den, der sich mit der chinesischen Sprache beschäftigt hat, wenig Neues.Es darf bezweifelt werden, ob mit der Anleiung (S. 132 f.) ein unbekanntes Schriftzeichen in einem Wörterbuch gefunden werden kann. Die Beispiele, die das Chinesische charakterisieren sollen, geistern zum Teil seit Jahrhunderten durch die Literatur. Schon Athanasius Kircher brachte in China monumentis illustrata(S. 233 f.) die Reihe [一] 十 土 王 玉 als Beispiel dafür, dass es auf jeden Strich ankommt – ohne das ins Lächerliche zu ziehen (“Pünktchen, Pünktchen, Komma …” [Zippel, S. 116]).

Die Kapitel zur Typographie wiederholen zunächst in Kurzfassung die Grundgesetze der Typographie, die in den oben angeführten Werken wesentlich ausführlicher und präziser abgehandelt werden. Sie scheinen dann den Versuch zu machen, Chinesisches an europäische Seh- und Lesegewohnheiten anzupassen – anders sind manche Vorschläge/Regeln nicht zu verstehen. Die Kritik, die an chinesischen typographischen Konventionen geübt wird, zeugt von wenig Verständnis für Kulturspezifisches  (Beispiel: Zwei-Geviert-Einzug am Beginn eines Absatzes (S. 239)). Viele der technischen Angaben zu bestimmten Software-Produkten sind für den, der damit arbeitet, vermutlich selbstverständlich. Als Referenz zum schnellen Nachschlagen ist Fachchinesisch wohl nicht gedacht, die spärlichen Praxistipps sind gut versteckt.

Wozu also das Ganze? Ist es ein Katalog mehr oder weniger ‘schöner’ oder ‘brauchbarer’ CJK-Fonts (die Satzmuster ziehen sich durch den ganzen Band)? Eine bebilderte Einführung ins Chinesische? Oder doch eher gut platzierte Self-PR? Dass sich ein renommierter Verlag für diese wenig verschleierte Marketing-Aktion hergibt, wirkt denn doch befremdlich.


[1] Vgl. den Beitrag zur Historia des González de Mendoza in der Bibliotheca Sinica 2.0.

[2] Ennio Sandal: MUSCHIO, Andrea. In: Dizionario Biografico degli Italiani – Volume 77 (2012) | (Online-Version)

[3] Georg Lehner: Der Druck chinesischer Zeichen in Europa. Entwicklungen im 19. Jahrhundert (Wiesbaden Harrassowitz 2004) 13.

[4] Susanne Zippel: 中日韩字体编排指南 Fachchinesisch Typografie. Chinesische Schrift verstehen und anwenden. Grundlagen multilingualen Erfolges in den Märkten des Fernen Ostens. Mit einem Vorwort von Frank Sieren (Mainz: Verlag Hermann Schmidt Mainz 2011)

[5] Hans Peter Willberg/Friedrich Forssman: Lesetypografie (5., revidierte Aufl.; Mainz. Verlag Hermann Schmidt Mainz 2010)

[6] Friedrich Forssman/Ralf De Jong: Detailtypografie. Nachschlagewerk für alle Fragen zu Schrift und Satz. Vierte, wiederum verb. Auflage (Mainz: Hermann Schmidt Verlag 2008)

[7] Rezensionen u.a.: Fontblog (Sabine Gruppe, 6.9.2011), Linotype Blog (6.10.2011), DesignerBusiness (Joachim Kobus, Mai 2012), Margrit Manz: “Chinesich – Magic Cube der Sprachen” (2012) [auch über typografie.de].

[8] Karen Cheng/Hennig Krause (Übers.): Anatomie der Buchstaben. Basiswissen für Schriftgestalter. Designing Type. (Mainz: Hermann Schmidt Verlag 2006)

[9] Johannes Bergerhausen/Siri Poarangan: Decodeunicode (Mainz: Hermann Schmidt Verlag 2012).

[10] GB/T 16159-1996 – National Standard of the People’s Republic of China (ICS 01.140.10). Approved and issued by the State Technology Supervision Bureau on January 22, 1996; effective on July 1, 1996.|《中文拼音正词法基本规则》 中华人民共和国国家标准GB/T 16159—1996 中文拼音正词法基本规则 1996-01-22发布 1996-07-01实施 国家技术监督局发布 (pinyin.info)

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/159

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Rezensionsüberblick Dezember 2012

Beginnend mit dem Dezember ’12 möchten wir in diesem Blog regelmäßig einen monatlichen Überblick von online-Rezensionen mit mediävistischem Bezug bringen – unseres Wissens nach ein Service, den es in dieser Form noch nicht gibt. Inspirierend für einen epochal fokussierten Rezensionsüberblick war hierbei das Frühneuzeit-Blog der RWTH Aachen. Vorerst beschränken wir uns auf die fünf unten genannten Portale, freuen uns aber über Ergänzungen gerade zu Rezensionsportalen jenseits der mediävistischen Geschichtswissenschaft. Wir beziehen hier aus Aktualitätsgründen nur tatsächliche online-Rezensionen ein.

Wir wünschen interessante und v.a. zeitsparende Lektüre!

Per Klick auf den Namen können Sie zum Überblick für das jeweilige Portal springen

H-Soz-u-Kult
Sehepunkte
Francia-Recensio
The Medieval Review
Reviews in History


H-Soz-u-Kult:

Regina Schäfer: Rezension zu: Bachmann, Bodo: Die Butzbacher Stadtrechnungen im Spätmittelalter. 1371–1419. Marburg 2011. 2 Bde, in: H-Soz-u-Kult, 19.12.2012.

Julian Führer: Rezension zu: Rathmann-Lutz, Anja: “Images” Ludwigs des Heiligen im Kontext dynastischer Konflikte des 14. und 15. Jahrhunderts. Berlin 2010, in: H-Soz-u-Kult, 12.12.2012.

Daniel Ristau: Rezension zu: Johnson, Christopher H.; Sabean, David Warren; Teuscher, Simon; Trivellato, Francesca (Hrsg.): Transregional and Transnational Families in Europe and Beyond. Experiences Since the Middle Ages. New York 2011, in: H-Soz-u-Kult, 12.12.2012.

Bettina Pfotenhauer: Rezension zu: Karsten, Arne: Geschichte Venedigs. München 2012, in: H-Soz-u-Kult, 10.12.2012.

Achim Hack: Rezension zu: Schneider, Reinhard: Vom Dolmetschen im Mittelalter. Sprachliche Vermittlung in weltlichen und kirchlichen Zusammenhängen. Köln 2012, in: H-Soz-u-Kult, 05.12.2012.

Michael Grünbart: Rezension zu: Ševčenko, Ihor (Hrsg.): Chronographiae quae Theophanis Continuati nomine fertur Liber quo Vita Basilii Imperatoris amplectitur. Berlin u.a. 2011, in: H-Soz-u-Kult, 05.12.2012.

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Sehepunkte:

Mishtooni C. A. Bose / Patrick J. Hornbeck (Hgg.): Wycliffite Controversies, Turnhout: Brepols Publishers NV 2011. Rezensiert von Tamás Karáth

Janet Burton / Karen Stöber (eds.): The Regular Canons in the Medieval British Isles, Turnhout: Brepols Publishers NV 2011. Rezensiert von Helmut Flachenecker

Gilbert Dahan: Nicolas de Lyre. Franciscain du XIVe siècle, exégète et théologien, Turnhout: Brepols Publishers NV 2011. Rezensiert von William Duba

Christine Juliane Henzler: Die Frauen Karls VII. und Ludwigs XI. Rolle und Position der Königinnen und Mätressen am französischen Hof (1422-1483), Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2012. Rezensiert von Heribert Müller

Jacques Madignier: Les chanoines du chapitre cathédral d’Autun du XIe à la fin du XIVe siècle, Langres: Éditions Dominique Guéniot 2011. Rezensiert von Amandine Le Roux

Katharina Ulrike Mersch: Soziale Dimensionen visueller Kommunikation in hoch- und spätmittelalterlichen Frauenkommunitäten. Stifte, Chorfrauenstifte und Klöster im Vergleich, Göttingen: V&R unipress 2012. Rezensiert von Julia Bruch

Daniel Carlo Pangerl: Die Metropolitanverfassung des karolingischen Frankenreichs, Hannover: Hahnsche Buchhandlung 2011. Rezensiert von Steffen Patzold

Donald S. Prudlo (ed.): The Origin, Development, and Refinement of Medieval Religious Mendicancies, Leiden Boston / Tokyo: Brill Academic Publishers 2011. Rezensiert von Thomas Frank

Söhnke Thalmann: Ablaßüberlieferung und Ablaßpraxis im spätmittelalterlichen Bistum Hildesheim, Hannover: Hahnsche Buchhandlung 2010. Rezensiert von Stefan Petersen

Steven Vanderputten (ed.): Understanding Monastic Practices of Oral Communication. (Western Europe, Tenth-Thirteenth Centuries), Turnhout: Brepols Publishers NV 2011. Rezensiert von Heike Johanna Mierau

Olga Weijers: Études sur la Faculté des arts dans les universités médiévales, Turnhout: Brepols Publishers NV 2011. Rezensiert von Martine Clouzot

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Francia-Recensio:

D. Barthélemy, Nouvelle histoire des Capétiens (Julian Führer)

A. Bihrer, Begegnungen zwischen dem ostfränkisch-deutschen Reich und England (850–1100) (Levi Roach)

R. Blumenfeld-Kosinski, K. Petkov, Philippe de Mézières and His Age (Jacques Paviot)

J. F. Böhmer, Regesta Imperii IV. Ältere Staufer. 2. Abt. Die Regesten des Kaiserreiches unter Friedrich I. 1152 (1122)–1190. 4. Lfg. 1181–1190. (Olivier Guyotjeannin)

H. L. L. Busard (†), Nicole Oresme, Questiones super geometriam Euclidis (Jürgen Miethke)

M. Caesar, Le pouvoir en ville (Eberhard Isenmann)

M. Cohen, J. Firnhaber-Baker, Difference and Identity in Francia and Medieval France (Markus Spaeth)

N. Coulet, Rites, histoires et mythes de Provence (Klaus Oschema)

L. Donkin, H. Vorholt, Imagining Jerusalem in the Medieval West (Élisabeth Ruchaud)

S. Duennebeil, D. Luger, Regesten Kaiser Friedrichs III. (1440–1493) nach Archiven und Bibliotheken geordnet, Heft 27: Die Urkunden und Briefe des Österreichischen Staatsarchives in Wien, Abteilung Haus-, Hof- und Staatsarchiv (Claudia Rotthoff-Kraus)

C. A. Fleck, The Clement Bible at the Medieval Courts of Naples and Avignon (Stefan Weiß)

F. Foronda, Avant le contrat social (Gisela Naegle)

F. Foronda, A.I. Carrasco Manchado, Du contrat d’alliance au contrat politique (Gisela Naegle)

F. Foronda, A.I. Carrasco Manchado, El contrato político en la Corona de Castilla (Gisela Naegle)

M. Gabriele, An Empire of Memory (Phillipe Cordez)

A. Germa, B. Lellouch, E. Patlagean, Les Juifs dans l’histoire (Amélie Sagasser)

H.-W. Goetz, Gott und die Welt (Klaus Krönert)

S. Hamel, La justice dans une ville du Nord du Royaume de France au Moyen Âge (Eberhard Isenmann)

K. Herbers, I. Fleisch, Erinnerung – Niederschrift – Nutzung (Beate Schilling)

G. Hirsaugiensis, Willehelmi Abbatis Constitutiones Hirsaugienses (Jean-Loup Lemaitre)

E. Holtz, Regesten Kaiser Friedrichs III. (1440–1493) nach Archiven und Bibliotheken geordnet (Claudia Rotthoff-Kraus)

L. Jégou, L’évêque, juge de paix (Ludwig Falkenstein)

J. Kemper, G. Vogeler, Digitale Urkundenpräsentationen (Olivier Guyotjeannin)

A. Laiou (†), C. Morrisson, Le monde byzantin (Jacques Paviot)

O. Mattéoni, Un prince face à Louis XI (Heribert Müller)

C. Mihailovic, Mémoires d’un janissaire (Jacques Paviot)

W. of Ockham, Dialogus (Jacques Verger)

K. Pennington, M. Harris Eichbauer, Law as Profession and Practice in Medieval Europe (Jörg Müller)

R. Schönberger, A. Quero-Sánchez, B. Berges, L. Jiang, Repertorium edierter Texte des Mittelalters aus dem Bereich der Philosophie und angrenzender Gebiete (Dominique Poirel)

K. Schreiner, Rituale, Zeichen, Bilder (Andreas Büttner)

G. Seabourne, Imprisoning Medieval Women (Julie Claustre)

W. Tschacher, Königtum als lokale Praxis (Joseph P. Huffman)

W. E. Wagner, Die liturgische Gegenwart des abwesenden Königs (Yitzak Hen)

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The Medieval Review:

TMR 12.12.02, Teeuwen and O’Sullivan, eds., Carolingian Scholarship and Martianus Capella (Michael Herren)

TMR 12.12.06, Maxwell, ed., Representing History (Beth Williamson)

TMR 12.12.04, Loutchitsky, Homo Legens (Carol Symes)

TMR 12.12.05, Strauch, Mittelalterliches Nordisches Recht bis 1500 (Anders Winroth)

TMR 12.12.09, Canning, Ideas of Power in the Late Middle Ages (Geoffrey Koziol)

TMR 12.12.10, Folger, Writing as Poaching (John Slater)

TMR 12.12.01, Pastoureau, The Bear (Michael A. Ryan)

TMR 12.12.11, Filosa and Papio, eds. Boccaccio in America (Janet Smarr)

TMR 12.12.08, Machacek, Milton and Homer (David Oliver Davies)

TMR 12.12.03, Sullivan, Fisher and Papaioannou, eds., Byzantine Religious Culture (George Demacopoulos)

TMR 12.12.07, Kalinke, The Arthur of the North (Sif Rikhardsdottir)

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Reviews in History:

Dr Alex Brown, review of Town and Countryside in the Age of the Black Death: Essays in Honour of John Hatcher, (review no. 1353).

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Quelle: http://mittelalter.hypotheses.org/46

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durchsichten: Gunilla Budde u.a. (Hg.): Transnationale Geschichte. Themen, Tendenzen und Theorien. Göttingen 2006, rezensiert v. Siegfried Weichlein

http://www.sehepunkte.de/2007/06/11587.html Die vorliegende Festschrift zum 65. Geburtstag von Jürgen Kocka versammelt Beiträge seiner Kollegen zu einem gemeinsamen Thema. Alle Autoren suchen nach Fragestellungen und Themenfeldern, die die nationalstaatliche Ebene verlassen. Dadurch nimmt diese Festschrift den Charakter eines Readers zu Fragen der titelgebenden “Transnationalen Geschichte” an.

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2012/12/3654/

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Musik für die Massen – zur Biographie des Arbeitersängers Ernst Busch.

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Ernst Busch 1946 (Foto: Abraham Pisarek. Deutsche Fotothek‎, Lizenz: CC Share Alike 3.0 Germany) via Wikimedia Commons)

Rezension von Ralf Hoffrogge (Eine Kurzversion erschien im September 2012 in der Zeitschrift “Analyse und Kritik”, AK Nr. 575)

„Er rührte an den Schlaf der Welt…“ – diese Zeilen von Johannes R. Becher bezogen sich auf Lenin – doch eingeprägt haben sie sich durch die Stimme von Ernst Busch, der sie in einer einzigartigen Interpretation um die Welt schickte. Daher ist es mehr als angemessen, wenn Jochen Voit diesen Liedtext zum Titel seiner jüngst erschienenen Biographie des Arbeitersängers wählte. „Mit Worten, die Blitze waren“ lautet die nächste Zeile des Liedes, und auch diese mag man getrost auf Ernst Busch beziehen. Denn für viele Zuschauer war es in der tat ein elektrisierendes Erweckungserlebnis, wenn er Texte von Erich Weinert, Bertolt Brecht und Johannes R. Becher schmetterte, die diese oft eigens für ihn verfaßten. Manch einer soll nur wegen seiner Musik zum Marxisten geworden sein. Ernst Busch war letztlich wohl der einzige Sänger, der politische Generationen wie die Weimarer KPD der 20er Jahre, die DDR-Aufbaugeneration ab 1945 und die westdeutschen 68er gleichermaßen zu begeistern vermochte.

Dies gelang nicht nur mit markiger Stimme und Agitprop-Texten. Auch die Kompositionen seiner Lieder mußten einzigartig sein, und sie waren es. Der Schönberg-Schüler Hanns Eisler, mit dem Ernst Buch zeitweise in einer Künstler-WG zusammenlebte, komponierte zahllose Stücke eigens für ihn, darunter Klassiker wie „Das Solidaritätslied“ oder „Roter Wedding“. Es war diese kongeniale Zusammenarbeit mit der lyrischen und musikalischen Avantgarde seiner Zeit, die den Ruhm der Sängers begründete.
Denn vom 19. Jahrhundert bis in die Zeit des ersten Weltkrieges waren Arbeiterlieder künstlerisch meist schlicht gestrickt, meist bloße Umdichtungen gängiger Volkslieder und Soldatenlieder. Erst das Trio Brecht-Eisler-Busch hob den proletarischen Gesang in den 1920er Jahren auf ein ganz neues Niveau. Sie hinterließen Musik für die Massen – zeitkritische Propagandaschlager, die es mitunter fertig brachten, auch als zeitlose Kunstwerke zu wirken.

Im Jahr 2010, Dreißig Jahre nach dem Tod des Künstlers und 110 Jahre nach seiner Geburt im norddeutschen Kiel legte Jochen Voit die erste kritische Biographie des Arbeitersängers vor. Kritisch – das bedeutet, dass Voit sich der Rolle Buschs als Legende, Idol und Staatskünstler der DDR bewußt ist, ihr aber nicht auf dem Leim geht. Er vermeidet die Versuchung jedes Biographen, seinen Protagonisten unkritisch zu überhöhen oder zu dämonisieren.

Begleitmusik zum Stalinismus

Voit zeigt stattdessen viele von Buschs Ambivalenzen im neuen Licht. Die zentrale davon ist wohl sein Verhältnis zur Diktatur. Denn so berühmt wie Buschs Protestsongs, so berüchtigt ist seine Interpretation der SED-Hymmne mit dem unverfrorenem Refrain „Die Partei hat immer recht“, ebenso unvergessen sein Lied „Stalin, Freund – Genosse“. Auf neueren Best-of Sammlungen sind diese Lieder nicht mehr enthalten. Durch historisches Fernseh-Infotainment und YouTube sind sie dennoch bekannter als manch klassische Protestsongs wie das „Stempellied“.

Trotz seiner Begleitmusik zum Stalinismus gilt Busch erstaunlicherweise vielen als Dissident. Er habe Honecker auf einer Parteiveranstaltung geohrfeigt, sei aus der SED ausgeschlossen worden. Busch habe öffentlich geschwiegen, sei jedoch eigentlich ein Regimekritiker gewesen – so die Legende, die Busch schon zu DDR-Zeiten begleitete.

Ohne in den ermüdenden Gestus des Entlarvers zu verfallen präsentiert Voit zahllose Fakten, die dieses Bild zurechtrücken. Die Honecker-Ohrfeige hat nie stattgefunden, obwohl sich Busch in der Tat mit Honecker überwarf – freilich zu einer Zeit, als dieser noch Vorsitzender der FDJ war. Für Stalin sang Busch nicht gezwungenermaßen, sondern ebenso inbrünstig wie er gegen Hitler sang. Zum 70. Geburtstag des Generalissimus widmete Busch mit seiner Plattenfirma dem sowjetischen Diktator eine eigene Plattenedition samt Liederbuch. Dreizehn der 36 dort vertretenen Lieder waren Lobeshymmnen auf Stalin, den „Vater der Völker“, zwei davon mit Texten von Bertolt Brecht. Denn der vielgeschmähte Busch war längst nicht der einzige Künstler, der sich am Stalinkult beteiligte. Zu nennen wären neben Brecht auch noch Pablo Neruda und zahllose andere Schriftsteller, Musiker und Intellektuelle. Zu nennen wäre hier auch der Mainstream der demokratischen Presse von London bis in die USA, die Stalin in der Ära der Anti-Hitler-Koalition manche Schmeichelei darbrachte – bevor er schließlich durch den Ausbruch des kalten Krieges 1948 wieder zum Schurken wurde. Ohne das Ernst Busch damit entschuldigt wäre – es ist schade, dass Voit diesen Hintergründen wenig Beachtung widmet und sich nur auf Busch konzentriert, anstatt dem Stalinkult unter Intellektuellen in Ost und West einen Exkurs zu widmen.

Eigensinnig, aber nicht dissident

Auch an anderen Stellen führt Voits biographische Konzentration auf das Individuum dazu, das größere gesellschaftliche Zusammenhänge nicht mal im Ansatz dargestellt werden können. Manches erscheint so als historische Kulisse, die einfach vorausgesetzt wird – dabei kann gerade eine Biographie erklärenden Zugang auch für komplexe historische Zusammenhänge bieten.

Die Stärke des Buches liegt also in der Beschreibung von Busch selbst. In der Tat wurde dieser aus der SED ausgeschlossen, weil er sich anfang der 50er Jahre einer „Parteiüberprüfung“, also einer Säuberung widersetzte. Obwohl er die Prüfung zweifellos bestanden hätte, wollte Busch sich der Prozedur nicht unterordnen. Doch Unterordnung war Zweck der Übung: auch Prominenten wollte man zeigen, dass sie von der Gnade des Apparats abhängig waren.

Dies und das Versagen der SED am 17. Juni 1953 waren verantwortlich für Buschs jahrelanges Schweigen und seinen Rückzug ans Theater. Nicht das Busch der Arbeiterrevolte positiv gegenübergestanden hätte – er hätte gerne mit Revolutionsmusik und Radiopropaganda die Aufständischen von der Falschheit ihres Tuns überzeugt. Stattdessen lief im DDR-Rundfunk seichte Unterhaltungsmusik, während auf den Straßen sowjetische Panzer die Demonstrationen mit Gewalt auseinandertrieben. Panzer statt Propaganda – das war der moralische Bankrott der DDR und ihrer Führungspartei. Busch sah es kommen und konnte es nicht verhindern. Er lehnte die Methoden ab, stand aber zur Sache.

Daher äußerte er sich nie öffentlich systemkritisch – im Gegenteil: 1976 unterstützte er die Ausbürgerung Biermanns, der doch seinerzeit am ehesten so etwas wie sein künstlerischer Nachfolger war. Um solche Widersprüche verstehen, wäre ein vergleichender Blick auf andere Kommunisten seiner Generation hilfreich gewesen: Allesamt waren sie rebellisch und aufrührerisch gegen Kapitalismus und Faschismus, gleichzeitig fast alle loyal bis zum Erbrechen gegenüber dem eigenen Apparat.
Vor diesem Hintergrund war Busch weit aufmüpfiger als andere, die zum Wohle der Sache noch unmittelbar vor ihrer Erschießung erfundene Verbrechen gestanden und die das Regime ihrer Peiniger verteidigten. Nicht nur Folter spielte hier eine Rolle, sondern die völlige Aufgabe der eigenen Identität gegenüber einer Idee, die zur Ideologie verkommen war.
Busch ließ sich niemals derart brechen. Er blieb als Mensch immer widerständig, bockig, egozentrisch, im wahrsten Sinne des Wortes eigensinnig. Aber den Schritt zum Dissidenten tat er trotz Parteiausschluß nie.

Eine facettenreiche Darstellung

Obwohl Voit kaum den Versuch macht, das Phänomen des Stalinismus zu erklären oder zu verstehen, so liefert er doch durch seine in über zehn Jahren Forschungsarbeit einzigartig recherchierte Zusammenstellung dem Publikum alles an die Hand, um sich selbst ein Bild von der widersprüchlichen Haltung Buschs zu machen. Ihn auf seinen politischen Abstand oder nicht-Abstand zur Diktatur zur verkürzen, ginge jedoch am Menschen Ernst Busch vorbei.

Voit präsentiert daher zahllose Facetten von Busch – auch unbekanntes über seine Anfänge als Kieler Arbeiterjunge, über erste Auftritte auf einer Kinderrepubliken der sozialdemokratischen Falken. Ja – auch der SPD stand Busch zeitweise nahe, bevor er sich in den 1920ern der KPD zuwandte, der er allerdings erst 1945 unter dem Eindruck der faschistischen Katastrophe beitrat. Entlassen aus dem Zuchthaus Brandenburg, geschlagen, gequält, die eine Gesichtshälfte gelähmt, war es damals unklar, ob Busch seine Karriere als Sänger und Schauspieler jemals fortsetzen konnte. Doch der Sänger gab nicht auf, obwohl er es nicht leicht hatte. Die Deutschen, so konstatierte Busch 1947, hätten gegen Faschismus und Judenverfolgung nie ernsthaft etwas einzuwenden gehabt – nur das Kriegverlieren habe sie am Ende doch gestört. Jeden Tag, so Busch, kämpften er und seine Mitarbeiter im Kulturbetrieb ein zweites Stalingrad.

Voit präsentiert alle Aspekte seines Themas mit einzigartiger Leichtigkeit. Man sieht diesem Buch nicht an, dass es aus einer Dissertation entstand – was angesichts der oft immer noch erschütternd langatmigen deutschen Wissenschaftsprosa eindeutig als Kompliment zu werten ist. Manchmal schießt er jedoch übers Ziel hinaus, die Sprache wird süffisant, der Härte des Dargestellten unangemessen. Voit rutscht hier mitunter in die Haltung des Geschichtenerzählers, an manchen Punkten verfehlt er systematische historische Erklärungsansätze – dennoch: Er erzählt seine Geschichte gut.

Jochen Voit: Er rührte an den Schlaf der Welt. Ernst Busch – Die Biographie
Aufbau-Verlag, Berlin 2010, 515 Seiten, gebunden, 24,95 Euro


Einsortiert unter:Biographie

Quelle: http://kritischegeschichte.wordpress.com/2012/10/01/musik-fur-die-massen-zur-biographie-des-arbeitersangers-ernst-busch-eine-rezension/

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Nie wieder Kommunismus? Zur linken Kritik an Stalinismus und Realsozialismus

Ein Lesetipp.

Bis vor wenigen Jahren war in der aktivistischen Linken das Thema Stalinismus- bzw. DDR-Kritik toter als tot. Die antiautoritäre Linke verlor mit einigem Grund nicht viel Worte über den „Realsozialismus“, ist dieser doch Lichtjahre entfernt von einer nicht näher definierten, utopischen, herrschaftsfreien Gesellschaft („Auf Staat und Parlamente, habe ich noch nie vertraut“). Mit der Hinwendung zum Kommunismus-Begriff, den in den vergangenen Jahren größere Teile der radikalen Linken unternommen haben, wächst auch die Notwendigkeit und das Interesse daran, sich mit dem Wesen und der Genese des Stalinismus auseinanderzusetzen. Ein erster Höhepunkt war sicherlich Bini Adamczak’s Essay „gestern morgen“ aus dem Jahr 2007.

Und tatsächlich: In der Auseinandersetzung mit der autoritär gewendeten Revolution kann nur gewonnen werden, der Band der Gruppe INEX ist dafür ein gutes Beispiel. Die Entstehung des Bandes ist verbunden mit einer Reihe von Veranstaltungen, die sich zum Teil hier nachhören lassen, geht aber in seiner Breite (12 Aufsätze und eine Einleitung) weit darüber hinaus.

Der Band ist politisch auf der Höhe der Zeit sowohl wissenschaftlich als auch politisch.[bearbeitet 25.09.2012 nach Einwand P.B./Kommentar 1) Auch wenn im Folgenden nur einzelne erwähnt sind, habe ich alle Aufsätze samt Einleitung gelesen und nur bei einem einzigen Aufsatz keine rechte Lust gehabt, ihn zu Ende zu Lesen – das ist eine verdammt gute Quote. (Hier geht’s zum Inhaltsverzeichnis)

Für einen kenntnisreichen, hoch aktuellen und systematischen Überblick über den Stalinistischen Terror etwa ist der Aufsatz von Christoph Jünke („Schädelstätte des Sozialismus“) sehr zu empfehlen. Er geht nicht nur auf die Opferzahlen oder die berüchtigten Moskauer Prozesse ein, sondern gibt gleichzeitig Einschätzungen zum Charakter dieser Maßnahmen und schließlich auch zum Widerstand dagegen.

Der Beitrag von Hendrik Wallat belegt eindrücklich, was man schon immer geahnt oder zumindest gehofft hatte: Es gab von Anfang zeitgenössische linke und kommunistische Kritik am Bolschewismus – Analysen, die sich auch heute noch mit Gewinn lesen lassen. Einige wichtige Texte wurden von Wallat ausgegraben und samt ihres rätekommunistischen oder anarchistischen Kontextes vorgestellt.

Bini Adamzcak steuert einen Text zur „geschlechtlichen Emanzipation“ in der russischen Revolution bei („Hauptsache Nebenwiderspruch“). Er ist zum Teil erheiternd, zum Teil sehr spannend, auf jeden Fall aber perspektivenerweiternd. Im Grunde genommen präsentiert dieser Aufsatz zunächst ein sehr originelles Gesamtverständnis der russischen Revolution, bevor er zur Haupt/Nebenwiderspruchsfrage übergeht.

Es liegt an Konzept und Fragestellung des Bandes, dass sich auch die weiteren Aufsätze des Bandes auf Bolschewismus bzw. Staatssozialismus konzentrieren (z.B. der Beitrag der Gruppe paeris) und historisch nicht wirksam gewordene Alternativen (Anarchismus, Sozialrevolutionäre) entsprechend randständig bleiben. Deshalb erscheint mir die zum Teil recht harsche Kritik in dieser Hinsicht als ziemlich unangemessen.

Meckern kann man ja meistens, hier zum Beispiel darüber, dass nur Ulrike Breitsprecher es geschafft hat, auf andere Artikel innerhalb des Bandes zu verweisen. Die Verdienste dieses Bandes werden aber durch solche kleineren Unzulänglichkeiten nicht ernsthaft eingeschränkt.

Gruppe INEX (Hg:) Nie wieder Kommunismus? Zur linken Kritik an Stalinismus und Realsozialismus, Münster 2012.
232 Seiten, 14,80 Euros


Einsortiert unter:Arbeiterbewegung, Literatur

Quelle: http://kritischegeschichte.wordpress.com/2012/09/23/nie-wieder-kommunismus-zur-linken-kritik-an-stalinismus-und-realsozialismus/

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aventinus recensio Nr. 33 [30.08.2012]: Sarah Lowndes: Social Sculpture. The Rise of the Glasgow Art Scene, Edinburgh: Luath Press Limited, 2nd. Ed. 2010

http://www.aventinus-online.de/recensio/varia/art/Rezension_Sarah/html/ ca/08c692b70e7da75e6fa2c0aa3e02bde7/?tx_mediadb_pi1%5BmaxItems%5D=10 Die Glaswegian Lowndes ist Lecturer an der School of Art und schreibt, kuratiert und lebt in Glasgow. Lowndes verfolgt mit ihrem Buch das Ziel, die Kunst- und auch Sozialgeschichte der Szene der Performance- und Konzept-Kunst in Glasgow seit den 1970ern zu beschreiben.

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2012/08/3170/

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