Das Institut für Textforschung und Textgeschichte des CNRS (IRHT), das im Rahmen seiner Forschungsprogramme seit 1937 Reproduktionen mittelalterlicher Handschriften und früher Druckschriften sammelt, stellt auf seiner Website zahlreiche Datenbanken zur Verfügung, darunter auch zu griechischen, hebräischen oder syrischen Handschriften, zur … Continue reading →
Verfall in Pompeji – Archaeologik
"Archaeologik: Neue Einstürze in Pompeji" aktuelle Meldungen zusammen.
Archaeologik ist ein empfehlenswerter fachwissenschaftlicher Blog zu den Themenbereichen Archäologie und Denkmalschutz. Nach der Beschreibung liegt der Fokus auf "methodisch-theoretischen und wissenschaftspolitischen Aspekten der Archäologie."
Quelle: http://provinzialroemer.blogspot.com/2013/12/verfall-in-pompeji-archaeologik.html
Vortrag im Journal Club des HIIG, Berlin 11.12.2013
Zeit: Mi 11.12.2013, 17h
Ort: HIIG, Humboldt Universität zu Berlin, Juristische Fakultät, Eingang Bebelplatz 2, Raum E027, 10117 Berlin
Abstract:
Vor Google:
Geschichtswissenschaftliche Perspektiven auf Suchmaschinen im analogen Zeitalter
In den letzten Jahren habe ich mich als Historiker mit den Suchmaschinen des analogen Zeitalters beschäftigt, insbesondere in einer 2012 verteidigten Habilitationsschrift zu den so genannten Adressbüros im Europa der Frühen Neuzeit. Ziel dieser ab dem 17. Jahrhundert in Paris und London, später dann auch in deutschsprachigen Städten gegründeten Adressbüros war es, Informationen zu vermitteln: Wer auch immer etwas kaufen oder verkaufen wollte, Arbeit oder Wohnung suchte, konnte sein oder ihr Anliegen gegen Gebühr in ein am Ort des Adressbüros aufliegendes Register eintragen lassen; umgekehrt konnten InteressentInnen gegen Gebühr Auszüge aus diesem Register erhalten. So nützlich diese Einrichtungen waren, so gerieten sie doch auch in Kritik, wegen mangelnder Beachtung der Privatsphäre und der Übernahme obrigkeitlicher Funktionen.
Ähnliche Konflikte lassen sich auch bei anderen Einrichtungen des Suchens und Findens feststellen, die in einem von mir mitherausgegebenen, bei transcript erschienenen Sammelband mit dem Titel Vor Google behandelt werden. Auch menschliche Medien bzw. Suchmaschinen wie Lohnlakaien, Kammerdiener und Hausmeister waren zum einen hilfreiche Geister, zum anderen Zuträger der Geheimpolizei.
Mit meinen Forschungen möchte ich gerne mit KollegInnen in Austausch treten, die sich mit aktuellen Problemen des Internets beschäftigen, in der Hoffnung, dass diese aus dem präsentierten historischen Material Erkenntnisse für ihre eigene Arbeit gewinnen können.
Antiker Whistleblower oder Hofnarr der Polis ?

Prof. Dr. Olson (Foto: Privat)
Um in den Dionysien und Lenaia, den athenischen Theaterfestspielen, Erfolge zu feiern reichte es nicht, nur lustig zu sein: Das Publikum der Festivals, bei denen Dichter Ruhm und Ehre erlangten, musste sich gleichzeitig gespiegelt und entlarvt fühlen. In den Stücken des Dichters Eupolis, bekam jeder sein Fett weg – allen voran die Politiker. Eupolis war einer der erfolgreichsten Dichter der attischen Komödie. Professor S. Douglas Olson, Gastprofessor an der Universität Freiburg von der University of Minnesota, analysiert, was von Eupolis‘ Stücken überliefert wurde und erschafft ein neues Bild des Alltagslebens in der ersten Demokratie.
Eupolis war ein Zeitgenosse von Aristophanes und dessen direkter Konkurrent. Beide Autoren schrieben Stücke voller Gehässigkeit, Spott und Kritik an Staat und Regierung. Eupolis lebte in turbulenten Zeiten: geboren um 440 v.Chr., trat er zu der gleichen Zeit wie Aristophanes auf den Spielplan. Mit lediglich 20 Jahren erschien er das erste Mal mit seinen Stücken auf den Festspielen. Es war ein sofortiger Erfolg. Im ständigen Konkurrenzkampf gewannen beide Dichter den renommierten Theaterwettbewerb ein paar Mal in Folge. Plötzlich waren sie Superstars.
Eupolis starb jung: Er fiel wahrscheinlich im Peloponnesischen Krieg 411 v. Chr. Elf Stücke von Aristophanes sind bis heute vollständig erhalten. Alles, was von Eupolis heute übrig ist, sind Fragmente. Im alten Rom waren die Theaterstücke noch im Umlauf. Heute sind die Kopien der vollständigen Stücke verloren. Nur Zitate, Wörterbucheinträge von Ausdrücken, die Eupolis verwendete haben soll und auf Papyrus gedruckte Textfetzen wurden überliefert.
- In den Gassen der Polis
Der Zweck von Olsons Projekt ist nicht, die Komödien zu rekonstruieren. Dies scheint unmöglich. In einem akademischen Spiel versuchte Olson, die Handlung der bekannten Stücke von Aristophanes nur mit Hilfe der überlieferten Fragmente, Wörter und Textfetzen zu rekonstruieren. Das Ergebnis entsprach überhaupt nicht der Geschichte, die Aristophanes ursprünglich schrieb. Statt die Handlung der Komödien zu rekonstruieren, analysiert Olson Eupolis’ Sprache und zieht Schlüsse über das Leben der Polisbewohner.
Die Komödien sollten der Öffentlichkeit gefallen. Die attischen Dichter bedienten sich der selben Mittel wie Comedy und politisches Kabarett heute: Die Texte sind nah am Alltag der Menschen, an deren Sorgen und Humor. Die Dichter verwenden Umgangssprache, Kraftausdrücke und gehen auf intime Bereiche des Lebens ein. Da nur kurze Fragmente von Eupolis erhalten sind, geht der Humor in der Regel verloren. Mit nur wenigen Sätzen oder Wörtern, ist es schwierig, einen Witz zu erkennen.
Einige Fragmente, die als Beleidung identifiziert werden können, sagen viel über die Werte der antiken Gesellschaft aus. Olson analysiert die kürzesten Fragmente, um diese Informationen zu rekonstruieren. Gleichzeitig will er Wörter, Ausdrücke und kurze Zitate, die in alten Wörterbüchern und technischen Abhandlungen Eupolis zugeschrieben werden, nachprüfen.
- Wind als Beleidigung
ἄνεμος καὶ ὄλεθρος ἄνθρωπος
„Ein Mensch (ist), Wind und Verwüstung”: Der Ausdruck war wahrscheinlich eine Beleidigung. Olson schlägt vor, dass Eupolis diese Beleidigung verwendete um eine Person zu beschreiben, die durch die Stadt fegt und Probleme verursacht. Der Ausdruck lässt sich mit Beleidigungen wie „Tod” φθόρος oder „Krankheit” νόσος vergleichen, die häufiger in der attischen Komödien auftauchen. Im Englischen ist „Pest“ eine beliebte Beleidigung. Im Deutschen kann jemand „eine Plage“ sein. Die Verwendung von „Wind “als Beleidigung ist jedoch einzigartig.
Olson sucht nach dem Ursprung des Ausdrucks: Taucht er in anderen Texten auf? Ist es eine verbreitete Beleidigung oder etwas das Eupolis erfunden hat? Hat er es vielleicht in einer der vielen Kaffeeclubs des alten Athens aufgegriffen? Als nächstes erstellt Olson ein semantisches Feld, in dem er Ausdrücke sammelt, die eine ähnliche Bedeutung haben, um Rückschlüsse auf die Werte zu ziehen, die im antiken Griechenland als wichtig galten.
„Vogel“ war eine beliebte Beleidigung für jemanden, der unzuverlässig in seinen Ansichten und Handlungen war. Wie “Wind”, drückt dieser Ausdruck Unbeständigkeit aus. Stabilität war anscheinend für die Athener wertvoll. Wie in manchen Gesellschaften heute, wurde es geschätzt, wenn jemand sich niederließ und ein zuverlässiges und stabiles Leben führte. Die politische Situation dieser Zeit war sehr unsicher, was diesen Wunsch nach Stabilität verstärkte.
- Den Lebensstil der Schnorrer beschreiben
Eupolis lieh auch weniger beliebten Gruppen in der Polis eine Stimme. In einem Fragment erklären Schnorrer ihrer Lebensweise:
„Wir werden für Sie den Lebensstil der Schnorrer beschreiben: Wir sind durch und durch kluge Männer. Zunächst habe ich in der Regel einen Sklaven, der jemand anderem gehört, aber auch ein bisschen mir. Ich habe diese zwei guten Roben, die ich wechsele, wenn ich auf den Markt gehe. Wenn ich dort bin, picke ich jemanden aus, der nicht allzu schlau erscheint, aber reich ist, und ich folge ihm. Wenn ‚Herr Geld‘ etwas sagt, behaupte ich, es ist toll, und ich stehe sprachlos da, als ob ich ihm wirklich gerne zuhören würde. Dann gehen wir zum Abendessen in die Häuser verschiedener Menschen, um die Speisen von anderen zu essen. Ein Schnorrer muss in der Lage sein, schnell, clevere Bemerkungen zu erfinden oder er wird rausgeschmissen! ”
Auf diese Weise erzeugt die Analyse der Fragmente wertvolle Einblicke in diese Gesellschaft. Die athenischen Demokratie beeinflusste die Entwicklung der heutigen demokratischen Systeme grundlegend. Die Erforschung des athenischen Lebens ermöglicht auch Erkenntnisse über die moderne Gesellschaft. Die Eupolis-Fragmente helfen die Aufgabe des Dichters, des Künstlers und der Kunst in einer Gesellschaft zu verstehen.
- Wortspiele für den Wandel?
Sich über Politik und Politiker lustig zu machen, war ein weiterer Weg, um die Gunst des Publikums zu erringen: Athen war zu dieser Zeit eine blühende Demokratie. Die Bürger nahmen direkt an politischen Entscheidungen teil. Anders als in modernen Demokratien wie Deutschland ließen die Bürger keine gewählten Vertreter über Gesetze entscheiden. Sie stimmten direkt über die meisten Entscheidungen der Regierung ab. Auf diese Weise war der politische Bezug in den Komödien von großer Bedeutung für die Bürger. Politische Führer und wichtige Beamte lächerlich zu machen und sie zu kritisieren, war sehr beliebt.
„Er ist begabt darin, Unsinn von sich zu geben, aber nicht im Sprechen”, schreibt Eupolis etwa über eine öffentliche Figur. Die griechischen Dichter dienten als antike „Whistleblower“ und wiesen auf Probleme und Ungerechtigkeiten hin. Eupolis kritisierte auch die Bürger, in der Regel für ihr schlechtes Urteilsvermögen:
“Personen, die sie nicht einmal zum Weininspektor wählen würden, sind jetzt Generäle – Oh, Athen - du bist glücklich, aber nicht schlau!”
Trotz des Erfolgs des Spotts, waren die politischen Folgen gering, selbst in der athenischen Demokratie. Aristophanes und Eupolis warfen dem bekannten athenischen Führer Cleon oft vor, er sei ein Demagoge, und verurteilten seine Entscheidung Krieg gegen Sparta zu führen. Aber kein Krieg wurde beendet, kein Demagoge entthront: weder dank Eupolis noch dank Aristophanes.
Quelle: http://komfrag.hypotheses.org/46
Juli 1620: Kriegssteuern gegen die Exstirpation der Religion
Im Juli 1620 hatte der Feldzug gegen die aufständischen Böhmen noch gar nicht begonnen, als schon Probleme mit der Kriegsfinanzierung aufkamen. Maximilian von Bayern wünschte, daß die rheinischen Ligastände (also vor allem die drei geistlichen Kurfürsten) ihre Beiträge zur Kriegskasse erhöhten. Prompt organisierte Kurmainz ein Treffen, um über dieses Ansinnen beraten zu lassen. Maximilian ahnte, was kommen würde, und legte daraufhin Ferdinand von Köln seine Sicht der Dinge nahe (Herzog Maximilian von Bayern an Kurfürst Ferdinand von Köln, München 16.6.1620, Bay HStA Kasten schwarz 934 fol. 229-231 Konzept).
Dieser hatte kurz zuvor über die Schwierigkeiten berichtet, die erforderlichen Gelder aufzubringen. Maximilian muß über die Klagen seines Bruders Ferdinand enttäuscht, wenn nicht verärgert gewesen sein. Doch er ließ sich nichts anmerken, äußerte zunächst vielmehr Bedauern und versicherte, daß ihm die „difficulteten, beschwerden vnd verhinderungen“, von denen Ferdinand berichtet hatte, „ganz vnlieb“ seien. Daran knüpfte der bayerische Herzog aber die Hoffnung, daß sein Bruder doch noch „vff eisseriste mitl vnd weeg“ gedenken werde, um die erforderlichen Kriegssteuern für die Ligaarmee leisten zu können. Im Weiteren konnte er sich dann nicht die Bemerkung verkneifen, daß gerade er, Maximilian, als Bundesoberst der Liga die meisten Mühen zu ertragen und die größten finanziellen Lasten zu schultern habe. Entsprechend brach sich dann am Ende auch die Erwartung Bahn, daß sein Bruder Ferdinand als Kurfürst von Köln bei den anstehenden Beratungen ganz im Sinne Maximilians agieren und für die zügige Aufbringung der nötigen Gelder votieren werde.
Auffällig ist in diesem Schreiben Maximilians die überdeutlich konfessionell geprägte Argumentation. So fehlte nicht der Hinweis auf die höchste Not „des gemainen Cathollischen weßens […], darauff ainmal salus vel interitus religionis stehet“. Im Falle einer unzureichenden Finanzierung der Ligaarmee drohten nicht nur Spott, Schimpf und Nachteile, sondern vor allem ein „vnwiderbringlicher schaden der Cathollischen Religion vnd allen dessen zugewandten Stenden“. Gleichzeitig bekomme der Gegner die „erwinschte gelegenheit zu seinem schedlichen intent vnd extirpation der Religion“.
Das wirkt auf den ersten Blick deutlich alarmistisch und wohl auch etwas übertrieben. Ging es wirklich um Sein oder Nichtsein im Konfessionenstreit? Und meinte Maximilian dies wirklich so, wie er schrieb, oder skizzierte er nur ein Szenario, von dem er wußte, daß es bei den geistlichen Kurfürsten den gewünschten Effekt erzielen würde? Der bayerische Herzog war sicher ein kühl kalkulierender Fürst, der seine Argumente wohl abwog, auch in internen ligistischen Debatten. Doch sollte man nicht ausblenden, daß sich im Reich eine hochnervöse Spannung aufgebaut hatte, in der religiöse Existenzängste bei allen Konfessionsparteien nicht unbekannt waren. Axel Gotthard hat einmal von einem „Bedrohungssyndrom“ gesprochen, das er vor allem den geistlichen Kurfürsten attestierte. Es spricht einiges dafür, daß auch Maximilian von Bayern nicht frei von solchen Ängsten war. Und sie haben ohne Zweifel zumindest in dieser Phase auch die Politik maßgeblich mitbestimmt.
Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/358
Menschenrechtsbildung an Gedenkstätten
Oliver von Wrochem setzt sich im Webinar damit auseinander, ob Gedenkstätten, die an das nationalsozialistische Unrecht erinnern, geeignete Orte von Menschenrechtsbildung sein können, und
Quelle: http://lernen-aus-der-geschichte.de/Online-Lernen/content/11539
Horizon 2020 verabschiedet – Erste Ausschreibungen voraussichtlich am 11. Dezember 2013
Das EU-Büro des BMBF, PT-DLR informiert in einer Sondermeldung, dass das Rahmenprogramm für Forschung und Innovation – Horizon 2020 heute seine letzte Hürde genommen hat, der Ministerrat hat als letztes EU-Organ zugestimmt. In den kommenden sieben Jahren werden Forschung und Innovation mit ca. 70 Mrd. Euro gefördert. Erste Ausschreibungen werden ab dem 11. Dezember 2013 erwartet.
Horizont 2020 vereint das bisherige 7. Forschungsrahmenprogramm (7. FRP), das Europäische Innovations- und Technologieinstitut (EIT) sowie die innovationsrelevanten Teile des Rahmenprogramms für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation (CIP).
Horizont 2020 enthält drei Schwerpunkte, deren Inhalte jeweils von der Wissenschaft, der Wirtschaft und der Politik getrieben sind:
- Wissenschaftsexzellenz
- Führende Rolle der Industrie
- Gesellschaftliche Herausforderungen
Diese werden durch weitere Teile ergänzt:
- Erweiterung der Teilnahme und Ausweitung der Beteiligung
- Wissenschaft mit der und für die Gesellschaft
- Gemeinsame Forschungsstelle (JRC)
- Europäisches Innovations- und Technologieinstitut (EIT)
Einige Arbeitsprogramme sind bereits von der Kommission zur Orientierung von Antragstellenden unverbindlich unter http://ec.europa.eu/research/horizon2020/index_en.cfm?pg=h2020-documents veröffentlicht worden.
Quelle: http://dhd-blog.org/?p=2670
Review: 3. Alfried Krupp-Sommerkurs für Handschriftenkultur an der Universitätsbibliothek Leipzig (8.-14.9.2013)
Renaissance der Sommerkurse
Wenn sich der Sommer und die Vorlesungszeit ihrem Ende entgegen neigen, beginnt für den akademischen Nachwuchs die Zeit der Sommerkurse. Gerade im Bereich der mediävistischen Hilfswissenschaften scheint sich diese Form der Fortbildung zunehmender Beliebtheit zu erfreuen, wie zwei unlängst auf diesem Portal erschienene (und sehr positive) Erfahrungsberichte vermuten lassen.
Auch die Universitätsbibliothek Leipzig bietet seit drei Jahren Sommerkurse für Handschriftenkultur an, deren Realisierung sich der großzügigen Förderung der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach Stiftung (kurz: Krupp-Stiftung) verdankt. Ein Kurs zur mittelalterlich-abendländischen Handschriftenkunde konnte vom Handschriftenzentrum der UB Leipzig im September diesen Jahres in Zusammenarbeit mit dem Mediävisten-Verband zum zweiten Mal stattfinden .
Diese zunehmende Häufung solcher Kursangebote hat dabei nicht etwa zu einem redundanten Überangebot geführt, im Gegenteil: Das Panorama der handschriftenzentrierten Sommerkurse in Deutschland erscheint durch eine jeweils eigene Schwerpunktsetzung erfreulich bunt.
Von eher inhaltlich orientierten Kursangeboten, etwa dem Sommerkurs in Wolfenbüttel, reicht die Palette über im klassischen Sinne hilfswissenschaftliche Fortbildungsangebote, wie den kürzlich rezensierten Münchner Sommerkurs, bis zum umfangreichen Lehrgang SCRIPTO (und diese Liste ließe sich sicherlich beliebig fortsetzen). Sommerkurse bieten damit damit zunehmend eine notwendige und sinnvolle Ergänzung zum Curriculum an den Universitäten, an der die historischen Grundwissenschaften ja bekanntermaßen im Schwinden begriffen sind.
Handschriftenkultur im Fokus
Auch der Leipziger Sommerkurs unter der Leitung von Dr. Christoph Mackert hat einen ganz eigenen Zugang und Schwerpunkt gewählt und damit mit den Worten des Kursleiters „ein Experiment gewagt“, das meiner Ansicht nach durchaus geglückt ist. Ein weiterer – nunmehr dritter – Erfahrungsbericht auf diesem Blog scheint daher durchaus gerechtfertigt.
Die „Leipziger Schule“ zeichnet sich dabei durch einen fast schon holistischen Ansatz aus, der nicht nur einzelne Aspekte der Handschriftenkunde in den Blick nimmt, sondern sich im Grunde der Handschriftenkultur des Mittelalters als Ganzes widmet. Neben einer inhaltlichen Erschließung dieses breiten Feldes liegt eine Besonderheit des Kurses in der umfangreichen und (angeleitet) selbstständigen Arbeit der Teilnehmer mit dem Originalmaterial, den Handschriften. Thematischer Schwerpunkt des diesjährigen Kurses war vor allem der Bereich der Musikpaläographie und Liturgie. Trotz der fundamentalen Rolle dieser Bereiche für die mittelalterliche Kultur betrat der überwiegende Großteil der Teilnehmer mit dieser Themensetzung #Neuland, ein Umstand, der sicherlich als Verdienst des Kurses zu gelten hat.
Kursprogramm
Während der erste Leipziger Sommerkurs 2011 sich als Einführung in die Bearbeitung historischer Buchbestände und das Erkenntnispotential materialbasierten Forschens verstand, richtete sich der diesjährige Kurs an fortgeschrittenere Teilnehmer, die sich im Rahmen einer Abschlussarbeit oder Dissertation bereits mit den Grundlagen der Handschriftenarbeit vertraut gemacht haben. Die Einheiten des Kurses konzentrierten sich daher weniger auf das grundsätzliche Arbeiten mit Handschriften, sondern mehr auf die inhaltliche Vertiefung verschiedener Bereiche der Handschriftenkultur des Mittelalters.
Trotzdem begann der Kurs mit einer knappen und sinnvollen paläographischen Einheit durch Prof. Gerlinde Huber-Rebenich (Universität Bern). Hier wurden die Kenntnisse der Teilnehmer aufgefrischt und gute Tipps aus der paläographischen Praxis vermittelt.
Dieser handwerklichen Einführung folgte am Dienstag ein sehr dichter inhaltlicher Einführungsteil unter dem Schlagwort „Textüberlieferung des Mittelalters“. In jeweils etwa einer halben Stunde stellten ausgewiesene Experten einen(/ihren), für die Handschriftenkultur des Mittelalters relevanten Bereich vor: zunächst Dr. Chris Wojtulewicz (King’s College London) den Bereich der Theologie; dann Prof. Susanne Lepsius (Universität München) Recht; Prof. Iolanda Ventura (Université d’Orléans) führte in das Gebiet der mittelalterlichen Medizin ein; Dr. Mackert endete mit einer Übersicht über die Artes liberales. Neben einer systematischen Einführung wurde hier vor allem die handschriftliche Praxis des jeweiligen Gebietes vermittelt.
Das Konzept einer halbstündigen Einführung mag vielleicht dem jeweiligen Kenner der Disziplinen als nicht ausreichend erscheinen. Für die wirklich interdisziplinäre Gruppe stellte es sich aber als hervorragend geeignet heraus, um die Teilnehmer für bislang (in unterschiedlichem Maße) fremde Disziplinen zu sensibilisieren. Dieser ganze Block war inhaltlich und zeitlich ziemlich dicht, die kurzweiligen und vor allem praxisnahen Vorträge aber noch im Bereich des Aufnehmbaren.
Während die inhaltliche Sitzung am Dienstag Bereiche behandelte, die den meisten Teilnehmern wohl irgendwie geläufig waren, so führten die Einheiten von Mittwoch und Donnerstag den Großteil von ihnen auf unbekanntes Terrain. In zwei größeren Blöcken stellten Prof. Jeremy Llewellyn (Schola Cantorum Basiliensis) und Prof. Felix Heinzer (Universität Freiburg) die mittelalterliche Musik und Liturgie bzw. die musikalische und liturgische Handschriftenkultur vor. Dieses Feld, das wohl einen der wichtigsten Bereiche der mittelalterlichen Kultur und ihrer handschriftlichen Überlieferung darstellt, wird außerhalb der jeweiligen Spezialdisziplin häufig leider nicht ausreichend vermittelt. Schnell wurde deutlich, dass dieser Umstand wohl auch in der hohen Komplexität des Materials begründet liegt.
Trotzdem gelang es beiden Dozenten eine Basis zu vermitteln und vor allem Interesse zu wecken, auf das sich aufbauen lässt: Zunächst führte Jeremy Llewellyn anhand des Leipziger Thomas-Graduale in das weite Feld der mittelalterlichen Musik, vor allem aber in die Musikpaläographie ein. Dass es ihm dabei gelang, Historikern, Skandinavisten, Germanisten, Anglisten, Buchwissenschaftlern und Kunsthistorikern (und natürlich -innen) in ca. anderthalb kurzweiligen Stunden (unter vielem anderen) den Unterschied von adiastematischen und diastematischen Neumen zu verdeutlichen, spricht auch hier für die Qualität der Lehreinheiten.
Am nächsten Tag vermittelte Felix Heinzer die Grundlagen zur Erschließung liturgischer Handschriften und deren historischen Kontexts in Messe und Offizium in ähnlicher Weise. Musik- und Liturgiewissenschaftler wurden die Teilnehmer dadurch natürlich nicht, sicherlich konnte aber die Scheu vieler Teilnehmer vor diesen Handschriften und den mittelalterlichen Notationen genommen werden.
Als besonderes Highlight wurden diese theoretischen Einführungen am Mittwochabend durch einen Einblick in die Praxis des liturgischen Gesangs im Leipziger Thomanerkloster um 1300 ergänzt.
Auf der Grundlage des Thomas-Graduale interpretierte das Ensemble Amarcord den Gesangsteil einer Liturgiefeier (Kirchweih) in ihrem Ablauf. Jeremy Llewellyn und Felix Heinzer erklärten und kommentierten einem größeren Publikum die Hintergründe der liturgischen Feier und boten ergänzende Hinweise auf die priesterlichen Gebete, Lesungen und kultischen Handlungen zwischen den Messgesängen. Schon allein von der musikalischen Darbietung war der Abend ein Genuss. Übrigens schloss die Bibliotheca Albertina extra für diese Aufführung einige Stunden früher, wofür hier nochmals gedankt sein soll.
Abgeschlossen wurde der inhaltliche Aspekt des Kurses durch eine freitägliche Exkursion nach Naumburg, wo Archivleiter Matthias Ludwig von den Vereinigten Domstiftern durch den Dom, das Archiv und die Bibliothek führte und dabei einen Einblick in eines der acht riesigen Naumburger Chorbücher gewährte.
Arbeit mit den Handschriften
Soviel zum gelungenen inhaltlichen Programm des Kurses. Meiner Ansicht nach lag die Stärke des Kurses aber vor allem in der Arbeit mit den Handschriften. Zunächst möchte ich vorausschicken, dass das Handschriftenzentrum Leipzig hierfür ideale Bedingungen geschaffen hatte. So war etwa der Lesesaal extra für uns reserviert worden und Christoph Mackert und sein Team sowie die Dozenten waren jederzeit mit Rat, Tat und dem richtigen Hilfsmittel zur Stelle. Ich persönlich glaube, dass ich durch diese vielen Tipps und Tricks aus der Praxis am meisten gelernt habe.
Schon im Vorfeld des Kurses bekamen alle Teilnehmer eine Objektliste der Handschriften aus den im Kurs relevanten Themengebieten. Darunter 30 liturgische Fragmente aus der Zeit vom 9./10. bis ins 15. Jahrhundert, daneben ca. 20 unterschiedlichste Codices, darunter vor allem Objekte, die bislang noch nicht tiefer erschlossen worden sind. Jeweils der halbe Tag war zur Bearbeitung der Handschriften reserviert.
Die Ergebnisse dieser Bearbeitung wurden am Ende des Kurses präsentiert. Hier konnte eigentlich jede Gruppe bislang unbekannte und überraschende Erkenntnisse für eine ihrer Handschriften oder Fragmente vorweisen, so dass die Teilnehmer nicht nur klüger, sondern vor allem um ein kleines Erfolgserlebnis reicher nach Hause gehen durften. Gerade bei der Arbeit mit dem handschriftlichen Original ist das ja nicht unbedingt selbstverständlich.
Teilnehmer und Organisation
Ein paar Worte noch zur Organisation des Kurses: Sehr positiv aufgefallen ist mir die aufwändige und gelungene Organisation des Kurses durch das Team des Handschriftenzentrums, die den Aufenthalt für die Teilnehmer so angenehm und produktiv wie möglich gestaltet haben. Auch die Nachbereitung der Kurseinheiten war durch das Bereitstellen von Materialien, Fotos und Digitalisaten hervorragend und nachhaltig.
Am wichtigsten und augenscheinlichsten war aber die wirklich angenehme Atmosphäre: zum einen durch die Mitarbeiter und Dozenten, die über das übliche Maß hilfsbereit, hilfreich und offen für Fragen und Gespräche aller Art waren.
Zum anderen ist aber auch das Auswahlkonzept der Kursteilnehmer aufgegangen, bei dem großer Wert darauf gelegt wurde, möglichst viele Leute aus unterschiedlichen Fächern und Universitäten zusammenzubringen. Diese interdisziplinäre Heterogenität der Gruppe mit den jeweils sehr unterschiedlichen Perspektiven der Teilnehmer war aus meiner Sicht ein großer Gewinn für den Kurs.
Zusammenfassend hat das Team des Handschriftenzentrums mit dem diesjährigen Sommerkurs unter großem Einsatz ein beeindruckendes Programm auf die Beine gestellt und dabei für eine so freundliche Atmosphäre gesorgt, die nicht nur das Arbeiten und Lernen gefördert, sondern auch den persönlichen Austausch der Teilnehmer über Fachgrenzen hinweg ermöglicht hat (sowohl während als auch nach dem täglichen Kursprogramm).
Und zu allerletzt noch eine Anmerkung zur Förderung des Kurses durch die Alfried-Krupp-Stiftung. Gerade beim wissenschaftlichen Nachwuchs ist die finanzielle Situation ja durchaus sehr unterschiedlich, ebenso die Reise-, Unterkunfts- und Teilnahmekosten eines solchen Kurses. Der Alfried-Krupp-Stiftung ist es zu verdanken, dass durch die Übernahme all dieser Kosten die Teilnahme am Sommerkurs keine Frage des eigenen Geldbeutels oder Projektbudgets war, was eine Besonderheit des Leipziger Kursangebots darstellt. Ich bin mir nicht sicher, ob Handschriftenkurse bei Stiftungen grundsätzlich oberste Förderpriorität besitzen, ich hatte aber auf jeden Fall den Eindruck, dass das Geld, zumindest am Ertrag des Kurses gemessen, gut angelegt war.
Ich persönlich konnte für mein Dissertations-Projekt viel mitnehmen und fühle mich nun relativ gut auf die Arbeit mit den Handschriften vorbereitet. Dass darüber hinaus auch sehr nette persönliche und „berufliche“ Kontakte entstanden sind, rundet das Bild des Leipziger Sommerkurses nur ab, den ich nachdrücklich jedem Mediävisten empfehlen kann.
Fotos: Handschriftenzentrum der UB Leipzig
Blog:Rainer Eckert, 2013/11/28
Quelle: http://docupedia.de/zg/Blog:Rainer_Eckert,_2013/11/28
Netzwerk Jüdische Geschichte digital
Netzwerk Jüdische Geschichte digital
Die AG Digitale Geschichtswissenschaft besteht nun schon seit über einem Jahr und leistet einen wichtigen Beitrag zur fachinternen Diskussion über die Auswirkungen und Herausforderungen der Digitalisierung. Seit einigen Monaten existiert innerhalb der AG auch das Netzwerk Jüdische Geschichte digital.
Die Idee für seine Gründung geht unter anderem auf die Konferenz „Jüdische Geschichte digital“ zurück, die im Juni 2013 am Institut für die Geschichte der deutschen Juden in Hamburg stattfand. Die Konferenz verdeutlichte, dass es zwar bereits eine Vielzahl von Projekten und digitalen Angeboten im Bereich jüdische Geschichte gibt, die Vernetzung und der Austausch untereinander aber oftmals noch zu kurz kommen. Der Tagungsbericht kann hier abgerufen werden.
Vor diesem Hintergrund versteht sich das Netzwerk Jüdische Geschichte digital als ein loser Verbund zum Austausch zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die mit der Erstellung digitaler Projekte befasst sind, sich mit Fragen digitaler Geschichtsvermittlung oder allgemein der Digital Humanities im Kontext jüdischer Geschichte auseinandersetzen.
Neben Erfahrungen bei der Erstellung digitaler Angebote soll die Diskussion über methodische und inhaltliche Veränderungen im Fach jüdische Geschichte angeregt werden. Ebenso kann das Netzwerk dazu dienen über neue Projekte oder interessante Veröffentlichungen zu informieren und auf relevante Veranstaltungen hinzuweisen.
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Quelle: http://digigw.hypotheses.org/449