Walter Benjamin wird 120

Heute vor 120 wurde der Philosoph und Literaturkritiker Walter Benjamin geboren. Der Mann, der unter anderem die Redewendung geprägt hat, dass man die Geschichte “gegen den Strich bürsten” müsse.

Benjamin Memorial “Passatges” in Port Bou.Gestaltet von Dany Karavan.

Benjamin war unter den dialektischen Intellektuellen des 20. Jahrhunderts sicher der nachdenklichere und der im besten Sinne sensiblere. Bis heute sind seine Arbeiten wegweisend für die Kultur- und Medientheorie. Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit ist wahrscheinlich den meisten – zumindest dem Titel nach – ein Begriff.

Wer sich mit Benjamin beschäftigen möchte, muss sich Zeit nehmen. Sein Sprache ist oft schwierig. Die Texte und Fragmente setzen einiges an Hintergrundwissen voraus. Das macht es nicht einfach. Aber die Mühe kann sich lohnen.

Für alle Menschen, die mit historischem Material arbeiten, empfehle ich seinen Aufsatz Eduard Fuchs, der Sammler und der Historiker (1937). Sehr gut lesbar werden hier viele Aussagen Benjamins zum Umgang mit Geschichte zusammengeführt. Sein großes Werk über die Pariser Passagen ist leider über die Materialsammlung nicht hinausgekommen. Aber die Sammlung wurde als “Passagenwerk” veröffentlicht und enthält unzähligen Anregungen für Historikerinnen und Historiker. Vor allem Benjamins Arbeitsweise und Zugriff weitet den intellektuellen Horizont.

Benjamins Thesen Über den Begriff der Geschichte (1940) gelten vielen als sein intellektuelles Testament. Kurz nach Niederschrift dieser Thesen nahm sich Benjamin auf der Flucht vor den Nazis im spanischen Port Bou – das ist in den Pyrenäen an der französischen Grenze – das Leben.

Da ich vor wenigen Wochen am Grab Walter Benjamins war und natürlich keine Geburtsfotos von Benjamin habe, hier zumindest ein paar Aufnahmen aus Port Bou und vom dortigen Benjamin Memorial.

Benjamin Memorial.

Deutscher Hinweis auf das Memorial.

Grabstein am Rand des Friedhofs.

Rückblick auf Port Bou und den Friedhof.


Einsortiert unter:Ereignis

Quelle: http://kritischegeschichte.wordpress.com/2012/07/15/walter-benjamin-wird-120/

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Volkssprachliche Flugschriften – Quellentyp und Methode

Ein sehr wichtiger Bestandteil meines Quellenkorpus sind volkssprachliche Flugschriften aus dem altgläubigen Lager. Flugschriften, oder in der Quellensprache „büchlein“, sind günstig hergestellte, handliche Mehrblattdrucke. Die Größe und der Seitenumfang können je nach Bindung stark variieren. Altgläubige Flugschriften scheinen im Durchschnitt länger gewesen zu sein als evangelische Flugschriften – zwischen 10 und 120 Folio-Seiten. Sie sind Massenware, wobei die Zahl der evangelischen Drucke die der altgläubigen Drucke bei weitem übersteigt und die altgläubige Flugschriftenproduktion erst nach 1520 in Schwung kommt. Diese volkssprachlichen Flugschriften richten sich in aller Regel an den niederen Klerus und den Gemeinen Mann, vor allem aus dem eigenen Lager und der großen Masse der – wie es in den Quellen heißt – „Verwirrten“ und „Verführten“, also der noch nicht eindeutig Festgelegten. Je nach Bedeutung des Autors im sozialen Feld und der Brisanz des Themas variiert die Verbreitung der Drucke. Die Inhalte stehen meist nicht für sich allein, sondern nehmen – verteidigend oder angreifend – Bezug auf vorangegangene Schriften. Sie zeichnen sich durch hohe Aktualität aus. Behandelt werden theologische Fragen (jedoch vereinfacht im Vergleich zu lateinischen Schriften und immer mit einer sehr “lebensweltlichen” Verbindung), aktuelle Ereignisse, Kriege, Veränderungen in der Religionspraxis, Wahrnehmungen des anderen Lagers, Zeitdeutungen usw.
Die Nachfrage lässt sich an der Zahl der Neuauflagen einer Schrift ablesen. Häufig neu gedruckt werden bei den Altgläubigen jedoch nur wenige Schriften, mehr als fünf Neueditionen innerhalb weniger Jahre im Reich sind selten. Indizien für die Einordnung der Flugschriften liefern auch die Flugschriftenpraktiken. Bei den Altgläubigen deuten meine Quellenfunde darauf hin, dass die Drucke vor allem über Netzwerke altgläubiger Kleriker verbreitet werden. Eine einzelne Flugschrift wurde vor allem zwischen Klöstern häufig verschickt und von dort aus in Städten an den Weltklerus und interessierte Laien weitergegeben und das, wie es scheint, recht rasch. Auch altgläubige Weltgeistliche kauften mitunter große Mengen an Flugschriften und versuchten, diese weiter zu verkaufen oder zu verteilen. Ein Flugschriftenexemplar dürfte demnanch dutzende Rezipienten haben. In Klöstern (wie bei den Nürnberger Klarissen) wurden die Schriften zu den Mahlzeiten vorgelesen. In Biberach erfolgte die Lektüre durch den altgläubigen Weltgeistlichen von Pflummern wohl persönlich und still zuhause, auch mangels anderer Abnehmer. Flugschriften sind somit in ihrem Gebrauch ein eminent soziales Artefakt. Man spricht über sie, man tauscht sie, man verteilt sie. Ihr Kauf/Besitz ist ein soziales Positions-Statement in der frühen Reformation. Denn man kauft vorwiegend das, was man auch gerne liest. Im Umkehrschluss wird deutlich: Flugschriften richten sich (auch mit ihrem geschriebenen Inhalt) an ein präzises potentielles Publikum, nämlich an das (tendenzielle) eigene Lager im Glaubensstreit. Flugschriften vertiefen und bestätigen vor allem schon vorhandene Kulturen und spiegeln diese somit auch. Sie eignen sich also gut zur zeitnahen Rekonstruktion von kulturellen Aktualisierungs- und Abgrenzungsprozessen.

Quelle: http://catholiccultures.hypotheses.org/112

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Motivation durch Belohnung?

Unser Gehirn reagiert auf Belohnungen. Allerdings anders, als wir uns das gemeinhin vorstellen. Ein Satz wie: „Wenn du das und das tust, bekommst du 5 Euro“ bewirkt in der Regel eher das Gegenteil von dem, was man erreichen möchte. Und da sind wir schon beim Punkt. Eine Belohnung dafür auszusetzen, damit jemand etwas tut, was man gerne von ihm möchte, funktioniert nicht wirklich.

Hierzu gibt es viele und große Studien. Beispielhaft möchte ich zunächst folgende Studie von Lepper, Greene und Nisbett (1973) aufführen: Vorschulkinder, die gerne malten und zeichneten, wurden in drei Gruppen eingeteilt. Der ersten Gruppe wurde eine Belohnung fürs Malen und Zeichnen versprochen. Der zweiten Gruppe wurde nichts versprochen, sie erhielt nach dem Malen eine unerwartete Belohnung. Der dritten Gruppe wurde nichts versprochen und erhielten auch nichts. Zwei Wochen später sollten die Kinder erneut malen und zeichnen. Dabei stellte man fest, dass die Kinder der ersten Gruppe weniger Zeit dafür aufwendeten als die Kinder der zweiten und dritten Gruppe, die sich nur wenig unterschieden. Außerdem wurden die Bilder nach vorher festgelegten Kriterien beurteilt. Die Bewertung ergab, dass das qualitative Ergebnis der Kinder der ersten Gruppe unter dem der anderen beiden Gruppen lag.

Aus Studien wie dieser kann man schließen, dass erwünschtes Verhalten aufgrund von extrinsischer Belohnung abnehmen kann. Ja, eine Tätigkeit, die vorher Spaß machte, wird dadurch verdorben. Warum ist das so? Wir Menschen sind grundsätzlich motiviert. Wären wir das nicht, würde es uns nicht geben. Eine Tätigkeit, die wir gerne machen, und für die wir plötzlich eine materielle Verstärkung erhalten, muss wohl ziemlich blöd sein, wenn es dafür schon Geld gibt. Also machen wir das fortan nicht mehr (oder weniger).

Durch weitere Untersuchungen konnte festgestellt werden, dass die Art der Belohnung von Bedeutung ist. Materielle Belohnungen wie Geld korrumpieren und wirken sich auf intrinsische Motivation negativ aus. Dagegen wirkt sich Lob verstärkend aus. Demnach ist verbale extrinsische Verstärkung geeignet, ein bestimmtes Verhalten zu fördern.

Genauso haben Boni eher eine negative als positive Wirkung. Die Leistung ist bei einem hohen Bonus im Vergleich zu mittleren und eher niedrigeren Boni am schlechtesten, weil ein hoher Bonus den Druck erhöht. Dadurch nimmt die Risikobereitschaft zu und die Leistung ab.

Außerdem wurde gezeigt, dass ein hoher Bonus nur bei einfachen mechanischer Tätigkeit einen positiven Effekt hat, während sich bei geistigen Tätigkeiten ein geringerer Bonus positiv auswirkt.

Richtig zu motivieren ist gar nicht so leicht, wie man sehen kann. Tom Sawyer brachte seine Freunde dazu, für ihn den Zaun zu streichen, indem er herausstellte, wie viel Spaß es mache und welche Ehre es sei. Spaß und Ehre, wer will das nicht? Für den 30 Meter langen Zaun seiner Tante Polly hat es gereicht. Ob solch eine Methode allerdings dauerhaft funktionieren würde, ist fraglich.

Siehe auch Manfred Spitzer bei BR-alpha: http://www.br.de/fernsehen/br-alpha/sendungen/geist-und-gehirn/geist-gehirn-belohnung100.html

Quelle: http://games.hypotheses.org/318

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Ansichtssache: DH Nachwuchs bloggt zur DH2012

Unter http://dh.z-f-g.de/ werden die StudentInnen des Bachelor-Studiengangs Digital Humanities der Universität Würzburg über die diesjährige Digital Humanities Conference in Hamburg bloggen was das Zeug hält. Ihre “Ansichtssache” stellen sie zudem im Science Slam auf der DHD-Unconference am 17.7.2012 vor.

 

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=714

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(H-Soz-u-Kult): 8 x 0,6 Wiss. Mitarb. “DFG-Graduiertenkolleg: Freunde, Gönner, Getreue” (Univ. Freiburg im Breisgau)

Institution: Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg Datum: 01.12.2012-30.11.2015 Bewerbungsschluss: 14.09.2012 Im Rahmen des DFG-Graduiertenkollegs Freunde, Gönner, Getreue: Praxis und Semantik von Freundschaft und Patronage in historischer, anthropologischer und kulturvergleichender Perspektive der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau werden zum 1. Dezember 2012 8 Promotionsstellen (Wiss. Mitarbeiter/-in, TV-L E 13, 60 %) vergeben. Die Laufzeit der Promotionsstelle beträgt zunächst anderthalb Jahre. [...]

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2012/07/3063/

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Ausschreibung für 2 Digital Humanities Professuren in Leipzig und Bern

Mitgeteilt via GCDH:

UNIVERSITÄT LEIPZIG – W3 Digital Humanities – Frist: 06.08.2012

An der Fakultät für Mathematik und Informatik ist zum nächstmöglichen Zeitpunkt folgende Professur zu besetzen: W3-Professur Digital Humanities. Die Fakultät sucht eine/n international ausgewiesene/-n Wissenschaftler/-in auf dem Gebiet der Digital Humanities, der/die sowohl in den Geisteswissen-schaften als auch der Informatik ausgewiesen ist, und über Erfahrungen im Aufbau und Betrieb eines großen Digital Humanities Portals sowie in der interdisziplinären Lehre verfügt. Beispiele für Arbeitsfelder, auf denen sich das Institut für Informatik im Bereich der Digital Humanities verstärken möchte, sind: Text Mining basierte Analysen historischen Wissenstransfers in der antiken Welt, die Wechselwirkungen zwischen der antiken und arabischen Welt, die Nutzung interaktiver Visualisierungen und modell-basierter Simulationen für die Analyse unseres kulturellen Erbes. Zu den Aufgaben der Professur gehört insbesondere der Aufbau eines internationalen Masterstudienganges “Informatik für die Geisteswissenschaften” zusammen mit der Professur für Computational Humanities.

Die Ausschreibung erfolgt im Rahmen des Programms der Alexander von Humboldt-Professur – Internationaler Preis für Forschung in Deutschland der Alexander von Humboldt-Stiftung. Voraussetzung für die Ruferteilung ist eine positive Begutachtung des/der Kandidaten/-in durch die Alexander von Humboldt-Stiftung mit Gewährung einer Alexander von Humboldt-Professur. Die Bewerber/-innen müssen die Berufungsvoraussetzungen gemäß § 58 SächsHSG erfüllen. Die Universität Leipzig legt Wert auf die berufliche Gleichstellung von Frauen und Männern. Schwerbehinderte werden zur Bewerbung aufgefordert und bei gleicher Eignung bevorzugt berücksichtigt. Bewerbungen richten Sie mit den üblichen Unterlagen (unter Beifügung einer Liste der wissenschaftlichen Arbeiten und der akademischen Lehrtätigkeit, einer beglaubigten Kopie der Urkunde über den höchsten erworbenen akademischen Grad und des Nachweises der Qualifikation für das Berufungsgebiet) bitte bis 06. August 2012 an: Universität Leipzig, Dekan der Fakultät für Mathematik und Informatik, Herrn Professor Dr. Hans-Bert Rademacher, Postfach 10 09 20, 04009 Leipzig

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UNIVERSITÄT BERN – Assistenzprofessur Digital Humanities – Frist: 01.09.2012

Zum 1. Februar 2013 ist an der Philosophisch-historischen Fakultät der Universität Bern eine Assistenzprofessur in “Digital Humanities” neu zu besetzen. Die Stelle ist zunächst auf vier Jahre befristet. Eine Verlängerung um zwei Jahre ist nach positiver Evaluation möglich. Die Inhaberin/der Inhaber der Assistenzprofessur vertritt das Fach “Digital Humanities” an der Philosophisch-historischen Fakultät der Universität Bern in Forschung und Lehre. Sie/er ist wissenschaftlich ausgewiesen durch einschlägige Forschungen zur Verwendung von computergestützten Verfahren und digitalen Ressourcen in den Geistes- und Kulturwissenschaften, etwa in der Textanalyse, in der Visualisierung komplexer Datenanalysen, in digitalen Editionen oder in der Erschliessung von Archiven. Die Assistenzprofessur soll ein spezifisches Profil durch die geistes- und kulturwissenschaftliche Ausbildung der Inhaberin/des Inhabers erlangen, das sowohl in Lehre als auch Forschung sichtbar sein muss.

Erwartet wird  daher die Habilitation oder eine gleichwertige wissenschaftliche Leistung in einer geistes- oder kulturwissenschaftlichen Disziplin. Sie/er hat Erfahrung in der Einwerbung von Drittmitteln. Erwartet werden die Bereitschaft zur interdisziplinären Zusammenarbeit am fakultären Center for Cultural Studies sowie die Beteiligung an laufenden Studienprogrammen und an Forschungen am interfakultären Netzwerk digitale Information. Von der Stelleninhaberin/dem Stelleninhaber wird neben der Betreuung der Studierenden und Doktorierenden auch die Mitarbeit an fakultären und universitären Aufgaben verlangt. Die Universität Bern strebt eine Erhöhung des Frauenanteils in akademischen Führungspositionen an und fordert deshalb Wissenschaftlerinnen nachdrücklich auf, sich zu bewerben. Bewerbungen mit Curriculum Vitae, Verzeichnis der Publikationen, Liste der eingeworbenen Drittmittel, Angaben über bisherige Lehrtätigkeit, Lehrevaluationen sowie die Mitarbeit in akademischen Gremien sind bis zu
m 1. September 2012 als PDF-Datei einzureichen bei kueffer@histdek.unibe.ch Weitere Informationen auf www.philhist.unibe.ch/content/jobs/ Universität Bern, Philosophisch-Historische Fakultät, Länggassstrasse 49, 3012 Bern www.philhist.unibe.ch

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=710

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Lexikon zur Computergeschichte: 286er – 80286, 80287

Den 80286 brachte Intel 1982 auf den Markt. Er fand insbesondere durch IBMs AT-PCs Verbreitung. Der 80286 war der erste Prozessor, der im 8086-kompatiblen Real Mode ausgeführt werden konnte und darüber hinaus durch den Protected Mode insbesondere erweiterte Funktionen zur Speicheradressierung anbot. Als mathematischer Koprozesor stand der 80287 zur Verfügung, der bis zur Einführung des [...]

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2012/07/3060/

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Virtuelle Dokumentationsstelle Polen in Deutschland

  Bericht vom Workshop zur Vorstellung der Machbarkeitsstudie zur “PID” von Jacek Barski  |  Dortmund, 10./11. Juli 2012 Der Tagungsort Zeche Zollern in Dortmund: Das berühmte Jugendstil-Portal wird zurzeit renoviert. Auch eine Baustelle: die geplante “Dokumentationsstelle zur Geschichte und Kultur der Polen in Deutschland”   In Dortmund ging heute auf der Zeche Zollern ein Workshop zu Ende, auf dem die Machbarkeitsstudie “Dokumentationsstelle zur Geschichte und Kultur der Polen in Deutschland” (im Folgenden: PID) präsentiert und diskutiert wurde. Vorrangiges Ziel ist der Aufbau einer Online-Plattform, die möglichst viele Interessierte über die Geschichte polnischer Migranten in Deutschland informieren soll – eine Zuwanderergruppe, die jenseits von Podolski und Klose heute öffentlich kaum wahrgenommen wird. Die “reale” Dokumentationsstelle soll in Bochum angesiedelt werden. Initiiert wurde das Projekt im Juni 2011 sowohl von deutscher als auch polnischer Seite. Als Förderer der Machbarkeitsstudie wurde neben dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien auch der Landesverband Westfalen Lippe (LWL) mit ins Boot geholt. Jacek Barski hat in den vergangenen Monaten die rund 150-seitige Machbarkeitsstudie erstellt, die sowohl die historisch-politische Relevanz des Themas als auch ein vielversprechendes virtuelles Dokumentations-Konzept umfassend darlegt. Wichtigstes Ergebnis des Workshops war, dass alle beteiligten Akteure und die verschiedenen Kooperationspartner das Projekt jetzt konkret angehen wollen. Auf inhaltlicher Ebene betonten die anwesenden polnischen Verbände den Anspruch, in erster Linie polnische “Spuren” zu dokumentieren und die Interessen der “Polonia” zu vertreten. Prof. Dieter Bingen (Deutsches Polen Institut, Darmstadt) konnte mit seinem Hinweis auf aus Migrationen resultierenden hybriden Identitäten deutlich machen, dass für die Dokumentation multiperspektivische Fokussierungen von besonderem Interesse wären, um einseitige nationale Perspektivierungen zu überwinden und interkulturelles Lernen zu ermöglichen. Der Ansatz der hybriden Identitäten kann heute den größten Teil der meist bereits schon lange in Deutschland lebenden polnischen Migranten zutreffend beschreiben, die ihre Identität nicht eindeutig als polnisch oder deutsch verorten. Abgesehen von inhaltlichen Debatten erwiesen sich aus didaktischem Blickwinkel das von Barski angestrebte Konzept eines virtuellen Dokumentationszentrums und die verschiedenen Vorträge zu technischen Aspekten und virtuellen Präsentationsformaten als innovativer Ausweis des Projekts. Die Open-Source-Plattform soll multimediale Anwendungen mit allen Formaten digitaler Medien, User-generated Content, Online-Ausstellungen, einer Zeitzeugen-Plattform und Kommunikation über verschiede Social-Media Kanäle integrieren. Zudem soll mittels Apps ein Atlas deutsch-polnischer Erinnerungsorte erstellt werden. Die Kooperationspartner (insbes. Fraunhofer-Institut) vermittelten hier originelle und pragmatische mediale Umsetzungsstrategien. Zum Web2.0-Anteil wurde noch nicht deutlich, in welchem Umfang die User beitragen können resp. wie viel redaktioneller Aufwand daraus entsteht. Zu hoffen ist auch, dass der formulierte Open-Source Anspruch mittels geeigneter Lizensierung (Creative Commons) tatsächlich umgesetzt wird. In der abschließenden Diskussion eine generationsabhängige Skepsis über den “Wert des Virtuellen” deutlich. Während des Workshops wurde auch auf das politische Prestigeobjekt des deutsch-polnischen Schulbuches verwiesen, das mit hohem finanziellen Aufwand erstellt und in Zukunft als Buch erscheinen soll. Die meisten Experten sind sich schon im Vorfeld einig, dass es kaum Nachfrage finden wird, weil es zu wenig auf die Bedürfnisse der Schulen abgestimmt ist. Das nutzerorientierte Konzept des Online-Portals PID setzt sich positiv hiervon ab und in Zukunft kann diese Open Source-Ressource direkt im Schulunterricht eingesetzt werden. Die Online-Plattform könnte sich somit zu einem Leuchtturmprojekt entwickeln. Bildnachweis: Zeche Zollern, Baustelle Jugendstilportal, 10. Juli 2012: Pallaske CC BY SA 3.0    

Quelle: http://historischdenken.hypotheses.org/377

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Ekel als Scheidungsgrund

Am 3. April 1850 rechtfertigte sich der 64jährige Schneidermeister Johann Duschek gegen die Vorwürfe, die seine um 33 Jahre jüngere Ehefrau Rosalia Duschek gegen ihn vorgebracht hatte, wie folgt:

Was den 2ten Scheidungsgrund anbelangt, nämlich, daß er mit einem übelriechenden Athem und Ausdünstung behaftet sey, so müße er diesen Umstand als unwahr widersprechen. … Übrigens berufe er sich auf die Wahrnehmung der gerichtlichen Commission, denn, wäre die Angabe der Klägerin in dem Grade richtig, wie sie in ihrer Klage behauptete, so müßte dieser Übelstand auch von dem Gerichte wahrgenommen werden könnnen.

Rosalia Duschek antwortete während derselben Tagsatzung, wie ein Verhandlungstermin vor Gericht bezeichnet wurde, dass für sie

die Ausdünstung ihres Gatten Pest [sei] und es komme ihr vor, als wäre sie in der Nähe eines Leichnames, sie habe deßhalb auch zu Hause nichts eßen können.

Die Gerichtskommission ging auf die Aufforderung des beklagten Ehemanns ein und nahm Stellung zu diesem Übelstande. Der Gerichtsschreiber vermerkte folgendes im Protokoll:

Von Seite der Kommission wird bemerkt, daß Johann Duschek der Gerichtscommission sehr nahe stand, und deßen ungeachtet von der behaupteten übelriechenden Ausdünstung nichts bemerkt wurde, und daß auch die Klägerin dem Geklagten knapp zur Seite stand, ohne durch eine derlei Ausdünstung belästiget zu werden.


Quelle: http://ehenvorgericht.wordpress.com/2012/07/11/ekel-als-scheidungsgrund/

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