Neue Wände

So, jetzt bin ich doch in die neuen Wände eingezogen – und von außen hat sich gar nicht soviel geändert. Nur im Hintergrund hat sich einiges getan und wird sich hoffentlich in naher Zukunft noch einiges tun. Meine Vorstellung habe ich schon erneuert, einiges an Plänen habe ich auch schon im Kopf.

Aber nun erstmal der Historikertag 2012 in Mainz! Und ich freue mich über Besuch an meinem Plakat im Doktorandenforum (auch wenn ich eifrig die Sektionen besuchen werde und daher eher in den Pausen da anzutreffen bin).

Quelle: http://csarti.net/2012/09/neue-wande/

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Stadtarchiv Speyer@web.2.0. Aus der social-media-Praxis eines Kommunalarchivs

Entwurfsfassung (Vorabversion): Beitrag zur “Informationsveranstaltung: Social media – Chance oder Gefahr” (Deutscher Archivtag, Köln, 28.9. 2012).

Der Kurzbericht aus der Praxis des Stadtarchivs Speyer wird an dieser Stelle vorab (in ausformulierter Entwurfsfassung) veröffentlicht und zur Diskussion gestellt. Für Hinweise und Ergänzungen (gerne auch im Hinblick auf den 28.9.)  bin ich dankbar. Auf den Nachweis von Links wurde aus Zeitgründen verzichtet. Nach der Veranstaltung wird ergänzend die PPT veröffentlicht werden.  

 

Ich beginne meinen Praxisbericht zunächst mit einem Zitat:

Das Netz ist kein virtueller Raum. Es gehört zur Lebensrealität einer immer größer werdenden Gruppe von Menschen. Zu meiner kulturellen Identität gehört das Jazz-Konzert, der Besuch der Oper, ein gutes Computerspiel, Blogs und Twitter etc. Alle diese Komponenten sind ein Teil meiner gelebten Kulturwelt. Und diese Welt hat sich durch die digitalen Angebote massiv verändert. Nun bin ich kein „Digital Native“. Ich kenne eine Welt ohne Computer und Internet – und ich möchte auf keinen Fall dahin zurück. Bei allem Trash, bei all der Masse an Angeboten … – ich habe gelernt damit zu arbeiten … Wir brauchen die Kulturinstitutionen im Netz. Und die Kulturinstitutionen brauchen das Netz, um ihre eigene Realität weiter entwickeln zu können. … die kulturellen Inhalte und ihre Rezipienten sind bereits im Netz – es sind nur die Institutionen, die bis jetzt in der Breite noch nicht in der digitalen Welt angekommen sind. Christoph Deeg (Jahrbuch für Kulturpolitik 2011, S. 193f.; http://crocksberlin.wordpress.com)

Die sozialen Medien sind wenn man so will der aktuelle Stand des Internets und schon allein aufgrund ihrer Größe kaum noch zu ignorieren. Soviel steht fest und m.E. gilt das auch für Kulturgut verwahrende Einrichtungen wie Archive. Zahlreiche kleine und große Bibliotheken, auch viele Museen usw. machen uns mittlerweile vor, wie ein Einsatz der sozialen Medien auch im Archivwesen aussehen könnte. Gar nicht so wenige ausländische Archive und Archivverwaltungen im Web 2.0 unterwegs. Aus meiner Sicht im Vordergrund steht bei vielen Einrichtungen zunächst die Funktion als Mittel der Öffentlichkeitsarbeit, aber auch das „offene, transparentere“ Archiv erscheint wie ein Gebot der Stunde. Dazu gehört die direkte Kommunikation z.B. über Facebook oder Twitter, dazu könnte aber auch die „Kollaboration“ bei der Erschließung, Verschlagwortung oder Transkription ausgewählter Bestände und Archivalien zählen – eine ganze Reihe zumeist nichtdeutscher Archive (von den US-National archives angefangen und bis hin zu kleinen Einrichtungen und Projekten) macht uns vor, was in Sachen nutzergenerierter Erschließung möglich ist.

In meinem kurzen Bericht möchte ich jetzt die typischen Fragen und Argumente pro und contra nur am Rande streifen: Ja, die Zahl der Beitragsaufrufe, gemessen bei Facebook, ist für ein kleineres Archiv immens und überstieg in knapp 12 Monaten die Millionengrenze. Wir liegen bei aktuell knapp 680 Fans aus über 20 Staaten. Wir sind damit mit dem Stadtarchiv Amberg und dem ÖSTA nach Zahlen „führend“, was sich natürlich angesichts der immer noch kleinen Zahl deutschsprachiger Web 2.0-Archive wieder relativiert. Hinweisen möchte ich dabei allerdings auf das Stadtarchiv Linz am Rhein, das als Beispiel eines nebenamtlich betriebenen, gleichwohl digital sehr präsenten Archivs gelten kann. Weiter könnte man die Stadtarchive Heilbronn und Bielefeld erwähnen, die z.B. schwerpunktmäßig über Umbauten und Umzugsmaßnahmen berichten; dann das kleine Stadtarchiv Brilon, das mit einigem Erfolg „Fundstücke“ postet. Dass auch Archivare mit ihren privaten Accounts „Archivisches“ posten und eine Gruppe namens „Archivfragen“ existiert – das nur am Rande. Aber genug davon.

Wir holen das Netzpublikum dort ab, wo es mittels einer einfachen Internetseite nur noch teilweise abgeholt werden will. Bei Twitter stehen wir derzeit bei über 6.000 Kurznachrichten und haben über 400 Follower, die diese Nachrichten lesen und manchmal auch weiterverteilen. Die als PPT im Netz stehenden Vorträge aus der Arbeit des Archivs werden in der Regel mehrere Hundert mal angesehen, also um ein mehrfaches im Vergleich zum analogen Publikum; in Einzelfällen kommen wir auf mehrere Tausend Zugriffe. Ähnliches gilt für unsere derzeit knapp 20 Alben mit Fotosammlungen und kleinen virtuellen Präsentationen auf Flickr.

Nein, dies hat allerdings nicht dazu geführt, dass sich die Nutzerzahl im Lesesaal geradezu verdoppelt hätte. Die Zahl unserer Online-Kunden, Freunde und Follower hat sich aber vervielfacht, wenn man auf die bis Anfang 2011 bestehende eher kümmerliche Homepage zurückblickt. Wir sind gut vernetzt und werden wahrgenommen, in der Region und auch durchaus in der weiteren „Archivwelt“. Die Nachrichten und Informationen werden auch von Personen rezipiert, von denen man dies nicht erwarten würde (Stichwort „silver surfer“). Gleichzeitig ist der Arbeitsaufwand – und das ist eine oft gestellte Frage – relativ gering. Web 2.0 heißt bei uns: ein halbes Dutzend Anwendungen werden von 2-3 Mitarbeitern in der Regel ca. 2-3h pro Woche „bedient“. Wir beschränken uns nicht nur auf Facebook. Facebook ist bei weitem nicht optimal, stellt seine Nutzer aufgrund von Änderungen immer wieder vor neue Probleme und Fragen, technisch und auch rechtlich. Andererseits: es bietet ziemlich gute Optionen für die Online-Präsentation von Kultureinrichtungen.

Ein Teil unseres „klassischen“ und ein erheblicher Teil des möglichen erweiterten Zielpublikums bewegt sich in Facebook. Das soziale Netzwerk zu ignorieren wäre, wie wenn man vor einigen Jahren das Internet als Ganzes boykottiert hätte.

Neben dem sozialen Netzwerk betreiben wir wie gesagt für das Stadtarchiv einen Twitter-Account, ebenso Auftritte bei Flickr und Slideshare; ebenso sind wir bei der Wikipedia. Dazu kommt ein kleines regionalgeschichtliches Blog, das über mehrere Monate befüllt wurde – es ging um das Bloggen eines Hausbuchs der Zeit um 1800. Für die Tagung „Offene Archive?“, die wir im November 2012 in Speyer veranstalten, nutzen wir ebenfalls ein Weblog: Archive 2.0 läuft als Blog unter dem Dach des deutschsprachigen geisteswissenschaftlichen Blogportals „hypotheses“. Eine Fortsetzung über die Tagung hinaus ist natürlich beabsichtigt. Ein gleichnamiger Twitter-Account dient der Verbreitung von Neuigkeiten.

Wir nutzen also derzeit noch kein institutionelles Blog für das Archiv. Ein frühes Beispiel hierfür wäre z.B. das nicht mit Archivalia zu verwechselnde Blog des Hochschularchivs Aachen, in jüngerer Zeit z.B. das Blog der Archive im Kreis Siegen-Wittgenstein (siwiarchiv). Ein Grund für die derzeitige Nichtnutzung bei uns ist sicherlich, dass wir uns nach der Web 2.0-Strategie der Stadt Speyer richten müssen, die eine Fokussierung auf die gängigen Anwendungen vorsieht. Ein Blog im „Hintergrund“, hinter Facebook & Co. ist allerdings durchaus überlegenswert und gerade Archive 2.0 zeigt, dass hier Potential vorhanden ist.

Daneben nutzen wir eine ganze Reihe weiterer Anwendungen und kleiner Programme, die man dem weiten Web 2.0-Kosmos zuordnen könnte. Vom kollaborativen Arbeiten a lá Dropbox, über Terminfindungen via Doodle bis hin zu Hilfsmitteln wie Tinyurl, Twitpic und Tweetdeck als „Dashboard“. Zu den Hilfsmitteln im weiteren Sinn zähle ich auch eine regelmäßige Nutzung von Digitalkamera und Smartphone – das Posten von Bildern peppt Nachrichten ungemein auf, das mobile Posten (Twittern – so etwa hier vom Archivtag) ist ebenfalls wichtig.

Wir sind als Teilprojekt eines Anfang 2011 gestarteten Web 2.0-Pilotprojekts der Stadtverwaltung Speyer online gegangen. Das Projekt ist nach einem guten Jahr abgeschlossen und als erfolgreich gewertet worden. Neben uns verfügt auch die Pressestelle der Stadt, die Tourist-Information und die Stadtbibliothek über Web 2.0-Auftritte. Zumeist steht eine Facebook-Fanpage im Mittelpunkt, das Profil der Stadt soll allerdings mit einer komplett neuen Gesamthomepage geschärft werden, d.h. es wird jetzt auch Sharing-Funktionen geben (zum Verbreiten von Neuigkeiten der Homepage); es wird auch explizite Hinweise geben zu den Auftritten der Stadt im Web 2.0 (und dann mit Videokanal usw.). Verwendet wird dabei eine Zwei-Klick-Lösung, auf die direkte Einbindung von sozialen Plugins wird verzichtet. Der Impressumpflicht ist derzeit wohl Genüge getan. Eine Dienstanweisung regelt seit einiger Zeit den Umgang der involvierten Mitarbeiter mit den sozialen Netzwerken – hierzu gibt es ja mittlerweile genügend Beispiele. Die datenschutzrechtliche Debatte um Facebook ist sicher dazu angetan, dass sich die Web 2.0-Arbeitsgruppe in Zukunft noch öfter treffen wird. Aus meiner Sicht ist der Graben zwischen kommunalen Öffentlichkeitsarbeitern und Kultureinrichtungen auf der einen Seite und den Datenschutzbeauftragten der Länder erheblich und schwer zu schließen.

 

Jetzt noch ein Blick auf Facebook und Twitter konkret. Was wird von uns ins Netz gestellt? Sicherlich nicht „alles“, wie manche vermuten. Facebook wird unter der Woche täglich mit ca. 2-3 Nachrichten befüllt. Wir haben denke ich eine ganz gute Mischung gefunden:

  • Da sind einerseits Fotos und Berichte über das, was sich gerade im Archiv „abspielt“ oder etwas beendet wurde. Das können Arbeiten im Magazin sein, neu ins Archiv geholte Abgaben, neu verzeichnete Bestände oder auch aktuelle Fotos von Vortragsabenden im Archiv. Ebenso findet sich vieles zum Jüdischen Museum in Speyer sowie zu den verschiedenen Gedenkstätten, da das Archiv hier eine koordinierende Funktion hat.
  • Dann bieten wir Hinweise auf eigene und fremde Veranstaltungen, Pressemitteilungen u.ä. (die wir ergänzend auf FB verbreiten)
  • Archivfachliche Informationen und generell die Interaktion mit anderen Archiven
  • Und schließlich kommen historische Fotos mit kurzen Erläuterungen sehr gut beim regionalen Publikum an. Von Einzelfotos (Straße, Kirche, Gebäude XY) über kleine Serien etwa zur Sportgeschichte bis hin zu größeren Zusammenstellungen mit Speyer-Bezug: Rheinhochwasser, Jahrhundertwinter 1929, 1. Weltkrieg (jeweils auch Flickr-Alben).

Vielleicht noch ein Wort zum Umgangston in den sozialen Medien: zu sehr amtlich klingende Verlautbarungen (Schließung, Aktentransporte) sollte man eher vermeiden. Zumindest sollten sie nicht im Zentrum des Auftritts stehen. Andererseits muss man nicht zwanghaft in der Kommunikation ins „Du“ verfallen. Es gibt Mittelwege wie eine Ansprache mit „Ihr“ und das gute alte „Sie“. Was die Verwendung von Fotos angeht: man sollte durchaus kreativ sein und nicht nur saubere Archivkartons und schön beleuchtete Magazine online stellen. Ein Foto mit einer blubbernden Kaffeemaschine kann sehr gut mit dem Hinweis, dass gerade eine Teambesprechung ist, verbunden werden.

Jetzt abschließend noch ein Blick auf Twitter: Der Kurznachrichtendienst ist nicht nur einfach zu erlernen; er erlaubt vor allem, mit seinen Kurzblogs von maximal 140 Zeichen schnell und häufig an die Öffentlichkeit zu kommen und auf dem Laufenden zu bleiben. Wir informieren unsere Follower z.B. über geplante Vorträge und Veranstaltungen sowie allgemein gesprochen über die Tätigkeit und Arbeitsfelder des Archivs – also das, was gerade „eben“ im Archiv passiert. Auch das Bloggen von Tagungen gehört zu den Möglichkeiten, die wir gerne nutzen. Natürlich habe ich auch die Möglichkeit, Facebook-Posts analog auf Twitter erscheinen zu lassen, aber das sollte auch nicht die einzige Form des „Twitterns“ sein. Die Herstellung von Netzwerken, in unserem Fall neben Archiven und Bibliotheken auch mit vielen Kollegen, Historikern und Studenten, ist ebenfalls ein wichtiger Aspekt; gerade Twitter erscheint mir in vielem noch zielgruppenrelevanter als z.B. Facebook zu sein, auch wenn die typischen Spam-Follower etwas nerven. Nicht betonen muss ich, dass die Fachcommunity in Deutschland immer noch klein ist, was die Twitternutzung angeht. Man hat es also eher mit twitternden Bibliothekaren, Kulturmanagern, Historikern, Studenten und dazu auch vielen Kollegen in Europa und Übersee zu tun.

Ich komme zum Schluss: Viele Fragen sind in Sachen Web 2.0 noch nicht endgültig geklärt. Manche Schwächen und Modifizierungen einzelner Anwendungen müssen natürlich im Blick behalten werden, worauf ich ja bereits hingewiesen hatte. Aber wir können nicht mehr zurück, der digital-soziale „Tiger“ will geritten werden.

Ich habe versucht, einen kurzen Einblick in die Web 2.0-„Praxis“ des Stadtarchivs zu geben. Ein digital-soziales Archiv ist jedenfalls möglich und ich bin gespannt, was uns die Zukunft bringen wird. Eine komplette Ignorierung der sozialen Medien im Archivwesen und durch die Archivare zeugt jedenfalls von Realitätsverlust. Und das wäre bedauerlich.

Quelle: http://archive20.hypotheses.org/225

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Papierhaufen und Käseblatt

ungustiös geschwätziger Papierhaufen - durchaus treffende Charakterisierung der Zeit durch Max Goldt im 35-Jahre-Jubel-Falter; wobei Kurt Palms Statement auch was hat:

Mitte der 90er-Jahre habe ich den Falter einmal als „liberales Käseblatt“ bezeichnet. Seither hat sich viel verändert. Nur der Falter nicht. Da Prinzipienfestigkeit in Österreich aber bekanntlich eine eher seltene Eigenschaft ist, gratuliere ich dem Falter sehr herzlich.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/156265834/

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Architektur in diktatorischen Systemen

Ist Architektur immer auch politisch? Und spiegelt sich das jeweilige politische System in den Bauten seiner Zeit? Im kommenden MONTAGSRADIO, Ausgabe 14/2012, sprechen wir mit Fritz Neumeyer, Professor für Architekturtheorie an der TU Berlin, über den Zusammenhang von Architektur und Ideologie und den heutigen Umgang mit historischen Gebäuden.

Quelle: http://www.montagsradio.de/2012/09/24/architektur-in-diktatorischen-systemen/

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Veröffentlichung: Personen identifizieren – Eine Geschichte von Störfallen

In der neuesten Ausgabe des Kriminologischen Journals ist gerade unser gemeinsamer Artikel Personen identifizieren – Eine Geschichte von Störfallen erschienen. Es handelt sich dabei um einen Kommentar zu Raul Gschreys künstlerischem Beitrag “Der typische Deutsche” oder “Automatisierte Erkennung erfordert indivduelle Charakteristika – sei durchschnittlich.”

Ausgehend von Gschreys Arbeit gehen wir in diesem Kommentar auf einige Aspekte der Geschichte und Entwicklung, Ausverhandlung und Implementierung von Identifizierungstechniken und ihrer Störfälle ein.

 

Gruber, Stephan/Meßner, Daniel/Musik, Christoph (2012): Personen identifizieren – Eine Geschichte von Störfallen. Kriminologisches Journal, Heft 3 (2012), S. 219-224.

Quelle: http://www.univie.ac.at/identifizierung/php/?p=4023

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Spannender Zettelkatalog über Reisende in Paris von 1495 bis 1933 in der Bibliothèque Historique de la Ville de Paris

von Carolin Pfister

Ein verborgener Schatz liegt in der Bibliothèque Historique de la Ville de Paris begraben: ein Zettelkatalog über Reisende in Paris von 1495 bis 1933. Bislang hat dieser Katalog laut den Aussagen des Bibliothekars Jean-François Dubos sehr wenig Aufmerksamkeit erfahren. Auch über die Entstehung des Katalogs weiß man nur sehr wenig. Wahrscheinlich wurde er in den 1920er Jahren angelegt. Möglicherweise wurde das Projekt von dem damaligen Direktor der Bibliothek, Marcel Poëte, initiiert, der sich sehr für die Geschichte der Stadt Paris interessierte. Letztlich weiß man aber nichts Genaueres über die Entstehungsgeschichte. Im Rahmen des Forschungsprojektes über Deutsche in Paris im 19. Jahrhundert von Dr. Mareike König wurde dieser Schatz nun wieder ausgegraben:

Der Zettelkatalog verzeichnet die publizierten Reiseberichte aller europäischen Reisenden in Paris und wurde sehr detailliert angelegt. Es gibt drei verschiedene Ordnungssysteme: Die Reiseberichte sind nach Jahren, nach Schlagwörtern und nach Berichten über die Umgebung von Paris geordnet. Insgesamt werden Reisende von 1495 bis 1933 erfasst, jedoch teilweise lückenhaft. Zudem wurden wahrscheinlich nur publizierte Werke erfasst und keine Manuskripte. Dadurch ergibt sich das Problem, das man nicht genau weiß, inwiefern der Katalog letztlich vollständig ist. Die ganze Sammlung umfasst etwa 88 Schubladen und befindet sich auf der Galerie, direkt über dem Empfang der Bibliothek.

Auf den einzelnen Karteikarten wird jeweils der Reisende mit Namen, soweit bekannt, verzeichnet. Daneben findet man den Titel des Reiseberichts und eventuelle bibliographische Angaben zur Publikation des Berichts sowie die Signatur. Darüber hinaus wird auf weiteren Karteikarten der Inhalt des Reiseberichts, mit Bezug auf Paris und Seitenangabe, geschildert:

      

Zu beachten ist, dass sich nicht alle Reiseberichte, die der Katalog erfasst, in der Bibliothèque Historique befinden. Die überwiegende Mehrheit der Reiseberichte befindet sich in der Bibliothèque Nationale de France. Außerdem muss immer die Signatur auf den jeweiligen Karteikarten mithilfe der Onlinekataloge der beiden Bibliotheken überprüft werden, da die Sammlung bereits sehr alt ist und die Signaturen möglicherweise nicht mehr aktuell sind. Ein Vorteil ist, dass viele Titel auch online bei Google Books oder Gallica zu finden sind.

Für Wissenschaftler, die sich für Reisende in Paris interessieren, ist der Katalog eine sehr gute Möglichkeit, einen Überblick über die Anzahl der Reisenden zu gewinnen. Darüber hinaus kann man erkennen, in welchen Jahren besonders viele Reisende in Paris waren und vor allem woher die Reisenden kamen. Besonders interessant sind die sehr guten Inhaltsangaben zu den Reiseberichten. Die Angaben beziehen sich lediglich auf Paris, d.h. alle Reiseberichte wurden auf ihren Bezug zu Paris hin untersucht, wodurch man rasch einen guten Überblick über die Themen der Berichte erlangt.

Abschließend merci beaucoup an Jean-François Dubos, der mir, so gut wie möglich, alle meine Fragen beantwortet hat!

Im Anhang eine Auflistung deutscher Reisender während des 18. Jahrhunderts.

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Alle Fotos wurden von Carolin Pfister aufgenommen.

Quelle: http://dhdhi.hypotheses.org/1228

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Nie wieder Kommunismus? Zur linken Kritik an Stalinismus und Realsozialismus

Ein Lesetipp.

Bis vor wenigen Jahren war in der aktivistischen Linken das Thema Stalinismus- bzw. DDR-Kritik toter als tot. Die antiautoritäre Linke verlor mit einigem Grund nicht viel Worte über den „Realsozialismus“, ist dieser doch Lichtjahre entfernt von einer nicht näher definierten, utopischen, herrschaftsfreien Gesellschaft („Auf Staat und Parlamente, habe ich noch nie vertraut“). Mit der Hinwendung zum Kommunismus-Begriff, den in den vergangenen Jahren größere Teile der radikalen Linken unternommen haben, wächst auch die Notwendigkeit und das Interesse daran, sich mit dem Wesen und der Genese des Stalinismus auseinanderzusetzen. Ein erster Höhepunkt war sicherlich Bini Adamczak’s Essay „gestern morgen“ aus dem Jahr 2007.

Und tatsächlich: In der Auseinandersetzung mit der autoritär gewendeten Revolution kann nur gewonnen werden, der Band der Gruppe INEX ist dafür ein gutes Beispiel. Die Entstehung des Bandes ist verbunden mit einer Reihe von Veranstaltungen, die sich zum Teil hier nachhören lassen, geht aber in seiner Breite (12 Aufsätze und eine Einleitung) weit darüber hinaus.

Der Band ist politisch auf der Höhe der Zeit sowohl wissenschaftlich als auch politisch.[bearbeitet 25.09.2012 nach Einwand P.B./Kommentar 1) Auch wenn im Folgenden nur einzelne erwähnt sind, habe ich alle Aufsätze samt Einleitung gelesen und nur bei einem einzigen Aufsatz keine rechte Lust gehabt, ihn zu Ende zu Lesen – das ist eine verdammt gute Quote. (Hier geht’s zum Inhaltsverzeichnis)

Für einen kenntnisreichen, hoch aktuellen und systematischen Überblick über den Stalinistischen Terror etwa ist der Aufsatz von Christoph Jünke („Schädelstätte des Sozialismus“) sehr zu empfehlen. Er geht nicht nur auf die Opferzahlen oder die berüchtigten Moskauer Prozesse ein, sondern gibt gleichzeitig Einschätzungen zum Charakter dieser Maßnahmen und schließlich auch zum Widerstand dagegen.

Der Beitrag von Hendrik Wallat belegt eindrücklich, was man schon immer geahnt oder zumindest gehofft hatte: Es gab von Anfang zeitgenössische linke und kommunistische Kritik am Bolschewismus – Analysen, die sich auch heute noch mit Gewinn lesen lassen. Einige wichtige Texte wurden von Wallat ausgegraben und samt ihres rätekommunistischen oder anarchistischen Kontextes vorgestellt.

Bini Adamzcak steuert einen Text zur „geschlechtlichen Emanzipation“ in der russischen Revolution bei („Hauptsache Nebenwiderspruch“). Er ist zum Teil erheiternd, zum Teil sehr spannend, auf jeden Fall aber perspektivenerweiternd. Im Grunde genommen präsentiert dieser Aufsatz zunächst ein sehr originelles Gesamtverständnis der russischen Revolution, bevor er zur Haupt/Nebenwiderspruchsfrage übergeht.

Es liegt an Konzept und Fragestellung des Bandes, dass sich auch die weiteren Aufsätze des Bandes auf Bolschewismus bzw. Staatssozialismus konzentrieren (z.B. der Beitrag der Gruppe paeris) und historisch nicht wirksam gewordene Alternativen (Anarchismus, Sozialrevolutionäre) entsprechend randständig bleiben. Deshalb erscheint mir die zum Teil recht harsche Kritik in dieser Hinsicht als ziemlich unangemessen.

Meckern kann man ja meistens, hier zum Beispiel darüber, dass nur Ulrike Breitsprecher es geschafft hat, auf andere Artikel innerhalb des Bandes zu verweisen. Die Verdienste dieses Bandes werden aber durch solche kleineren Unzulänglichkeiten nicht ernsthaft eingeschränkt.

Gruppe INEX (Hg:) Nie wieder Kommunismus? Zur linken Kritik an Stalinismus und Realsozialismus, Münster 2012.
232 Seiten, 14,80 Euros


Einsortiert unter:Arbeiterbewegung, Literatur

Quelle: http://kritischegeschichte.wordpress.com/2012/09/23/nie-wieder-kommunismus-zur-linken-kritik-an-stalinismus-und-realsozialismus/

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