Red Faction Guerrilla – Protest, Revolte und Revolution in und mit digitalen Spielen

von Clemens Reisner*

 

Digitale Spiele zu spielen, heißt oftmals, und insbesondere wenn es sich um Actionspiele handelt, sich im Abwehrkampf zu üben. Schon seit Space Invaders gilt das Prinzip, dass es dann am Spannendsten wird wenn gegen eine drückende aber eben nur scheinbar unbesiegbare Übermacht anzugehen ist. Der Abwehrkampf ist aber noch nicht unbedingt gleichbedeutend mit Protest und schon gar nicht mit Revolte oder Revolution. Im Gegensatz zur Reform, der es um systemimmanenten Umbau geht und dem Protest der auf Missstände bloß hinweist, ist es der Revolte und Revolution darum bestellt sich außerhalb eines als defizitär und dysfunktional wahrgenommenen Systems zu stellen, es zu stören oder zum Stocken zu bringen um es schließlich ganz überwinden zu können. Es gilt also

(…) daß jeder revolutionären Erschütterung ein gesellschaftliches Bedürfnis zugrunde liegen muß, dessen Befriedigung durch überlebte Einrichtungen verhindert wird.“[1]

Es liegt auf der Hand, dass es bei alldem wesentlich darauf ankommt was von wem wie als ausreichend defizitär oder dysfunktional definiert wird um seine gewaltsame Beseitigung zu rechtfertigen.[2] Die hier genannten Begriffe des Protests, der Revolte und der Revolution sind aus diesem Grund schillernd, notorisch unscharf und nur schwer zu abstrahieren.

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Quelle: http://spielkult.hypotheses.org/1289

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Das Unspielbare spielen – Imaginationen des Holocaust in Digitalen Spielen

von Eugen Pfister

 

„Sucht man heute nach Romanen, Filmen oder Theaterstücke, die sich kritisch mit dem Nationalsozialismus und insbesondere mit dem Holocaust auseinandersetzen, wird man rasch fündig: Fast jedes Jahr erscheinen neue Filme, die immer wieder neue Wege suchen den Holocaust zu erzählen.[1] Sucht man jedoch parallel dazu nach einem aktuellen digitalen Spiel,[2] welches den Holocaust imaginiert, gestaltet sich die Suche schon weitaus schwieriger – wenn nicht gar als ganz unmöglich.[3] Ist das Unterhaltungsmedium Spiel ungeeignet, die ethischen und moralischen Fragen des Themas verantwortungsvoll aufgreifen zu können? Ein oft wiederholter Einwand war und ist, dass digitale Spiele nie Kunst sein können und ihnen daher die Würde fehle, um die Verbrechen des Nationalsozialismus adäquat zu kommunizieren. Der Journalist Jordan Hoffman fasste diese Auffassung 2013 in einem Artikel für die ‚Times of Israel‘ plakativ zusammen: ‚Where the line of decency is drawn is somewhat dependent on whether you consider video games art, storytelling or a braindead way to kill time, blasting pixels in increasingly gross ways while memorizing movement patterns‘[4]

Zuletzt wurden aber immer öfter Stimmen hörbar, die eine Auseinandersetzung darüber verlangten, wie Erinnerung an den Holocaust an eine nächste, digitale Generation zu kommunizieren sei. So eröffnete die Historikerin Steffi de Jong von der Universität Köln im Dezember 2015 die Tagung „Digitale Wege gehen? Vom Add-On zur digitalen Lernumgebung in Gedenkstätten und Erinnerungsorten“ mit einem Vortrag, in welchem sie explizit auf das Potenzial von Social Media, digitalen Spielen und holographischen Zeitzeugeninterviews hinwies:

 ‚Generell sollte eine zukünftige Erinnerungskultur 3.

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Quelle: https://spielkult.hypotheses.org/1235

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Achtung, Audiophiles Auditorium! Melodien für Polygone

Von der Ludomusikologie

Arno Görgen*, Rudolf Inderst** und Eugen Pfister im Gespräch mit Melanie Fritsch***

 

In einem gediegenen bürgerlichen Salon der 1920er Jahre. Der blaue Dunst von Zigaretten, Pfeifen und Zigarren wabert durch den elegant ausstaffierten Salon und lässt das satte Herrenzimmergrün der gemusterten Wände dort, wo es hinter den dunklen Regalen und der auf Seriosität bedachten Ahnenportraits hervorschimmert, zu einer gedankenvollen Fläche verschwimmen. Während sich in einer Ecke des Raumes auf einem flachen Podest ein Streichquartett ehrlich bemüht und einige Gäste die eigens durch Entmöbelung dafür vorgesehene Tanzfläche im enormen Licht der Kristallleuchter zum Walzen nutzen, gilt das Interesse einer kleinen Gruppe jedoch etwas anderem: Einem mattschwarz gebeizten Schrein mit einer Drehscheibe, der, offenbar etwas verschämt, auf einem Beistelltischchen in eine dunkle Ecke der benachbarten Antichambre geschoben wurde.

MF: Das Neueste vom Neuen, meine Herren, wie kann man einen solchen Schatz in der Ecke verstecken? Sehen Sie nur, es ist sogar elektrisch! [wedelt so aufgeregt mit ihrem Glas, dass ein Teil des offenbar in Schottland zum goldfarbigen Endprodukt gebrannten Inhalts auf den Boden schwappt]

AG: [neigt das Monokel in seiner Hand unmerklich in Richtung des Klangapparates] Verehrteste, dieser neumodische Mumpitz wird niemals obsiegen. Einer Musik die auf solchen Scheiben eingepresst wird, fehlt doch der Raum für die Seele!

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Quelle: http://spielkult.hypotheses.org/1186

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Videospiellokalisierungen und ihre (inter-)kulturellen Aspekte

Cola statt Alkohol / Frau statt Mann

von Dejan Lukovic*

Videospiellokalisierungen sind für die meisten Spieler_innen kein neues Phänomen. Inhaltliche, spielmechanische und ästhetische Veränderungen von Spielinhalten, ermöglichen es bestimmten Videospielen auf mehreren Märkten zu erscheinen. Gerade deutschen Spieler_innen wird aufgrund der strengen Regeln der USK die Realität verschiedener lokaler Versionen von Videospielen immer wieder ins Bewusstsein gerufen. Doch was steckt eigentlich hinter Videospiellokalisierungen? Wie können diese wissenschaftliche gefasst werden und welche (inter)-kulturellen Implikationen können in den verschiedenen Versionen analysieren?

Lokalisierung

Die – mittlerweile nicht mehr aktive – Localization Industry Standards Association (LISA), begreift Lokalisierung als „the process of modifying products or services to account for differences in distinct markets (including language and cultural differences)“.[1] Innerhalb der Translation Studies tut sich hier jedoch das Problem auf, dass sich eine solche breite Definition zu wenig vom Begriff der Translation abgrenzen würde.[2] Innerhalb eines akademischen Rahmens situiert sich der Begriff der Lokalisierung in den Translation Studies[3], wodurch er auch in einem Verhältnis zum Begriff der Translation steht[4], der in den Translation Studies breite kulturelle Aspekte miteinbezieht[5] und Lokalisierung somit subsumieren könnte[6]. Ursprünglich stammt Begriff Lokalisierung selbst aus der Software Industrie[7], die unter Translation die bloße Übersetzung von der Source Language in die Target Languages ohne kulturelle Implikationen versteht[8] und die Beschäftigung mit kulturellen Aspekten über den Begriff der Translation hinaus gegeben sieht[9], eben in der Lokalisierung[10].

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Quelle: http://spielkult.hypotheses.org/1165

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Imaginationen der französischen Revolution im digitalen Spiel Assassin’s Creed: Unity

 „Des patriotes, ces abrutis!“ Imaginationen der französischen Revolution im digitalen Spiel Assassin’s Creed: Unity

Eugen Pfister (Wien)

Im November 2014 war – gerade rechtzeitig für den Weihnachtsverkauf – mit Assassin’s Creed: Unity (Ubisoft Montreal: CA 2014 / PS4 u.A.) das mittlerweile siebente Spiel der ungebrochen populären Action-Adventure-Spielereihe Assassin’s Creed1 von Ubisoft erschienen. Nach den Kreuzzügen, der Renaissance, dem amerikanischen Unabhängigkeitskrieg und dem „Goldenen Zeitalter der Piraterie“,2 ist die Rahmenhandlung des digitalen Spiels diesmal in der Hochphase der französischen Revolution in Versailles und Paris angesiedelt. Unity bleibt somit der Tradition des Geschichtstourismus treu; die SpielerInnen werden im Laufe des Spiels Zeuginnen und Zeugen ausgewählter historischer Ereignisse wie der Rede König Ludwig des XVI. vor den Etats Géneraux und des Sturms auf die Bastille. In der fiktionalen Gestalt des Assassinen Arno Dorian begegnen sie außerdem mehreren realen „great men and women3 wie Napoleon Bonaparte, dem Marquis de Sade, dem Comte de Mirabeau und nicht zuletzt Robespierre.

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Quelle: https://fnzinfo.hypotheses.org/852

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Plädoyer für eine argumentenbasierte Debatte zur Wirkung gewalthaltiger Spiele


Zur Wirkung digitaler Spiele

 

In meiner Untersuchung politischer Mythen setzte ich mich intensiv mit der Frage der Wirkung digitaler Spiele auseinander und werde im Laufe der nächsten Monate auf diesem Blog mehrere kurze Beiträge zu Fragen der Identitätskonstruktion, Sozialisierung und Transferprozesse in Spielen publizieren. Da ich wissenschaftlich im Bereich der Kulturwissenschaften, genauer Geschichts- und Politikwissenschaften, sozialisiert wurde, ist es mir nicht nur möglich, mithilfe methodischer Werkzeuge historische Kontinuitäten und Brüche im Kommunikationsprozess zu entdecken, sondern auch zu analysieren wie sich diese Kommunikationsprozesse in einem spezifischen gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Umfeld aufbauen, bzw. welcher Logik sie gehorchen und welche Aussagen sie transportieren/konstruieren: Welche Weltbilder werden in digitalen Spielen kommuniziert/konstruiert? Dergestalt lassen sich politische, gesellschaftliche und kulturelle Diskurse erkennen und analysieren. Hier befinden wir uns auf der Makroebene der Medienwirkungsforschung. Dieser steht eine Mikroebene gegenüber, die sich in der Frage kondensieren lässt, wie digitale Spiele auf einzelne SpielerInnen wirken.  Diese Frage ist auch für meine Forschung von Interesse. Zu ihrer Beantwortung braucht es aber vor allem psychologischer bzw. soziologischer Untersuchungen.

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Quelle: http://spielkult.hypotheses.org/1114

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Drei Herren am Strand


Arno Görgen*, Rudolf Inderst** und Eugen Pfister*** diskutieren darüber, was sie sich von Spielen wünschen.

 

Es ist Hochsommer in der Aquitaine. Die Sonne strahlt – von keiner Wolke gehemmt – auf die Grand Plage der Küstenstadt Biarritz. Im Sand vor dem Casino sitzen zwei gutaussende junge Herren in ihren gewiss sehr modischen gestreiften Badeanzügen auf Liegestühlen unter einem Baldachin. Ein Kellner vom nahen Hotel bringt gekühlte Getränke.

AG: Zigarre? [pustet träge eine Ameise weg, die gerade über seine nackten Füße krabbelt].



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Quelle: http://spielkult.hypotheses.org/1092

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Drei Herren am Strand

Über das Transmediale und das Genuine des Digitalen Spiels

Arno Görgen*, Rudolf Inderst** im Gespräch mit Eugen Pfister***

 

Es ist Hochsommer in der Aquitaine. Die Sonne strahlt – von keiner Wolke gehemmt – auf die Grand Plage der Küstenstadt Biarritz. Im Sand vor dem Casino sitzen zwei gutaussende junge Herren in ihren gewiss sehr modischen gestreiften Badeanzügen auf Liegestühlen unter einem Baldachin. Ein Kellner vom nahen Hotel bringt gekühlte Getränke.

AG: Zigarre? [pustet träge eine Ameise weg, die gerade über seine nackten Füße krabbelt].

RI: [blickt kurz  auf eine soeben halb im Sand steckende Rocellaria Dubia]: Nein, danke, mein Freund.

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Quelle: http://spielkult.hypotheses.org/1092

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Embedded Game Studies


Eine Virtuelle Screenshot-Ausstellung:

In der sozialwissenschaftlichen Feldforschung ist die teilnehmende Beobachtung gängige Praxis. Dabei handelt es sich um die bewusste persönliche Teilnahme der Forschenden am Leben der zu beobachtenden Personengruppen. Der Forschungsansatz dabei ist, dass die persönliche Eingliederung in die zu beobachtende Lebenswelt neue Perspektiven ermöglicht, die durch eine simple Beobachtung „von Außen“ nicht möglich gewesen wäre. Eine große Herausforderung der teilnehmenden Beobachtung ist , dass sich das Forschungsobjekt im direkten Kontakt mit den ForscherInnen auch verändert.  Diese Erkenntnis ist für HistorikerInnen von großer Bedeutung: Erinnert es uns doch daran, dass allein die Form unserer Forschungsfrage das Ergebnis mitbestimmt und verändert.

 

 

I Don't understand "history".

I Don’t understand „history“. (Eugen Pfister / King’s Quest / 29.

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Quelle: http://gespielt.hypotheses.org/837

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„Von der verbotenen Liebe des Spielejournalismus und der Game Studies“


Arno Görgen*, Rudolf Inderst** und Eugen Pfister im Gespräch mit Robert Glashüttner***, Conny Lee**** und Rainer Sigl*****

 

Prolog

Eine Bibliothek wie von Jorge Luis Borges erdacht, Wände aus Elfenbein mit figürlichen Schnitzereien die vergessene HeldInnen darstellen von Samus Aran bis Stanley (dem Angestellten), Reihen um Reihen aus ebenhölzernen überladenen Bücherregalen. Eine durch das Opaion einer gewaltigen Kuppel einstrahlende Lichtsäule beleuchtet einen Arbeitstisch, über und über bedeckt mit Pergamenten, Büchern, Bookazines und Podcast-Transkripten. 

Erster Akt

EP [auf einem umgestürzten Kapitel sitzend und einen Federkiel mit dem Messer anspitzend]: Wenn junge Kulturjournalisten und KulturjournalistInnen anfangen in ihren Überlegungen zu Computerspielen Adorno zu zitieren, stelle ich mir die Frage, wozu es  uns Kulturwissenschaftlerinnen und die Game Studies überhaupt noch braucht. Haben wir nicht alle unsere Studien mit dem hehren Ziel angefangen, den Geheimnissen des Spiels auf den Grund zu folgen und die ganze Welt an unseren Erkenntnissen teil haben zu lassen?  Zugleich haben wir verlernt unser Wissen so zu kommunizieren, dass auch NichtwissenschaftlerInnen es verstünden. Schuld daran ist ja nicht unbedingt die Überkomplexität des Gegenstandes oder unserer Gedanken sondern vielmehr unsere oft unnötig verklausulierte Sprache, die wir uns im akademischen Rahmen anerziehen. Sind also nicht KulturjournalistInnen im Grunde die besseren Wissensvermittler, die besseren KulturwissenschaftlerInnen?



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Quelle: https://spielkult.hypotheses.org/1018

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