Briefe für Monsieur Junius

Am Ende hatte es doch noch geklappt: Nach monatelangen Verhandlungen ließ Kaiser Ferdinand II. Geleitbriefe für Gesandte ausfertigen, die den Pfalzgrafen Friedrich auf dem anstehenden Kurfürstentag zu Regensburg vertreten sollten. Was eigentlich eine Routineangelegenheit darstellte, war hier durchaus heikel. Denn der Pfalzgraf hatte mit seiner Ächtung im Jahr 1621 alle Titel und Ansprüche verloren und befand sich seitdem im Exil in Den Haag. Immer noch reklamierte er den böhmischen Königstitel für sich, und immer noch bemühte er sich um die Restitution all seiner Herrschaftstitel, die er seit dem für ihn desaströsen Ausgang des böhmischen Kriegs verloren hatte.

Dazu war es wichtig, überhaupt wieder auf die politische Bühne zurückzukommen, und ein Kurfürstentag, wie er für den Sommer 1630 in Regensburg ausgeschrieben war, stellte ein zentrales Ereignis dar, wollten hier doch die Kurfürsten mit dem Kaiser darüber beraten, wie ein allgemeiner Friede wiederherzustellen sei. Aber nicht nur die Kurfürsten waren zugegen, auch viele andere Reichsstände und auswärtige Potentaten schickten Gesandte; der Kurfürstentag war so etwas wie ein Ersatz für den Reichstag.

Und der Pfalzgraf hatte es nun tatsächlich geschafft: Er deputierte Johann Joachim von Rusdorf, den führenden Kopf der pfälzischen Exilregierung, nach Regensburg. Rusdorf war ein erfahrener Diplomat, und er kam nicht allein. Vielmehr schloß er sich Sir Robert Anstruther, dem Gesandten der englischen Krone, an. Auch dies war schon ein politisches Zeichen, denn die Pfälzer setzten sehr auf die politische Unterstützung des englischen Königs, und dies sollte auch auf dem Kurfürstentag sinnfällig werden.

Die Verhandlungen in Regensburg standen oft schon im Mittelpunkt des wissenschaftlichen Interesses, und hier verdanken wir Dieter Albrecht eine mustergültige Edition im Rahmen der Briefe und Akten. Dort findet sich nun der Hinweis, daß Rusdorf seine Berichte aus Regensburg an Ludwig Camerarius, Theobald Moritz und einen gewissen „Monsieur Junius“ („Mr. Junius“) schickte (S. 699 und 706). Ersterer hatte lange Jahre die pfälzische Exilpolitik geleitet, stand allerdings seit 1626 in schwedischen Diensten; Moritz war pfälzischer Sekretär und Rat. Doch wer war Junius? Albrecht setzt in seiner Edition den Namen in Ab- u.Abführung, distanziert sich also von ihm, den er nicht recht einzuordnen vermag, und fügt im Register dann doch erläuternd hinzu: „pfälzischer Rat“ (S. 776).

Ich möchte hier einen anderen Vorschlag machen, nachdem mir im Zuge meiner Arbeit um den kurkölnischen Gesandten Johann van der Veecken ebenfalls ein Junius untergekommen ist – und zwar an prominenter Stelle: Veecken stand auch in Kontakt mit ihm, denn er war der Sekretär des Prinzen Friedrich Heinrich von Oranien, der als Statthalter der Generalstaaten von zentraler politischer Bedeutung war. Wenn dieser Junius tatsächlich der Adressat der Rusdorfschen Berichte war, erscheinen die Korrespondenzen des pfälzischen Gesandten aus Regensburg in einem neuen Licht. Denn alle diese Briefe gingen nach Den Haag, adressierten aber jeweils verschiedene politische Kreise: Indem er an Moritz schrieb, bediente er einmal die eigenen Leute, also die Pfälzer; mit Camerarius bezog er nicht nur einen alten Bekannten mit ein, sondern den Repräsentanten der schwedischen Macht, und mit Junius wahrte er den Kontakt zum Statthalter Friedrich Heinrich, mithin also zu den Generalstaaten. (An die Engländer mußte er nicht schreiben, Anstruther war ja mit ihm in Regensburg.)

An der Stelle wird wieder einmal deutlich, wie sinnvoll online verfügbare Quelleneditionen sind. Anstatt hier weitläufig für das Blog zu schreiben, wäre es viel einfacher, eine Online-Ressource direkt zu ergänzen – und sei es nur ganz einfach und billig in einem Kommentarfeld zu einem PDF.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/557

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Die Mühen des Protokolls

Man kennt dies auch heute noch: Kaum versammeln sich eine Handvoll Leute, die Wichtiges beraten oder sogar beschließen wollen, muß ein Protokoll geführt werden. Ob sich die Situation an der Schule, in der Universität, im Berufsleben oder im Verein abspielt, einen erwischt es, der sich dieser Mühen zu unterziehen hat. Dies ist nicht erst heute so, auch in vormodernen Zeiten wurden Beratungen protokolliert. Besonders viele Beispiele sind im Umfeld des Westfälischen Friedenskongresses überliefert – kein Wunder, wurde hier doch jahrelang über die vielen Konfliktpunkte verhandelt, deren Regelungen dann in den beiden Instrumenta Pacis zusammengeführt wurden. Normalerweise richtet sich der Blick des Forschers auf die Ergebnisse dieses langwierigen Aushandlungsprozesses. Dabei ist es um so wichtiger, eben nicht nur den großen Verhandlungsführern über die Schulter zu schauen, sondern auch den kleinen Schreiberlingen, die einfach nur mitschrieben und gern übersehen wurden und werden.

Einfach nur mitschreiben? Genau so simpel war es eben nicht. Und unaufwendig schon gar nicht. Die Mitschriften der Verhandlungen konnten gar nicht anders als nur Bruchstücke der Debatten aufzeichnen; aus diesen Live-Aufzeichnungen mußten die Protokollanten direkt nach den Sitzungen, die teilweise stundenlang gedauert hatten, überhaupt erst lesbare und verständliche Protokolle anfertigen. Dabei ging es wahrlich nicht um Kleinkram, sondern um gewichtige Verhandlungsmaterien: Also gab es oftmals mehrere Protokollanten, die ihre Aufzeichnungen abglichen – auch das mußte geschehen. Und da es vielfach um Details und auch den Wortlaut ging, wurden diese Versionen noch einmal zur Abnahme vorgelegt. Wenn alles fertig war, wollten natürlich alle Beteiligten eine Abschrift haben; die Arbeit ging also weiter. Gedruckt wurden diese Texte meist nicht, das war zu aufwendig, zumal hier ja nur Zwischenschritte in den Verhandlungen festgehalten wurden, keine Ergebnisse.

Was ich hier selbst nur in Stichworten andeute, hat Maria-Elisabeth Brunert ausführlich in einem Beitrag behandelt: „Vom Rapular zum Dictatum“ bezeichnet genau diesen Weg von den ersten Notizen hin zur allseits bestätigten, offiziellen Protokollversion. Brunert exemplifiziert diesen Prozeß anhand reichsfürstlicher Verhandlungen auf dem Friedenskongreß. Publiziert ist diese Arbeit in einem Sammelband von Annette Gerstenberg, die sich dem Westfälischen Friedenskongreß vor allem von sprachwissenschaftlicher Seite nähert: „Verständigung und Diplomatie auf dem Westfälischen Friedenskongreß“.Annette Gerstenberger

Ist dies eigentlich eine spannende Thematik? Natürlich handelt es sich um recht spezielle Phänomene, die ein Historiker vielleicht nicht sofort für sich entdeckt. Das Faszinierende liegt aber genau in den Details, die den Verhandlungsgang erst nachvollziehbar machen. Sich darauf einzulassen, lohnt sicher. Zumindest kann man auf diese Weise den Lebensalltag der Protokollanten besser einschätzen, die stundenlang auf einfachen Stühlen sitzen mußten und bei teilweise trübem Licht das Kanzleideutsch aufschrieben – soweit der Lärm der draußen vorbeifahrenden Fuhrwerke dies zuließ. Protokollieren war eben eine mühevolle Arbeit.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/545

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Karl der Große und der Dreißigjährige Krieg

Was hat Karl der Große mit dem Dreißigjährigen Krieg zu tun? Als der Franke 814 starb, sollte es mehr als 800 Jahre dauern, bevor der Konflikt losbrach, der dreißig Jahre lang in Europa wütete. Doch auch in dieser Zeit gab es Reminiszenzen an Karl, zumindest in Aachen. Denn dort ließ der Rat der Reichsstadt Aachen im Jahr 1620 ein bronzenes Standbild Karls vor dem Rathaus aufstellen. Dies paßte gut, war Karl doch Stadtpatron und Lokalheiliger. An ihn zu erinnern und sich auf ihn zu berufen war gerade in diesen unsicheren Zeiten passend.

Wobei es eher unwahrscheinlich ist, daß die Aachener die sich anbahnenden Konflikte im Reich im Blick hatten; niemand konnte ahnen, daß die böhmischen Unruhen nur der Auftakt für einen Krieg sein würden, der noch das ganze Reich erfassen würde. Aachen lag vielmehr im Einzugsgebiet des spanisch-niederländischen Konflikts. Dazu kamen stadtinterne konfessionelle Auseinandersetzungen, die 1614 den spanischen General Spinola veranlaßten, im Rahmen einer Reichsexekution die Stadt zu besetzen und die katholische Restitution durchzuführen (kurz und prägnant beschrieben in der Studie von Johannes Arndt, S. 195-200). Um 1620 war dieser Konflikt zwar (im katholisch-kaiserlichen Sinne) bereinigt, doch die Lage war weiterhin bedrohlich. Klar war zudem, daß im darauffolgenden Jahr der Zwölfjährige Waffenstillstand zwischen Spanien und den Generalstaaten auslaufen würde. Mit einer Statue Karls des Großen erinnerte man sich also an große Zeiten und an die schützende Nähe zum Kaiser.

Karl der Große, Aachen

Karl der Große, Aachen 

Dessen Standbild war nun nicht nur mit den klassischen Herrscherinsignien wie Szepter und Reichsapfel versehen, sondern vor allem wehrhaft dargestellt. Damit meine ich weniger das Schwert an seiner Seite als vielmehr die Rüstung. Diese hatte nun nichts mit der Ausrüstung eines fränkischen Kriegers in der Zeit Karls des Großen zu tun, sondern verwies deutlich auf die Panzerung von Kürassieren, wie sie im 16. Jahrhundert üblich war. Zur Zeit des Dreißigjährigen Kriegs war ein Vollharnisch, wie ihn die Bronzestatue hier zeigt, schon wieder unüblich; da ersetzten die langen Reiterstiefel, in die man praktischerweise oben auch noch Pistolen packen konnte, das Beinzeug.

Ganz im 17. Jahrhundert war Karl der Große in seinem Aufzug also nicht angekommen; hätte er sich unter die Pappenheimischen Kürassiere mischen wollen, wäre er durchaus aufgefallen – nicht nur wegen seiner Barttracht, die gar nicht mehr den modischen Standards der Söldner dieser Zeit entsprach. Aber es entsprach sicher den Aachener Erwartungen, wenn das Standbild nicht an die Gegenwart erinnerte, sondern zurückverwies auf andere, sicherlich bessere Zeiten.

Zu sehen ist der bronzene Karl im Rahmen der diesjährigen Ausstellung in Aachen, und zwar im Centre Charlemagne. Und wenn er mir im Zuge des diesjährigen Betriebsausflugs in der vergangenen Woche aufgefallen ist, muß ich auch die altbekannte Erkenntnis akzeptieren, daß man vor allem das wahrnimmt, was man schon kennt.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/533

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Kriegsgreuel in Bayern

Nachdem Gustav Adolf Mitte April 1632 den Übergang über den Lech bei Rain erzwungen hatte, war einfach kein Halten mehr. Kurfürst Maximilian flüchtete mit einigen Truppen in die Landesfestung Ingolstadt, das Land stand den Schweden offen. Doch auch wenn die Ligaarmee geschlagen war, bedeutete dies nicht, daß sich die Landbevölkerung gegenüber den Eindringlingen zurückhielt. Die Bauern wehrten sich, so gut sie konnten. Und darüber hinaus nahmen sie grausame Rache an den schwedischen Söldnern, von denen sie umgekehrt ebensowenig Schonung erwarten konnten. Wieder einmal eskalierte die Gewalt, wie schon so oft in diesen Kriegsläuften.

Eigentlich war dies kein Grund, sich darüber zu wundern, man hatte oft genug davon gehört, vielleicht sogar selbst Erfahrungen gemacht. Gleichwohl haben die Berichte, die man damals aus dem Süden des Reiches bekam, ihre Wirkung nicht verfehlt. Dies läßt sich jedenfalls an den Korrespondenzen des kurkölnischen Agent Johann van der Veecken ablesen (für das Folgende: Veecken an Kurfürst Ferdinand von Köln, Den Haag 28.5.1632, LA NRW, Abt. Rheinland, Kurköln VII 51/2 fol. 73‘ Ausf.). In seinen Briefen an Kurfürst Ferdinand wird allerdings auch der Zwiespalt deutlich, in dem er sich befand. In Den Haag nahm er in der Bevölkerung eine deutliche pro-schwedische Haltung wahr, und im Frühjahr 1632 fieberte man eindeutig mit Gustav Adolf mit: „De rebus Germaniae hic magna pro rege Swetiae apud plebem spes est“ – was Veecken als Katholik und Agent des Kurfürsten von Köln sicherlich nicht immer mit Gleichmut hat aufnehmen können.

Die Nachrichten aus Bayern berichteten von den ungeheuren Verwüstungen, die die Schweden anrichteten. Fast 400 Dörfern seien bereits in Schutt und Asche gelegt. Der Agent lieferte auch gleich eine Erklärung für die Zerstörungswut der Invasoren: Die bayerischen Soldaten hätten die schwedischen Söldner verstümmelt und ihnen Ohren und Nasen abgeschnitten („ob mutilatos a milite Bauarico milites Swecos et auribus nasisque truncatos“). Veecken war sich schon im Klaren darüber, daß Übertreibungen in Berichten über Kriegsereignisse an der Tagesordnung waren – gerade wenn es um Kriegsgreuel ging. Entsprechend schob er ganz vorsichtig nach: „an verum nescio“. Doch die Kautele war in diesem Fall gar nicht nötig. Die Berichte, die in Den Haag ankamen, übertrieben kaum. Und sie wurden bestätigt durch Zeugnisse der Gegenseite. Auch wenn er seine Erlebnisse erst einige Jahre später veröffentlichte, entspricht der Befund dem Bild, das der Schotte Robert Monro über seine Kriegserfahrungen zeichnete.

Monro befand sich 1632 in der schwedischen Armee, die damals in Bayern operierte. Der Schotte referierte durchaus im Detail von einzelnen Ereignissen, die er offenbar selbst erlebt hatte. Bei ihm ist auch von den Verstümmelungen die Rede, die die schwedischen Söldner erlitten, wenn sie in die Hände des Feindes fielen. Im Gegenzug brannten die Schweden viele Dörfer nieder [Monro, His expedition with the worthy Scots regiment (called Mac-Keyes-regiment) levied in August 1626 : P. 1.2. , London 1637, hier II, 122].

In der Forschung wird durchaus darauf verwiesen, daß diese Verwüstungen durchaus dem Kalkül des schwedischen Königs entsprachen. Gustav Adolf verfolgte hier eine Kriegführung der verbrannten Erde, die Maximilian von Bayern seine Ressourcen entziehen sollte (siehe Albrecht, Maximilian, S. 827). Weder Monro noch Veecken gingen auf diesen Aspekt ein. Beim Agenten wundert dies noch am wenigsten, er hatte sich in diesen Wochen um andere Probleme zu kümmern, die die Kriegsereignisse in seiner direkten Umgebung betrafen. Die Ereignisse im Reich und zumal in Bayern waren für ihn nur ein fernes Wetterleuchten.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/529

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Eine Siegesfeier in Den Haag

Der kurkölnische Agent Johann van der Veecken hatte sich im Jahr 1631 einige Zeit von seinen Amtsgeschäften zurückziehen müssen und war nach Spa gereist, um dort eine Trinkkur zu machen. Doch bei der Rückkehr wartete eine Überraschung auf ihn: Gerade als er wieder nach Den Haag zurückgekommen war – es war mittlerweile Mitte Oktober geworden –, traf er prompt auf den Gesandten der schwedischen Krone, der „facibus et ignibus triumphalibus“ den Sieg zelebrierte, den sein König über die Kaiserlichen errungen hatte.

Veecken war lange genug im Geschäft, um abschätzen zu können, wie man mit Neuigkeiten umzugehen hatte. Der Krieg im Reich war zwar weit entfernt, und viele einlaufende Nachrichten erwiesen sich oftmals als übertrieben oder einfach falsch. Aber in dem Fall bestand kein Zweifel, daß der schwedische König und der mit ihm verbündete Kurfürst von Sachsen am 17. September bei Breitenfeld eine große Schlacht gewonnen hatten. Das Heer der Kaiserlichen sei vernichtet, Tilly gefallen. Der schwedische Gesandte ließ keinen Zweifel an der Zuverlässigkeit dieser Informationen. Und Veecken tat das, wofür er als Agent engagiert war: Er berichtete dies Kurfürst Ferdinand von Köln, seinem Auftraggeber.

Die Berichte Veeckens fielen durchweg lakonisch aus; Emotionen brachen sich bei ihm nur selten Bahn. Auch dieses Beispiel vom 15. Oktober 1631 (LA NRW, Abt. Rheinland, Kurköln VII 51/1 fol. 95 Ausf.) machte keine Ausnahme. Und doch war spürbar, daß diese Nachricht an sich und offenbar auch die Siegesfeier des schwedischen Diplomaten in Den Haag einen gewissen Eindruck auf den Agenten hinterlassen hatten. Schon ein paar Tage später kamen zwar Berichte ein, daß Tilly doch nicht tot sei. Doch diese Korrektur änderte nichts an der militärischen Katastrophe. Genau dies brachte Veecken auch schon in diesem Brief vom 15. Oktober auf den Punkt: Nun müsse man befürchten, daß sich die ganze Situation im Reich von Grund auf verändern würde; dem Kaiser und den katholischen Reichsfürsten drohe nun die allerhöchste Gefahr („Vnde verendum ne magna rerum vicissitudo in Jmperio oriatur, et Jmperatori Principibusque Catholicis maximum immeneat periculum.“).

Mit dieser Einschätzung lag Veecken vollkommen richtig – und auch das historische Urteil heutzutage wird kaum anders ausfallen. Dies mag man heute als nicht wirklich überraschend abtun, denn wenige Schlachten endeten mit einem so eindeutigen Ergebnis wie die bei Breitenfeld. Doch eine solche Betrachtung erfolgt zu sehr aus der sicheren Perspektive des Historikers. Vor dem Hintergrund der damals so häufig kursierenden und so unentwirrbar erscheinenden Mißinformationen mußten die Diplomaten schon ein Gespür für die wirklich wichtigen Entwicklungen haben. Beim Agenten in Den Haag war dies augenscheinlich der Fall. Veecken schloß seinen Bericht für Kurfürst Ferdinand mit einem Stoßgebet. Er sollte es in den folgenden Wochen und Monaten noch häufiger tun; die Ereignisse im Reich gaben ihm jedenfalls Anlaß genug dafür.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/518

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Audienz bei einem Geächteten

Das Schicksal Friedrichs V. von der Pfalz berührt vordergründig nur die Anfangsphase des Dreißigjährigen Kriegs: zunächst als pfälzischer Kurfürst einer der wichtigsten Reichsfürsten, dann König von Böhmen, um kurz darauf geächtet und als „Winterkönig“ verspottet alles zu verlieren und ins Exil nach Den Haag zu gehen. Bei den Generalstaaten hatte er zwar Zuflucht gefunden, doch seine Machtgrundlagen waren verschwunden. Gleichwohl setzte er in den folgenden Jahren alles daran, um auf die politische Bühne des Reiches zurückzukehren, die pfälzischen Besitzungen und ebenso auch die böhmische Krone wiederzugewinnen. Immerhin gab es noch Kriegsunternehmer wie Mansfeld und Christian von Braunschweig, die vorgaben, für die Sache des Pfälzers zu streiten, und nach wie vor flossen Gelder aus Frankreich, England und den Niederlanden, um diese Feldzüge zu finanzieren.

Auf der kaiserlichen Seite sah die Sache anders aus. Für Ferdinand II. und dem mit ihm verbündeten Maximilian von Bayern mitsamt der Liga war Friedrich nur der „exilierte Pfalzgraf“. Mit einem Reichsächter konnte man keinen Umgang haben, als politischer Faktor war Friedrich rechtlich betrachtet ausgeschaltet. Und Maximilian, der Friedrichs pfälzische Kurwürde nach Bayern transferiert hatte, dachte gar nicht daran, den Exilierten durch diplomatische Kontakte aufzuwerten. Doch war nicht zu übersehen, daß man über die Machenschaften in Den Haag Bescheid wissen mußte. Was ging am Hof des exilierten Rex Bohemiae vor? Das wollte man schon gerne erfahren, doch durfte dies nicht über offizielle Kanäle erfolgen.

Es gab aber einen indirekten, eleganteren Weg. Ferdinand, als Bruder Maximilians von Bayern, unterhielt einen eigenen Agenten in Den Haag. Damit war kein Geheimdienstler gemeint, sondern ein diplomatischer Vertreter auf ganz niedriger Stufe – das war zum einen hinsichtlich des repräsentativen Aufwands billig und zum anderen politisch unverfänglich. Dieser Agent versorgte Ferdinand, der als Kurfürst von Köln unmittelbarer Nachbar der Generalstaaten war, permanent mit Nachrichten über die aktuellen Vorgänge in Den Haag und kümmerte sich auch um kurkölnische Belange bei den Generalstaaten. Er sollte nun auch auf den Pfalzgrafen ein Augenmerk haben.

Tatsächlich knüpfte dieser Agent namens Johann van der Veecken Kontakte zum Gefolge des Pfalzgrafen. Ja, mitunter berichtete er sogar von direkten Gesprächen mit Pfalzgraf Friedrich selbst. Berichte über diese Audienzen schickte er dann an Kurfürst Friedrich – der die wirklich brisanten Informationen über den exilierten Friedrich gleich exzerpierte und nach München weitersandte. Auf pfälzischer Seite wird man schon gewußt haben, welche Dimension diese Gespräche mit Veecken hatten; wer weiß, was man dort alles lanciert hatte, im sicheren Bewußtsein, daß diese über kurz oder lang doch bei Maximilian von Bayern landen würden.

Jedenfalls entwickelten sich hier auf ganz unverfängliche Weise Kontakte zwischen den mächtigen Fürsten im Reich und dem Geächteten im Haager Exil – Kontakte, die es eigentlich gar nicht geben durfte, die aber trotzdem für beide Seiten wichtig waren. Ich habe vor Jahren schon einmal dieses Themen im Umfeld der bayerischen Pfalzpolitik gestreift (im Katalog zum „Winterkönig“ von 2003), will mich demnächst aber noch einmal intensiver mit der Figur des kurkölnischen Agenten Veecken auseinandersetzen.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/514

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Söldner im stand-by-Modus?

Viele Reichsfürsten wurden Anfang 1631 unruhig; Krieg lag in der Luft. Auch der Kurfürst von Brandenburg, eigentlich notorisch zahlungsunfähig, dachte an Werbungen. So berichteten die „Ordentlichen wochentlichen Post-Zeitungen“ darüber, daß Kurbrandenburg Kriegsknechte sucht, „vnnd wirdt jedem zwen Thaler auff die Hand / vnd ein Thaler Wartgeld gegeben“ – so hieße es aus Meißen vom 30. Februar 1631. Ins Auge springt hier der Begriff des Wartegelds. Gemeint war damit eine Gage, mit der sich ein Kriegsherr der Dienste eines Söldners versicherte, ohne daß im Moment schon ein konkreter Einsatz oder eine bestimmte Verwendung ins Auge gefaßt wurde (vgl. die nach wie vor mustergültige Studie von Fritz Redlich, hier Bd. 1, S. 56 f. u. 315 ff. „salary paid for preparedness“). Es wurde nur kurzfristig bezahlt, da es als eine Art Überbrückung bis zur festen Anstellung oder bis zum tatsächlichen Einsatz galt. Aber paßt dies auf den vorliegenden Fall?

"Ordenliche Wochentliche Post-Zeitungen", München: Johann Lucas Straub, 1631 (Logo)

“Ordenliche Wochentliche Post-Zeitungen”, München: Johann Lucas Straub, 1631 (Logo) 

Die Nachricht aus Meißen unterschied zwischen den Talern, die „auf die Hand“ gezahlt wurden, und dem Wartegeld. Das erstgenannte Geld dürfte das Laufgeld sein, das ein Söldner direkt bei der Anwerbung erhielt und das bereits in Zeiten des Dreißigjährigen Kriegs zum Werbegeld wurde (vgl. dazu Peter Burschel, S. 102). Das Laufgeld wurde ursprünglich ausgezahlt, damit der Söldner die Anreise von der Anwerbung hin zum Musterplatz finanzieren konnte. Damit war bereits eine erste Bindung an den auszahlenden Kriegsherrn hergestellt. Warum kam dann noch  ein Wartegeld hinzu? Sollte dies den Kriegsknecht bestärken, tatsächlich den Militärdienst bei diesem Kriegsherrn anzutreten? Dann würde der dazu gezahlte Taler an Wartegeld zusammen mit dem Laufgeld eher schon ein Werbegeld ergeben, eine reine Prämie also für den angeworbenen Söldner.

In der vorliegenden Situation hat der Kurfürst von Brandenburg, so muß man die Angaben verstehen, diese Anwerbungen offenbar in oder um Leipzig getan („diser Orten“); er war dort gerade eingetroffen, um am Leipziger Konvent teilzunehmen, und wollte offenbar neben den anstehenden Verhandlungen gleich andere Notwendigkeiten erledigen – eben hier ein paar Söldner anwerben. Immerhin hieß es noch weiter, daß Kurfürst Georg Wilhelm „dise Soldaten zu Leib Compagnia gebrauchen“ wollte. Es handelte sich also nicht um gewöhnliche Kriegsknechte, sondern um qualitativ hochwertige Söldner, die der Kurfürst tatsächlich zu seinem persönlichen Schutz anwerben wollte. Dies erklärt vielleicht auch den Vorgang, daß zu den ersten zwei Taler Handgeld auch noch ein Wartegeld hinzukam: Angesichts allseits anlaufender Werbebemühungen war der Söldnermarkt leergefegt; wollte Kurbrandenburg einige gute Kriegsknechte in Dienst nehmen, mußte man schon gutes Geld zahlen.

Doch wie muß man dann die Nachricht aus Den Haag vom 9. März 1631 verstehen? Hier wurde von massiven Werbungen der Generalstaaten berichtet; die Truppen sollten „in 12.000 Mann gesterckt werden / zu denen man noch 6.000 Wartgelter annemmen sollen“. Die erstgenannten Kriegsknechte sollten also tatsächlich in Dienst genommen werden, die zuletzt genannten sollten sich offensichtlich nur in Bereitschaft halten: Also 6.000 Söldner sollten im stand-by-Modus verharren, waren noch nicht richtig in Dienst genommen, wobei gewissermaßen ein Vorkaufsrecht für den Kriegsherrn bestand, der das Wartegeld gezahlt hatte?

Dies überrascht insofern, als üblicherweise das Wartegeld vor allem zum Einsatz kam, um sich der Dienste solcher Offiziere zu versichern, die den Nucleus eines Heeres darstellten und die im Ernstfall gleich ganze Kompagnien oder Regimenter würden aufbringen können. Da lohnte es sich schon, derartige Spezialisten zu bezahlen, auch wenn ihre Fähigkeiten erst in naher oder späterer Zukunft vonnöten sein würden. Doch einfache Söldner, zudem in so großer Zahl? Insofern ist mir die Verwendung des Begriffs Wartegeld in diesen Fällen nicht wirklich klar – aber vielleicht kenne ich auch nur zu wenig Beispiele, die auch vom Wartegeld für einfache Söldner berichten oder überhaupt das Bedeutungsspektrum dieses Begriffs erweitern.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/508

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Kölner Waffen für Wallenstein

Köln hatte Glück im Dreißigjährigen Krieg: Die Stadt blieb von Einquartierungen und Kriegszerstörungen verschont. Vielmehr verdiente die Metropole noch stark am Krieg, indem sie sich am florierenden Handel mit Kriegsgütern aller Art beteiligte. Im Begleitband zur Ausstellung „Köln in unheiligen Zeiten“ habe ich einen Beitrag zur Kölner Kriegswirtschaft beigesteuert. Gemäß dem Konzept des Bandes ist der Aufsatz knapp gehalten, und doch muß ich ehrlicherweise hinzufügen, daß sich so sehr viel mehr derzeit auch kaum sagen läßt. Das Thema wurde bislang nicht wirklich intensiv beforscht, und so habe ich die Befunde, die mir aus der Literatur und den verfügbaren Quellenbeständen bekannt waren, zusammengetragen.

Die Kölner Archivsituation läßt derzeit nicht so viel Hoffnung, daß sich an dieser deplorablen Forschungslage rasch etwas verbessern ließe. Doch können manche Aspekte zum Thema der Kölner Kriegswirtschaft auch jetzt schon weiter vertieft werden – so etwa die Geschäftsbeziehungen Wallensteins zu Köln. Die Literatur zu diesem Feldherrn und Kriegsunternehmer ist bekanntermaßen uferlos, doch sind die (kriegs-)wirtschaftlichen Beiträge auch in seinem Fall überschaubar. Klassisch sind die Studien, die Anton Ernstberger vorgelegt hat, insbesondere die Studie zu „Wallenstein als Volkswirt im Herzogtum Friedland“ von 1929. Hier gibt es eine Reihe von Hinweisen, die die wirtschaftlichen Verbindungen des kaiserlichen Heerwesens zur Stadt Köln illustrieren.

Besonders die Materialien im Anhang der Studie bieten einen guten Überblick (S. 137-145), so etwa die Tabelle zu gekauften Waffen für das kaiserliche Heer, die nicht erst für Wallenstein (also ab 1625), sondern bereits ab 1620 die kaiserlichen Einkäufe verzeichnet. Neben den süddeutschen Reichsstädten wie Ulm, Nürnberg und Augsburg sowie der thüringischen Waffenschmiede Suhl taucht auch Köln immer wieder mal auf (auch allgemein das Rheinland); bezeichnenderweise fehlen hier im Gegensatz zu anderen Einträgen  exakte Zahlen. So ist meist nur von „allerlei“ oder „etliche[n]“ (sc. Rüstungen o.Kürasse) die Rede, doch für den 14.2.1626 sind 1.000 Kürasse, für den 17.4.1626 noch einmal 800-1.000 Kürasse und für den 24.3.1628 wiederum 1.100 Kürasse und 400 Bandelierrohe angegeben. Ähnlich sind die Angaben für die erhandelten Lunten, Pulver und Salpeter: Köln taucht erneut neben den anderen Rüstungszentren auf, aber wiederum meist nur mit pauschalen Angaben.

So wichtig diese Hinweise sind, werfen sie doch nur neue Fragen auf, die auf Weiteres erst einmal unbeantwortet bleiben. So erfahren wir keine weiteren Details über die Waffengeschäfte und deren Finanzierung, nicht einmal die Namen, mit denen auf Kölner Seite verhandelt wurde. Gerade dies wäre allerdings wichtig zu erfahren, um entsprechende Netzwerke im Bereich der Rüstungsgeschäfte zu rekonstruieren. Immerhin taucht in einem anderen Dokument, das über weitreichende Rüstungspläne Wallensteins im Oktober 1628 reflektiert, der Name des in Köln agierenden Großverlegers Anton Frey Aldenhoven auf (S. 130-133). Insgesamt können diese Angaben nicht mehr als eine erste Orientierung bieten; zumindest wird hieran deutlich, daß Köln nicht nur für die in den westlichen Regionen des Reiches operierenden Truppen von kriegswirtschaftlicher Bedeutung war, sondern seine Waffengeschäfte augenscheinlich reichsweit betrieb.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/502

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Ein Silberbecher und eine Ausstellungsdokumentation

Pokale werden vielfach als glorreiche Erinnerungen an große Erfolge gefertigt. Das war schon in Zeiten des Dreißigjährigen Kriegs so, als ein Silberpokal eine ausgesprochen riskante, aber geglückte Aktion des Kölner Schiffers Dirck Schey feierte. Dieser hatte 1626 den spanischen Pfennigmeister (Zahlmeister) aus Köln entführt – und mit ihm das Geld, mit dem die am nördlichen Niederrhein garnisonierten spanischen Truppen bezahlt werden sollten: es handelte sich dabei um die stattliche Summe von 52.000 Reichstalern. Die Geschichte selbst wird auf einem in den Niederlanden gefertigten Silberbecher dargestellt, Zeichen für diesen gelungenen Coup über die spanische Macht.

Wiedergegeben ist sie im Begleitband zur Ausstellung „Köln in unheiligen Zeiten“: Stefan Lewejohann, Eine gefährliche Rheinfahrt, S. 80-83. Es handelt sich also um einen sehr knappen Beitrag, der geradezu wie ein Blogpost erscheint. In diesem Band gibt es eine ganze Reihe derartiger Skizzen, die schlaglichtartig ein Thema anreißen: nicht nur eine Episode wie die von den geraubten spanischen Soldgeldern, sondern auch zu Wenzel Hollars Stadtansicht von Köln, einem Ziborium aus dem Kölner Domschatz, einer Jan von Werth zugeschriebenen Rüstung und anderen mehr. Diese Kurzbeiträge im Umfang von ungefähr zwei Seiten leiten einzelne Sektionen in diesem Band ein; auf sie folgen dann einige längere Artikel, die aber meist auch nicht mehr als 10 S. umfassen.

In gewisser Weise sind diese kurzen Skizzen wie Blog-Beiträge in diesem Sammelband, und ich möchte festhalten, daß diese Konzeption sehr gut funktioniert. Denn hier bietet sich eine Möglichkeit, viele verschiedene Themen aufzugreifen und sie konturiert darzustellen, ohne gleich allzu tief in die Materie einzutauchen. Da die Ausstellung selbst von keinem Katalog begleitet wird, übernehmen die Kurzbeiträge auch diese Funktion, indem sie bestimmte Exponate aus dem Stadtmuseum vorstellen – hier aber eben nicht nur mit einem Karteikartentext, sondern vielfach mit einer knapp skizzierten Geschichte dazu.

Nun bin ich wahrlich kein Fachmann für Museumskunde und kann auch nicht behaupten, daß ich mich in der aktuellen Debatte darüber auskenne, wie man heutzutage eine Ausstellung und die dazu passende Publikation konzipiert. Sicher fehlt – das kann auch ich nicht leugnen – mit dem klassischen Katalogteil auch das veröffentlichte Register, das den Reichtum einer Ausstellung dokumentiert. Aber die numerisch gereihte Liste aller Exponate, vielleicht noch mit briefmarkengroßen s/w-Repros geschmückt, hat mir oft genug nur vor Augen gehalten, was ich alles nicht gesehen habe. Mit den Kurzbeiträgen hingegen erhält man immerhin schlaglichtartige Einführungen, die das Thema einer Ausstellung sicher nicht völlig fundiert, aber gerade in ihrer Beispielhaftigkeit sehr konkret vorstellen.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/497

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Ein streitbarer Gelehrter

Wenn von Humanisten die Rede ist, denkt man an Gelehrte, die vor allem ihr perfektes klassisches Latein schulen, ansonsten aber eine eher weltabgewandte Existenz führen. Das mag es gegeben haben, doch nahmen viele dieser Gelehrten lebhaften Anteil an den Debatten ihrer Zeit und prägten sie auch mit. Dies gilt in ganz besonderem Maße für Kaspar Schoppe, der seine Gelehrsamkeit für zahlreiche polemische Attacken im konfessionellen Streit des frühen 17. Jahrhunderts einsetzte. Ursprünglich stammte Schoppe aus einer protestantischen Familie in der Oberpfalz, doch konvertierte er, knapp 22jährig, 1598 zum Katholizismus. Schon damals hatte er begonnen, sich mit seinen philologischen Studien einen Namen zu machen. Doch ein ruhiges Gelehrtenleben war nicht seine Sache; konfessioneller Furor, nicht ganz untypisch für Konvertiten, und Streitlust verschafften ihm eine Berühmtheit von zweifelhaftem Ruf: Seine Publikationen machten ihn teilweise so verhaßt, daß er sich im Reich nicht mehr sicher fühlte und bereits vor Ausbruch des Dreißigjährigen Kriegs nach Italien ging. Dort lebte und wirkte er an verschiedenen Orten, bis er sich 1635 in Padua niederließ, wo er bis zu seinem Tod 1649 bleiben sollte.

Schoppe erlebte also nicht nur den Dreißigjährigen Krieg bis zu seinem Ende, sondern hatte auch die Vorkriegszeit mit ihrer sich ständig weiter aufheizenden konfessionellen Spannung miterlebt – und beschränkte er sich dabei nicht nur auf die Rolle eines Zuschauers, sondern gestaltete die Phase auch mit. Er begeisterte sich für die Idee, daß sich die katholischen Reichsfürsten in einem Sonderbund zusammenschließen, wie es dann in der Katholischen Liga geschah (vergleiche den Aufsatz von Franziska Neuer-Landfried), und half mit seiner Publizistik eifrig mit, die Tonart zwischen den Konfessionsparteien zu verschärfen: sein berüchtigtes „Classicum belli sacri“ von 1619 war nichts weniger als ein Aufruf zum Krieg gegen den Protestantismus; die lateinische Urfassung wurde auch rasch in deutscher Übersetzung verbreitet als „Alarm zum Religions-Krieg in Teutschland“. Seine Schriften – und genauso die harschen Gegenreaktionen, die er damit hervorrief – sind mittlerweile sehr gut über das VD17 zu recherchieren. Doch gibt es neben den publizistischen Zeugnissen auch eine Autobiographie und einen umfänglichen Briefwechsel, die mittlerweile in sieben stattlichen Bänden ediert vorliegen. Für diese Edition zeichnet Klaus Jaitner verantwortlich, der diesen Quellenkorpus zwischen 2004 und 2012 herausgegeben hat.

Unter dem Titel „Philotheca Scioppiana“ ragt besonders die Autobiographie hervor, die Schoppe 1585 einsetzen ließ (es war das Jahr, als er in Amberg das Pädagogicum besuchte) und bis zum Jahr 1630 fortführte; hier beschreibt er noch den Regensburger Kurfürstentag (er war damals selbst vor Ort), bevor dieses Werk unvermittelt abbricht. Hinzu kommen knapp 1.500 Briefe, die einen Zeitraum von Anfang 1595 bis August 1649 abdecken. Aus diesen Zeugnissen erschließt sich ein schillerndes Bild der miterlebten Jahre; auch auf viele zeitgenössische Persönlichkeiten fällt ein Schlaglicht – nicht unbedingt immer ein positives: Ferdinand II. erfährt keine sonderlich schmeichelhafte Würdigung, ihm wirft Schoppe vor, allzu sehr von jesuitischen Einflüsterungen abhängig zu sein. Dafür belegt der Humanist den Feldherrn Tilly, den er noch 1630 in Regensburg getroffen hatte, mit den ehrenden Beinamen eines Gideon und Judas Maccabäus – Streiter für den Glauben, wie er es auch bei Tilly sah.

Die Philoteca ist natürlich in lateinischer Sprache verfaßt (in der Edition ist allerdings eine deutsche Übersetzung beigefügt), auch die Korrespondenz ist vor allem auf Italienisch und Lateinisch gehalten, wenige Briefe in deutscher und spanischer Sprache. Das mag mühselig erscheinen, doch einem Humanisten kommt man nun einmal nur auf diese Weise nahe. Immerhin bietet jetzt eine kurze, aber illustrative Würdigung der Edition von Alexander Koller in den QFIAB eine erste Einführung zu diesen Schriften Schoppes: Die Freiheit von Wort und Schrift. Zur Edition der Autobiographie und der Korrespondenz des Philologen und politisch-konfessionellen Grenzgängers Kaspar Schoppe (1576-1649), in: QFIAB 93 (2013), S. 363–376 (der vollständige Text wird auf perspectivia.net im März 2015 erscheinen können).

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/495

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