Archivwesen: Neue Entwicklungen und Erfahrungen im Bereich der digitalen Archivierung. Von der Behörden­beratung zum Digitalen Archiv

http://www.gda.bayern.de/publikationen/sonderveroeffentlichungen/ak-14.pdf 14. Tagung des Arbeitskreises “Archivierung von Unterlagen aus digitalen Systemen” vom 1. und 2. März 2010 in München, hrsg. von Susanne Wolf, München 2010. Zentrale Problemstellung bei der digitalen Archivierung ist die Bewertung, Übernahme und die Erhaltungsform von Fachverfahren der Behörden durch die Archive, weshalb diese Bereiche erneut thematisiert wurden. Ein Schwerpunkt der Tagung […]

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2014/02/4960/

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„habe im gebrochenen Deutsch gefragt, was da angeschlagen sei”


RNB St. Petersburg, F 993 Arch. Westf., K. 17, Nr. 10 494–10 686, hier Nr. 10 507: Abschrift einer Deklaration von J. H. G. Oppermann, protokolliert von Hoffmann, Polizeikommissar in Braunschweig, 2. 4. 1813.

„[…] den Tags Befehl d. 29.sten März a.c. in welchen bekannt gemacht worden, daß mehrere Russen [lateinische Schrift] getödtet und zu Gefangnen gemacht worden, und welches an die Ecken der Gaßen angeschlagen worden war, in der Gegend des August Thors abgerissen habe […] Gärtner Oppermann […] dabei gegenwärtig […]

Johann Heinrich Gebhardt Oppermann [deklarierte gemerkt zu haben, wie] mehrere Leute an der Ecken gestanden, und den Tags Befehl gelesen hätten, er sei ebenfalls hinzu getreten, um denselben zu lesen. Ein Französischer Cuirassier habe ebenfalls unter diesen Leuten gestanden, habe im gebrochenen deutsch gefragt, was da angeschlagen sei. Es sei denselben hierauf gesagt, daß 200 Mann Russen getödtet und 17 zu Gefangenen gemacht worden, der Franzose habe hierauf erwiedert.

‚Spricht man die 200 Mann Russen todt, 17 Cosacken Gefangen, aber man sagt nicht wie viel Franzosen todt und gefangen genommen worden. Ich bin in Moscau gewesen, und weiß die Russen zu schätzen, und noch hinzugesagt S. V. Scheiss, und habe in 2 malen von der Ecken den Tags Befehl abgerißen. […]

Oppermann-Hoffmann”. 

 

Zur Quelle:

 

Diese Quelle ist in zwei Hinsichten interessant: Zum einen zeigt es, wie Übersetzungsprozesse spontan und unkompliziert zustande kamen. Beispielsweise konnte ein Nachbar oder Fremder als Interpret dienen. Im Protokoll vom Polizeikommissar Hoffmann wird deutlich, dass er auf der Suche nach einem französischen cuirassier, der mithilfe der umstehende Bevölkerung den Inhalt des zweisprachigen Anschlags erfuhr. Er sprach zwar nur gebrochen Deutsch, aber seine Zweisprachigkeit genügte, um die versammelten deutschsprachigen Menschen auf der Straße vor dem Anschlag anzusprechen und mit ihrer Hilfe den Inhalt des Anschlags zu erschließen. Aus einem anderen Dokument der gleichen Polizeiakte (Polizeibericht vom Generalpolizeikommissar der Hohen Polizei François Thibault de Guntz an seinen Vorgesetzten Bongars) erfährt man, dass der Tagesbefehl vom 29. März zweisprachig war. Daraus ergibt sich, dass der Cuirassier weder das Deutsche noch das Französische selbst nachlesen konnte, weil er des Lesens nicht mächtig war. Dies bedeutet, dass ein zweisprachiger Analphabet französischer Herkunft über Dritte, nämlich einsprachige deutsche Schriftsässige, durch Vorlesen auf Deutsch trotz geringer deutscher Sprachkenntnisse Zugang zum Inhalt des Anschlags erhielt – und dies, obwohl der gleiche Text eigentlich auch in seiner Muttersprache zur Verfügung stand. Da der französische cuirassier  nicht lesen konnte, hatte er sich in der Hoffnung zu ihnen gesellt, er werde unter den Leuten, die sich um den Anschlag versammelt hatten, bestimmt jemanden finden, der ihm entweder den französischen oder den deutschen Text vorlesen würde.

Zum anderen habe der Cuirassier den Anschlag abgerissen, so der Gärtner Johann Heinrich Gebhardt Oppermann und empört zum Besten gegeben, dass er der napoleonischen Kriegspropaganda kein Glauben mehr spende, nachdem er den Rußlandfeldzug miterlebt habe. Der französische cuirassier äußerte mit dieser Aktion und seinem Wutausbruch seine Desillusion über die Kriegszüge Napoleons und die Informationspolitik der französisch-kaiserlichen und westphälischen Macht, die mehr eine propagandistische Desinformationspolitik war.

 

Weiterführend:

Roger Chartier (Hg.), Pratiques de la lecture, Marseille 1985.

Erich Pelzer, Die „Bulletins de la Grande Armée” als Werkzeuge napoleonischer Propaganda, Selbstdarstellung und Legendenbildung, in: Rüdiger Schmidt, Hans-Ulrich Thamer (Hg.), Die Konstruktion von Tradition. Inszenierung und Propaganda napoleonischer Herrschaft (1799–1815), Münster 2010, S. 209–234.

 

Zitiert/verwendet, in:

Claudie Paye, „Der französischen Sprache mächtig”. Kommunikation im Spannungsfeld von Sprachen und Kulturen im Königreich Westphalen 1807−1813, München 2013, S. 127.

 

Abbildung Banner: C. G. H. Geißler, Französische Soldaten, welche auf dem Marsche zur Armee unter einem Baum biwaquieren, Radierung, um 1807, Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Gei III/5a, CC BY-NC-ND 2.0 DE

Quelle: http://naps.hypotheses.org/388

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Westphälische Deserteurs in Holland (1810): „mesures rigoureuses”


Nationaal Archief Den Haag, Archief Prins Stedehouder, 1810–1813 (2.01.01.08), Nr. 18, Différentes autorités civiles et militaires de l’Empire: Philippe François Maurice de Rivet d’Albignac (ministre de la Guerre ad interim à Kassel) à Charles François Lebrun (à Amsterdam), 26 juillet 1810.


„Jusqu’ici les déserteurs et les réfractaires westphaliens ont trouvé asyle dans les pays qui composaient la Hollande.

S. M. éprouverait de grandes difficultés dans le recrutement de son armée, si des mesures rigoureuses n’étaient prises pour leur arrestation.

J’ai l’honneur de prier V. A. S. de vouloir bien donner les ordres qu’elle jugera convenables, pour que les déserteurs et conscrits réfractaires westphaliens qui se trouvent dans les départemens de la ci-devant Hollande soient arrêtés et remis à la gendarmerie westphalienne aux points des frontières que V. A. S. désignera. J’ai donné les instructions nécessaires à cet égard aux autorités frontières et à la gendarmerie”.

 

Königlich westfälische Truppen, 1812

Abbildung: Richard Knötel, Uniformenkunde, Lose Blätter zur Geschichte der Entwicklung der militärischen Tracht, Berlin 1890. Band I, Tafel 43. (http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kn%C3%B6tel_I,_43.jpg?uselang=de)


Zur Quelle:

Dieser Brief von Philippe François Maurice de Rivet d’Albignac an Charles François Lebrun, einige Tagen nach der Eingliederung des Königreichs Holland in das Kaiserreich, betrifft Deserteure aus Westfalen in Holland. Die Aushebung von Soldaten im Rahmen einer allgemeinen Kriegsdienstpflicht wurde in ganz Europa, auch in Westfalen, zum Symbol für das Napoleonische Regime. In der Theorie galt die Einberufung für zwei Jahre, aber während des Krieges galt sie praktisch, solange Napoleon wollte.

Als Napoleon das Königreich Holland von Louis Bonaparte eingliederte, durch das Dekret von Rambouillet, 8./9. Juli 1810, ordnete er sofort an, dass Charles-François Lebrun die Pflichten von Louis Bonaparte übernehmen sollte. In erster Linie sollte Lebrun den Übergang zur französischen Herrschaft beaufsichtigen. Charles-François Lebrun war gewiss ein geeigneter Mann für diese Position. Er besaß viele Jahre politischer Erfahrung und war einer der einflussreichsten Männer im Staatsapparat. Lebrun war 1799 von Bonaparte neben Jean Jacques Régis Cambacérès zum Dritten Konsul berufen worden. Mit Gründung des Kaiserreichs 1804 wurde Lebrun architrésorier (Erzschatzmeister) des Französischen Empire. Zudem war Lebrun nach der weitgehend problemlosen Eingliederung der einstigen Ligurischen Republik ins Kaiserreich, im Jahre 1805/06, Generalgouverneur mit Sitz in Genua gewesen.

Anstatt eine sofortige umfassende Eingliederung vorzunehmen, entschied sich Napoleon, dafür, die Holländischen Departements bis auf weiteres erst einmal teilweise in das Kaiserreich zu integrieren. Napoleon betonte, dass er die Niederlande nicht als ein Pays conquis ansehe und nicht beabsichtige viele französische Beamte dorthin zu schicken, oder holländische Institutionen rücksichtslos zu ersetzen. Am 16. Oktober 1810 gab der Kaiser das Décret contenant réglement général sur l’organisation des départements de la Hollande heraus. Im Wesentlichen sah das Dekret an der Spitze der Holländischen Departements einen Generalgouverneur vor (Lebrun), assistiert von einer Anzahl Intendanten. Der Generalgouverneur hatte die fast absolute Kontrolle über zivile und militärische Angelegenheiten in den niederländischen Departements.

Das Generalgouvernement musste als Mittler zwischen den niederländischen Departements und der Zentralregierung in Paris fungieren. Die Niederlande waren jetzt in sieben Departements gegliedert, ausgestattet mit den üblichen französischen Ziviladministrations- und Rechtspflegeinstitutionen, unterteilt in Arrondissements und Kantonen. Verwaltungs- und Gerichtssprache wurde nicht das Französische allein, vielmehr wurden die französische und die niederländische Sprache konkurrierend verwandt. Selbstverständlich aber korrespondierten die französischen Beamten nicht nur in Paris, sondern auch in Amsterdam mit ihren Untergebenen in Französisch.

Charles François Lebrun versuchte Dienstpflichtige aus Westfalen festzunehmen. Es gab in Holland 127 Gendarmerie-Brigaden, die über das Land verstreut waren und je aus fünf bis zehn Männern bestanden. Die paramilitärische Gendarmerie wurde bei Bedarf von den Behörden, entweder vom Maire einer Gemeinde, oder von einem höherrangigen Beamten zur Amtshilfe herangezogen. Weder dem Innen-, noch dem Polizei- noch dem Kriegsministerium eindeutig zugeordnet, war die so gut wie unkontrollierte Gendarmerie ein promptes, loyales und gefürchtetes Instrument der sozialen Kontrolle, aber auch der politischen Unterdrückung in Europa.


Weiterführend:

Alan Forrest, Conscripts and Deserters: the Army and Society during the Revolution and Empire, New York (Oxford University Press) 1989. Auch auf Französisch: Déserteurs et insoumis sous la Révolution et l’Empire, Paris (Librairie Académique Perrin) 1988.

Johan Joor, Resistance against Napoleon in the Kingdom of Holland, in: Michael Broers, Peter Hicks und Agustin Guimerá (hrsg.), The Napoleonic Empire and the New European Political Culture, Basingstoke (Palgrave Macmillan) 2012, S. 112−122.

Aurélien Lignereux, Servir Napoléon. Policiers et gendarmes dans les départements annexés (1796−1814), Seyssel, (Éditions Champ Vallon) 2012.

Kevin Linch, Conscription, in: European History Online, [veröffentlicht am 30.01.2012], http://www.ieg-ego.eu/linchk-2012-en (eingesehen am 29.06.2013).

Matthijs Lok, Martijn van der Burg, The Dutch Case: the Kingdom of Holland and the Imperial Departments, in: Michael Broers, Peter Hicks und Agustin Guimerá (hrsg.), The Napoleonic Empire and the New European Political Culture, Basingstoke (Palgrave Macmillan) 2012, S. 100−111.

Bettina Severin-Barboutie, Vom freiwilligen Söldner zum dienstpflichtigen Untertan. Militärische Massenmobilisierung im Königreich Westfalen, in: König Lustik!? Jérôme Bonaparte und der Modellstaat Königreich Westphalen (Ausstellungskatalog Museumslandschaft Hessen, Kassel 2008), München 2008, S. 120–126.

Martijn van der Burg, Napoleons Generalgouvernement Holland, 1810–1813. Die Frage von Assimilation und Integration, in: Helmut Stubbe da Luz (hrsg.), Statthalter Regimes (im Druck).


Zitiert in:

H.T. Colenbrander (hrsg.), Gedenkstukken der Algemeene Geschiedenis van Nederland van 1795 tot 1840 VI, ’s-Gravenhage (Martinus Nijhoff) 1911, Nr. 996. Digitalisiert: [http://www.historici.nl/Onderzoek/Projecten/GedenkstukkenGeschiedenisVanNederland1795-1840/index_html_en]

Abbildung Banner: C. G. H. Geißler, Französische Soldaten, welche auf dem Marsche zur Armee unter einem Baum biwaquieren, Radierung, um 1807, Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Gei III/5a, CC BY-NC-ND 2.0 DE.

Quelle: http://naps.hypotheses.org/336

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Fahndung 2.0

In den letzten Tagen gab es einige Meldungen österreichischer Medien über neue Fahndungsstrategien:

  • Für einige Empörung hat der Bürgermeister von Gleisdorf gesorgt, der in Privatinitative “auf Facebook ein Foto von zwei Jugendlichen veröffentlicht und die Bevölkerung um Hilfe bei der Identifizierung der Burschen gebeten” hat. Anlass war eine Sachbeschädigung, derer die beiden Gesuchten verdächtigt wurden. Diese private Facebook-Fahndung war schnell erfolgreich: “Nach nur wenigen Minuten hatte Stark sein Ziel erreicht, die Namen der Jugendlichen bekommen und das Foto wieder gelöscht”.
  • Ebenfalls über Facebook veröffentlicht seit kurzem das Bundeskriminalamt seine Fahndungsaufrufe, wie Die Presse vermeldet. Im gleichen Artikel findet sich auch eine erste Zwischenbilanz über die Bildschirmfahndung auf Wiener Bahnhöfen; diese “hat bisher noch zu keinem Erfolg geführt”.

Quelle: http://www.univie.ac.at/identifizierung/php/?p=3899

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