2 Promotionsstipendien an der TU Darmstadt

TU Darmstadt
FB 2/Institut für Philosophie, Institut für Sprach- und Literaturwissenschaft
Juli 2014

Ausschreibung

 Natur und Staat: Biopolitische Metaphorik und „ethische Bildung“ um 1900

(Laufzeit: 9/2014-8/2017)

Das Projekt ist angesiedelt an der Schnittstelle von Philosophie und begriffsgeschichtlicher/metaphorologischer Diskurs­forschung. Es richtet sich auf die Erfassung und Untersuchung der Metaphorik des biopolitischen, u.a. Ethik und Bildung betreffenden Diskurses in einem elektronisch vorliegenden und aufzubereitenden Korpus Natur und Staat [1903-1911].

Es handelt sich um ein in Kooperation durchzuführendes Projekt im Rahmen eines Projektverbundes (Philosophie/Com­puter­philologie/Informatik). Teilautomatisierte Metaphernsuche sowie Korpuserschließung und -sicherung, digitale Annotation und Vernetzung für multidisziplinäre, internationale Forschung (Semantic Web) sind Gegenstand von weiteren Promotionsvorhaben, die parallel durchgeführt werden.

Als eine technische Universität verbindet die TU Darmstadt hoch innovative geisteswissenschaftliche Forschung mit ingenieur­wissenschaftlichen Schwerpunkten. Das Thema Digital Humanities wird gemeinsam durch den Fachbereich Geschichts- und Gesellschaftswissenschaften und den Fachbereich Informatik getragen. In den beiden Fachbereichen sind die Promovierenden in ein anregendes Umfeld und vielseitige Projektkontexte eingebunden. Stipendiaten/innen wirken am interdisziplinären Promotionsprogramm “Knowledge Discovery in Scientific Literature” an der TU Darmstadt mit. Des Weiteren ist – vorbehaltlich der formalen Bewilligung durch das BMBF  – eine Assoziierung mit dem 2015 einzurichtenden Zentrum für eHumanities vorgesehen. Die Möglichkeit einer Assoziierung an das DFG Graduier­tenkolleg 1343 „Topologie der Technik“ ist gegeben.

1 Promotionsstipendium (Philosophie/Wissensgeschichte)

Die Ausschreibung richtet sich an Absolventen/innen der Fächer Philosophie oder aber Geschichte, Literatur-/Kulturwissenschaft oder Linguistik mit einem Schwerpunkt im Bereich Wissens- und Ideengeschichte/Diskurs­analyse, idealer Weise der Metaphern­forschung. Interesse an interdisziplinärer Arbeit und „Digital Humanities“ sind ebenso Voraussetzung wie Selbständigkeit, Team- und Kommunikationsfähigkeit. Schwerbehinderte Menschen werden bei gleicher Eignung bevorzugt eingestellt. Bewerbungen aus dem Ausland sind ‒ bei hervorragender Kenntnis der deutschen Sprache ‒ aus­­drücklich willkommen.

Die Höhe des Stipendiums beträgt 1.400 Euro mntl.

Aussagekräftige Bewerbungsunterlagen (gern digital) sind erbeten bis zum 7. September 2014 an:
Prof. Dr. Petra Gehring
TU Darmstadt
Schloss
D-64283 Darmstadt
gehring[at]phil.tu-darmstadt.de

1 Promotionsstipendium (Computerphilologie)

Die Ausschreibung richtet sich an hervorragend qualifizierte Absolventen/innen der Fächer Philosophie oder aber Geschichte, Literatur-/Kulturwissenschaft oder Linguistik, ggf. auch der Informatik mit einem Schwerpunkt im Bereich der Computer­philologie. Vertrautheit mit digitalen Korpora, digitalen Infrastrukturen und computergestützten Annotationsverfahren wird vorausgesetzt; Erfahrungen mit quantitativen Auswertungsverfahren, Topic Modeling, Machine Learning sind willkommen. Selbständiges Arbeiten, persönliches Engagement, Team- und Kommunikationsfähigkeit sowie Kooperationsbereitschaft werden bei der Mitwirkung in einem interdisziplinären Team vorausgesetzt. Schwerbehinderte Menschen werden bei gleicher Eignung bevorzugt eingestellt. Bewerbungen aus dem Ausland sind ausdrücklich willkommen.

Die Höhe des Stipendiums beträgt 1.400 Euro mntl.

Aussagekräftige Bewerbungsunterlagen (gern digital) sind erbeten bis zum 7. September 2014 an:
Prof. Dr. Andrea Rapp
TU Darmstadt
Institut für Sprach- und Literaturwissenschaft
Dolivostr. 15
D-64293 Darmstadt
rapp[at]linglit.tu-darmstadt.de

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=3882

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Zur Präsenz der Karmeliten in Oberösterreich – Fragen zu einer Bildquelle des frühen 16. Jahrhunderts

An der Fassade eines „Bürgerhauses“ in Steyr (Oberösterreich) findet sich ein Christophorus-Wandbild vom Beginn des 16. Jahrhunderts mit der Darstellung eines knienden Stifters im Habit der Karmeliten. Eine fragmentierte Inschrift an derselben Fassade enthält die Worte „domus fratris“. In meinem Blog Camera Picta habe ich mir letztens Gedanken zu diesem Wandbild gemacht und die Frage aufgeworfen, ob sich daraus möglicherweise auf eine (wie auch immer geartete) Präsenz der m. W. hier sonst nicht nachgewiesenen Karmeliten in Steyr schließen lässt. Denkbar erschiene mir auch eine Verbindung zum Karmeliterkloster im nahegelegenen Mauthausen, nachweisbar ist eine solche, soweit ich sehe, jedoch nicht. Zudem bestand der Konvent in Mauthausen nur wenige Jahre (1494-1507/14), sodass fraglich ist, inwieweit er überhaupt jemals so etwas wie öffentliche Wirkung über die Ortsgrenzen hinweg erzielen konnte.

Nach allem, was ich bisher finden konnte, ist die Literaturbasis sowohl zu dem Wandbild in Steyr als auch zu den Mauthausner Karmeliten, gelinde gesagt, dürftig. Falls jemand mehr weiß oder weiterführende Ideen hat, wäre ich für entsprechende Hinweise daher ausgesprochen dankbar.

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/7846

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Webressourcen aus Nordeuropa – Fundstücke Juli 2014

Die nordischen Länder und der 1. Weltkrieg

Forscher von drei dänischen Universitäten und des Nationalmuseums haben den Kampf Dänemarks um die Neutralität des Landes während des 1. Weltkriegs aufgearbeitet und präsentieren ihre Ergebnisse in der Ausstellung “På kanten af krig – Neutralitet mellem krig og velfærd”, die ab 6. August 2014 in dem neu geschaffenen kommunalen kulturhistorischen Museum Mosede Fort Danmark 1914-18 in Greve gezeigt wird.

Das Museum Sønderjylland hingegen dokumentiert die Auswirkungen des 1. Weltkriegs auf die, damals noch zum Deutschen Reich gehörende männliche Bevölkerung Nordschleswigs, die als Soldaten Kriegsdienst leisten mussten. Der Kriegseinsatz der 35.000 Soldaten hat seine Spuren in Form von Gedenkstätten und Soldaten- und Kriegsgefangenengräbern hinterlassen. Hierzu hat das Museum eine App veröffentlicht, der zu 35 dieser Stätten Texte, historische Karten und Fotos liefert und auch eine Datenbank der gefallenen Soldaten beinhaltet. Diese Informationen stellt auch die Datenbank Verdenskrigens Spor i Sønderjylland 1914-1918 bereit.

Das im Juli 2014 veröffentlichte Portal Den store krig 1914 – 1918 hingegen zeichnet den Verlauf des Krieges in Form von Nachrichten. Das Quellenmaterial haben neben diversen Archiven und Museen auch Privatpersonen aus der Region zur Verfügung gestellt. Ziel ist es, die Geschichte der Soldaten aus Nordschleswig und deren Familien in Bild und Text zu dokumentieren. Ergänzend dazu veröffentlicht das Landesarchiv für Sønderjylland eine Online-Liste über die gefallenden Soldaten aus Nordschleswig 1914-1918. Der gleichen Thematik widmet sich auch die schon etwas ältere Internetseite I farfars fodspor. Dort stellt der Enkel des Nordschleswigers Iver Henningsen dessen Briefe, Fotos und Zeichnungen aus dem 1. Weltkrieg vor und zeichnet die “Reiseroute” seines Ostfronteinsatzes nach. Auf der Seite Første Verdenskrig – de sønderjyske krigsdeltagere finden sich weitere Briefe und Tagebücher von Kriegsteilnehmern aus Nordschleswig.

Mit der visuellen Aufarbeitung der Jahre 1914-18 für die neutralen nordischen Länder beschäftigt sich das Portal European Film Gateway, das ein Baustein der europäischen Datenbank Europeana ist. Digitalisiertes Filmmaterial der Länder Dänemark und Norwegen ist in die Netzausstellung European Film and the First World War – A Virtual Exhibition eingebunden. In der Sammlung Det Danske Filminstitut: First World War Films finden sich weitere Filme dänischer Provenienz, das filmhistorische Material der norwegischen Nationalbibliothek unter Nasjonalbiblioteket: First World War Films.

Das norwegische Reichsarchiv hat im Rahmen der Netzaustellung ”Europæisk krig uundgaaelig” Dokumente zum Thema “Der 1. Weltkrieg aus der Sicht norwegischer Dipomaten” veröffentlicht.

Neben diesem den Sommer bestimmenden Thema “Erster Weltkrieg” hier unsere weiteren Fundstücke aus den einzelnen Ländern:

Dänemark
In einer neuen Datenbank stellt das Museum für Seefahrt (Helsingør) 34000 digitalisierte Bilder (Seeleute, Schiffe, Häfen, u.a.) aus seinem umfangreichen Bildarchiv, das über 200000 Abbildungen umfasst, online.

Die Königliche Bibliothek plant, weitere digitalisierte Teile ihrer 5,2 Bilder umfassenden Flugfotosammlung in der Datenbank Danmark set fra luften – Før Google ins Netz zu stellen. Neben den 250.000 Luftaufnahmen von Fünen und umliegenden Inseln, Bornholm und den Inseln im Kattegatt sollen ab Oktober 2014 200.000 Fotos von den sieben westjütischen Kommunen (Herning, Ringkøbing-Skjern, Holstebro, Skive, Ikast-Brande, Lemvig und Struer) zugänglich sein.

In dem Blog Byerne -  Blog om urban historie og kultur des Dänischen Zentrums für Stadtgeschichte
veröffentlichen zukünftig Stadthistoriker, Architekten und Stadtplaner ihre Forschungsergebnisse.

Das Landesarchiv Nordjütland hat die Archivbestände der dänischen Bezirksvögte (herredsfogederne) in Djurs Sønder og Mols und in Hammerum digitalisiert und online gestellt.

Norwegen

Das Provinzarchiv Sogn og Fjordane hat zwei kulturgeschichtlich relevante Fotosammlungen erhalten, die digitalisiert und in die archiveigene Fotodatenbank eingebunden werden sollen: Die mehrere hundert historische Bilder umfassende Sammlung von Bjørg Hovland, die neben Fotos von der eigenen Familie und weiteren Bewohnern der Region Luster auch Motive von Amerikaauswanderern beeinhalten. Die Fotosammlung von Andrea Breien (1866-1954) gibt einen Einblick in das Alltagsleben des Wohnsitzes “Kristianelyst” des Gerichtsvollziehers in Solvorn in den Jahren 1908-1915.

Mit dem wirtschaftsgeschichtlichen Aspekt des 1814-Jubiläums beschäftigt sich die Datenbank Historiske toll- og skibsanløpslister. Dort kann bereits in den Zolllisten für Christiania, Bergen, Trondheim, Risør, Tønsberg und teilweise Kristiansand aus den Jahren 1786, 1788, 1790, 1792 und 1794 recherchiert werden.

Quelle: http://nordichistoryblog.hypotheses.org/2441

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8. August 1914

Stadtarchiv Düsseldorf, “Tagebuch Willy Spatz” 1914-1919. 0-1-23-41.0000 Alle Scans zum Tagebucheintrag vom 8. August 1914 Willy Spatz (1861-1931) war Professor an der Kunstakademie Düsseldorf. Samstag, d. 8. August. Wir saßen gestern Abend im Malkasten und besprachen die Ereignisse des Tages, … Weiterlesen

Quelle: http://archivewk1.hypotheses.org/275

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Bedeutet der Abbau des Sozialstaates den Abbau der Sozialstatistik?

In einer Zeit, wo „Austerität“ die Rede ist und Regierungen versuchen, ihre Ausgaben zusammenzustreichen, entgehen Ausgaben für amtliche Statistik nicht der Aufmerksamkeit. Es lässt sich auch glauben, dass je weniger der Staat eine aktive und umfangreiche Sozialpolitik betreibt, umso weniger muss er über soziale Tatbestände wissen – oder, wenn man es zynisch ansähe, umso weniger will er darüber wissen (lassen).

Sicherlich war dies der Fall am Anfang der 80er in Großbritannien. Als Thatcher zum ersten Mal zur Macht kam, gab sie eine Untersuchung des Umfanges und der Struktur der amtlichen Statistik bekannt. Diese Untersuchung wurde von dem ehemaligen Unternehmer Derek Rayner geleitet und der Vollzug seiner Empfehlungen wurde die „Rayner Reforms“ benannt1. Diese führten zu erheblichen Verringerungen des statistischen Personals (zu etwa 30%) und der Ausgaben sowohl der Streichung einiger Erhebungen, z.B. die zur Vermögensverteilung. Zu derselben Zeit in Deutschland, wo die amtliche Sozialstatistik noch schwach im Vergleich mit der Wirtschaftsstatistik blieb, war es gefürchtet, dass der bestehende Fortschritt in diesem Bereich durch Kürzungen gefährdet würde.

In den ersten Jahren der Regierung Camerons (2010-) in Großbritannien gab es Anlass zu denken, dass die amtliche Statistik einen solchen Abbau erleidet. Es wurden zwei große Erhebungen (The Citizenship Survey und The Places Survey) beendet, der Stichprobenumfang der Family Resources Survey, die die wichtigste Quelle für Einkommensstatistiken darstellt, wurde unter anderen gekürzt, und eine Reihe von Konsultationen drohten weitere Sparmaßnahmen.

Infolgedessen kündigte die UK Statistics Authority (UKSA), die seit 2008  dem „Statistics and Registration Act 2007“ gemäß den Vollzug der amtlichen Statistik unabhängig kontrolliert, eine laufende Beobachtung der Kürzungen an. Die Folgen der Streichung statistischer Datenreihen und Berichte lassen sich sehr schwierig kürzfristig bewerten. Die von UKSA erstellten Daten über statistisches Personal sind aber selbst schon interessant. Die Grafik2 zeigt, wie schnell dessen Anzahl in den 2000ern stieg und wie sie immer noch zu steigen scheint.

Number of statisticians in the Government Statistical Services 2000-2013

Wie kann man es deuten, dass mit dem derzeitigen Abbau des britischen Sozialstaates keine Verringerung des statistischen Personals einhergeht? Ein Grund ist vielleicht, dass die verstärkte Kontrolle der amtlichen Statistik durch die UKSA und die Formalisierung des Konsultationsverfahrens Kürzungen einschränkten. Es liegt aber auch daran, dass die zunehmende Privatisierung der sozialen Dienstleistungen (Arbeitsvermittlung, Gesundheitswesen, Bildung u.s.w.) wesentlich eine statistische Infrastruktur erfordert. Koordination und verträgliche Beziehungen zwischen Staat und Unternehmern gehen nicht ohne Statistik. Die Schaffung eines Marktes setzt Marktinformationen voraus. So Hayek über Statistik und änliche Aktiväten: „[a]ll these activities of government are part of its efforts to provide a favourable framework for individual decisions; they supply means which individuals can use for their own purposes“3.

Ein längeres Blog zu diesem Thema ist auf StatsLife / LSE Policy & Politics blog zu finden. Ein Working Paper ist auch auf Anfrage verfügbar.

  1. Die Geschichte der „Rayner Reforms“ und seine Wirkungen auf die Sozialstatistik wird ausführlich von Ruth Levitas dargestellt: Levitas, R., 1996. The Legacy of Rayner. In R. Levitas & W. Guy, eds. Interpreting Official Statistics. London: Routledge.
  2. Data are collated from the minutes of the Committee for Official Statistics, 2011 to 2013. Note that the move from a headcount to full-time equivalent basis means the figures from 2012 are not directly comparable with those from 2000 to 2011
  3. Hayek (2006) The Constitution of Liberty. Routledge. Ich danke Rikki Dean für das Zitat.

Quelle: http://etatsocial.hypotheses.org/300

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Das ›Vierte Deutschland‹ — Einzelstaaten in außerdeutschen Personalunionen. Ein Forschungsaufruf zu ›ausländischer »Steuerungskompetenz«‹ innerhalb des Deutschen Bundes (1815-1866)*

von Andreas C. Hofmann 

* Der folgende Beitrag stellt einen Aufruf an die Forschung dar, sich dem Thema der Interdependenzen von Personalunionen mit auswärtigen Staaten für die Deutsche Geschichte eingehender zu widmen. Die konzeptionellen Überlegungen wurden erstmals in der im Wintersemester 2013/14 von der Philosophischen Fakultät für Geschichts- und Kunstwissenschaften der Ludwig-Maximilians-Universität München unter der Betreuung von Prof. Dr. Wolfram Siemann angenommenen Dissertation ‚Deutsche Universitätspolitik im Vormärz zwischen Zentralismus, ›Transstaatlichkeit‹ und »Eigenstaatlichkeitsideologien« (1815/19 bis 1848)‘ angeschnitten.

"Karte des Deutschen Bundes 1815–1866", CC-BY

Karte des Deutschen Bundes 1815–1866” von ziegelbrenner unter CC-BY, Bildbeschnitt durch den Autor.

Es war bereits während der konzeptionellen Überlegungen zur Dissertation über ›Deutsche Universitätspolitik im Vormärz‹, als ein Zögern aufkam, die Universitäten Göttingen und Kiel in ein geplantes Kapitel über die Klein- und Mittelstaaten des ‚Dritten Deutschlands‘ einzugliedern. Es war angedacht — und sollte sich leider für eine Dissertation als zu ehrgeizig erwiesen haben — in einem Kapitel alle deutschen Universitäten außerhalb Österreichs und Preußens einer kumulativen Betrachtung zu unterziehen. Und es sind ja bekanntlich die dann übriggebliebenen Klein- und Mittelstaaten, welche nach Österreich und Preußen gemeinhin als das dann eben ‚Dritte Deutschland‘ bezeichnet werden. Darüber hinaus etablierte Peter Burg mit „Steuerungskompetenz“ einen Begriff, der die — mal mehr mal weniger erfolgreichen — Versuche Österreichs und Preußens bezeichnet, auf das ‚Dritte Deutschland‘ Einfluss zu nehmen. Der deutsche Dualismus zwischen Österreich und Preußen wurde konzeptionell somit zu einer ‚Deutschen Trias‘ weiterentwickelt.[1] Sie unterlag entweder einer „monistischen Steuerungskompetenz“, sofern Österreich seinen Einfluss uneingeschränkt und allein geltend machen konnte, einer „ambivalenten Steuerungskompetenz“, falls diese zwischen beiden Hegemonialmächten wechselte oder einer „dualistischen Steuerungskompetenz“, falls beide Großmächte ihren Einfluss auf das ‚Dritte Deutschland‘ einvernehmlich ausübten.[2] Aber passen Einzelstaaten wie das Königreich Hannover in seiner Personalunion — das heißt durch die Person des Monarchen vereinigten Regentschaft — mit Großbritannien oder die Herzogtümer Holstein/Lauenburg mit der Personalunion mit Dänemark oder fernab der Universitätsgeschichte das Großherzogtum Luxemburg und das Herzogtum Limburg mit den Personalunionen zu den Niederlanden in dieses Schema?

Ließen die Könige von Großbritannien, Dänemark und den Niederlanden diese Einflussnahmen auf von ihnen in Personalunion regierte deutsche Einzelstaaten zu? Ist nicht vielmehr von einer ›ausländischen »Steuerungskompetenz«‹ der betreffenden Monarchen auf ihre deutschen Lande auszugehen? Ein Blick auf die Forschung wird offenbaren, dass die transnationalen bzw. transstaatlichen Wechselwirkungen von Personalunionen innerhalb des Deutschen Bundes bislang nur sektoral bearbeitet worden sind. In welcher Richtung liefen solche Wechselwirkungen ab? Handelte es sich hierbei um ein relativ gefestigtes Gefüge oder stellten die Interdependenzen einen eher dynamischen Mechanismus dar? Welche Unterschiede sind in den drei genannten Fällen feststellbar? Gibt es Differenzen in einzelnen Politikfeldern und auf welche Einflüsse gehen solche Verschiedenheiten zurück? Sind Transnationalität und Transstaatlichkeit überhaupt die passenden Konzepte, um die mit den Personalunionen verbundenen Prozesse zu erfassen?[3] Gibt es konkrete Beispiele, welche beispielsweise eine aus britischer Staatsräson erfolgte Einflussnahme auf die Politik des Königreichs Hannover belegen. Oder gab es auch umgekehrt Rücksichtnahmen der außerdeutschen Staaten auf ihre in Personalunion befindlichen deutschen Einzelstaaten?

Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen erscheint es zumindest möglich, dass die betreffenden Staaten aus dem für das ‚Dritte Deutschland‘ skizzierten Einfluss der ‚steuerungskompetenten‘ Staaten Österreich und Preußen ausscherten. Aber macht es Sinn Hannover, Holstein/Lauenburg und Luxemburg/Limburg dann weiterhin zum ‚Dritten Deutschland‘ zu zählen? Ich sage nein! Auch wenn die zur Zeit des Deutschen Bundes mit Personalunionen einhergegangenen Bindungen zwischen den Staaten — wie das Beispiel Hannover zeigt — gerade erst umfassend untersucht werden;[4] es ist doch davon auszugehen dass alle drei mit den außerdeutschen Königreichen im Hintergrund ein anderes Standing gegenüber den Großmächten hatten, als dies bei anderen Klein- und Mittelstaaten der Fall gewesen war. So erscheint es doch sinnvoll, die vermeintlich unter ›ausländischer »Steuerungskompetenz«‹ stehenden Staaten einem eigenen Überbegriff zuzuordnen. Vor dem Hintergrund der etablierten Differenzierung zwischen Österreich, Preußen und dem ‚Dritten Deutschland‘ erscheint die Begrifflichkeit eines ›Vierten Deutschlands‹ nur konsequent.[5] Aber ist dieser Titel nicht nur ein Etikettenschwindel?

Diese Frage zu beantworten ist der Aufruf an die Forschung. Denn dass eine begründete Annahme dazu besteht, die Staaten mit Personalunionen zu außerdeutschen Landesherrn von denjenigen des ‚Dritten Deutschlands‘ zu differenzieren, erscheint nur gut und richtig. Es wäre beispielsweise auch schlecht vorstellbar gewesen, dass das Königreich Bayern als selbsternannte Vormacht im ‚Dritten Deutschland‘ einen Führungsanspruch gegenüber dem niederländischen, dänischen oder gar britischen König hätte geltend machen wollen.[6] Entscheidend für die methodische Haltbarkeit des Begriffs sind aber nicht nur Negativfeststellungen über Abgrenzungen zu den Staaten des ‚Dritten Deutschlands‘, sondern auch Positivfeststellungen über signifikante, ja vielleicht sogar konstitutive Gemeinsamkeiten der Staaten des ›Vierten Deutschlands‹. Auch dies wird eine Frage für die Forschung sein: Haben die Personalunionen gleichförmige Auswirkungen auf die Politik der jeweils souveränen europäischen Großmacht und des jeweils im Deutschen Bund organisierten Einzelstaates? Gibt es weitere methodische und konzeptionelle Fragen zu klären, die in diesem Forschungsaufruf keine Berücksichtigung finden konnten? Am Beispiel der Universitätspolitik ergab sich keine konkrete Indikation, welche ausführliche archivalische Recherchen vor Ort im Hauptstaatsarchiv Hannover, dem Universitätsarchiv Göttingen oder gar dem Public Records Archive London gerechtfertigt hätte. Die Dissertation wies daher eine Bedeutung der Personalunionen für die jeweilige Universitätspolitik nicht nach, wobei eine komparatistische Herangehensweise an britische oder dänische Universitätspolitik auch den vorgegebenen Rahmen gesprengt hätte.

Andreas C. Hofmann (*1980), Abitur am Dom-Gymnasium Freising (2000), Magister Artium in Neuerer und Neuester Geschichte an der LMU München (2006), Stipendiat der Friedrich-Ebert-Stiftung (2004-2006 / 2008-2011), Promotion zum Dr. phil. (2014, Drucklegung steht noch aus)

a.hofmann@gmx.eu 
www.andreashofmann.eu 

[1]    Peter Burg: Die deutsche Trias in Idee und Wirklichkeit. Vom Alten Reich zum Deutschen Zollverein (=Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz, Bd. 136. Abteilung Universalgeschichte), Stuttgart 1989.

[2]    Peter Burg: Monistische oder dualistische Steuerungskompetenz? Die Deutschlandpolitik Österreichs und Preußens zwischen Wiener Kongreß und Märzrevolution, in: Michael Gehler / Rainer F. Schmidt / Harm-Hinrich Brandt / Rolf Steininger (Hg.): Ungleiche Partner? Österreich und Deutschland in ihrer gegenseitigen Wahrnehmung. Historische Analysen und Vergleiche aus dem 19. und 20. Jahrhundert (= Historische Mitteilungen der Ranke-Gesellschaft, Beiheft 15), Stuttgart 1996, S. 75-94.

[3]    Vgl. auch Andreas C. Hofmann: Suprastaatlichkeit, Interstaatlichkeit und Transstaatlichkeit. Ein Drei-Ebenen-Modell zur Beschreibung zwischenstaatlicher Beziehungen im Deutschen Bund, in: Melanie Hühn u.a. (Hrsg.): Transkulturalität, Transnationalität, Transstaatlichkeit, Translokalität. Theoretische und empirische Begriffsbestimmungen. Münster u.a. 2010, S. 133 ff. Zu den Vorteilen einer ‚Trans-Betrachtungsweise‘ auch Andreas C. Hofmann: Transstaatliche Verfassungsgeschichte suprastaatlicher Organisationen — Erweiterung statt Alternative, ursprgl. publ. in: aussichten. Perspektivierung von Geschichte [18.07.2011], neu publ. in: L.I.S.A. Das Wissenschaftsportal der Gerda-Henkel-Stiftung [26.02.2013], http://www.lisa.gerda-henkel-stiftung.de/ content.php?nav_id=4163.

[4]    Mit dem Promotionskolleg ‚Die Personalunion zwischen Großbritannien und Hannover 1714 bis 1837 als internationaler Kommunikations- und Handlungsraum‘ unternimmt die Universität Göttingen einen umfassenden Versuch, sich den Mechanismen einer solchen Personalunion unter verschiedenen Aspekten anzunähern. Ob „Ästhetik im Austausch – Zum Transfer kultureller Praktiken in Musik und Literatur“, „Im Netz der Dinge — Sammlungen als Kommunikationsräume“, „Ware Wissen — Technologie als Trägerelement ökonomischen Handelns“, „Jenseits von Grenzen — Hannover und die Personalunion als Konstrukt fürstlicher Diplomatie“, „Herrschaft durch Verwaltung — Räume und Praktiken der Administration“ oder „Kulturen des Krieges — Strukturen organisierter Gewalt zwischen ‚Reich‘ und ‚Empire‘“. Mit seinem mehrere Sachdisziplinen der Geschichtswissenschaft abdeckenden Ansatz wird das Promotionskolleg eine umfassende Darstellung des ‚Handlungsraumes Personalunion‘ liefern. An aktuellen Studien vgl. Heide Barmeyer (Hrsg.): Hannover und die englische Thronfolge (=Hannoversche Schriften zur Regional- und Lokalgeschichte Bd. 19), Bielefeld 2005; Torsten Riotte: Hannover in der britischen Politik 1792-1815. Dynastische Verbindung als Element außenpolitischer Entscheidungsprozesse (=Historia profana et ecclesiastica Bd. 13), Münster 2005; Torsten Riotte / Brenda Simms (Hrsg.): The Hanoverian Dimension in British History, Cambridge 2007.

[5]    In der Geschichtswissenschaft ist der Begriff des ‚Vierten Deutschlands‘ noch nicht etabliert. Verwendung findet er allerdings im gleichnamigen Roman Norbert Bleisch: Viertes Deutschland (=edition suhrkamp), Stuttgart 1992, sowie als Synonym für die Deutsche Demokratische Republik in den Erinnerungen Fritz Stern: Fünf Deutschland und ein Leben, Taschenbuchausg. München 2009 [82008].

[6]    Für e.g. die bayerische Außenpolitik direkt nach dem Wiener Kongreß vgl. Andreas C. Hofmann: „Schwere Gewitterwolken am politischen Horizont“. Eine Einordnung der Karlsbader Beschlüsse in die bayerische Außenpolitik von 1815 bis 1820, ursprgl. publ. in: http://www.aventinus.geschichte.uni-muenchen.de, neu publ. als: aventinus bavarica Nr. 7 (Winter 2006), http://www.aventinus-online.de/no_cache/ persistent/artikel/7750.

 

Quelle: http://openblog.hypotheses.org/105

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Videoprojekt »Looking Into Black Boxes«

Die erste Folge der Reihe »Looking Into Black Boxes« ist online. Das Projekt von Dirk Herzog, Fiona Krakenbürger und Jan Rödger hat sich über Krautreporter finanziert, mit dem Ziel einen genaueren Blick auf die Alltags-Computerisierung zu werfen. Ich finde die Episode gelungen, aber streckenweise ist es mir zu sehr Sendung-mit-der-Maus-mäßig. Vor allem aber hoffe ich, dass sie in den weiteren Episoden den Anwendungen von Software stärker folgen – da können die Folgen aus meiner Sicht auch länger werden. Aber Probleme wurden kaum vertieft (»Junk in – Junk out«) und auch die Black Box »Triage« wurde nicht geöffnet, sondern nur das Problem erläutert – aber nicht konkret, wie es durch Software gelöst wird.

 

Quelle: https://codinghistory.com/videoprojekt-looking-into-black-boxes/

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Videoprojekt »Looking Into Black Boxes«

Die erste Folge der Reihe »Looking Into Black Boxes« ist online. Das Projekt von Dirk Herzog, Fiona Krakenbürger und Jan Rödger hat sich über Krautreporter finanziert, mit dem Ziel einen genaueren Blick auf die Alltags-Computerisierung zu werfen. Ich finde die Episode gelungen, aber streckenweise ist es mir zu sehr Sendung-mit-der-Maus-mäßig. Vor allem aber hoffe ich, dass sie in den weiteren Episoden den Anwendungen von Software stärker folgen – da können die Folgen aus meiner Sicht auch länger werden. Aber Probleme wurden kaum vertieft (»Junk in – Junk out«) und auch die Black Box »Triage« wurde nicht geöffnet, sondern nur das Problem erläutert – aber nicht konkret, wie es durch Software gelöst wird.

 

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Quelle: http://codinghistory.com/videoprojekt-looking-into-black-boxes/

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Tagungsankündigung: “Forschungsethik in der qualitativen und quantitativen Sozialforschung”

Am 11./12. September 2014 veranstalten wir eine Tagung zum Thema “Forschungsethik in der qualitativen und quantitativen  Sozialforschung” an der LMU München in der Oettingenstr. 67. Die Tagung wird vom Lehrbereich “Qualitative Methoden der empirischen Sozialforschung” (Prof. von Unger) unter Beteiligung … Continue reading

Quelle: http://soziologieblog.hypotheses.org/7159

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Unsterblichkeit (I): Fünf Klassen von Unsterblichen

Als Übersetzung für den Begriff xian 仙 hat sich im Deutschen der Begriff “Unsterbliche” eingebürgert.1

Zum Phänomen der “Unsterblichen” schreibt Wolfram Eberhard:

Chinesische Heilige [!] sind Männer oder Frauen, die übernatürliche Fähigkeiten erlangt haben und nach ihrem Tod zur Gottheit erklärt wurden. Es gibt hunderte und aberhunderte von ihnen, im Gebirge K’un-lun oder auf den Inseln des Ostens sollen sie ein glückliches, nie endendes Leben führen; hienieden ist der Kult meist an einen bestimmten Ort gebunden.2

Im Erklärenden Wörterbuch zum chinesischen Buddhismus wird der Begriff folgendermaßen definiert:

Dieser taoistische Name für unsterbliche Genien oder Übernatürliche wird im chinesischen Buddhismus zur Bezeichnung der indischen Rsis verwendet. Der hsien ist auf dem Wege zur Unsterblichkeit oder schon unsterblich, durch Askese und Meditation ist er für viele tausend Jahre (nach anderer Ansicht für immer) von Krankheit, Alter und Tod befreit.3

Im Daoismus und im chinesischen Buddhismus wurden im Allgemeinen fünf Klassen von “Unsterblichen” (xian) unterschieden:

  1. Entkörperlichte Geister (guixian 鬼仙), die weder unter den Menschen noch unter den Unsterblichen Ruhe finden.
  2. Menschliche Genien (renxian 人仙), die sich erfolgreich von den Schwächen des Fleisches befreit haben.
  3. Auf der Erde lebende Genien (dixian 地仙), Menschen, die in dieser Welt die Unsterblichkeit erlangt haben.
  4. Deifizierte Genien (shenxian 神仙): Unsterbliche, die die Erde verlassen haben und in den glückseligen Gefilden der Gesegneten wohnen.
  5. Himmlische Genien od. Götter (tianxian 天仙), diejenigen, die die Reinheit erreicht und im Himmel das ewige Leben erlangt haben.4
  1. Zur Etymologie des Schriftzeichens vgl. Wolfgang Bauer: China und die Hoffnung auf Glück. Paradiese, Utopien, Idealvorstellungen in der Geistesgeschichte Chinas (München, 2. Aufl. 1989 [1974, 1971]) 153 f.
  2. Wolfram Eberhard: Lexikon chinesischer Symbole.  Die Bildsprache der Chinesen (München, 5. Aufl. 1996) 287 (“Unsterbliche”).
  3. Heinrich Hackmann: Erklärendes Wörterbuch zum chinesischen Buddhismus. Chinesisch – Sanskrit – Deutsch. Nach seinem handschriftlichen Nachlass überarbeitet von Johannes Nobel, 4. Lieferung [o. J.], S. 239.
  4. Vgl. Grand Dictionnaire Ricci, Bd. 6, S. 625 (Nr. 12308).

Quelle: http://wenhua.hypotheses.org/1278

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