FES: Der Gemeindearbeiter. Zeitschrift für die Interessen der Handwerker, Arbeiter und Bediensteten in den Gemeinde-, Kreis- u. Provinzbetrieben
Neuer Band zur Erinnerungsgeschichte Norwegens
Zur Erinnerungsgeschichte Norwegens in transnationaler Perspektive veranstaltete mein Lehrstuhl an der Freien Universität Berlin zwei Workshops – 2011 in Berlin und 2013 in Oslo. Nun steht die Veröffentlichung ausgesuchter Beiträge namhafter Autoren aus Norwegen, Deutschland und der Niederland im Klartext Verlag unmittelbar bevor. Der Titel des Bandes lautet From Patriotic Memory to a Universalistic Narrative? Shifts in Norwegian Memory Culture after 1945 in Comparative Perspective und kann z.B. hier vorbestellt werden. Herausgeber sind u.a. Arnd Bauerkämper, Professor für neuere europäische Geschichte an der FU […]
Rechtsfragen: Darf ich fremde Texte verwenden?
“Ein Jahr Leistungsschutzrecht: Außer Spesen bislang nichts gewesen”, resümiert das Wall Street Journal. Es geht um das umstrittene Leistungsschutzrecht für Presseverleger. In § 87f Urheberrechtsgesetz (UrhG) heißt es: ” Der Hersteller eines Presseerzeugnisses (Presseverleger) hat das ausschließliche Recht, das Presseerzeugnis oder Teile hiervon zu gewerblichen Zwecken öffentlich zugänglich zu machen, es sei denn, es handelt sich um einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte.” Für die Historikerzunft von erheblichem Belang ist der vom WSJ angesprochene Einschüchterungseffekt des neuen Rechts: Der seit 1995 von Tobias Berg angebotene beliebte Nachrichtendienst für Historiker hat seinen Betrieb zeitweilig einstellen müssen, seit April 2014 gibt es – ohne Begründung – keine Updates mehr. Ich hielt und halte die Einstellung aufgrund des Leistungsschutzrechts für übertrieben, aber das Beispiel zeigt, wie die Todeskämpfe der Print-Journaille im digitalen Zeitalter die Netzkultur beschädigen können.
Nicht-kommerzielle Wissenschaftsblogger haben vom verfehlten Leistungsschutzrechts nichts zu befürchten, aber auch kommerzielle Blogs brauchen, wenn sie sich etwa auf den Anreißtext beschränken, aus meiner Sicht keine Angst zu haben.
Wann darf ich als Blogger oder Bloggerin fremde Texte übernehmen/zitieren?
1. Mit Genehmigung.
2. Wenn das Urheberrechtsgesetz (UrhG) es erlaubt.
3. Nach Risikoabschätzung.
Erstens: Fragen kostet nichts. Wenn man gern einen längeren Text dokumentieren möchte, kann man durchaus beim Rechteinhaber anklopfen und um eine kostenlose Genehmigung bitten. In der Blogosphäre gibt es viele Blogs, die mit einer Creative-Commons-Lizenz die Nachnutzung erlauben. Wieso das Redaktionsblog von hypotheses.org unter CC-BY steht, lässt sich nachlesen. Im Impressum wird erläutert:
Jeder Beitrag darf mit Namensnennung des Autors (bzw. Autorin, Autoren) und Verlinkung der Lizenz http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/ online und im Druck weiterverbreitet werden (auch für kommerzielle Zwecke, auch in veränderter Form). Empfehlung für die Nachnutzung: “Dieser Beitrag von … aus dem Redaktionsblog von de.hypotheses.org steht unter CC-BY und darf unter den Bedingungen dieser freien Lizenz nachgenutzt werden.”
Bei Veränderung diese bitte charakterisieren (z.B. gekürzte Fassung).
CC-BY-NC-lizenzierte Artikel dürften im kommerziellen Kontext nicht genutzt werden, bei CC-BY-ND-lizenzierten (“Keine Bearbeitung”) sind Kürzungen oder andere Änderungen untersagt. Zur Bildnutzung siehe Wie nutze ich Bilder unter freier Lizenz korrekt?.
Zweitens: Fremde Texte dürfen nur ausnahmsweise legal genutzt werden, nämlich wenn eine der sogenannten Schranken des Urheberrechts vorliegt. Wohl am wichtigsten ist das Zitatrecht (§ 51 UrhG), wobei schon ein Blick auf die Archivalia-Meldungen verdeutlicht, dass in diesem Bereich vieles umstritten ist.
Damit ein urheberrechtlicher Anspruch erhoben werden kann, muss das Zitat an sich bereits geschützt sein, also Schöpfungshöhe aufweisen. Es genügt nicht, wenn es einem urheberrechtlich geschützten Gesamtwerk entnommen ist. In vielen Fällen weisen kurze Zitate keine hinreichende Individualität auf. Wann Gebrauchstexte Schöpfungshöhe aufweisen, ist umstritten. Aber 2014 entschied das Berliner Kammergericht zu einem Aktenvermerk: “Ein lediglich vierseitiges Gutachten, das sich mit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts auseinandersetzt und zu wesentlichen Teilen aus Zitaten dieser Entscheidung besteht, ist urheberrechtlich nicht schutzfähig”.
Was man bei Zitaten nach dem Urheberrecht beachten muss, hat die Rechtsanwältin Nina Diercks 2012 kurz zusammengefasst (von mir leicht abgewandelt):
- Nennen Sie den Urheber und die Quelle (Fundstelle) – Pflicht zur Quellenangabe
- Nutzen Sie nur „Stellen eines Werkes“ (Belegfunktion)
- Bilden Sie den notwendigen Rahmen des selbstständigen Werkes (eigener Text)
- Machen Sie das Zitat nach außen kenntlich (z.B. durch Anführungszeichen)
- Das Zitat darf nicht verändert werden.
Wenn man im wissenschaftlichen Kontext einen Zeitungsartikel Abschnitt für Abschnitt detailliert kommentiert und die Positionen erörtert, ermöglicht § 51 UrhG sogar die Übernahme der gesamten Vorlage (wissenschaftliches Großzitat).
Bei der Berichterstattung über Tagesereignisse (§ 50 UrhG) hat leider der BGH 2010 entschieden, dass eine unbefristete Archivierung der Meldung nicht möglich ist. Also keine Option für Wissenschaftsblogs.
Im journalistischen Kontext zu wenig beachtet wird § 49 Abs. 2 UrhG: “ Unbeschränkt zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von vermischten Nachrichten tatsächlichen Inhalts und von Tagesneuigkeiten, die durch Presse oder Funk veröffentlicht worden sind”. Diese Vorschrift ist durch das neue Leistungsschutzrecht nicht ausgehebelt worden und ermöglicht die wörtliche Übernahme (kurzer) aktueller Meldungen (nicht: Meinungen) aus allen Interessensbereichen (siehe auch: Wikipedia:Textplagiat und Archivalia) . Aus dem Newsticker der NZ:
Die Entdeckung eines knapp 500 Meter langen Erdwalls rund um eine Grabstätte hat in Griechenland Spekulationen ausgelöst, es könne sich um das Grab von Mitgliedern der Familie des legendären makedonischen Königs Alexander des Großen handeln. Viele griechische Medien berichteten am Dienstag, der Fund sei «sensationell».
Ich möchte es dahingestellt sein lassen, ob nicht auch der folgende ganze Text eine vermische Nachricht tatsächlichen Inhalts darstellt, aber die wörtliche Übernahme des von mir gewählten Auszugs erscheint mir bedenkenfrei. Im Fall einer Abmahnung sollte man jedenfalls § 49 UrhG griffbereit haben.
Drittens: Viele übernehmen dummdreist ganze Texte aus Zeitungen oder anderen Quellen, ohne dass ihnen etwas passiert. Mir gegenüber hat einmal eine für die Rechtewahrnehmung der FAZ zuständige Dame erklärt, man würde nie einen Blogger abmahnen, aber ob darauf wirklich Verlass ist? Ich selbst praktiziere in Archivalia eine eher großzügige Praxis der Textübernahme mit vergleichsweise langen Zitaten und habe auch schon kürzere Artikel komplett dokumentiert. Dass ich damit keine Probleme bekam bedeutet nicht, dass es auch allen anderen so gehen wird. Es kommt immer auf den Einzelfall an, aber auch bei einem vergleichsweise langen “uneingerahmten” Zitat (natürlich mit Quellenangabe) aus einem Zeitungsartikel oder fremden Blogbeitrag schätze ich das Risiko, abgemahnt zu werden, als gering ein.
Abschließend noch zwei Punkte, die nichts mit dem Urheberrecht zu tun haben.
Klar ist: Die Regeln wissenschaftlicher Redlichkeit gelten auch für Wissenschaftsblogs. Plagiate sind tabu. Im Zweifel sollte man lieber eine Quelle zuviel angeben als eine zuwenig. Zudem lebt die Blogosphäre von der Vernetzung: Wer z.B. eine besonders nützliche Ressource gefunden hat, freut sich über ein Anerkenntnis über ein “via”.
Leider verschwinden immer wieder geschätzte Online-Ressourcen oder werden – im Fall der Tagespresse – kostenpflichtig. Blogbeiträge sollten immer soviel an Kontext referieren, dass sie auch bei Wegfall der Vorlage nützlich bleiben.
mediaevum.net: Akten des „Reichsinstituts für ältere deutsche Geschichtskunde“
Diplom-Option für modularisierte Studiengänge in Mecklenburg-Vorpommern
aussichten. Perspektivierung von Geschichte, August 16, 2014
Das Andechser Missale Clm 3005 und seine geschichtlichen Einträge
Im Rahmen von Europeana Regia hat die Bayerische Staatsbibliothek ein qualitätvolles Digitalisat des berühmt-berüchtigten Andechser Missales Clm 3005 ins Netz gestellt. Am Ende des 14. Jahrhunderts wurden in die wohl in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts entstandene liturgische Handschrift (siehe auch die Forschungsdokumentation) historiographische Texte und Urkundenfälschungen eingetragen, die der Kultförderung des 1388 “entdeckten” Andechser Reliquienschatzes dienen sollten. Das Missale wurde in Andechs (seit 1455 ein Benediktinerkloster) immer mit den Reliquien zusammen verwahrt, nie in der Bibliothek.
Einzelne Einträge sind schon früh gedruckt worden. Albert Brackmann, der die Entstehung der Andechser Wallfahrt in den Abhandlungen der Berliner Akademie 1929 Nr. 5 erörterte, verzichtete auf eine Edition und gab lediglich S. 28-31 24 von seinem Schüler Otto Meyer gefertigte Regesten bei, nachdem ihm die von dem jungen Benediktiner Romuald Bauerreiß (1893-1971) (GND) gefertigte Edition zur Kenntnis gelangt war: Die geschichtlichen Einträge des “Andechser Missale” (Clm. 3005) . Texte und Untersuchung. In: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens 47 (1929), S. 52-90, 433-447, die Texte S. 56-90 in 27 Nummern. Da sonst wichtige Grundlagenliteratur zum Traditionskomplex Andechs nicht online vorliegt, bin ich dem Abt von St. Bonifaz in München außerordentlich dankbar, dass er als Rechteinhaber die Internetveröffentlichung des Aufsatzes (archive.org) genehmigte. Dank des Digitalisats kann man nun überprüfen, ob das Verdikt von Alois Schütz (in: Königliche Tochterstämme 2002, S. 301), die Edition weise “gravierende Mängel” auf und strotze vor Lesefehlern, berechtigt ist. Unbedenklich ist die Textwiedergabe von Bauerreiß keineswegs, sie sollte jetzt stets anhand der online bequem zugänglichen Handschrift kontrolliert werden, wie eine eigene Stichprobe (Bl. 74v unten, Bauerreiß Nr. 13) ergab. Man vermisst Editionsrichtlinien, der Editor hat stillschweigend die z der Vorlage in s umgewandelt (z.B. das statt daz) und transkribiert nicht genau (beispielsweise iklich statt iekleich).
Mit den geschichtlichen Einträgen des Missales haben sich nach Brackmann und Bauerreiß beschäftigt: Benedikt Kraft in seinen voluminösen Andechser Studien (Oberbayerisches Archiv 73 und 74, 1937 und 1940); Alois Schütz mit neuem Quellenmaterial im Katalog “Herzöge und Heilige” (1993), Eduard Hlawitschka 1993 und wieder abgedruckt mit einer harschen Zurechtweisung von Schütz in dem Band Andechser Anfänge (2000), wogegen Schütz replizierte im Sammelband Königliche Tochterstämme von 2002 (Auszüge). Einen guten Überblick über die Andechser Quellenlage vermittelt Hartmut Kühnes “Ostensio Reliquiarum” von 2000 (Auszüge), während die neueste Behandlung durch Toni Aigner (Das Andechser Heiltum, 2013) möglicherweise nicht nur mich enttäuscht.
Stoffgeschichten für jedermann
Armin Reller, Heike Holdinghausen: Der geschenkte Planet. Nach dem Öl beginnt die Zukunft. Frankfurt/Main: Westend Verlag 2014.
Es gibt sie also: die Zukunft. Trotz Klimawandel und Ressourcenmangel. Und obwohl die Menschheit nicht nur wächst, sondern immer mehr Menschen so leben wollen wie wir im Westen. Fleisch essen, auf der Autobahn rasen, Elektroschrott nach Afrika exportieren. Armin Reller, Professor für Ressourcenstrategie in Augsburg, und taz-Journalistin Heike Holdinghausen glauben trotzdem an uns. An unsere Lernfähigkeit, an die Macht des Wissens. Reller und Holdinghausen wollen den Glauben an den Fortschritt nicht aufgeben: „Wo kämen wir ohne ihn hin?“ (S. 16). Ihre Idee: An „resilienten Technologien oder Verhaltensweisen“ arbeitet es sich leichter, wenn man die „Geschenke des Planeten“ besser kennt (S. 8, 17). Reller und Holdinghausen erzählen deshalb die Geschichten von Stoffen. Welche Rolle hat das Öl in der Geschichte der Menschheit gespielt? Wie steht es um Raps und Lein, Weizen und Holz? Was ist mit Kohlendioxid, Algen und Bakterien, was mit Eisen, Gallium und Abfall?
Dieser Ansatz macht Spaß, nicht nur wegen der vielen Fakten, die man so nicht in der Zeitung findet, oder wegen der Aktualität (Stichwort Fracking). Experte und Fachjournalistin: So funktioniert Aufklärung. Reller und Holdinghausen geben nicht vor, jede Stoffgeschichte bis ins Detail zu kennen oder gar auf jede Frage eine Antwort zu haben. Im Gegenteil: Konkurrierende Positionen werden benannt und vorsichtig gegeneinander abgewogen. Der Verzicht auf Eifern schließt dabei konkrete Politikempfehlungen keineswegs aus (zum Beispiel zu alternativen Energien, zu Biodiesel, zu Ökodesign).
Auch der Kommunikationswissenschaftler wird fündig. Was bedeutet es, dass viele Rohstoffe aus Ländern kommen, in denen es keine Pressefreiheit gibt? Wie schafft man es, den Fleischkonsum (für Reller und Holdinghausen ein zentrales Problem) genauso „kampagnenfähig“ zu machen wie den Rapskraftstoff (S. 58)? Warum ist der „Rückzug der Tanne aus Bayern“ in den Medien untergegangen und das „Waldsterben“ nicht (S. 122)? Wie müssen Öffentlichkeit und Mediensystem organisiert sein, damit das Zukunftsbild akzeptiert und legitimiert wird, das Reller und Holdinghausen entwerfen? Nur eine Kostprobe: „Pommesbuden ohne Currywurst, nur alle zehn Jahre ein neues Mobiltelefon und in jedem Stadtteil fünf Schuster (…). Dabei auf lokale Wirtschaftskreisläufe in überschaubaren Gemeinschaften setzten, auf kleine Produktionseinheiten, auf geldlose Tauschwirtschaften – also resiliente Strukturen“ (S. 237). Ein gutes Buch, ein wichtiges Buch.
E-Science – Fachkonzept des Wissenschaftsministeriums Baden-Württemberg
Unter dem Titel E-Science – Wissenschaft unter neuen Rahmenbedingungen hat das Baden-Württembergische Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst unter Leitung von Theresia Bauer (Bündnis 90/Die Grünen) sein Fachkonzept zur Weiterentwicklung der wissenschaftlichen Infrastruktur vorgelegt. Das Papier hat strategische Konzepte zu den E-Science-Bereichen Lizenzierung, Digitalisierung, Open Access, Forschungsdatenmanagement und Virtuelle Forschungsumgebungen zum Gegenstand. Die “Nachhaltigkeit und Nachnutzung wissenschaftlicher Daten wird [...] neben der Geräteausstattung ein immer wichtigerer Faktor für Forschungs- und Innovationsprozesse”, so Bauer im Vorwort.
Zur Pressemitteilung:
http://www.baden-wuerttemberg.de/de/service/presse/pressemitteilung/pid/wissenschaft-unter-neuen-rahmenbedingungen-mit-e-science/
Zum Fachkonzept (PDF):
http://mwk.baden-wuerttemberg.de/uploads/media/066_PM_Anlage_E-Science_Web.pdf
Quelle: http://dhd-blog.org/?p=3895