Die Zeitkrise als Identitätskrise – fünf Fragen an Hartmut Rosa

Hartmut Rosa ist Professor für Soziologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Einer breiten Öffentlichkeit, auch weit über das Fach hinaus, ist er durch seine Gesellschaftskritik “Beschleunigung. Die Veränderung der Zeitstrukturen in der Moderne” bekannt geworden. Neben der Zeitsoziologie beschäftigt er sich u.a. mit Subjekt- und Identitätstheorien und arbeitet an einer Soziologie der Weltbeziehungen. Wir haben ihn zum Zusammenspiel von Zeit- und Raumwahrnehmung hinsichtlich der Konstitution von Identitäten befragt. (Foto: © juergen-bauer.com)

Herr Rosa, Sie haben eine Theorie der sozialen Beschleunigung vorgelegt, in der Sie von drei wesentlichen Faktoren der Beschleunigung ausgehen: der technischen Beschleunigung (Bewegung, Kommunikation, Transport), der Dynamisierung der sozialen Verhältnisse und der Beschleunigung des Lebenstempos durch eine Zunahme von Handlungs- und Erlebnisepisoden pro Zeiteinheit und eine Zunahme eines subjektiven Zeitdrucks, der aus der vermeintlichen Notwendigkeit, aus einer Vielzahl von Optionen zu wählen, entsteht. Diese strukturell in der Moderne angelegten Beschleunigungs- bzw. Steigerungsfaktoren führen zum ‘rasenden Stillstand': die zeitliche Koordinierung von Handlungen nimmt tendenziell mehr Zeit in Anspruch als die Handlungen selbst, wir verschieben Handlungen und tun zunehmend, was wir nicht tun wollen – und auch unsere Identität bestimmt sich daher situativ. Wie kommt es zu dieser Selbstverhältnis- und Resonanzkrise und welche Folgen hat sie für Subjekte und Gesellschaft?

Das Beschleunigungsprogramm der Moderne folgt keiner expliziten Zielsetzung, es verläuft quasi ‚hinter dem Rücken der Akteure‘. Deshalb spielt es auch keine Rolle, wenn wir uns jedes Jahr – zum Beispiel zu Silvester – fest vornehmen, es im nächsten Jahr langsamer angehen zu lassen und uns mehr Zeit zu nehmen, und auch ein paar Slow-Food- oder Slow-Work-Bewegungen helfen da nicht weiter. Die Situation ist analog zu der im Bereich der Ökologie: Dort scheint es auch ganz gleich, wie sehr wir das ökologische Bewusstsein schärfen und wieviel Müll wir trennen: Unser Umwelthandeln wird jedes Jahr schädlich – dafür reichen allein die Flug- und Fernreisen aus. Die Umwelt- und die Zeitkrise haben dieselbe Wurzel, und diese liegt in der strukturellen Steigerungslogik moderner Gesellschaften. Moderne, kapitalistische Gesellschaften können sich in ihrer Struktur nur erhalten, sie können den Status quo ihrer Basisinstitutionen und ihre soziopolitische Ordnung nur aufrechterhalten, wenn sie wachsen, beschleunigen, und innovieren. Ich nenne das den Modus dynamischer Stabilisierung: Stabilität ist nur durch Steigerung zu erreichen – und selbst dann noch prekär. Genau das führt auch bei den Individuen zu einer Situation des ‚rasenden Stillstandes‘: Wir müssen individuell wie kollektiv jedes Jahr schneller laufen, nur um unseren Platz zu halten. Meines Erachtens ist das ein Systemfehler.

Die Geisteswissenschaften und vor allem auch die Geschichtswissenschaft sind spätestens seit den 1990er Jahren maßgeblich durch den spatial turn geprägt, in dem die Räumlichkeit des Sozialen und die soziale Konstruktion von Räumen im Mittelpunkt stehen. Demgegenüber arbeiten Sie zentral mit der Kategorie Zeit. Ist das ein Widerspruch – oder wie verwoben sind Zeit- und Raumwahrnehmung und welche Rolle spielen sie bei der Konstitution der Identität sozialer Akteure?

Ich will nicht Zeit gegen Raum ausspielen oder umgekehrt – aber ich denke schon, dass die Sozialwissenschaften mehr Aufmerksamkeit auf unsere raum-zeitliche Daseinsweise richten sollten. Raum- und Zeitverhältnisse sind stets eng miteinander verwoben; ändert sich das eine, ändert sich in aller Regel auch das andere, so dass mir der Begriff der Raum-Zeit-Regime als Analysekategorie angemessen erscheint. Was ich allerdings im Beschleunigungsbuch festgestellt habe, scheint mir auch weiterhin richtig zu sein, dass nämlich die Dynamik in der Veränderung unserer raumzeitlichen Lebensweise von der Zeitdimension auszugehen scheint. Das was wir beispielsweise als Globalisierung erfahren, hat zwar viel mit einer Veränderung des Raumbewusstseins, der Raumerfahrung und des Raumhandelns zu tun, aber ausgelöst werden diese Veränderung durch Beschleunigungsprozesse: Beschleunigung in der Datenübertragung, im Transport, in der Kapitalzirkulation etc. In diesem Sinne betrachte ich Zeitverhältnisse als die ‚Antreiber‘, oder als das Einfallstor, für die Veränderung von Raumzeitverhältnissen.

Der Begriff der ‘Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen’, der von Ernst Bloch eingeführt wurde, in Luhmanns Systemtheorie wiederkehrt und von Koselleck auch für die Geschichtswissenschaft adaptiert wurde, beschreibt räumliche und temporale Asynchronität als gesellschaftliches Phänomen. Ist der Begriff noch aktuell – und kann er als analytische Kategorie helfen, (auch historische) Gesellschaften zu verstehen? Steht er vielleicht sogar sinnbildlich für die Pathologien der modernen Steigerungsgesellschaft?

Meines Erachtens ist der Begriff der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen (oder umgekehrt: Beide Varianten besagen im Prinzip dasselbe) völlig ungeeignet, wenn man von radikaler geschichtlicher Kontingenz ausgeht. Er macht nur Sinn, wenn man im Sinne einer Geschichtsphilosophie oder Fortschrittskonzeption feste sequentielle Folgen annimmt. Das kann sich auf individuelle Leben wie auf gesellschaftliche Entwicklungen beziehen. Beispielsweise kann jemand noch zur Schule gehen, aber schon Kinder haben: Das wäre die ‚Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen‘, weil gleichzeitig Elemente des Kindseins (zur Schule gehen) und des Erwachsenseins (Kinder haben) präsent sind. Das gilt aber nur, solange man meint, Schule und Kinder müssten einen festen Platz in der sequentiellen Ordnung eines Lebens haben. Sobald wir akzeptieren, dass man auch mit 50 oder 60 Jahren zur Schule gehen kann, können wir nur noch die Präsenz von Differenzen feststellen: EIN Schüler hat Kinder, ein anderer ist ein Kind, ein Dritter hat schon Enkel. Das gilt auch für Gesellschaften und Funktionssphären: Wenn ich meine, Demokratie, Marktwirtschaft, Industrialisierung und Rechtsstaat gehören zusammen, dann beobachte ich in einem Staat, der ein demokratischer Rechtsstaat ist, aber noch ‚steinzeitlich‘ produziert, Ungleichzeitigkeit, und dasselbe gilt für einen hoch technologisierten Staat, der weder Rechtsstaat noch Demokratie kennt. Wenn ich jedoch davon ausgehe, dass historische (Teilordnungen) kontingent sind, dann habe ich nur noch Differenz: Ein Staat ist demokratisch und kapitalistisch, einer demokratisch und sozialistisch, einer kapitalistisch mit traditionalistischen Herrschaftsstrukturen usw. Nur wenn ich von festen Sequenzen ausgehe, also etwa: Schule-Ausbildung-Beruf-Kinderkriegen-Ruhestand oder: Feudalismus-Kapitalismus oder Monarchie-Demokratie, kann ich Ungleichzeitigkeiten konstatieren. Der Glaube an die empirische und normative Validität solcher Muster ist in der Spätmoderne aber grundsätzlich erschüttert.

Sie haben immer wieder betont, dass es nicht per se um Verlangsamung gehe, schon gar nicht um Entschleunigung, wenn wir der sozialen Beschleunigung begegnen wollen, sondern darum, dass sich die gesellschaftliche Grundform ändern müsse. Wir müssten uns selbst aufklären, uns darüber verständigen, wie wir leben wollen. Wenn aber alles fremdbestimmt scheint, wie kann es gelingen, dass die Subjekte ihr Handeln wieder als selbstwirksam erleben? Welche Anreize müssen geboten werden, damit wir das (vermeintliche) Risiko des Zeit- und Optionenverlustes eingehen?

Ich weiß nicht, ob dafür Anreize geboten werden müssen. Ich arbeite derzeit am Entwurf einer ‚Resonanztheorie‘. Sie zielt im Kern darauf ab, uns zu überzeugen, dass das Leben nicht durch die Vergrößerung der ‚Weltreichweite‘ (durch Technik, ökonomische Ressourcen, aber soziales und kulturelles Kapital etc.) besser wird, sondern durch die Überwindung von Entfremdung: Durch die Etablierung einer anderen Form der Beziehung zur Welt, das heißt: Zu den Menschen, zur Natur, zu den Dingen und zu uns selbst. Das scheint mir die Stelle zu sein, an der die Steigerungslogik der Moderne sich durchbrechen lässt. Denn indem wir denken, unser Leben werde besser, wenn wir mehr Welt in Reichweite bringen – wenn ich mehr Geld hätte, könnte ich eine Yacht kaufen oder zum Mond fliegen, wenn ich das schnellere Smartphone hätte, könnte ich darauf Skype installieren, wenn ich in der Stadt wohnen würde, hätte ich Kinos und Theater in Reichweite, wenn ich zu der tollen Party eingeladen würde, hätte ich Zugang zu ganz neuen sozialen Kreisen – erzeugen wir die subjektiven Motivationsenergien, das Steigerungsspiel auf allen Ebenen voranzutreiben. Wir alle machen aber die Erfahrung, dass unser Leben dann und dort wirklich gelingt, wo wir in einen Resonanzmodus der Weltbeziehung geraten: Dort geht es nicht um Steigerung, denn das sind die Momente, in denen uns etwas wirklich berührt und in denen wir umgekehrt etwas oder jemanden wirklich zu erreichen vermögen. Transformative Weltanverwandlung nenne ich das, denn dabei verändern wir uns auch selbst. Alle Menschen kennen diesen Erfahrungsmodus, und sei es auch aus noch so flüchtigen und weit zurückliegenden Momenten. Das sind die Andockpunkte, an denen wir ansetzen können, ich glaube, hier sind wir als Subjekte eben doch nicht vollständig entfremdet.

Das Phänomen Kontingenz wird in den Geisteswissenschaften als endgültige Abkehr vom Historismus zunehmend stark gemacht (Paradigma des historischen Wandels). Die postfundamentalistische Hegemonietheorie nach Ernesto Laclau und Chantal Mouffe arbeitet schon seit den 1980er Jahren mit den Kategorien der radikalen Kontingenz und des Dissenses und betont die Notwendigkeit der Mobilisierung konfliktueller, emotionaler Leidenschaften in Demokratien. Müssen wir mehr streiten? Bietet vielleicht die Betonung radikaler Kontingenz (nichts ist vorherbestimmt und alles kann immer auch anders sein), die Betonung der “demokratischen Ethik” (Oliver Marchart), also der institutionalisierten Selbstentfremdung in unserer demokratischen Gesellschaft, einen Ansatzpunkt für einen Bewusstseinswandel? Ist eine gesamtgesellschaftliche Politisierung die Antwort auf die Resonanzkrise, die wir in zunehmendem Maße erleben?

Ich weiß nicht, ich glaube nicht. Meine Wunschformel heißt nicht Konflikt oder Streit, sondern Resonanz. Ich glaube allerdings in der Tat, dass Demokratie, auch und gerade die demokratische Auseinandersetzung, ein zentrales Instrument für die ‚Anverwandlung‘ von Welt ist: Mit den Mitteln der Demokratie bringen wir die Institutionen der öffentlichen Sphären dazu, auf uns zu reagieren, uns zu antworten. Das setzt Selbstwirksamkeitserfahrungen in Gang, die unerlässlich sind für Resonanzbeziehungen: Bürgerinnen und Bürger müssen die Erfahrung machen können, dass ihr Handeln und Streiten Welt verändert. Resonanz meint dabei nicht Echo und nicht Harmonie: Wenn alle das Gleiche wollen und sagen, entsteht keine Resonanz, sondern ein leeres Echo. Resonanz impliziert schon Widerspruch und Auseinandersetzung, aber auf einer anderen Ebene als die Feindschaft: Feindschaft ist Repulsion, ist Resonanzvernichtung, ist gegenseitige Verletzung. Das kennt jeder aus der privaten Sphäre: Mit meinem besten Freund streite ich fast unablässig – aber auf der Basis einer Resonanzbeziehung, wir sind offen für einander und lassen uns durch den Streit berühren und verändern. Bei meinen Feinden ist es anders: Die wollen mich fertig machen, und ich sie. Ich habe das Gefühl, dass in den neueren Ansätzen, die Konflikt und Kontingenz betonen, diese Voraussetzungen unterbelichtet bleiben. Bei Rancière jedenfalls klingt es bisweilen so, als stifte der Streit selbst ein soziales Band. Das finde ich unplausibel.

 Vielen Dank.

 

Hartmut Rosa zum Nachhören

Quelle: http://zeitraeume.hypotheses.org/160

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Von weißen Flecken in der Erinnerungslandschaft und neuen Chancen für die Forschung – GeoBib: Eine annotierte und georeferenzierte Onlinebibliographie der Texte der frühen deutsch- und polnischsprachigen Holocaust- und Lagerliteratur (1933-1949)

In der Zeit zwischen 1933 und 1949 wurde eine große Zahl an Texten von durch die Nationalsozialisten verfolgten Menschen geschrieben und veröffentlicht. Die Berichte, Romane, Gedichte u.a.m. zeugen so unmittelbar von der Verfolgung und Vernichtung der Menschen wie kaum ein späteres Dokument. Diese Texte sind heute nicht mehr im kollektiven Gedächtnis verankert oder gar nicht erst in dieses eingegangen. In einem vom BMBF in der eHumanities-Förderlinie finanzierten interdisziplinären Projekt am „Herder-Institut für historische Ostmitteleuropaforschung“ (Marburg) gemeinsam mit Partnern an der „Justus-Liebig-Universität“ (Gießen) sollen die deutsch- und polnischsprachigen Texte nun bibliographisch erschlossen werden. Als Endprodukt soll dabei im Juni 2015 eine annotierte und georeferenzierte Onlinebibliographie der frühen Texte vorgelegt werden.

Neben den bibliographischen Daten werden Zusammenfassungen der Texte, Kurzbiographien der Autorinnen und Autoren sowie Hintergrundinformationen zur Werkgeschichte zu finden sein. Damit werden diese frühen Zeugnisse für die geschichts- und literaturwissenschaftliche Forschung, aber auch für die historische und politische Bildungsarbeit, erschlossen und die Informationen über diese Texte allen Interessierten zugänglich gemacht. Das Projekt bleibt aber nicht bei einer klassischen Onlinebibliographie mit einem textbasierten Suchzugriff stehen. Vielmehr wurden alle in den Texten erwähnten Städte, Orte, Ghettos, Lager usw. gesammelt und ebenso alle bekannten geographischen Angaben zu den Autorinnen und Autoren sowie den Werken – wie Publikations- und Druckorte – erfasst. Damit können über eine geographische Suche Entwicklungen in den Texten der Holocaust- und Lagerliteratur und deren Publikationsumgebungen auf Karten sichtbar gemacht werden. Neben heutigen Karten, müssen bestimmte Entwicklungen auch in den historischen Grenzen von 1900 bis 2000 angezeigt werden können, damit beispielsweise Ghettos oder Lager nicht in den Grenzen des heutigen Polens, sondern in den Grenzen der durch das Deutsche Reiche annektierten und besetzten Gebieten sichtbar gemacht werden, damit gerade beim Einsatz in der Bildungsarbeit kein falsches Bild von den so oft in den Medien genannten „polnischen Lagern“ entsteht.

Die Anzeige- und Suchmodi können von den Nutzerinnen und Nutzern selbst gesteuert werden, sodass man sich ganz gezielt entsprechende Suchanfragen auf der Karte anzeigen lassen kann – etwa: Alle Texte, die von Frauen zwischen 1939 und 1941 veröffentlicht wurden. Hier kann dann gewählt werden, ob die Ergebnisse in den heutigen oder in zeitgenössischen Grenzen gezeigt werden sollen. In dem Beitrag soll das im Projekt untersuchte und in der Online-Bibliographie dargestellte Material kurz dargestellt werden und auf seine Wichtigkeit für die zukünftige Forschung über den Holocaust und die jüdische Geschichte verwiesen werden. Den Schwerpunkt des Beitrages stellt die Darstellung des Online-Portals dar: Nach einer kurzen Einführung zu den technischen Hintergründen, soll der Fokus auf die beiden Hauptsuchfunktionen – die textbasierte und die kartenbasierte – gelegt werden und die sich dadurch ergebenden Chancen für Forschung zur jüdischen Geschichte und zum Holocaust gelegt werden.

Weitere Informationen zu dem Projekt findet man unter: http://www.geobib.info/

 

Zur Person:

Annalena Schmidt studierte u.a. Geschichtswissenschaft an der JLU Gießen. Seit 2012 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am “Herder-Institut für historische Ostmitteleuropaforschung” in den Projekten GeoBib und DAPRO/Geoimaginaries sowie Doktorandin und Lehrbeauftragte an der JLU Gießen. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen der Holocaust Studies, der digitalen Geschichtswissenschaft und der Hochschulgeschichte.

Quelle: http://dhtg.hypotheses.org/258

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Mehr Gegenwart in die Gedenkstätten

Von Harald Schmid »(…) manchmal kostet es mehr Anstrengung, dem Neuen, das im Verborgenen wächst, auf die Spur zu kommen, als die Katastrophen, die selbst Blinde sehen, zu beschreiben.« Karl Schlögel In genereller Hinsicht ist die Diskussion um Erinnerungskulturen und Gedenkstätten eine Art Dauerbrenner der öffentlichen Wahrnehmung von Geschichte, genauer der Geschichte des Nationalsozialismus und dessen Verbrechen. In dieser Perspektive sind Gedenkstätten gleichsam ein Indikator für den Stand der Dinge in der Auseinandersetzung mit der Hitler-Zeit und deren Repräsentation – an keinem anderen Ort … Mehr Gegenwart in die Gedenkstätten weiterlesen

Quelle: http://erinnern.hypotheses.org/200

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Über den Dingen: Eine Historikerin als Türmerin

Je nach Perspektive hat sie den „Job mit dem besten Ausblick der Welt“ (KarriereSPIEGEL) oder „Europas älteste Arbeitsstelle“ (BILD): Martje Saljé ist Türmerin von St. Lamberti in Münster. Die studierte Historikerin und Musikwissenschaftlerin ist dafür zuständig, allabendlich vom Kirchturm nach Bränden Ausschau zu halten und jede halbe Stunde ein Signal zu „tuten“. Zusätzlich füllt sie ihre geschichtsträchtige Position über Social Media und einen Blog mit neuem Leben. Martje Saljés Arbeitsalltag als Türmerin ist klar strukturiert: Jeden Abend (außer dienstags) macht sie sich an den … Über den Dingen: Eine Historikerin als Türmerin weiterlesen

Quelle: http://beruf.hypotheses.org/206

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Digital Publizieren: Wie schreibt man im digitalen Zeitalter?

Die Anwendung von verschiedener Software und semantischen Technologien hat sich in den letzten Jahren – hierbei sind sich die meisten Fachexperten einig – etwa in der Linguistik, Kunst-, Kultur- und Sozialwissenschaften, aber auch in der Archäologie, Medienwissenschaft, langsamer und mühsamer jedoch in den Geschichtswissenschaften etabliert. Auch in der fachübergreifenden Debatte über Digitale Humanities wird den Geschichtswissenschaften immer noch eine Rolle des Außenseiters nachgesagt. Dabei ist nicht nur die Nutzung der im Web vorhandenen Informationen für die Geschichtswissenschaften essenziell, auch die Herstellung wissenschaftlicher Inhalte ohne die Nutzung aktueller digitaler Werkzeuge scheint beinahe undenkbar. Das Web fungiert dabei nicht nur als Ort der schnellen Findung und Verbreitung notwendiger Fachinformationen, wobei nach Wörterbüchern, Nachschlagewerken, Enzyklopädien, ja gar Rezensionen heute eher im Internet recherchiert wird. Es stellt auch Werkzeuge zur Erstellung und weltweiten Verbreitung eigener Forschungsergebnisse bzw. -informationen bereit, die durch vereinfachte Nutzung selbst für Laien leicht verständlich und zugänglich sind. Internationalisierung der Forschung und der Lehre, die letztere durch die von den Universitäten angebotenen Online-Kurse, erreicht somit eine nie zuvor vorhandene Dimension.

Die Nutzung des Internets hat also nicht nur ein qualitativ neues Verständnis der wissenschaftlichen Kommunikation geschaffen, die Fachgemeinschaft sieht sich mit neuen Textformaten konfrontiert, bei denen es sich allerdings noch herausstellen wird, inwiefern diese zum wissenschaftlichen Kulturgut gezählt werden können.

Wie verändern sich dabei aber der Schreibprozess und das Format der Texte, die wir verfassen?

Die Praxis zeigt auf der transnationalen Ebene in dieser Hinsicht zahlreiche kulturelle Unterschiede: Die Diskussion prägen beispielsweise Fragen, wie der wissenschaftliche Schreibprozess sich international im Hinblick auf Digital Humanities verändert. In der elektronischen Publikationskultur lässt sich die Diskrepanz sowohl im Vergleich zum osteuropäischen, als auch im englischsprachigen Raum feststellen. Die Praxis beispielsweise, sofort und direkt auf elektronische Publikationen einzugehen, diese zu kommentieren bzw. zu diskutieren, was bei englischsprachigen Veröffentlichungen ausgiebig genutzt wird, ist in Deutschland zumindest in diesem Ausmaß noch nicht zu beobachten. Auch solchen Formaten wie Preprints, die im englischsprachigen Raum große Akzeptanz finden, steht die Fachgemeinschaft in Deutschland mehr als kritisch gegenüber.

Aus dieser Perspektive soll gefragt werden, wie die neuen Technologien für die moderne elektronische Publikationskultur effektiver eingesetzt werden können? Was würde es für die gegenwärtige Publikationskultur bedeuten, wenn wir uns beim Schreibprozess nicht mehr für bestimmte Datentypen und Formate entscheiden bzw. uns von wertvollem Material trennen müssten, weil diese auf dem „traditionellen“ Wege nicht publiziert werden können? Wie sollen die elektronischen Veröffentlichungen technisch ausgestattet werden, damit eine internationale Kommunikation mit der betroffenen Fachgemeinschaft möglich ist? Welche Werkzeuge wären für eine international ausgerichtete kollaborative Arbeitsweise erforderlich? Wie sollten sich die Historiker auf diese Arbeitsweise vorbereiten? Welche technischen Kenntnisse sollten vorausgestellt werden? Wie wird schließlich so eine Praxis unsere gegenwärtige Publikationswelt verändern?

Die formulierten Fragen werden am Beispiel eines webbasierten digitalen Redaktionssystems, das gerade im Rahmen des Projekts OstDok erprobt wird, kritisch hinterfragt sowie die technischen Möglichkeiten im Hinblick auf die landesweite bzw. internationale digitale Zusammenarbeit geprüft. Das Feld osteuropäische Geschichte eignet sich für dieses Beispiel besonders gut, denn sowohl die rechtlichen, als auch die kulturellen Unterschiede sowie das abweichende Verständnis der Digital Humanities insgesamt eine vielseitige Betrachtung des Themas ermöglichen.

Zur Person:

Arpine Maniero, Studium der Geschichte und Pädagogik an der Staatlichen Pädagogischen Universität in Yerewan, Armenien. Seit September 2001 war sie im Rahmen eines DAAD-Stipendiums an der Ludwig-Maximilians-Universität München, wo sie anschließend von 2002 bis 2006 als Promotionsstudentin im Fach Geschichte Ost- und Südosteuropas eingeschrieben war. In diesem Zeitraum war sie Mitarbeiterin des Osteuropa-Instituts München im Rahmen des Projekts Virtuelle Fachbibliothek Osteuropa (ViFaOst). Seit 2009 ist sie stellvertretende Bibliotheksreferentin und Koordinatorin des Projekts Osteuropa-Dokumente online (OstDok) im Collegium Carolinum München.

Quelle: http://dhtg.hypotheses.org/238

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DH-Kolloquium II – Clash of Concepts: Text

Während die erste Sitzung des Kolloquiums im Zeichen eines allgemeinen Überblicks zu den Digital Humanities stand (TexperimenTales berichtete), war für die zweite Sitzung mehr Detailarbeit vorgesehen. So können Forschungsfragen, die innerhalb des DH-Bereichs behandelt werden, Objekte ganz unterschiedlicher Art untersuchen: Bilder, 3D-Objekte, Audioaufnahmen, Videos usw. Wenn man aber Leute auf der Straße fragen würde, was Geisteswissenschaftler vorrangig behandeln, würde wohl die häufigste Antwort “Texte” sein. Doch was ist das überhaupt – “Text”?

Lustigerweise haben Patrick Sahle und ich ungefähr zur gleichen Zeit und ohne miteinander Rücksprache zu halten, uns in unseren Dissertationen an einer Definition des Textbegriffs versucht. Während ich der Sache in meinem ersten Kapitel ein paar wenige Seiten Platz einräumte (hier), widmete Patrick den gesamten dritten Band seines Dissertationswerks* (der für sich allein genommen den Umfang meiner Arbeit übersteigt) dem Textbegriff und der (Re)Codierung. Trotzdem wir uns ansonsten gut verstehen, waren wir bisher noch nicht mal darüber übereingekommen, ob wir überhaupt über das gleiche sprechen, wenn mir “Text” sagen. Ein gemeinsames Kolloquium, so dachten wir uns da, ist da vielleicht eine gute Möglichkeit, auszuloten, ob unsere beiden Ansätze synthetisierbar sind. Oder auch eine Gelegenheit, uns kräftig die Köpfe einzuschlagen, welcher Begriff denn den anderen sich unterzuordnen vermag.

Um es vorwegzunehmen: Wir haben es in der uns zur Verfügung stehenden Zeit nicht geschafft, zu einer endgültigen Klärung zu kommen. Das lag einerseits daran, dass Patrick zur Erläuterung seines pluralistischen Textbegriffs, der versucht, alle möglichen Textarten zu subsummieren, eine Menge Zeit brauchte. Und das ich auf der anderen Seite meine Gegenthese, Texte seien im Grunde nichts anderes als Sequenzen diskreter Einheiten, nicht aus dem Stegreif gegen alle von Patrick abgeschossenen Gegenargumente in Stellung bringen konnte. Inwiefern es uns in einer der nächsten Sitzungen gelingen wird, doch noch auf einen Nenner zu kommen, vermag ich im Moment nicht zu sagen. Aber ich kann hier versuchen zu skizzieren, aus welcher Ecke wir eine mögliche Lösung hervorkramen könnten, die uns beide zufrieden zurücklässt.

Patricks (wie oben angemerkt pluralistischer) Textbegriff fußt auf den vielgestaltigen Anwendungsfeldern, mit denen er jeden Tag als Geschäftsführer des CCeH konfrontiert ist und manifestiert sich in einem – wie er es nennt – Textrad:

Das Textrad. Entwurf und Umsetzung aus Sahle (2013).

Der pluralistische Textbegriff als Rad nach Sahle (2013).

Patrick gelingt es, wie er im Laufe seines Vortrags zeigen konnte, alle Textwissenschaftler, ihre theoretischen Überlegungen, die Entwicklung von Standards und praktischen Anwendungen auf einen Punkt oder einen Verlauf auf der Felge dieses Rades zu lokalisieren. Meine Frage ist aber: Ist ein Rad stabil, das keine Nabe hat? Rückübertragen aus der Metapher: Gibt es nicht etwas, das allen Texten in allen Betrachtungsweisen zugrunde liegt? In meinem Ansatz müssen Texte nicht notwendigerweise in Schrift gefasste Sprache sein, sie können auch Abstraktionen über andere Dinge der Welt repräsentieren (wie ich das z.B. mal in meinem Gastbeitrag auf den Scilogs erläutert habe). Wo passt die DNA auf dieses Rad, wo Maschinencode? Oder gehören sie auf ein anderes Rad? Aber hätte dieses andere dann nicht vielleicht die gleiche Nabe wie das von Patrick?

Ich werde versuchen, diese Gedanken noch einmal in einer späteren Sitzung auszuführen, in der ich das Text Engineering Software Laboratory vorstellen will. Bis dahin rede ich mir ein, dass Patrick und ich auf der gleichen Grundlage stehen, aber an unterschiedlichen Positionen.

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Betrachten wir das gleiche Ding von verschiedenen Enden her? Und an wen erinnern mich die beiden nur?

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Literatur:

Hermes, Jürgen (2012) Textprozessierung – Design und Applikation. [Online-Fassung] Dissertation, Universität zu Köln.

Sahle, Patrick (2013) Digitale Editionsformen. Zum Umgang mit der Überlieferung unter den Bedingungen des Medienwandels. Teil 3: Textbegriffe und Recodierung. [Preprint-Fassung]. Dissertation, Universität zu Köln.

* Beides Open Access Publikationen – Könnt ihr euch mal ein Beispiel dran nehmen!

Quelle: http://texperimentales.hypotheses.org/1318

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Zwei Quellen zur Gymnasialgeschichte der Stadt Kassel mit 150 Büchern

Friedrichsgymnasium

Claudie Paye veröffentlicht in ihrem Blog Napoleon auf der Spur die Transkription von Quellen zur napoleonischen Ära in den deutschen Landen, stets versehen mit einem Kommentar. Jüngst erschienen in Payes Quellenblog zwei ministeriale Schreiben des frühen 19. Jahrhunderts zur Schulentwicklung der Stadt Kassel:

„Cassel [soll] Lehranstalten haben, welche der Hauptstadt des Königreiches würdig sind“ – Reorganisation des Schulwesens in Kassel (Juli 1811)

„Die Wahl eines Professors auf einer Universität, … hält kaum so schwer…“ – Ernennung des Personals für das Lyceum und die Bürgerschule in Kassel und Suche nach französischen Sprachlehrern (Juli 1812)

In den beiden Schreiben geht es um das 1779 von Landgraf Friedrich II. gegründete Lyceum Fridericianum zu Cassel, eine höhere Lehranstalt nebst angeschlossener Bürgerschule. Das Lyceum basierte auf einer vormaligen Lateinschule und führte sich in ihren Annalen Mitte des 19. Jahrhunderts daher auf das Gründungesdatum 1599 zurück. Die beiden Quellen dokumentieren, dass man zu Beginn des 19. Jahrhunderts nach einer Neuordnung der Anstalt gesucht hatte. Infolge wurde die Bürgerschule vom Lyceum abgetrennt und letzteres später nach Kurfürst Wilhelm I. (1743-1821) als Kurfürstliches Gymnasium Fridericianum zu Cassel geführt, heute das Friedrichsgymnasium Kassel.

Die Quelle von 1811 erwähnt eine Bibliothek:

[…] Ein [Text durchgestrichen] mathematischer und physicalischer Apparat und Bibliothek fehlen dem Lyceo bis jetzt noch gänzlich; nur bey dem Seminario findet sich eine kleine Sammlung pädagogischer Schriften von etwa [verso] 150 Bänden, und eine Sammlung von Musikalien von den besten Meistern. […]1

Karl Friedrich Weber (1794-1861), Direktor des Gymnasiums von 1835 bis 1852, berichtet 1846 in seiner „Geschichte der städtischen Gelehrtenschule zu Cassel“ von Paul Veit (auch Veith oder Vith), dem Rektor der Lateinschule von 1772 bis 1779, verstorben 1781. Dieser habe 1781, „wo er 76 Jahr 9 Monat alt den 22. October starb“,  zuvor „zum Zeichen seiner Anhänglichkeit an die Schule, laut Testament vom 21. Mai 1780, seine Bibliothek dem Lyceum vermacht“.2

Weber vermutet an späterer Stelle in einem Kapitel über die „Lehrmittel“, dass diese Sammlung kurz nach 1800 verkauft worden sei und übernimmt dabei auch die Formulierung der Quelle 1811 nahezu wortgetreu:

„So viel für die Verbesserung des Schulwesens durch die Einrichtung des Lyceums geschah, so wenig dachte man daran, die geringen Lehrmittel der früheren Zeit zu vermehren. Daher gab es weder einen physikalischen Apparat, noch Hülfsmittel zum naturhistorischen Unterricht, außer was etwa die Lehrer selbst an Kupferwerken besaßen. Nur bei dem Seminar befanden sich (1808) ohngefähr 150 Bände pädagogischer Schriften und eine Sammlung Musikalien. Die Bibliothek des Rectors Veit, welche derselbe dem Lyceum vermacht hatte, wurde vermuthlich ihrer geringen Brauchbarkeit wegen 1802 versteigert und der Erlös mit 84 Thlr. 23 Alb. 4 Hlr. zur Schulcasse genommen.“3

Die Homepage des Friedrichgymnasiums in Kassel beschreibt die Geschichte der Anstalt  verborgen hinter dem Menuepunkt “Schule” und dem Unterpunkt „Schulleitung“4. Die vorhandenen „Bibliotheken“ (im Plural, ebenfalls erst auf den zweiten Klick hinter dem Menuepunkt „Lernen“  zu finden) werden mit einem Foto vorgestellt, das anhand der Einbände auf Bestände des 18. und 19. Jahrhunderts verweist.5

cassel.schulprogramm.1840Die Universitätsbibliothek Kassel – Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel hält laut Katalog Schulschriften des Lyceums und des Gymnasiums Fridericianum seit 1803, darunter auch sogenannte „Schulprogramme“, die jährlichen Schulberichte über Lehrinhalte, Prüfungen und Ereignisse. Die Schulschriften sind erst teilweise erschlossen, folgt man dem digital abrufbaren Katalog, der bei zahlreichen Titeln die eingescannten Kärtchen zeigt. Jubiläumsschriften und weitere Publikationen stehen als bibliographische Angaben aus Harvard Library Bibliographic Dataset zur Verfügung.6

Die Kasseler Gymnasialbibliothek ist, wie’s scheint, noch im Dornröschenschlaf.  Zu vermuten ist, dass nach der Reorganisation des Lyzeums/Gymnasiums in Kassel, von der die beiden oben genannten Quellen zeugen,  die Bibliothek in den verschiedenen Sachgebieten modern bestückt wurde, d.h. die Bestände im wesentlichen der Zeit des Massenbuchdrucks seit ca. 1840 entstammten. Inwieweit Bestände der Buchsammlung über die Schulschriften hinaus in die Murhardsche Bibibliothek gelangt sein könnten, ist bisher unbekannt. Über den Altbestand in ihren Bibliotheken gibt leider die Homepage des Friedrichsgymnasiums keine Auskunft, spendiert lediglich ein Bücherfoto vom Regal.

Friedrichsgymnasium.Kassel.gedenktafel

Literatur

Karl Friedrich Weber, Geschichte der städtischen Gelehrtenschule zu Cassel, Cassel 1846 (google books)

Ders., Geschichte der städtischen Gelehrtenschule zu Cassel von 1599-1709, Schulprogramm 1844 (Titelnachweis)

Links

Digitalisierte Schulprogramme des Gymnasium Fridericianum, Kassel (Universitätsbibliothek Giessen)

Lyceum Fridericianum

Friedrichsgymnasium Kassel, Bibliotheken

Friedrichsgymnasium Kassel, Geschichte

Homepage des Friedrichsgymnasiums Kassel

Abbildungen

Gebäude des ehemaligen Lyceum Fridericianum um 1900 (Festschrift für das 150. Jubiläum des Staatlichen Friedrichsgymnasiums zu Kassel 1779–1929, Kassel 1929; S. 9); Schulprogramm 1840 (Quelle); Gedenktafel (Quelle + Lizenz)

  1. „Cassel [soll] Lehranstalten haben, welche der Hauptstadt des Königreiches würdig sind“ – Reorganisation des Schulwesens in Kassel (Juli 1811)
  2. Karl Friedrich Weber, Geschichte der städtischen Gelehrtenschule zu Cassel, Cassel 1846; S. 267
  3. Weber, 1846, S. 348
  4. Friedrichsgymnasiums Kassel, Geschichte
  5. Friedrichsgymnasium Kassel, Bibliotheken
  6. Katalogsuche Universitätsbibliothek Kassel – Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel, Schlagworte lyceum cassel, gymnasium fridericianum cassel

Quelle: http://histgymbib.hypotheses.org/750

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Definitionssache I: Scott McClouds Comicbegriff

“Comics are not prose. Comics are not movies. They are not a text-driven medium with added pictures; they’re not the visual equivalent of prose narrative or a static version of a film. They are their own thing: a medium with its own devices, its own innovators, its own clichés, its own genres and traps and liberties. The first step toward attentively reading and fully appreciating comics is acknowledging that.”1

Betrachten wir den Comic als ein eigenständiges Medium, dann stellt sich die Frage, was dieses Medium genau ausmacht. Worin unterscheidet es sich von anderen Medien und Kunstformen? Wie lässt sich der Comic definieren? Diesen Fragen möchte ich in einer Reihe von Beiträgen nachgehen, um zentrale Aspekte des Comics als eigenständiger Kunstform zu erfassen.

Eine umfassende Definition des Mediums Comic wurde bisher noch nicht erbracht und aufgrund der Schwierigkeiten, die diese Fragestellung mit sich bringt, wird mitunter von einer unmöglichen Definition gesprochen.2
Einer der populärsten Definitionsansätze stammt von Scott Mc- Cloud. 1994 veröffentlichte der US-amerikanische Comicautor und -theoretiker mit Understanding Comics. The Invisible Art einen Band, der bis heute eine maßgebliche Referenz auf dem Gebiet der Comicforschung darstellt und jedem, der sich mit dem Medium Comic auseinandersetzen möchte, als Einstiegs- oder auch Vertiefungslektüre anempfohlen sei.3
Basierend auf Will Eisners Ausführungen4 entwickelte McCloud folgende Definition: Comics sind “juxtaposed pictorial and other images in deliberate sequence, intended to convey information and/or to produce an aesthetic response in the viewer”, oder kurz “sequential art”.5 Für McCloud definieren sich Comics folglich durch ihre Sequenzialität, um genauer zu sein, durch die sequenzielle Anordnung, die Aneinanderreihung von zusammengehörigen Bildern bzw. Bildelementen.
Ausgehend von dieser funktionalistischen Definition lassen sich sämtliche Kunstwerke, die in einer Abfolge von Bildern erzählen, unter dem Begriff Comic subsummieren. So z. B. der Teppich von Bayeux, griechische Vasen oder Werke der ägyptischen Malerei.6

Trajanssäule
Die Trajanssäule – ein Comic? Aufnahme © Monika Weissenberger 2014.

Gleichzeitig schließt dieselbe Definition einen nicht unerheblichen Teil der Comicproduktion aus: Ein-Bild-Comics, oft auch als Cartoons bezeichnet, bestehen schließlich nicht aus einer Aneinanderreihung von Bildern.7 Serien wie The Family Circus von Bil und Jeff Keane, nichtlustig von Joscha Sauer oder gar Hogan’s Alley von Richard F. Outcault — oft als erster Zeitungs-Comicstrip gehandelt —, dürften demzufolge nicht der Kunstform Comic zugeordnet werden.

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© Keane – King Features 1987.

Andererseits führt McCloud an anderer Stelle8 aus, dass auch innerhalb von Panels, sprich innerhalb eines Einzelbildes eines Comics, Sequenzialität gegeben ist. Er zeigt, dass sich ein einzelnes Panel aufgrund des Nebeneinanders verschiedener Bildelemente und des Nacheinanders verschiedener Handlungselemente, die ja in einer bestimmten Reihenfolge gelesen werden, auch in mehrere Panels unterteilen ließe:

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© McCloud – HarperCollins 1994, S. 95.
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© McCloud – HarperCollins 1994, S. 97.

Warum sollte sich dieses Prinzip auf einzelne Panels, aber nicht auf Ein-Bild-Comics anwenden lassen? In seinem Essay Redefining  Com- ics greift Philosophieprofessor John Holbo diesen Gedanken auf und führt ihn argumentativ fort, wobei er zu dem Schluss kommt, dass letztlich jedes Bild mit narrativen Eigenschaften im engeren oder weiteren Sinne — und dies lässt sich wiederum auf einen großen Teil aller Bildwerke anwenden — die von McCloud angeführte “Lesetätigkeit” erfordert und somit als Comic zu bezeichnen sei. Schließlich erzählen oder implizieren die meisten Bilder eine Geschichte oder geben durch die Darstellung und Anordnung der einzelnen Bildelemente eine Leserichtung vor.9

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© Holbo, Squid and Owl (Blurb 2009), 2012, S. 7.

Demzufolge wären nicht nur die von McCloud ausgeschlossenen Cartoons als Comics zu bezeichnen, sondern auch Da Vincis Letztes Abendmahl, um ein beliebiges Beispiel anzuführen. In Holbos Gedankenspiel mag einiges an Ironie stecken, doch zeigt es, dass McClouds Definition durchaus erweiterungsbedürftig ist.10
Neben diesem Kritikpunkt, dass McClouds Definition im selben Moment sowohl zu weit als auch zu eng gefasst ist, wird häufig angemerkt,11 dass McCloud den Bildern einen höheren Stellenwert einräumt als dem Text: Zwar geht aus seiner Definitionsfindung hervor, dass Worte durch ihren zeichenhaften Charakter unter den Begriff der “images” fallen12 und somit zum Bildrepertoire von Comics zählen können, aber auch, dass er sie nicht als obligatorisch erachtet:13 “If the pictures, independent of the words, are telling the whole story and the words are supplementing that, then that is comics.”14
Es finden sich zwar Beispiele für Comics, die (weitestgehend) auf den Einsatz von Sprechblasen und Erzähltext verzichten — so Arzach von Mœbius (1975/76) und Le Sens von Marc-Antoine Mathieu (2014) — tatsächlich weist der Großteil aller Comics jedoch eine Verknüpfung von Bild und Text auf.

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© Mœbius – Les Humanoïdes Associés 1975/76, S. 39.

McCloud hat mit Understanding Comics eine herausragende Einführung in die Funktionsweise von Comics und in die Erzählmechanismen der sequenziellen Kunst geliefert. Sein Definitionsansatz hat dazu beigetragen, der Betrachtung des Comics als eigenständiger Kunstform näher zu kommen, einen fruchtbaren, bis in die heutigen Tage anhaltenden Diskurs angeregt und ein Fundament gelegt, auf dem weitergebaut werden kann.

Titelbild: © McCloud – HarperCollins 1994, S. 9.

  1. Wolk, Douglas: Reading Comics. How Graphic Novels Work and What They Mean. Boston 2007, S. 14.
  2. Vgl. Schikowski, Klaus: Der Comic. Geschichte, Stile, Künstler, Stuttgart 2014, S. 26 und Groensteen, Thierry: The Impossible Definition, in: Heer, Jeet; Worchester, Kent (Hrsg.): A Comics Studies Reader, Jackson 2009, S. 124—131.
  3. McCloud, Scott: Understanding Comics. The Invisible Art, New York 1994.
  4. Eisner, Will: Comics and Sequential Art, Princeton 1992.
  5. McCloud 1994, S.9
  6. Vgl. ebd., S. 10—19.
  7. Vgl. ebd., S. 21.
  8. Vgl. ebd., S. 94—97.
  9. Vgl. Holbo, John: Redefining Comics, in: Meskin, Aaron; Cook, Roy T. (Hrsg.): The Art of Comics. A Philosophical Approach. Malden (u. a.): 2012, S. 3—14.
  10. Weiterführend hierzu: Meskin, Aaron: Defining Comics?, in: Journal of Aesthetics and Art Criticism 65 (1), 2007, S. 369—379: Meskin vertritt die Position, dass Comics, wenn überhaupt, lediglich aus einem historischen Gesichtspunkt definierbar sind. — Hayman, Greg und Pratt, Henry John: What Are Comics?, in: Goldblatt, David; Brown, Lee B. (Hrsg.): A Reader in Philosophy of the Arts, Upper Saddle River 2005, S. 419—424.
  11. Bspw. bei Wartenberg, Thomas E.: Wordy Pictures: Theorizing the Relationship between Image and Text in Comics, in: Meskin, Aaron; Cook, Roy T. (Hrsg.): The Art of Comics. A Philosophical Approach. Malden (u. a.) 2012, S. 87f.
  12. Vgl. McCloud 1994, S. 8.
  13. Vgl. ebd., S. 21.
  14. McCloud in einem Interview mit Robert Harvey in The Comics Journal 179, 1995, S. 52ff., zitiert bei Holbo 2012, S. 20.

Quelle: http://comics.hypotheses.org/24

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Medialisierung als neues Paradigma?


Frank Esser, Jesper Strömbäck: Mediatization of Politics. Understanding the Transformation of Western Democracies. Basingstoke: Palgrave.

Medialisierung wirdEsser Strömbäck 2014 - Cover in der Einleitung als ein vielversprechendes Konzept beworben, mit dem Prozesse und Phänomene auf Mikro-, Meso- und Makro-Ebene erfasst und so die Rolle der Medien in der Transformation etablierter Demokratien untersucht werden können. Als theoretischer Rahmen dient die von Jesper Strömbäck im Jahr 2008 vorgestellte vierdimensionale Konzeptualisierung von Medialisierung der Politik. Diese bietet sich nicht zuletzt auch deshalb besonders gut als theoretischer Hintergrund für solch einen Sammelband an, weil hier auf vier Dimensionen sowohl unterschiedliche analytische Ebenen, als auch unterschiedliche Forschungsrichtungen der Kommunikationswissenschaft adressiert und auf diese Weise unter dem Dach der Medialisierungsforschung vereint werden können (S. 6f.).

Aus neo-institutionalistischer Perspektive richten Esser und Strömbäck den Fokus auf Nachrichtenmedien. Als Sinnzusammenhang wird das „news media system“ konzipiert (S. 13) und entsprechend das Konzept der Medienlogik unter dem Namen „news media logic“ konkretisiert (S. 16-19). Die Medialisierung von Politik definieren sie dann als Langzeitprozess, durch den „the importance of the news media as an institution, and their spill-over effects on political processes and political institutions, has increased.“ (S. 22)

Damit sind die grundlegenden Bezugspunkte dieses Sammelbandes festgelegt. Im zweiten Teil folgen theoretische Beiträge führender Autoren aus dem Feld der politischen Kommunikation, die zunächst größere Fragen stellen:

Welche Folgen hat Medialisierung für die Demokratie? Wie wirkt sich Selbst-Medialisierung von Politikern auf die Gesellschaft aus? Und wie sieht die Zukunft aus? Jay G. Blumler zeigt hier gekonnt, dass politische Kommunikation nicht nur aus der Interaktion zwischen Journalisten und Politikern besteht, sondern auch andere Akteure umfasst (etwa: Denkfabriken, Soziale Bewegungen, Interessengruppen und Lobbyisten, internationale Agenturen, parlamentarische Komitees oder Wissenschaftler). Damit revidiert er das von Gurevitch und ihm konzipierte political communication system (S. 39). Abschließend plädiert Blumler dafür, den Forschungsfokus zu erweitern und sich anstelle der Medialisierung von Politik, lieber der Medialisierung von Öffentlichkeit zu widmen.

Hervorzuheben ist auch Gianpietro Mazzolenis Beitrag zu medialisiertem Populismus (S. 50), in dem er einen Wandel hin zur „Mediatization 2.0“ konstatiert: Eine Situation, in der sich die Logik der traditionellen Medien mit interaktiven Kommunikationsmodi (etwa soziale Netzwerke) vermischt, um das politische System von den Massenmedien abhängig zu machen – „more dependent than ever“ (S. 44). Ein neuer Kontext also, in dem sich Politiker mir einer „fragmented, reactive and largely uncontrollable audience“ (S.49) konfrontiert sehen. Nichtsdestotrotz findet Medialisierung in allen gesellschaftlichen Teilbereichen und auf allen Ebenen statt. Auch wenn sich Wissenschaft vorwiegend auf die Medialisierung der politischen Sphäre konzentriere. (S. 43)

Winfried Schulz setzt sich dann in einer analytisch wertvollen Abhandlung mit dem Gebiet Medialisierung und Neue Medien auseinander, während Frank Marcinkowski und Adrian Steiner hier die Möglichkeit erhalten, ihr systemtheoretisch angelegtes Medialisierungskonzept einem englischsprachigen Publikum darzulegen.

Am Ende dieses Theorieteils fragt sich der Leser, wie soziologischer Institutionalismus und Systemtheorie miteinander zu vereinbaren sind. Aber das ist nicht Ziel des Sammelbandes. Hier könnte kumulative Theoriebildung (S. 238) stattfinden, im Vordergrund stehen aber „assessing and furthering our theoretical as well as empirical understanding of the mediatization of politics“ (S. 5).

Empirisch könnte es dann auch weitergehen. Die Auswahl der Beiträge im dritten und letzten Teil verdeutlicht jedoch, dass es an empirischen Studien mangelt. Wie oben angedeutet, kann entlang der vier Dimensionen von Strömbäck auch eine Medieninhaltsanalyse als Medialisierungsstudie verstanden werden (so auch Udris & Lucht, D’Angelo et al.). Dennoch sind drei von sechs Beiträgen Literatursynopsen (Shehata & Strömbäck, De Vreese, Van Aelst et al.), die etablierte Forschungsstränge (Mediennutzung, Framing, Agenda-Setting) an das Medialisierungskonzept koppeln.

Patrick Donges und Otfried Jarren demonstrieren schließlich, dass Medialisierungsforschung mithilfe qualitativer und quantitativer Methoden neue Zugänge erlaubt. In ihrem Beitrag stellen sie zwei Studien zur Medialisierung politischer Organisationen im internationalen Vergleich vor. Während die Medialisierung politischer Parteien anhand von Dokumentenanalysen und Leitfadeninterviews analysiert wird, stützt sich die Untersuchung der Medialisierung von Interessengruppen auf Online-Befragungen. Die Fallstudien belegen, dass Medialisierung stattgefunden hat, wenn auch nicht im erwarteten Ausmaß. Zudem gibt es länderspezifische Unterschiede. Dennoch können sich politische Organisationen aufgrund ihrer Organisationsformen und einer starken Pfadabhängigkeit nicht uneingeschränkt an die Medienlogik anpassen. Obwohl diese Studien keine konkreten Rückschlüsse über die Medienlogik erlauben (erfasst wird hier lediglich die wahrgenommene Medienlogik), wird die Existenz einer umfassenden Logik bezweifelt und eine neue Definition gefordert (S. 196).

Dieser Sammelband bündelt erkenntnisreiche Beiträge. Leider sind sie nicht so neu, wie man zunächst vermuten mag. Dennoch bilden sie den Stand der Medialisierungsforschung gut ab: Es wird viel versprochen und gefordert. Empirische Studien sind in diesem Forschungsfeld nach wie vor rar und wenn es hart auf hart kommt, entscheiden sich Autoren auch für ein anderes Label. Der Blick in die Zukunft stimmt jedoch optimistisch: „A Paradigm in the making“ heißt das Fazit der Herausgeber, das eine gelungene Nachbereitung der Beiträge darstellt.

Zur Verlagshomepage

Quelle: http://medialogic.hypotheses.org/287

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Wer bloggt hier eigentlich, und wenn ja, wie viele?

Die Blogparade ist schon vorbei, aber da die |Marginalien gerade wieder aus dem „vorlesungsfreie-Zeit-Schlaf“ erwachen, sind wir dennoch so frei, dies zum Aufhänger für einen Beitrag zu nehmen, den wir sowieso schon auf der Liste hatten: einen Blick in die Landschaft der (vorerst) deutschsprachigen religionswissenschaftlichen Blogs.

Wir im Redaktionsteam haben uns natürlich auch vor dem Start von Marginalien überlegt, warum es „yet another relwiss-blog“ (unser damaliger Arbeitstitel) sein soll – und damit im Zusammenhang auch, was es bereits an Blogs gibt, und was dort im Mittelpunkt steht.

An deutschsprachigen RW-Blogs waren uns vor allem drei besonders präsent: Der Blog des religionswissenschaftlichen Medien- und Informationsdienstes (REMID e. V.), der Blog „Natur des Glaubens“ von Michael Blume auf SciLogs, und Sabine Liesches „Religioholic“-Blog. Sie erschienen uns mit ihren Anliegen und Themen hinreichend unterschiedlich von unserem Vorhaben. Aber lassen wir sie doch selbst zu Wort kommen:

Michael Blumehttp://www.scilogs.de/natur-des-glaubens/about-the-blog/

Wissenschaftsblogs wirken als sich verstärkendes Netzwerk – deswegen kann es gar nicht genug davon geben! Mein Blog „Natur des Glaubens“ hat den wissenschaftlichen Schwerpunkt auf der interdisziplinären Evolutionsforschung sowie der Medienreflektion. Normativ werbe ich für die Befassung mit Wissenschaften und trete für Dialogprozesse, Menschen- und Freiheitsrechte ein. Dabei ist NdG auch ein Stück Experiment und teilnehmende Beobachtung: Seit Kurzem habe ich ihn durch einen kleinen Podcast und Videos ergänzt und nutze ihn auch zunehmend für Lehrveranstaltungen. Kurz: Ich liebe die Dynamiken der Blogosphäre, würde mir aber noch viel mehr religionswissenschaftliche Kolleginnen und Kollegen dort wünschen. Wir entscheiden doch durch unser Tun oder Unterlassen mit, welche Inhalte sich im Netz finden!

Sabine Lieschehttp://religioholic.de/

Mittlerweile gibt es religioholic seit fast drei Jahren und ebenso lang bietet es Faszinierendes und Spannendes aus der Welt der Religion(en) für alle an Religion Interessierten – vom Schüler bis zum Rentner, vom Laien bis zum Wissenschaftler. Die Beiträge beschäftigen sich hauptsächlich mit aktuellen Themen, inspiriert von wöchentlichen Rückblicken auf die Nachrichten und Ereignisse der Welt. Die Artikel reichen von der Vorstellung einzelner Religionsgruppen (z. B. Jesiden, Ahmadiyya) über die Analyse aktueller Tendenzen (z. B. Islamfeindlichkeit) bis hin zu Berichten über religiöse Besonderheiten (z. B. Sexualität und Religion). Mein Schwerpunkt liegt dabei bei islamverwandten Forschungen und Artikeln, aber bald gibt es einen Beitrag über Selbstmumifizierung im Buddhismus, also seid gespannt.

Christoph Wagenseilhttp://remid.de/blog/

Als ich zu REMID kam, hatte der Verein zwar bereits eine Webseite, aber er war noch weit entfernt davon, in den neuen Medien aktiv zu sein. Zum damals neuen Blog-Projekt, das seit März 2011 am Start ist, gehörte auch der Einstieg in die sozialen Netzwerke. Neben Artikeln, Essays, Reviews und Gastbeiträgen wurden insbesondere die Interviews mit der Fachwelt oder Akteuren des religiös-weltanschaulichen Feldes zum Markenzeichen des REMID-Blogs. Thematisch liegen die Schwerpunkte wie sonst bei REMID bei europäischer Religionengeschichte, insbesondere religiöse Gegenwartskultur, neue religiöse Bewegungen, Pluralisierung & Religionsfreiheit, Religion & Migration, Hermetic Studies sowie Streiflichter aus aktueller Religionsforschung (Methoden) mit besonderem Fokus auf die deutschsprachigen Länder. REMID erreicht neben guten Anteilen der religionswissenschaftlichen Fachwelt z. B. über 600 vornehmlich Multiplikatoren aus Medien, Religionen und Öffentlichkeit über Twitter. Das Profil schwankt zwischen (populär-)wissenschaftlichen Fachartikel und wissenschaftsjournalistischen Experteninterviews. Eine wichtige Funktion des Blogs könnte darin bestehen, ein nachdenkliches Korrektiv zum religions- und weltanschauungsbezogenen Zeitgeschehen zu sein, welches religionswissenschaftliche Perspektiven in Debatten einbringt.

Alle drei Blogs haben uns inspiriert, und dennoch hatten wir den Eindruck, dass die deutschsprachige Bloglandschaft auch noch einen weiteren Blog verträgt, ohne vollkommen übersättigt zu sein – einen, der vor allem als Plattform für jedermann (und -frau, und überhaupt alle Interessierten) dienen kann, nicht nur Kommentare zu aktuellem religionsbezogenem Geschehen loswerden zu können, und damit potentiell auch ein breiteres Publikum als die fachbekannte religionswissenschaftliche Mailingliste zu erreichen, sondern auch noch nicht fertiggegorene Überlegungen oder sonstige Ideen zur Diskussion stellen zu können. Wir sind gespannt, wie tragfähig diese Idee ist.

So, aber jetzt seid ihr dran, denn unsere Liste ist ja sicherlich nur eine kleine Auswahl! Welche anderen religionswissenschaftlichen Blogs kennt (und vielleicht lest) ihr noch? Was habt ihr jenseits der deutschsprachigen Landschaft im Blick? Oder habt ihr noch ganz andere Online-Quellen abonniert – Podcasts, Homepages, Twitteraccounts? Wir würden uns freuen, noch mehr spannende Beispiele kennenzulernen (und vielleicht als nächstes ein paar Podcasts vorzustellen … oder so.)

redaktion

Quelle: http://marginalie.hypotheses.org/131

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