Immer nur die gleichen ‚Floskeln‘?
Fabian Köster/Dennis Krause
In der Forschung reduziert sich das Phänomen der Sprachlosigkeit in Feldpostbriefen zunächst auf drei Ursachen: die Angst vor der Zensur, die intendierte Schonung der Rezipienten und ein Sprachverlust in Folge des Erlebens beispiellosen Grauens.[1] Demnach würde ein Frontsoldat, ein leeres Blatt Papier vor Regen und Schmutz schützend, im Schützengraben kauern und überlegen, bevor er den Stift ansetzt: Was darf, will und kann ich nicht schreiben? Bereits eine solch simple Übertragung auf eine konkrete Situation vermittelt, dass eine solche retrospektive Kategorisierung an ihre Grenzen stößt. Denn natürlich werden Soldaten auch einfach ‚drauf los‘ geschrieben haben, nicht immer darauf bedacht, ihre Gedanken einer rationalen Prüfung zu unterziehen. Wenn Heinrich Echtermeyer immer wiederkehrende Begrüßungs- und Abschiedsformeln in scheinbar mechanischer Manier aufs Papier bringt, dann wirken jene Formulierungen dennoch vordergründig funktionell, ja beinahe floskelhaft.
!["Lieber Bruder! Gestern deinen Brief in Gesundheit erhalten, und hoffe das Ihr auch noch alle gut Gesund seit. Hier ist so immer das Nämliche, b[l]os jetzt mehr Regen Wetter. Ich bin jetzt schon 3 Monate in Rußland und bis jetzt die ganze Zeit im Graben. Wir und der Feind sollen wohl so um 1000 Meter aus einander liegen. Wollen hoffen das der Friede nicht mehr weit ist, und das ich glücklich wieder komme. Nun sch[l]ieße ich, in der Hoffnung Duh das schreiben nicht vergißt Es grüß Herzlich d. B. Heinrich" Heinrich Echtermeyer an seinen Bruder Bernhard Echtermeyer, Feldpostkarte vom 15. Oktober 1916.](https://f.hypotheses.org/wp-content/blogs.dir/2626/files/2015/06/Echtermeyer_1916_10_15_Brief-201x300.jpg)
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!["Lieber Bruder! Gestern deinen Brief in Gesundheit erhalten, und hoffe das Ihr auch noch alle gut Gesund seit. Hier ist so immer das Nämliche, b[l]os jetzt mehr Regen Wetter. Ich bin jetzt schon 3 Monate in Rußland und bis jetzt die ganze Zeit im Graben. Wir und der Feind sollen wohl so um 1000 Meter aus einander liegen. Wollen hoffen das der Friede nicht mehr weit ist, und das ich glücklich wieder komme. Nun sch[l]ieße ich, in der Hoffnung Duh das schreiben nicht vergißt Es grüß Herzlich d. B. Heinrich" Heinrich Echtermeyer an seinen Bruder Bernhard Echtermeyer, Feldpostkarte vom 15. Oktober 1916.](http://f.hypotheses.org/wp-content/blogs.dir/2626/files/2015/06/Echtermeyer_1916_10_15_Brief-201x300.jpg)
![Beilage zu Nr. 13. des Figaro (22.3.1873) 6 [Ausschnitt]](http://f.hypotheses.org/wp-content/blogs.dir/1104/files/2015/06/ginseng_1.jpg)