Thüringische Leichenpredigten – das Beispiel J. G. Heinold

Anläßlich des Editionsprojekts AutoThür, in dessen Rahmen erste Texte freigeschaltet worden sind, möchte ich nicht nur pauschal auf dieses wundervolle Projekt verweisen, sondern auch ein wenig tiefer bohren. Dabei geht es mir gar nicht darum, einen Text in all seinen Facetten zu würdigen; dazu bedarf es doch spezieller Kenntnisse und auch besonderer Rechercheanstrengungen. Gleichwohl lassen sich auch schon nach einer ersten Lektüre einige Bemerkungen machen und mögliche Besonderheiten feststellen.

Im Folgenden möchte ich auf die Leichenpredigt des Johann Georg Heinold eingehen, der 1614 im fränkischen Rothenburg ob der Tauber geboren wurde und dort eine von Armut geprägte Kindheit und Jugend verlebte. Für das Jahr 1635 erwähnt Heinold die „feindselige Tyllische Ausplünderung“ der Stadt, die acht Tage lang gedauert habe. Das verwundert, da es nur schwer mit historischen Fakten zusammenzubringen ist. Daß Truppen nach ihrem Kommandeur benannt wurden, ist damals durchaus üblich gewesen. So berichtet Heinold später für 1637 von den „Panirischen“, die die Elbschanze bei Wittenberg eingenommen hätten: Hier handelte es sich also um schwedische Truppen unter dem Feldmarschall Johan Banér. Doch welche Truppen sollen die „Tyllische Ausplünderung“ begangen haben?

Bezug nimmt Heinold zweifelsohne auf den Generalleutnant der Katholischen Liga, Johann Tserclaes Graf von Tilly. Doch der war bereits 1632 nach seiner schweren Verwundung im Kampf gegen die Schweden verstorben. Sein Neffe und Erbe, der den Namen Tilly weiterführte, hatte m.W. nie ein wirklich namhaftes Kommando inne; er kann hier nicht gemeint sein. Hat Heinold also einen Fehler gemacht, indem er einfach die Truppen auch dann noch nach Tilly benannt hat, obwohl dieser Kommandeur längst tot war? Das kann durchaus der Fall sein.

Genauso kann aber auch die Datierung falsch sein. Denn Tilly hat tatsächlich Rothenburg eingenommen. Das geschah Ende Oktober 1631. Damals kam es auch zu tagelangen Plünderungen, die Stadt litt sehr und mußte auch eine Garnison aufnehmen. Rothenburg fiel dann später wieder an die Schweden, doch unmittelbar nach der schwedischen Niederlage bei Nördlingen im September 1634 wurde Rothenburg erneut belagert. Kurz danach wurde die Stadt mit Akkord eingenommen und mußte eine große Summe Geld zahlen. Plünderungen und Ausschreitungen gab es aber offenbar nicht, zumindest nicht im großen Stil. Das Problem bleibt, daß diese zweite Einnahme der Stadt nicht 1635, sondern schon 1634 erfolgte, und zudem nicht von kurbayerischen oder ligistischen – wenn man so will „Tillyschen“ – Truppen, sondern durch kaiserliche Einheiten unter Piccolomini.

Wie auch immer, so scheinen hier doch einige historische Fakten durcheinandergegangen zu sein. Mit der Nennung Tillys scheint nur klar, daß es offenbar kurbayerische Truppen waren, die Rothenburg plünderten. Auffällig ist an der Stelle übrigens, daß sie dafür acht Tage Zeit bekommen haben. Nach damaligem Kriegsgebrauch war es üblich, daß eine (im Kampf) eingenommene Stadt den Soldaten drei Tag lang zur Plünderung freistand; Magdeburg im Jahr 1631 ist das berüchtigte Beispiel dafür. Andererseits ist wohl verbürgt, daß Rothenburg im Herbst 1631 tatsächlich länger als drei Tage den Söldnern preisgegeben wurde.

Ein letzter Gedanke zu den Tillyschen im Jahr 1635: Wenn in dieser Leichenpredigt historische Fakten durcheinander geraten sind, was läßt dies für Rückschlüsse auf den Text und seine Entstehung selbst zu? Heinold starb im Jahr 1691, und wahrscheinlich wird diese Leichenpredigt auch nicht viel früher entstanden sein. Dabei geht es gar nicht darum, daß dem Greis am Lebensende Fehler unterlaufen sind. Viel aufschlußreicher ist, in welcher Weise der Zeitzeuge Heinold im Rückblick die Vorgänge des Kriegs sieht: Offenbar amalgamierten die Ereignisse in der Form, daß ein Feldherr wie Tilly als die prägende Figur des kurbayerischen Militärs angesehen wurde; die Namen anderer Kommandeure dagegen verblaßten in der Erinnerung.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/267

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„Wer hat Angst vor dem bösen Wolf?“ – Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck als Kapitän der napoleonischen Wolfsjagd

Lange Zeit galt der Wolf als Schädling und Gefahr für Mensch und Tier. Das bekannte Märchen von „Rotkäppchen und dem bösen Wolf“ ist nur ein Beleg für die tiefgreifende Angst die Isegrim dem Menschen in der Vergangenheit einflöste. Nach der systematischen Bejagung insbesondere im 19. Jahrhundert kehrt er mittlerweile langsam in die deutschen Wälder zurück und ist dabei oftmals ein geschätzter Gast – wenngleich auch heute noch altbekannte Probleme mit reißenden Wölfen wieder aufleben und eine Bejagung in einigen Regionen erneut diskutiert wird.

Die Jagd auf den Wolf hat eine ebenso lange Geschichte wie die Angst des Menschen vor ihm. Bereits im Mittelalter finden sich Erlässe, die die gezielte Bejagung von Wölfen regeln, wie etwa die diesbezüglichen Bestimmungen des bekannten Capitulare de villis vel curtis imperialibus Karls des Großen aus dem Jahr 812. Noch im Ancien Régime und in der napoleonischen Zeit hielt man an der Einrichtung der Wolfsjagd fest. So gelangte auch Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck in das napoleonische Ehrenamt eines Capitaine de la Louveterie (dt. Kapitän der Wolfsjagd) und beaufsichtigte als solcher die Louveterie in den Departements de la Roer, Mont-Tonnere, Sarre und Rhin-et-Moselle. Ein Beitrag der entstehenden Netzbiographie (vgl. Beitrag vom 16.07.2013) wird diese Tätigkeit beleuchten, wobei sich ein Seitenblick auf die sonstigen persönlichen Interessen Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dycks anbietet (vgl. etwa Beitrag vom 27.07.2013).

Martin Otto Braun

Quelle: http://rhad.hypotheses.org/210

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“Gewaltwettbewerbe”. Beitrag im Leviathan-Sonderband 28

In dem Beitrag “Gewaltwettbewerbe. ‘Gewalt’ in Globalen Konkurrenzen um Aufmerksamkeit und Legitimität” gehen Teresa Koloma Beck und Tobias Werron der Frage nach, welche Rolle globale Konkurrenzen um Aufmerksamkeit und Legitimität in der Produktion und Reproduktion von (Gewalt-)Konflikten spielen. Erschienen ist er im Leviathan-Sonderband 28, Ordnung und Wandel in der Weltpolitik: Konturen einer Soziologie der Internationalen Beziehungen, herausgegeben von Stephan Stetter.

Aufbauend auf kommunikationstheoretisch-konstruktivistischen Modellen globaler Konkurrenzen einerseits1 und Gewalt andererseits2 entwickeln die Autoren die These, dass mit Gewalt ausgetragene Konflikte in besonderem Maße geeignet sind, die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit zu erregen und in der Folge die Legitimität der Akteure zu verändern. Dabei gehen die möglichen Effekte jedoch in unterschiedliche Richtungen: Gewalt kann als Aufmerksamkeitserreger dienen, was beispielsweise im Interesse von Akteuren liegen mag, denen daran gelegen ist, Dritte – seien es  Bündnispartner oder “Zeugen” – in den Konflikt hineinzuziehen und so die eigene Position zu verbessern. Doch birgt Gewalt immer auch das Risiko, die Legitimität der sie ausübenden Akteure zu unterminieren und dadurch der Aufmerksamkeit den angestrebten strategischen Wert zu entziehen. Diesen Zusammenhang zwischen (Gewalt-)Konflikten und globalen Konkurrenzen um Aufmerksamkeit und Legitimität fassen die Autoren im Begriff des “Gewaltwettbewerbs” zusammen. Der zweite Teil des Beitrages entwickelt eine Typologie charakteristischer Fälle solcher Gewaltwettbewerbe.

1 Werron, Tobias. 2012. “Worum konkurrieren Nationalstaaten? Zu Begriff und Geschichte der Konkurrenz um ‘weiche’ globale Güter”. Zeitschrift für Soziologie 41, 338-55. Heintz, Bettina, and Tobias Werron. 2011. “Wie ist Globalisierung möglich? Zur Entstehung globaler Vergleichshorizonte am Beispiel von Wissenschaft und Sport”. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 63:3, 359-94.

2 Koloma Beck, Teresa. 2011. “The eye of the beholder. Violence as a social process”. International Journal of Conflict and Violence 5:2, 346-56.

Quelle: http://gewalt.hypotheses.org/146

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Hinter den Kulissen (Straßburg): der Bestand „Landvogtei Hagenau“

im Findbuch aus dem 19. Jahrhundert

im Findbuch aus dem 19. Jahrhundert

Die personelle und finanzielle Situation erlaubt es dem Departementalarchiv Bas-Rhin in Straßburg nicht, die links und rechts des Rheins in den Archiven aufbewahrten Handschriften zusammenzufassen, wie es bereits andernorts Kollegen getan haben (siehe z. B. www.hadis.hessen.de/hadis-elink/HSTAD/B%202/Findbuch.pdf). Durch die Mitwirkung am Projekt „Archivum Rhenanum“ besteht jedoch die Möglichkeit, einen besonders alten grenzüberschreitenden Bestand der Vergessenheit zu „entreißen“. Ein Beispiel ist etwa die Landvogtei Hagenau, die bis ins 17. Jahrhundert die Verwaltung der kaiserlichen Herrschaftsrechte umfasste.

Vorher...

Vorher…

Bei den in Straßburg aufbewahrten Archivalien der Landvogtei Hagenau, handelt es sich um den ältesten im Departementalarchiv vorhandenen Zivilbestand (Ziffern C 1-102, 100 Bündeln und einige andere Pergamente, die insgesamt 4,8 Meter im Archivmagazin einnehmen). Der Landvogtei kommt eine besondere Bedeutung in grenzüberschreitender Hinsicht zu, weil sie sich vom Mittelalter bis zum 17. Jahrhundert auf die Beziehungen zwischen dem Reich und dem Zehnstädtebund – d.h. den Reichsstädten Landau (Deutschland), Weißenburg, Seltz, Hagenau, Straßburg, Rosheim, Oberrenheim, Schlettstadt (Unterelsass), Kaysersberg, Turckheim, Colmar, Mülhausen (Oberelsass) – sowie mit benachbarten Dörfern, Herrschaften (Habsburg, Zweibrücken, Hanau-Lichtenberg), Städten (Straßburg, Offenburg) und Kirchenbehörden (Bischöfen von Straßburg und Speyer, Kapiteln, Klöstern) bezieht. Die Unterlagen, die Landau, Speyer, Offenburg und Ortenau betreffen (C 35 und C 62) wurden 1888 dem bayerischen Staat übergeben und im 20. Jahrhundert nur zum Teil zurückgeholt. Der Bestand ist somit leider unvollständig und oft so stark beschädigt, sodass eine Einsichtnahme im Lesesaal nicht möglich ist.

der Bestand im Arbeitsraum

der Bestand im Arbeitsraum.

Die finanzielle Förderung durch die Europäische Union erlaubt es nun erstmals, den Archivalienbestand zur Landvogtei Hagenau aufzubereiten und auch für den deutschen Sprachraum zu erschließen und via Internet zugänglich zu machen.

Die Dokumentation wird von einem Archivar übernommen, der die Originale mit den Aufzeichnungen im Findbuch aus dem 19. Jahrhundert vergleicht. Die Akten werden – wenn nötig – restauriert, Digitalisierungs- und ggf. Restaurierungsprotokoll werden  angefertigt. Diese Arbeit erfordert zwischen 1 und 3 Stunden pro Faszikel.

 Zu den konservatorischen Maßnahmen zählen die Trockenreinigung der Pergament- oder Blattoberfläche und die Verpackung in alterungsbeständige Materialien. Die Restaurierung wird erst dann eingesetzt, wenn eine Akte nicht mehr gebrauchsfähig ist, d.h. wenn bei der Digitalisierung Schäden oder Materialverlust drohen. Der aktive Schimmel wird abgetötet, Papier wird ggf. mit Papierfasern stabilisiert. 

... und danach.

… und danach.

Diese vorgenannten Maßnahmen werden von einem externen Dienstleister, der Firma Quillet, durchgeführt, die auch für die Digitalisierung verantwortlich sein wird.

Fünf von hundert Aktenbündel wurden bis jetzt probeweise restauriert und digitalisiert (970 Blätter, 1.200 Bilder). Da die Ergebnisse positiv waren, wurden weitere 83 Faszikel vorbereitet und abgeholt (ungefähr 16.300 Blätter, bis zu 20.700 Bilder), sodass nur einige wenige Faszikel des Bestands „Landvogtei Hagenau“ aufgrund ihres Erhaltungszustandes, des geringen wissenschaftlichen Interesses oder fehlender finanzieller Mittel nicht berücksichtigt werden konnten. Bis Ende 2013 soll das Vorhaben abgeschlossen sein.

Eine digitalisierte Urkunde (Arch. dép. Bas-Rhin, C 87 (1)).

Eine digitalisierte Urkunde (Arch. dép. Bas Rhin, C 87 /1).

Eine Sorge bleibt: Wie können wir einen einfachen und zweisprachigen Zugang zu den Digitalisaten im Internetportal des Departementalarchivs mit möglichst wenig Arbeitsaufwand realisieren? Zwar erhält das Archiv im Herbst 2013 eine neue Webseite, jedoch handelt sich zunächst nur um eine neue graphische Darstellung, angereichert mit allgemeinen Auskünften. Eine Software, die es dem Archiv erlauben wird, Findbücher und neue digitalisierte Bestände im Internet zu präsentieren – und auch xml-Exporte für das Portal „Archivum Rhenanum“ ermöglicht – wird erst im Frühjahr 2014 zum Einsatz bekommen.

Bei den vorgenannten Ausführungen zu den vom Departementalarchiv Bas-Rhin (Straßburg) durchgeführten Maßnahmen im Rahmen des Interreg-Projekts „Archivum Rhenanum“ handelt es sich um eine Übersetzung und Zusammenfassung. Den ganze Artikel finden Sie in französischer Sprache hier : http://archives-fr.hypotheses.org/402. Auf der Facebookseite https://www.facebook.com/ArchivumRhenanum können Sie eine Auswahl an Fotos mit französischen Bildunterschriften anschauen.

Zum Herunterladen:

Quelle: http://archives.hypotheses.org/421

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Wo ist der Hevelius-Druck aus dem Besitz von Andreas Marquard?

Dr. Jürgel Hamel aus Berlin mailte mir: als alter Stralsunder hatte ich bereits damals die ganze Geschichte mit Entsetzen verfolgt. Nun muß ich feststellen, daß ich mit einem Verkauf “direkt geschädigt” wurde. Es handelt sich um den Hevelius-Band aus dem Besitz von Andreas Marquard. Ich habe eine kleine Arbeit über Marquard (fast) fertig und kann danach festellen, daß er er in der Tat auch ein kenntnisreicher Astronom und Kalenderautor war. Zudem sind seine astronomischen Beobachtungen in Stralsund dokumentiert – und das sind die frühesten in Stralsund. Leider fällt mit dem Verkauf des Hevelius-Bandes aus seinem Besitz eine wichtige Quelle für mich fort. Da Sie jedoch sicherlich über die besten und sichersten Informationen verfügen, möchte ich bei Ihnen anfragen, ob Ihnen zum Verbleib des Bandes näheres bekannt ist. Hat sich vielleicht der neue Besitzer bei Ihnen gemeldet oder ist er Ihnen bekannt und es wäre möglich, ihn zu kontaktieren?

Den Hevelius-Druck hatte ich in meinem – von der Presse kaum beachteten – Beitrag über die Reiss-Auktionen vom 30. Oktober bis 2. November 2012, bei der besonders wertvolle Stücke aus der Strasunder Gymnasialbibliothek unter den Hammer kamen, erwähnt:

“Nr. 4840 (Einlieferung 177) ging für 20.000 Euro weg. Um welche kulturhistorische Kostbarkeit es sich handelte, zeigt die Beschreibung bei Reiss:

Hevelius, J. Selenographia: sive lunae descriptio. Addita est, lentes expoliendi nova ratio; ut et telescopia diversa construendi, et experiendi modus. Danzig, A. Hünefeld für den Autor, 1647. Fol. (35:24 cm). Mit gest. Titel, gest. Porträt, 111 Kupfern auf 91 Taf. (inkl. 3 gefalt. u. 1 mit bewegl. Scheibe) u. 26 Textkupfern. 13 (statt 14) Bll., 563 S. – Angebunden: Ders. Epistola de motu lunae libratorio, in certas tabulas redacto. – Epistola de utriusq(ue) luminaris defectu anni 1654. 2 Tle. Danzig, A. J. Müller für den Autor, 1654. Mit 2 gest. Titelvign., 7 (1 doppelblattgr.) Kupfertaf. u. 2 (1 blattgr.) Textkupfern. 1 Bl., 48 S.; 1 Bl., S. 49-72, 1 Doppelbl., 4 Bll. – Zwischengebunden: Ders. Dissertatio de nativa saturni facie, eiusq(ue) variis phasibus, certa periodo redeuntibus. Cui addita est, tam eclipseos solaris anni 1656 observatio, quam diametri solis apparentis accurata dimensio. Danzig, S. Reiniger für den Autor, 1656. Mit 1 gest. Titelvign. u. 4 Kupfertaf. 3 Bll., 40 S. Etwas spät. Prgt., Vorderdeckel mit goldgeprägtem umkränztem Monogramm “M(agister) A(ndreas) M(arquard)” darunter “1675″, Rückdeckel mit Monogramm “M. H. / 1701″; Rückdeckel fleckig u. restauriert, Vorsätze erneuert.
(177)

I. VD 17 39:125064G; Dt. Mus., Libri rari 135; Honeyman Coll. 1672; Roller-G. I, 53; Volkoff, Hevelius 1; zu allen Werken: Zinner, Instrumente 381 u. DSB VI, 360 ff. – Erste Ausgabe der für lange Zeit grundlegend gebliebenen Beschreibung des Mondes, die zugleich einen ausführlichen Atlas darstellt. “Eine in siebenjähriger Arbeit gewonnene, bis dahin unerreichte, mit selbstgestochenen Kupfern ausgestattete Beschreibung der Mondoberfläche, der Mondphasen und -libratrionen” (NDB IX, 60). Unter den schönen, akkurat gestochenen Kupfern neben den Mondkarten auch Darstellungen von Fernrohren sowie eines Linsenschleifapparates. Taf. 21 mit der zugehörigen beweglichen Scheibe u. dem Fadenzeiger. – Ohne den Vortitel, Drucktitel mit Bibl.- u. Ausgeschieden-Stempel sowie Bibl.-Sigle.
II. VD 17 12:644420L; Volkoff 4 & 5. – Erste Ausgabe der beiden Schriften, auch separat bzw. mit zwei weiteren Schriften (als “Epistolae IV.”) ausgegeben. “A letter in answer to J. P. Riccioli’s doubts set forth in his ‘Almagestum’ concerning Hevelius’s theory on the libration of the moon as described in the Selenographia… (The second letter) contains observation methods employed and a description of the solar eclipse of August 12 and of the lunar eclipse of August 27, 1654″ (Volkoff). – Tl. 2 mit stärkerem Moderschaden an der unteren Außenecke, Papier dadurch gebräunt u. brüchig.
III. VD 17 39:125093U; Volkoff 6. – Erste Ausgabe. Enthält Hevelius Theorien zu Gestalt des Saturn, den er als Körper mit zwei Henkeln ansah, und zum Durchmesser der Sonne. – Untere Außenecken etwas gebräunt, gegen Ende mit Moderschaden. Ohne das Blatt “Ordo Figurarum”, das fast immer fehlt (vgl. VD 17) u. auch von Zinner nicht genannt wird.
Provenienz: Geschenkexemplar für den Stralsunder Theologen, Mathematiker und Astronom Andreas Marquard, mit dessen eigenhändigen Vermerk “M. Andreas Marquardi Stralsund(ensis) Pomeran(us)/ Ex donatione autoris”. Marquard ist als Autor mehrerer astronomischer Disputationen nachweisbar, die sich mit auch von Hevelius besonders behandelten Themen beschäftigen (“De stellis fixis”, 1659; “De variis lunae phasibus”, 1660; “De diametro solis”, 1662; “De cometarum sede”, 1663). Von 1668 bis 1670 unterrichtete er den Greifswalder Theologen u. Physiker Theodor Pyl in Musik, Mathematik u. Astronomie. Von Marquards Hand stammen auch einige saubere Marginalien u. Anstreichungen in der Selenographia.

Die Zuweisung zur Provenienz erfolgt nicht nur über den Stralsunder inhaltlichen Bezug und die Erwähnung des Ausgeschieden-Stempels. In Biederstedts Beschreibung der Gymnasialbibliothek wird unter den Förderern der Bibliothek “M. Archidiakonus Andreas Marquards (1670 bis 75) Witwe” ausdrücklich erwähnt!”

Zu den Rückkäufen der Stadt Stralsund ist ein Artikel der Ostsee-Zeitung einschlägig:

Inzwischen hat Stralsund über 90 Prozent der Bücher wieder. Die Käufer hätten den Rückerwerb zu dem Preis ermöglicht, den sie bezahlten. „Keiner wollte mehr haben“, lobt Kultursenator Holger Albrecht das Entgegenkommen. „Zurückgewonnen haben wir auch 18 sehr wertvolle Einzelexemplare, mit denen es uns gelingt, die Identität, den Charakter der Bibliothek zu rekonstruieren“, erklärt Kunkel. Dazu gehört „Gographia“ von Ptolemäus aus dem Jahr 1542 mit einem Marktwert von 17 000 Euro, Tendenz steigend. „Das ist schon so, als ob man Feinunzen Gold in der Hand hält.“ Dieses Buch hatte die Unibibliothek Basel ersteigert, ebenso wie den Band „Biblia Graeca“ von Zacharias Orth von 1553. Nicht minder wertvoll ist die „Biblia Tamulica“ aus dem 17. Jahrhundert – einer der ersten Drucke, die in Indien hergestellt wurden. Die Herzog- August-Bibliothek Wolfenbüttel rückte diesen Schatz nun wieder heraus. Ebenso wie die Bayrische Staatsbibliothek dafür sorgte, dass ein ganz besonderes Unikat wieder in die alte Heimat durfte: der so genannte Türkendruck. „Davon gibt es tatsächlich nur dieses eine Exemplar auf der Welt“, betont Kunkel. In dem Sendschreiben von Ferdinand I. an die Fürsten des Sächsischen Kreises aus dem 16. Jahrhundert geht es um die Abhaltung eines Reichstages zur Türkenfrage.

Nur bei einem Werk macht sich Kunkel keine Hoffnung, dass es jemals wieder nach Stralsund gelangt: Die gedruckte Doktorarbeit von Johannes Kepler „Cosmographia“ ging für 44 000 Euro in die USA und wird wohl unwiederbringlich verloren sein.

Die Stadt Stralsund behauptet zwar, dass sie am Rückerwerb der Bände aus dem Stadtarchiv interessiert ist, zugleich verscherbeln Hassold & Co. weiterhin Drucke mit offenkundiger Stralsunder Provenienz. Und nach meiner Schätzung wurden auf den genannten Reiss-Auktionen knapp 190 Bände aus Stralsund versteigert. Davon sind wohl nur die genannten 18 Stücke wieder in Stralsund gelandet. Halten wir also fest: Trotz des medialen Wirbels haben es die Erwerber von 90 % des Reiss-Bestands vorgezogen, ihre Bücher NICHT an Stralsund gegen Kostenersatz zurückzugeben!

Quelle: http://kulturgut.hypotheses.org/253

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Das Nekrolog des Franziskanerklosters St. Anna in Bamberg und andere wappengeschmückte Franziskaner-Nekrologien

Neu im Netz ist die Pergamenthandschrift der Staatsbibliothek Bamberg, Msc. 302 des Historischen Vereins, das um 1490 angelegte Nekrolog des Franziskanerklosters St. Anna in Bamberg. Leider verlinkt die Bibliothek bei Handschriftendigitalisaten nicht auf online vorliegende Beschreibungen in den Metadaten.  Karin Dengler-Schreiber beschrieb die Handschrift 1985 im Katalog der Vereinshandschriften. Sie enthält nach ihren Angaben 200 kolorierte Wappenzeichnungen, ohne dass dies in den Metadaten des Digitalisats vermerkt ist. Dringend wünschenswert wäre es, wenn ergänzend zur Handschrift die leider noch nicht online verfügbare Edition des Nekrologs [...]

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/5168

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Die “heiligen Berge” Chinas (I): Der Kult der “Fünf Berge”

Seit dem Beginn der historischen Zeit kam den Bergen in China wiederholt kultische Bedeutung zu.[1] Nach traditioneller Anschauung garantierten bestimmte Berge – in Analogie zu der vom Herrscher ausgeübten Mittlerfunktion zwischen Himmel und Erde “den festen Bestand des Kosmos”[2]. Diese fünf Berge (wuyue 五嶽) standen für die einzelnen Himmelsrichtungen – der Taishan 泰山 im Osten, der Hengshan 衡山 im Süden, der Huashan 華山 im Westen, der Hengshan 恆山 im Norden und der Songshan 嵩山 in der Mitte.[3] Im 1. Jh. v. Chr. wurde das Opfer an die Fünf Berge in die kultischen Handlungen der Herrscher (“Staatskult”) aufgenommen und auch nach dem Ende der Han-Dynastie (220 n. Chr.) beibehalten. Im 5. Jh. nach Chr. befolgten selbst die nomadischen Eroberer Nordchinas diesen Kult.[4]

Dass dem Taishan dabei besondere Bedeutung zukommt, zeigt nicht der Umstand, dass der französische Sinologe Edouard Chavannes (1865-1918) dem Berg bereits 1910 eine Monographie gewidmet hatte[5], sondern auch der Blick in die den Themen Mythologie und Symbolik gewidmeten Nachschlagewerke. Für die Daoisten ist der Taishan Sitz des Dongyue dadi 東嶽大帝, des Kaisers des östlichen Gipfels. Dieser “ist zugleich Lebensspender und Richter, der die Geburt und den Tod jedes Menschen bestimmt. Für die vergeltende Gerichtigkeit verantwortlich, reguliert er entsprechend dem moralischen Verhalten der Menschen deren Lebensspanne und Wiedergeburt”[6] Wie Eberhard schreibt, fand man früher vor Häusern Sandsteinblöcke mit der Inschrift “Der Taishan wagt zu widerstehen” (Taishan shi gan dang 泰山石敢當) – Ziel und Zweck dieser Inschrift war die Abwehr von Gespenstern und Dämonen.[7]

Die Besteigung des Berges galt seit alters her als probates Mittel, um das Schicksal günstig zu stimmen. Es war jedoch nicht allen beschieden, bis zum Gipfel zu gelangen:

“Aber der Berg rächt sich, wenn ein Unwürdiger es wagt, ihn zu besteigen. Qin Shi Huangdi, der unerbittliche Einiger im 2. Jahrhundert v. Chr., wollte den Berg besteigen, um die Anerkennung des Himmels für seine Herrschaft zu erlangen. Er wurde von einem wütenden Gewitter abgewiesen.”[8]

  1. Zur kulturellen Bedeutung von Bergen in der Geschichte Chinas vgl. u. a. Kap. 1 und 2 bei Thomas H. Hahn: Formalisierter wilder Raum. Chinesische Berge und ihre Beschreibungen (shanzhi 山志). Diss., Heidelberg, 1996. http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:16-opus-72876 . Vgl. ferner Werner Eichhorn: Die Religionen Chinas (Die Religionen der Menschheit 21; ed. Christel Matthias Schröder; Stuttgart: Kohlhammer, 1973) 72-75 („Heilige Berge“) sowie die Karte “Heilige Stätten Chinas” in Metzler Lexikon Religion 1 (1999) 213.
  2. Wolfram Eberhard: Lexikon chinesischer Symbole. Die Bildsprache der Chinesen (München, 5. Aufl., 1996) 35.
  3. Vgl. dazu u.a. Patricia Bjaaland Welch: Chinese Art. A Guide to Motifs and Imagery (Singapore 2008) 240 (“Five Sacred Mountains of Daoism”), UNESCO: “The Four Sacred Mountains as an Extension of Mt. Taishan”. Das Buch von William Edgar Geil: The Sacred 5 of China (Boston/New York 1926), die erste westliche Studie zu allen dieser fünf Berge wurde vor einigen Jahren ins Chinesische übersetzt: Zhongguo wuyue 中國五嶽 (Shandong huabao chubanshe 山東畫報出版社, 2006).
  4. Vgl. dazu Anning Jing: The Water God’s Temple of the Guangsheng Monastery. Cosmic Function of Art, Ritual & Theater (Sinica Leidensia 53; Leiden 2002) 82.
  5. Edouard Chavannes: Le T’ai Chan. Essai de monographie d’un culte chinois (Paris 1910).
  6. Hans Wilhelm Haussig, Egidius Schmalzriedt (Hg.): Wörterbuch der Mythologie. Bd. 6: Götter und Mythen in Ostasien (Stuttgart 1994) 822 (“Taishan”).
  7. Eberhard: Lexikon chinesischer Symbole, 277 (“T’ai-shan”).
  8. Cecilia Lindqvist: Eine Welt aus Zeichen: Die Chinesen und ihre Schrift (München 1990) 56.

Quelle: http://wenhua.hypotheses.org/654

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Soziologischer Monatsrückblick Juli 2013

Im Juli hatten wir die Ehre, den Sozblog der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in der Sommerpause mit einigen Beiträgen zu gestalten. Ebenso wie unser derzeitiger Call4Papers drehten sie sich um das Thema „Krisen und Umbrüche“ und handelten von den verschiedensten Aspekten des … Weiterlesen

Quelle: http://soziologieblog.hypotheses.org/5325

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Auf der Suche nach einem Fürsten. Gedanken zu einem Itinerar Josephs zu Salm-Reifferscheidt-Dyck

“Wo ist Joseph? […] Ah, da ist er ja!”. Fast wie bei einem beliebten Kinderpiel geht es dem an seiner Person Interessierten durch den Kopf, wenn er versucht, die unterschiedlichen Aufenthaltsorte und Reisewege Josephs zu Salm-Reifferscheidt-Dyck auf der historischen Europakarte nachzuverfolgen. Denn dies ist bei einem solch umtriebigen “Wanderer” wie ihm gar nicht so einfach: Dyck und sein Umland; die Reichsstadt Köln, wo Joseph die Schulbank drückte; die alte Kaiser- und Bäderstadt Aachen, Hauptort des Roer-Departements, auch dort besaß er ein prächtiges Haus; Düsseldorf und der rheinische Provinziallandtag; Brüssel, zentrale Station auf seiner “Kavalierstour” und Sitz des Bankiers seines Vertrauens; Wien, wo er studierte; Berlin, Hauptstadt der Hohenzollernmonarchie; das rheinische Alfter mit seinen Mineralquellen als traditioneller Familienenbesitz und Nebenresidenz; Spanien und Südfrankreich, die er bereiste; London, das Mekka der Botaniker; Nizza, wo er seinen Lebensabend verbrachte; und natürlich Paris, immer wieder Paris… .

Reisen machen Leute, Orte prägen Menschen. Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck steht dafür eindrücklichst Pate. Ein (netz-)biographischer Zugriff muss dies freilich berücksichtigen, aber auch in eingängiger Form visualisieren! Deshalb entsteht im Rahmen der Netzbiographie ein Itinerar in Form einer kartenbasierten Mehrebenengraphik. Anhand farbiger Linien und Punkte werden hier die Wege, Lebensorte und -stationen Salm-Dycks überlappend wie überblickend dargestellt. Bei der Beantwortung der obligatorischen Folgefrage nach dem “wann?” helfen Verlinkungen auf die biographische Zeitleiste. So wird der Protagonist auf eine ganz neue, entscheidende Weise sichtbar gemacht – ohne rot-weiß gestreiften Pulli, versteht sich!

Florian Schönfuß

Quelle: http://rhad.hypotheses.org/205

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Ausstellung: CREDO · Christianisierung Europas im Mittelalter

Vom 26. Juli bis 3. November 2013 wird in Paderborn die Ausstellung “CREDO · Christianisierung Europas im Mittelalter” gezeigt:  ”Die Christianisierung wird den Besucherinnen und Besuchern keineswegs als eindimensionaler Vorgang vor Augen geführt, sondern als dynamischer Prozess präsentiert, der sich in den einzelnen Regionen Europas auf ganz unterschiedliche Weise vollzog – begleitet von Erfolgen, aber auch herben Rückschlägen für die Menschen, die den Glauben verbreiteten und empfingen. Der friedlichen Glaubensverbreitung zahlreicher Missionare stehen kriegerische Expansions- und Missionsinitiativen von Herrschern wie Karl dem Großen gegenüber. [...]

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/5147

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