DH-Videoclip Adventskalender – Tür 20

20 Videos rund um das Thema Digital Humanities umfasst die Playlist zum DH-Videoclip Adventskalender schon. Heute kommt ein Trailer zur Informationsveranstaltung “IANUS – Alte Kulturen. Digitale Welten. Digital Humanities.” am 18. Februar 2014 (http://youtu.be/HcsqGNgCtSs) hinzu.

IANUS ist nicht nur eine Figur der römischen Mythologie sondern auch ein gerade im Aufbau befindliches, nationales Forschungsdatenzentrum für die Archäologien und Altertumswissenschaften am Deutschen Archäologischen Institut in Berlin.

Wer nach dem Teaser die vollständigen Vorträge sehen möchte, findet sie über die IANUS-Homepage:  http://www.ianus-fdz.de/projects/veranstaltungen/wiki/IANUS-Informationsveranstaltung

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=4496

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Weihnachten, die Popkultur und der Erste Weltkrieg

Christmas Truce - der Weihnachtsfrieden - ist in die Popkultur schon lange angekommen. Der Film "Merry Christmas" (Trailer) von 2005 machte diese Episode des Ersten Weltkriegs noch einmal einem breiten Publikum bekannt. Der Film beruht auf einer wahren Begebenheit: zu Weihnachten 1914 kam es an einigen Stellen der Westfront zu einer spontanen Waffenruhe. Aber auch über den Film hinaus ist der Weihnachtsfriede als Symbol von Menschlichkeit mitten im Krieg zu einem starken Narrativ geworden. Paul McCartney behandelte ihn in seinem Song "Pipes of Peace" und spielte auch im dazugehörigen Video auf ihn an.  McCartney selbst stellt in dem Musikvideo sowohl einen deutschen als auch einen englischen Soldaten dar, was wohl auch mit der Botschaft verbunden ist, dass auf beiden Seiten Männer kämpften, die sich gar nicht so stark von einander unterschieden. Dies macht auch der Songtext deutlich:

Help them to see (help them to see)
That the people here are like you and me, (you and me)
Let us show them how to play, (how to play)
The pipes of peace (pipes of peace)

Im 1990 von der Band The Farm veröffentlichten Song "All together now" dreht sich ebenfalls alles um den Weihnachtsfrieden. Anstatt eines Reenactments der Szenen wie in McCartneys Video setzt das Video zum Song darauf, dass neben dem Leadsänger auch alte Männer das Lied singen und somit den Anschein von Veteranen des Ersten Weltkriegs erwecken:

Remember boy that your forefathers died
Lost in millions for a country's pride
But they never mention the trenches of Belgium
When they stopped fighting and they were one

A spirit stronger than war was at work that night
December 1914 cold, clear and bright
Countries' borders were right out of sight
When they joined together and decided not to fight

Diese Zeichnung vom Weihnachtsfrieden erschien am 9. Januar 1915 in der Illustrated London News mit der Bildunterschrift: "Saxons and Anglo-Saxons fraternising on the field of battle at the season of peace and goodwill: Officers and men from the German and British trenches meet and greet one another—A German officer photographing a group of foes and friends."  Bild: public domain

Diese Zeichnung vom Weihnachtsfrieden erschien am 9. Januar 1915 in der Illustrated London News mit der Bildunterschrift: "Saxons and Anglo-Saxons fraternising on the field of battle at the season of peace and goodwill: Officers and men from the German and British trenches meet and greet one another—A German officer photographing a group of foes and friends."
Bild: public domain

Auch heute noch ist das Andenken an den Weihnachtsfrieden in der britischen Gedenkkultur stark verankert. Anfang des Jahres 2014 kritisierte der damalige britische Bildungsminister Michael Gove u.a. die Fernsehserie Blackadder dafür, dass sie und andere "left-wing academics" seien, die "all too happy to feed those myths by attacking Britain’s role in the conflict"1 wären. Er spielte damit auf die 4. Staffel von Blackadder an, die unter dem Titel "Blackadder Goes Forth" lief und die in der letzten Folge auf den Weihnachtsfrieden anspielt: Der Protagonist Captain Edmund Blackadder spricht davon an einem der Fußballspiele während des Weihnachtsfriedens teilgenommen und sogar ein Tor geschossen zu haben, das aber als Abseits gewertet worden sei.

Die Fußballspiele werden in der Gedenkkultur ebenfalls immer wieder referenziert. Am vergangenen Mittwoch fand deswegen in Erinnerung an diese im britischen Aldershot ein Fußballspiel zwischen dem British Army Representative Team und einer Auswahl von Bundeswehrsoldaten unter dem Titel 'Game of Truce' statt. Die Briten gewannen 1:0 gegen die deutsche Auswahl. Aber nicht nur im offiziellen Gedenken - das Fußballspiel wurde von der Royal British Legion veranstaltet - spielt der Weihnachtsfriede eine Rolle. Im Gedenkjahr 2014 hat der Erste Weltkrieg in Großbritannien von außen betrachtet eine viel gewichtigere Rolle eingenommen als in Deutschland, wo sich gelegentlich der Verdacht aufdrängt, dass sich die Debatte darüber in erster Linie im Feuilleton abspielt.

In Deutschland würde zumindest keine Supermarktkette darauf kommen, den Ersten Weltkrieg für ihre Weihnachtswerbung zu benutzen wie es die britische Kette Sainsbury's tat und damit eine Debatte darüber auslöste, ob man mit dem Ersten Weltkrieg werben dürfe. In der Weihnachtswerbung sieht man den britischen Soldaten Jim und den deutschen Soldaten Otto während des Weihnachtsfriedens. Es beginnt mit dem Singen von Silent Night bzw. Stille Nacht, worauf schließlich der britische Soldat Jim unbewaffnet ins Niemandsland läuft und der deutsche Soldat Otto dafür sorgt, dass nicht auf ihn geschossen wird. Schließlich trauen sich alle aus den Schützengräben. Deutsche Soldaten rasieren im Niemandsland einigen britischen Soldaten die Bärte und auch ein Fußballspiel findet statt. Nach Beendigung des Friedens sind beide in ihre Stellungen zurückgekehrt, wo der deutsche Soldat Otto in seiner Manteltasche die Weihnachtsschokolade des britischen Soldaten Jim findet. Beendet wird die Werbung mit dem Satz "Christmas is for Sharing". Die Schokolade, die in der Werbung gezeigt wird, verkauft Sainsbury's aktuell auch in seinen Läden. Die Einnahmen aus den Verkäufen kommen der Royal British Legion zu Gute.

Das Video wurde in Großbritannien stark rezipiert und auch kritisiert. Während die einen die Werbung positiv aufnahmen

A great depiction of the Christmas truce in 1914: Sainsbury's OFFICIAL Christmas 2014 Ad http://t.co/jvcLcnYHhs

— Marshall Neufeld (@MarshallNeufeld) November 25, 2014

sahen andere die Werbung mit kritischeren Augen. Ally Fogg, Autor bei The Guardian, fand, die Werbung würde den Ersten Weltkrieg und dessen hohe Opferzahlen schmälern. Und stellte zugleich die Frage:

"Would we welcome an advert next Christmas showing a touching little scene between a Jewish child and a disabled child in Auschwitz, swapping gifts for Christmas and Hanukah on their way to the gas chambers? I would hope not, yet I fail to see any great moral difference."2

Und auch sein Kollege Andrew Critchlow von The Telegraph sieht in der Werbung eine kommerzielle Ausschlachtung des Ersten Weltkriegs:

"True, the company’s latest festive commercial is a beautifully shot piece. It could almost be a Hollywood remake of the classic film “All quiet on the Western Front”, except that the important message of war being the most pointless waste of young life is entirely washed into the background of history by the ad’s real purpose, which is to make Sainsbury’s money."3

Die erste Parodie des Werbespots ist auch bereits online. Das Comedy-Trio "Hot Gulp" machte aus den Soldaten Mitarbeiter von Sainsbury's und dessen Mitbewerber Tesco. Das Fußballspiel findet auf dem Kundenparkplatz mit einem Wirsing als Fußball statt.

Ob es die Fußballspiele während des Weihnachtsfriedens wirklich gegeben hat, ist eine weitere Frage, weil es kaum zeitgenössische Aufzeichnungen über sie gibt und die Erinnerung an sie erst in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts wieder aufkam. Sainsbury's hält auf seiner offiziellen Webseite dagegen:

“We’ve worked closely with the Imperial War Museum archives, with the [Royal British] Legion and with military historian Taff Gillingham throughout. Every aspect of the production, everything from the depth of the trenches to the insignia on the uniforms is historically accurate. Even the hard biscuit we see the British soldier eating was baked to the original recipe."4

Doch es gibt auch andere Kritikpunkte. Dr. Robert Foley, Deputy Dean of Academic Studies (Research) am King's College London, sieht in der Werbung einige Mythen, gleichzeitig bilde sie aber auch ab, dass man 1914 noch nicht davon ausging, dass der Krieg weitere vier Jahre dauern würde:

"While it may not be the most historically accurate account, the advertisement demonstrates that over Christmas 1914, there was still considerable hope amongst the belligerents."5

Die Mythen, die die Werbung transportiert, sind es auch, mit denen sich Emma McFarnon im Onlineauftritt des BBC Magazins History Extra beschäftigt. Die Werbung vermittele den Eindruck, die jungen Soldaten seien in den Krieg gezwungen worden. Sie mache außerdem in keiner Weise deutlich, weshalb der Krieg nach dem kurzen Waffenstillstand über Weihnachten weiterging. Darüber hinaus würde die Stellung des Weihnachtsfriedens überbewertet. Die Forschung sei sich heute einig, dass es nicht an der gesamten Westfront zu solchen Verbrüderungsszenen gekommen sei. Vielmehr seien sie vereinzelt und unabhängig voneinander aufgetreten.

"So the advert is accurate, but for very few soldiers. It is a snapshot presented as a panorama. In reality, the truce can be localised to just one or two battalions."6

Sagt Mark Connelly, Professor für Modern British Military History an der University of Kent in McFarnons Artikel.

Dr. Emma Hanna, Senior Lecturer in History an der University of Greenwich, sieht in einem Gastbeitrag für das Blog der University of Kent in Sainsbury's Werbung eine gute Möglichkeit, um Forschungserkenntnisse einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen:

"This shows that historians shouldn’t be afraid of the sometimes yawning gap between history and myth. Sometimes, bizarrely, the gap isn’t as wide as we might think, and as the Sainsbury’s advert is just short of 14 million views since it was launched 3 weeks ago, we as historians should engage with the conversation about what the history and memory of the truce means to us in the history of 1914-1918."7

Aber auch in Deutschland wird in diesem Jahr an den Weihnachtsfrieden erinnert. Während die großen Supermarktketten ihn in ihrer Werbung aussparen, hat er seinen Platz in Deutschland in den Medien und bietet damit zum Abschied vom Gedenkjahr 2014 ein versöhnliches Narrativ.

  1. http://www.telegraph.co.uk/news/10548303/Michael-Gove-criticises-Blackadder-myths-about-First-World-War.html
  2. http://www.theguardian.com/commentisfree/2014/nov/13/sainsburys-christmas-ad-first-world-war
  3. http://www.telegraph.co.uk/comment/personal-view/11228839/Has-Sainsburys-1914-Christmas-truce-ad-exploited-memory-of-war.html
  4. http://inspiration.sainsburys-live-well-for-less.co.uk/about-our-christmas-tv-ad/
  5. http://defenceindepth.co/2014/12/17/the-significance-of-the-sainsburys-christmas-truce-advertisement/
  6. http://www.historyextra.com/news/first-world-war/sainsbury%E2%80%99s-christmas-truce-advert-%E2%80%98confuses-understanding%E2%80%99-first-world-war
  7. http://blogs.kent.ac.uk/gateways/tag/sainsburys-christmas-advert-2014/

Quelle: http://grandeguerre.hypotheses.org/1866

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Weihnachten, die Popkultur und der Erste Weltkrieg

Christmas Truce - der Weihnachtsfrieden - ist in die Popkultur schon lange angekommen. Der Film "Merry Christmas" (Trailer) von 2005 machte diese Episode des Ersten Weltkriegs noch einmal einem breiten Publikum bekannt. Der Film beruht auf einer wahren Begebenheit: zu Weihnachten 1914 kam es an einigen Stellen der Westfront zu einer spontanen Waffenruhe. Aber auch über den Film hinaus ist der Weihnachtsfriede als Symbol von Menschlichkeit mitten im Krieg zu einem starken Narrativ geworden. Paul McCartney behandelte ihn in seinem Song "Pipes of Peace" und spielte auch im dazugehörigen Video auf ihn an.  McCartney selbst stellt in dem Musikvideo sowohl einen deutschen als auch einen englischen Soldaten dar, was wohl auch mit der Botschaft verbunden ist, dass auf beiden Seiten Männer kämpften, die sich gar nicht so stark von einander unterschieden. Dies macht auch der Songtext deutlich:

Help them to see (help them to see)
That the people here are like you and me, (you and me)
Let us show them how to play, (how to play)
The pipes of peace (pipes of peace)

Im 1990 von der Band The Farm veröffentlichten Song "All together now" dreht sich ebenfalls alles um den Weihnachtsfrieden. Anstatt eines Reenactments der Szenen wie in McCartneys Video setzt das Video zum Song darauf, dass neben dem Leadsänger auch alte Männer das Lied singen und somit den Anschein von Veteranen des Ersten Weltkriegs erwecken:

Remember boy that your forefathers died
Lost in millions for a country's pride
But they never mention the trenches of Belgium
When they stopped fighting and they were one

A spirit stronger than war was at work that night
December 1914 cold, clear and bright
Countries' borders were right out of sight
When they joined together and decided not to fight

Diese Zeichnung vom Weihnachtsfrieden erschien am 9. Januar 1915 in der Illustrated London News mit der Bildunterschrift: "Saxons and Anglo-Saxons fraternising on the field of battle at the season of peace and goodwill: Officers and men from the German and British trenches meet and greet one another—A German officer photographing a group of foes and friends."  Bild: public domain

Diese Zeichnung vom Weihnachtsfrieden erschien am 9. Januar 1915 in der Illustrated London News mit der Bildunterschrift: "Saxons and Anglo-Saxons fraternising on the field of battle at the season of peace and goodwill: Officers and men from the German and British trenches meet and greet one another—A German officer photographing a group of foes and friends."
Bild: public domain

Auch heute noch ist das Andenken an den Weihnachtsfrieden in der britischen Gedenkkultur stark verankert. Anfang des Jahres 2014 kritisierte der damalige britische Bildungsminister Michael Gove u.a. die Fernsehserie Blackadder dafür, dass sie und andere "left-wing academics" seien, die "all too happy to feed those myths by attacking Britain’s role in the conflict"1 wären. Er spielte damit auf die 4. Staffel von Blackadder an, die unter dem Titel "Blackadder Goes Forth" lief und die in der letzten Folge auf den Weihnachtsfrieden anspielt: Der Protagonist Captain Edmund Blackadder spricht davon an einem der Fußballspiele während des Weihnachtsfriedens teilgenommen und sogar ein Tor geschossen zu haben, das aber als Abseits gewertet worden sei.

Die Fußballspiele werden in der Gedenkkultur ebenfalls immer wieder referenziert. Am vergangenen Mittwoch fand deswegen in Erinnerung an diese im britischen Aldershot ein Fußballspiel zwischen dem British Army Representative Team und einer Auswahl von Bundeswehrsoldaten unter dem Titel 'Game of Truce' statt. Die Briten gewannen 1:0 gegen die deutsche Auswahl. Aber nicht nur im offiziellen Gedenken - das Fußballspiel wurde von der Royal British Legion veranstaltet - spielt der Weihnachtsfriede eine Rolle. Im Gedenkjahr 2014 hat der Erste Weltkrieg in Großbritannien von außen betrachtet eine viel gewichtigere Rolle eingenommen als in Deutschland, wo sich gelegentlich der Verdacht aufdrängt, dass sich die Debatte darüber in erster Linie im Feuilleton abspielt.

In Deutschland würde zumindest keine Supermarktkette darauf kommen, den Ersten Weltkrieg für ihre Weihnachtswerbung zu benutzen wie es die britische Kette Sainsbury's tat und damit eine Debatte darüber auslöste, ob man mit dem Ersten Weltkrieg werben dürfe. In der Weihnachtswerbung sieht man den britischen Soldaten Jim und den deutschen Soldaten Otto während des Weihnachtsfriedens. Es beginnt mit dem Singen von Silent Night bzw. Stille Nacht, worauf schließlich der britische Soldat Jim unbewaffnet ins Niemandsland läuft und der deutsche Soldat Otto dafür sorgt, dass nicht auf ihn geschossen wird. Schließlich trauen sich alle aus den Schützengräben. Deutsche Soldaten rasieren im Niemandsland einigen britischen Soldaten die Bärte und auch ein Fußballspiel findet statt. Nach Beendigung des Friedens sind beide in ihre Stellungen zurückgekehrt, wo der deutsche Soldat Otto in seiner Manteltasche die Weihnachtsschokolade des britischen Soldaten Jim findet. Beendet wird die Werbung mit dem Satz "Christmas is for Sharing". Die Schokolade, die in der Werbung gezeigt wird, verkauft Sainsbury's aktuell auch in seinen Läden. Die Einnahmen aus den Verkäufen kommen der Royal British Legion zu Gute.

Das Video wurde in Großbritannien stark rezipiert und auch kritisiert. Während die einen die Werbung positiv aufnahmen

A great depiction of the Christmas truce in 1914: Sainsbury's OFFICIAL Christmas 2014 Ad http://t.co/jvcLcnYHhs

— Marshall Neufeld (@MarshallNeufeld) November 25, 2014

sahen andere die Werbung mit kritischeren Augen. Ally Fogg, Autor bei The Guardian, fand, die Werbung würde den Ersten Weltkrieg und dessen hohe Opferzahlen schmälern. Und stellte zugleich die Frage:

"Would we welcome an advert next Christmas showing a touching little scene between a Jewish child and a disabled child in Auschwitz, swapping gifts for Christmas and Hanukah on their way to the gas chambers? I would hope not, yet I fail to see any great moral difference."2

Und auch sein Kollege Andrew Critchlow von The Telegraph sieht in der Werbung eine kommerzielle Ausschlachtung des Ersten Weltkriegs:

"True, the company’s latest festive commercial is a beautifully shot piece. It could almost be a Hollywood remake of the classic film “All quiet on the Western Front”, except that the important message of war being the most pointless waste of young life is entirely washed into the background of history by the ad’s real purpose, which is to make Sainsbury’s money."3

Die erste Parodie des Werbespots ist auch bereits online. Das Comedy-Trio "Hot Gulp" machte aus den Soldaten Mitarbeiter von Sainsbury's und dessen Mitbewerber Tesco. Das Fußballspiel findet auf dem Kundenparkplatz mit einem Wirsing als Fußball statt.

Ob es die Fußballspiele während des Weihnachtsfriedens wirklich gegeben hat, ist eine weitere Frage, weil es kaum zeitgenössische Aufzeichnungen über sie gibt und die Erinnerung an sie erst in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts wieder aufkam. Sainsbury's hält auf seiner offiziellen Webseite dagegen:

“We’ve worked closely with the Imperial War Museum archives, with the [Royal British] Legion and with military historian Taff Gillingham throughout. Every aspect of the production, everything from the depth of the trenches to the insignia on the uniforms is historically accurate. Even the hard biscuit we see the British soldier eating was baked to the original recipe."4

Doch es gibt auch andere Kritikpunkte. Dr. Robert Foley, Deputy Dean of Academic Studies (Research) am King's College London, sieht in der Werbung einige Mythen, gleichzeitig bilde sie aber auch ab, dass man 1914 noch nicht davon ausging, dass der Krieg weitere vier Jahre dauern würde:

"While it may not be the most historically accurate account, the advertisement demonstrates that over Christmas 1914, there was still considerable hope amongst the belligerents."5

Die Mythen, die die Werbung transportiert, sind es auch, mit denen sich Emma McFarnon im Onlineauftritt des BBC Magazins History Extra beschäftigt. Die Werbung vermittele den Eindruck, die jungen Soldaten seien in den Krieg gezwungen worden. Sie mache außerdem in keiner Weise deutlich, weshalb der Krieg nach dem kurzen Waffenstillstand über Weihnachten weiterging. Darüber hinaus würde die Stellung des Weihnachtsfriedens überbewertet. Die Forschung sei sich heute einig, dass es nicht an der gesamten Westfront zu solchen Verbrüderungsszenen gekommen sei. Vielmehr seien sie vereinzelt und unabhängig voneinander aufgetreten.

"So the advert is accurate, but for very few soldiers. It is a snapshot presented as a panorama. In reality, the truce can be localised to just one or two battalions."6

Sagt Mark Connelly, Professor für Modern British Military History an der University of Kent in McFarnons Artikel.

Dr. Emma Hanna, Senior Lecturer in History an der University of Greenwich, sieht in einem Gastbeitrag für das Blog der University of Kent in Sainsbury's Werbung eine gute Möglichkeit, um Forschungserkenntnisse einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen:

"This shows that historians shouldn’t be afraid of the sometimes yawning gap between history and myth. Sometimes, bizarrely, the gap isn’t as wide as we might think, and as the Sainsbury’s advert is just short of 14 million views since it was launched 3 weeks ago, we as historians should engage with the conversation about what the history and memory of the truce means to us in the history of 1914-1918."7

Aber auch in Deutschland wird in diesem Jahr an den Weihnachtsfrieden erinnert. Während die großen Supermarktketten ihn in ihrer Werbung aussparen, hat er seinen Platz in Deutschland in den Medien und bietet damit zum Abschied vom Gedenkjahr 2014 ein versöhnliches Narrativ.

  1. http://www.telegraph.co.uk/news/10548303/Michael-Gove-criticises-Blackadder-myths-about-First-World-War.html
  2. http://www.theguardian.com/commentisfree/2014/nov/13/sainsburys-christmas-ad-first-world-war
  3. http://www.telegraph.co.uk/comment/personal-view/11228839/Has-Sainsburys-1914-Christmas-truce-ad-exploited-memory-of-war.html
  4. http://inspiration.sainsburys-live-well-for-less.co.uk/about-our-christmas-tv-ad/
  5. http://defenceindepth.co/2014/12/17/the-significance-of-the-sainsburys-christmas-truce-advertisement/
  6. http://www.historyextra.com/news/first-world-war/sainsbury%E2%80%99s-christmas-truce-advert-%E2%80%98confuses-understanding%E2%80%99-first-world-war
  7. http://blogs.kent.ac.uk/gateways/tag/sainsburys-christmas-advert-2014/

Quelle: http://grandeguerre.hypotheses.org/1866

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Programm zur DHd-Tagung 2015 veröffentlicht

Das Programm zur DHd-Tagung 2015 ist nun öffentlich zugänglich. Die Übersicht finden Sie unter https://www.conftool.pro/dhd2015/sessions.php.

Bitte beachten Sie, dass der Early-Bird-Anmeldetarif am 10.1.2015 ausläuft!

Wir freuen uns darauf, Sie bei einer interessanten Konferenz begrüßen zu können und wünschen frohe Feiertage und einen guten Rutsch ins Jahr 2015!

Das DHd-Organisationsteam Graz

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=4527

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DH-Videoclip Adventskalender – Tür 19

Anlässlich der Open Access Week 2012 wurde dieser gleichsam informative wir unterhaltsame Clip, gezeichnet von Jorge Cham, produziert. Darin erklären Nick Shockey, Programmdirektor bei SPARC (Scholarly Publishing and Academic Resources Coalition) und Jonathan Eisen, Chefredakteur bei PLoS Biology was es mit Open Access auf sich hat. Sie tun dies zwar hauptsächlich aus der Sicht der Naturwissenschaften, doch wird klar, warum dieses Thema auch für die Digital Humanities von größter Bedeutung ist.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=4398

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Neue Perspektiven einer Kulturgeschichte der Heraldik: Der Blog Heraldica Nova erweitert sein Angebot

Die Jesus Christus zugeschriebenen Wappen in der Hyghalmen Wappenrolle aus dem 15. Jahrhundert. Quelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Jesus_Coat_of_Arms_1.jpg

Die Jesus Christus zugeschriebenen Wappen in der Hyghalmen Wappenrolle, heute im College of Arms, aus dem 15. Jahrhundert. Quelle: Wikimedia Commons 

Von der Geschichtswissenschaft ist die Heraldik lange kaum beachtet worden. Zu sehr, so empfanden Historikerinnen und Historiker, beschränkte sich die Disziplin auf das Systematisieren und Kategorisieren der Quellen, zu wenig bediente die klassische Heraldik die neuen, kulturwissenschaftlichen Interessen der historischen Forschung an den Interpretationen und Konstruktionen vormoderner Gesellschaften. Dabei waren heraldische Zeichen in der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Gesellschaft allgegenwärtig und können deshalb gerade dort vollkommen neue Perspektiven eröffnen, wo die Geschichtswissenschaft historische Diskurse, symbolische und visuelle Kommunikation und Repräsentation zum Ansatz hat und Themen wie Identität und Mentalität, Verwandt- und Gefolgschaft, das Imaginäre oder Gender in den Mittelpunkt stellt.[1]

Chancen und Potenziale einer neuen Heraldik

Die Potenziale heraldischer Quellen für die kulturwissenschaftliche Forschung sind Kern des von der VolkswagenStiftung geförderten Projektes “Die Performanz der Wappen” an der Universität Münster. Dort werden in einem interdisziplinären Vorgehen historische, kunsthistorische und philologische Ansätze zusammengeführt,  um der Transmedialität heraldischer Zeichen gerecht zu werden. Physische Abbildungen, Artefakte und Architektur werden dabei ebenso zur Quelle wie die schriftliche Überlieferung zu Wappen. Zum einen soll erforscht werden, wie und inwiefern heraldische Zeichen ein solch omnipräsentes und potentes Mittel visueller Kommunikation der vormodernen Gesellschaft werden konnten. Zum anderen soll herausgestellt werden, wie dieses Kommunikationsmedium im gesellschaftlichen Alltag funktionierte und wie es von den Zeitgenossen – quer durch alle Schichten – verstanden und genutzt wurde. Eine transmediale und interdisziplinäre neue Heraldik soll damit ein omnipräsentes Phänomen mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Kultur und Mentalität erschließen und einen geschichtswissenschaftlichen Beitrag zum fächerübergreifenden Forschungsdiskurs zur visuellen Kultur leisten.

Aktuelle Forschung im Netz

Der Blog Heraldica Nova wurde im Jahr 2013 von Torsten Hiltmann als Präsentations- und Kommunikationsplattform dieser “neuen Heraldik” gegründet. Im Mittelpunkt stand seitdem vor allem der Auf- und Ausbau des Blogs zu einem internationalen Online-Netzwerk für Forscherinnen und Forscher, die sich mit Geschichte und Heraldik befassen und auf dem Blog ihre Forschungsideen und -ergebnisse in eigenen Posts zur Diskussion stellen. Indem aktuelle Arbeiten und laufende Projekte an einem zentralen Ort im Internet zusammengeführt werden, sollen die einzelnen Forschungsvorhaben sichtbar gemacht und miteinander in Kontakt gebracht werden, die sich allmählich zu einer neuen Forschungsrichtung formieren. Mit kompakten und exemplarischen Einzelbeiträgen möchte der Blog dabei zugleich auch mit der breiteren, außeruniversitären Öffentlichkeit über diese neuen Perspektiven auf heraldische Quellen in Dialog treten und Einblick in aktuelle Tendenzen der akademischen Forschung geben.

Seit der Veröffentlichung im vergangenen Jahr blickt der Blog bereits auf eine erfolgreiche Entwicklung zurück: Mehr als 100 Beiträgen gewähren Einsicht in die laufende kulturwissenschaftlich-heraldische Forschung, die von rund 3.000 Besuchern pro Monat gelesen und kommentiert werden. Diese erfolgreiche Entwicklung hat jetzt man zum Anlass genommen, Heraldica Nova weiterzuentwickeln.

Stand anfangs noch die mittelalterliche Heraldik allein im Mittelpunkt, so hat sich gezeigt, dass das Phänomen  der Wappen in seiner gesamtgesellschaftlichen Bedeutung keineswegs auf das Mittelalter beschränkt ist.[2] Künstliche Epochengrenzen verstellen den Blick dafür, dass sich die  mittelalterliche Heraldik bis weit in das 16. und 17. Jahrhundert kontinuierlich weiterentwickelt hat. Aus diesem Grund lädt der Blog nun auch explizit Forscherinnen und Forscher zur Veröffentlichung ein, die sich mit Heraldik in der Frühen Neuzeit beschäftigen. Auch epochenübergreifende Fragestellungen und Diskussionen sollen so angestoßen werden.

Wegweiser: Forschung, Diskurse, Hilfsmittel

Gerade der Einstieg in die Heraldik – wie der Umgang mit den Hilfswissenschaften überhaupt – hält oft erhebliche Hürden für Interessierte bereit. Hier will der Blog durch Materialien und Ressourcen helfen, die bei den ersten Schritten und grundlegenden Fragestellungen der Heraldik begleiten und in die Erforschung heraldischer Zeichen einführen sollen. So gibt es nun erste Übersichten zu den wichtigsten Zeitschriften und Bibliografien sowie Datenbanken und Werkzeugen, die bei der hilfswissenschaftlichen Bestimmung von Wappen und dem Umgang mit heraldischen Begrifflichkeiten helfen können. Eine stetig wachsende Sammlung digitalisierter Wappenbücher bietet einen direkten Einstieg in eine wichtige Quellengattung der heraldischen Forschung. Den Fortgeschrittenen dienen Überblicke und Rezensionen als Wegweiser im laufenden Forschungsdiskurs.

Vernetzung als Forschungs- und Öffentlichkeitsarbeit

Der Blog Heraldica Nova versteht sich als Plattform, die sowohl Forscherinnen und Forschern als auch Interessierten außerhalb der Wissenschaft einen zentralen Informations- und Kommunikationsort zur heraldisch interessierten Kulturgeschichte bietet. Wer seine eigene Forschung auf dem Blog veröffentlichen und zur Diskussion stellen möchte, dem steht eine redaktionelle Betreuung im Rahmen des Trägerprojektes "Die Performanz der Wappen" an der Universität Münster zur Verfügung. Schließlich sind Leserinnen und Leser ausdrücklich dazu eingeladen, die Beiträge zu kommentieren und zu diskutieren. Im freien Austausch der Leserinnen und Leser mit den Verfasserinnen und Verfassern entwickeln sich so oft fruchtbare Gespräche und wertvolle Impulse für die eigene Forschung, besonders dann, wenn die mitlesende Expertencommunity unmittelbar angesprochen wird und mittels der Kommentarfunktion sofort antworten kann.[3]

Das Medium des Blogs bietet auf diese Weise nicht nur die Möglichkeit zur Vernetzung innerhalb der Fachwelt, er bietet auch die Möglichkeit, die eigene Forschung in der breiteren Öffentlichkeit sichtbar zu machen. Hierfür ist der Blog nahtlos mit anderen Online-Medien vernetzt. Über RSS-Feed und Newsletter können Interessierte ebenso “am Ball bleiben” wie  über Twitter, Facebook und Google+.

Adresse des Heraldica Nova-Blogs: http://heraldica.hypotheses.org/

[1] Für eine Einschätzung der bestehenden Historiografie sowie den Potenzialen heraldischer Zeichen für die Forschung, vgl. Torsten Hiltmann, “Heraldry and History – why is there so much and at the same time so little heraldry in historical research?”, in: Heraldica Nova (blog on hypotheses.org), 23. Juli 2013, URL: http://heraldica.hypotheses.org/364 (abgerufen am 19.11.2014).

[2] Vgl. Torsten Hiltmann, Legends in doubt – the end of medieval heraldry in the 17th century: On the continuity of medieval imaginary in early modern thought, Vortrag gehalten im Rahmen der Konferenz "Kontinuitäten | Umbrüche | Zäsuren: Die Konstruktion von Epochen in Mittelalter und früher Neuzeit in interdisziplinärer Sichtung", Krems an der Donau, 14.- 17. Mai 2014.

[3] Vgl. die vielfältigen Reaktionen von Heraldikern und Historikern zu Jörg Schlarb, “Wer kennt mittelalterliche Wappensagen?”, in: Heraldica Nova (blog on hypotheses.org), 11. September  2014, URL: http://heraldica.hypotheses.org/1436 (abgerufen am 19.11.2014).

Quelle: http://mittelalter.hypotheses.org/4930

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Meetup: Podcasting Hands-On #3

Mittlerweile hat es bereits drei Meetup-Treffen der Podcaster Selbsthilfegruppe in der c-base gegeben und da wir das Gefühl haben, dass sich das Format bewährt, starte ich an der Stelle mal mit der Dokumentation. Wer sich jetzt fragt: “Moment mal! Es gibt doch schon eine Podcasting-Meetup-Gruppe in Berlin. Braucht es da wirklich noch ein Treffen?” Ja! Denn denn die Selbsthilfegruppe soll ein Hands-On-Treffen sein, bei dem eine (kleinere) Gruppe von Interessierten an ihren Podcasts bastelt, sich gegenseitig Hilfestellung leistet, Tipps und Tricks austauscht und neuen/zukünftigen PodcasterInnen den Einstieg erleichtert. Es gibt deshalb für die Treffen kein Programm und keine Vorträge.

Die Meetups starten mit einer Vorstellungsrunde, bei der alle erzählen, was sie für Skills einbringen können und woran sie gerne schrauben oder diskutieren würden – und dann setzen wir uns kleinen Gruppen zusammen. Beim 3.

[...]

Quelle: https://codinghistory.com/meetup-podcasting-hands-on3/

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Meetup: Podcasting Hands-On #3

Mittlerweile hat es bereits drei Meetup-Treffen der Podcaster Selbsthilfegruppe in der c-base gegeben und da wir das Gefühl haben, dass sich das Format bewährt, starte ich an der Stelle mal mit der Dokumentation. Wer sich jetzt fragt: “Moment mal! Es gibt doch schon eine Podcasting-Meetup-Gruppe in Berlin. Braucht es da wirklich noch ein Treffen?” Ja! Denn denn die Selbsthilfegruppe soll ein Hands-On-Treffen sein, bei dem eine (kleinere) Gruppe von Interessierten an ihren Podcasts bastelt, sich gegenseitig Hilfestellung leistet, Tipps und Tricks austauscht und neuen/zukünftigen PodcasterInnen den Einstieg erleichtert. Es gibt deshalb für die Treffen kein Programm und keine Vorträge.

Die Meetups starten mit einer Vorstellungsrunde, bei der alle erzählen, was sie für Skills einbringen können und woran sie gerne schrauben oder diskutieren würden – und dann setzen wir uns kleinen Gruppen zusammen. Beim 3.

[...]

Quelle: http://codinghistory.com/meetup-podcasting-hands-on3/

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Alltagslebenstauglichkeit von Philosophen (2/2)

Ja, Sie lachen! Aber das sollten Sie gerade nicht! Sie sind ja sicher ebenfalls davon betroffen. Als Sozialwissenschaftler oder (besonders) als Historiker sind Sie nämlich ebenso untauglich für ein gutes Alltagsleben wie wir Philosophen! Als Geisteswissenschaftler allgemein sind Sie nämlich verkopft und haben den Sinn für die Lebenswirklichkeit verloren. Ja! Ihre Vorbilder sind entweder in Löcher gefallen, als sie in den Himmel starrten (Thales, ca. 580 v. Chr.), sprangen in einen Vulkan (Empedokles, 435 v. Chr.) oder wurden nach einem kurzen Auftritt vor dem Gericht zum Tode verurteilt (Sokrates, 399 v. Chr.). Alles Hinweise also darauf, dass Sie kein Händchen für die Lebenswirklichkeit haben. Genau, und deshalb ziehen Sie sich meist in Unis zurück und runzeln so häufig es geht die Stirn. Mit voller oder leerer Kaffekanne, aber ohne Ahnung von dem, was in der Wirklichkeit abgeht.

Und woran liegt das? Liegt es vielleicht daran, dass Ihnen der Sinn für das Praktische fehlt? Sind Sie vielleicht faul? Möchten Sie sich vielleicht die Hände nicht dreckig machen? Versuchen Sie, die Welt zu zwingen, sich nach Ihren Theorien zu verhalten, ohne Erfolg dabei zu haben?

So einfach ist das nicht. Nein, nein. Denn erstens gehörte Thales als erster Philosoph oder Vorsokratiker einer Strömung an, die Prinzipien des Seins und kosmologische Erkenntnisse suchten (die Geschichte mit den Ölpressen mag erfunden sein). Ebenso verhielt es sich bei Empedokles. Sokrates hingegen war dem nach zu urteilen, was Platon schreibt, ein sozial äußerst kompetenter Mensch. Er verkehrte ungezwungen in höchsten Kreisen, trug zwar keine Schuhe (obwohl sein bester Freund Schuhmacher war) und wusste nicht, wie der Prozess der Abstimmung im Rat funktionierte, aber er verstand es mithilfe seiner Seelenkenntnis, seine Gesprächspartner zu locken, zu ärgern, aufzuregen, und am wichtigsten: den Weg zur Erkenntnis zu bereiten. Die Dialoge zeigen unglaubliche Menschenkenntnis, Feingefühl und taktische Klugheit im Gespräch. Er verwendete sein Geschick nicht für den eigenen Vorteil, sondern für den der anderen, wendete sie um und zeigt Ihnen das Wahre und das Gute. Welche bessere Handlung gibt es als diese?

„Ja, aber die wichtigen Dinge, die die Welt am Laufen halten, konnte er nicht und wollte sie nicht können!“

Stimmt nicht: Die Dialoge haben sich nicht selbst geschrieben, die Schärfung der Theorien nicht selbst geschärft, die allen Menschen zugänglichen Forschungsergebnisse nicht selbst ergeben. Und wer mehrere Bücher konzipieren, schreiben, redigieren und veröffentlichen kann, hätte sicher auch reich und berühmt werden können, wenn er oder wenn sie diesen Weg eingeschlagen hätten. Dagegen haben Sie sich dazu entschieden, die Welt zu entdecken, ohne an einen weiteren persönlichen Nutzen zu denken als an diesen selbst.

Mehr Selbstvertrauen also bitte.

Genau. Danke.

Quelle: http://philophiso.hypotheses.org/410

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Siegelbefestigung: Vom Verschlussmittel zur angehängten Präsentation

Siegel dienten in Ihrem Ursprung dem Verschluss von Briefen, Fässern, Truhen und sollten deren Unversehrtheit bekräftigen. 1

Bereits hier war der Aspekt der Rechtsverbindlichkeit wichtig. Das mit dem Siegel verschlossende Material wurde auf diese Weise als authentisch und inhaltlich unversehrt gekennzeichnet.

Wie so ein Verschluss ausgesehen hat, bzw. ausgesehen haben könnte, zeigt ein sogenanntes Briefsigné aus dem frühen 19. Jahrhundert, was auch dazu diente, den im gefalteten Umschlag befindlichen Brief unter Verschluss zu halten:

LWL-Archivamt

Abb. 1: Siegel als Verschlussmittel (Nordkirchen, NME, Nr. 61)

Abb. 2, Foto: A. Diener

Abb. 2

Ansonsten werden Wachssiegel seit der Karolingerzeit unter die geschriebne Urkunde gesetzt und das ist meist wörtlich zu nehmen: Im Text als Beglaubigungsmittel angekündigt, werden sie in einer Vertiefung im Papier mit einer Verstärkung angebracht. Es wurde ein kreuzförmiger Schnitt im Beschreibstoff angebracht, die Schnittstellen wurden umgebogen und durch das so entstehende Loch die Siegelmasse ( meist Wachs)  von beiden Seiten der Urkunde durchgedrückt. Der Stempel oder Petschaft wurde mit dem Siegelbild dann auf die Vorderseite gedrückt. Deswegen spricht man auch von einem aufgedrückten oder durchgedrückten Siegel. (Vgl. Abb. 3). Der Platz ( meist unten rechts) auf dem ein Siegel angebracht wurde, wird locus sigili oder Siegelstelle genannt.(( Vgl. Kümper, Materialwissenschaft Mediävistik, S. 123.))

 

Aufgedrücktes Siegelhinten, Foto: A. Diener

Abb. 3

Das aufgedrückte Siegel war nicht so robust wie als Beglaubigungsmittel gefordert, deswegen setzte sich zum Ende des 12. Jahrhunderts immer mehr das anhängende Siegel oder Hängesiegel durch.2

Das anhängnde Siegel wurde mit einer Siegelschnur oder einer "Pressel", d.h. mit einem Pergamentstreifen am unteren Rand der Urkunde befestigt, indem man die Schnur etc. durch einen Einschnitt im Beschreibstoff zog. Dazu musste der untere Rand der Urkunde umgebogen werden, um die Anhängung zu verstärken. Diese Umbiegung wird Plica genannt.3

Bei unserem Beispiel, das auch das Headerbild unseres Blogs bildet können wir diesen Wechsel vom aufgedrückten zum angehängtem Siegel live miterleben. Bischof Herrman siegelt noch in den 1170er Jahren mit aufgedrücktem Siegel4.

Foto: A.Diener

Abb. 4

Bei seinen Urkunden aus den 1190er Jahren sind dann die Siegel mit leicht verändertem Bild angehängt. (Vgl. Abb. 5). So ist an diesem anschaulichen Beispiel der Siegel Bischof Herrmans von Münster aus dem 12. Jahrhundert gut der Wechsel vom aufgedrückten Siegel zum angehängten Siegel zu beobachten.

SiegelHerrmann1188, Foto A. Diener

Abb. 5

 

Literatur:

  • Toni Diederich: Siegelkunde: Beiträge zu ihrer Vertiefung und Weiterführung. Köln 2012.
  • Wilhelm Ewald: Siegelkunde (= Handbuch der mittelalterlichen und neueren Geschichte. 4). München-Berlin 1914 (Nachdruck München 1978).
  • Herman Maué, Siegel zum Verschließen von Briefen, in. Signori (Hrsg.), Das Siegek, S. 181-188.
  • Hiram Kümper, Materialwissenschaft Mediävistik, Paderborn 2014
  1. Vgl. Maué, Siegel zum Verschließen, S. 181.
  2. Kümper spricht bereits von der Mitte des 12. Jahrhundert. Allerdings belegt das folgende Beispiel, dass dies kein allgemeingültiiges Faktum ist., vgl. Kümper, Materialwissenschaft Mediävistik, S. 124.
  3. Vgl. Kümper, Materialwissenschaft Mediävistik, S. 124.
  4. Vgl. Abb. 4

Quelle: http://siegelblog.hypotheses.org/45

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