Am 18. August 1632 fiel die sächsische Stadt Zwickau in kaiserliche Hände. Wenn eine Stadt für eine Armee ihre Tore öffnen mußte, war dies immer ein banger Moment. Für Zwickau sollte es nicht so schlimm kommen, denn die Stadt wurde nicht im Sturm genommen, sondern ergab sich nach kurzer Belagerung den Kaiserlichen. Damit alles in geordneten Bahnen verlief, wurde am Tag zuvor (also am 17. August) eine sog. Kapitulation aufgesetzt, die das Miteinander von besiegter Stadt und siegreichem Militär regeln sollte. Es handelte sich also um einen Vertrag, der das Ergebnis eines Verhandlungsprozesses war. Sicher war das Militär in einer stärkeren Position, doch eine Stadt, die anbot, ihre Tore gutwillig zu öffnen, ersparte den Angreifern beträchtlichen Aufwand und nicht zuletzt auch einen deutlich höheren Blutzoll. Der „Zwickauische Accord“ ließ genau erkennen, an welchen Punkten die Stadt ihre eigenen Interessen verteidigt hatte.
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Selbstversuch: Wenn zwei Historiker ein Spiel machen…
„Einer der letzten Päpste […] hat kraft seiner Herrschaft über die Welt diese Inseln und dieses ozeanische Festland besagtem König und besagter Königin und ihren Nachfolgern in diesen Königreichen, unseren Herren, mit allem, was darin ist, zum Geschenk gegeben […]. Nachdem nun Ihre Hoheiten dank dieser Schenkung Könige und Herrn dieser Inseln und Festlandsgebiete sind, und da einige Inseln mehr, ja fast alle, diesen solchermaßen installierten Königen und Herrn Gehorsam geleistet haben und ihnen nun dienen, wie es Untertanen obliegt, mit gutem Willen, ohne Widerstand und das geringste Zögern, da sie ferner, instruiert durch alles vorher Gesagte, die zu ihrer Missionierung zu unserem heiligen Glauben gesandten Ordensbrüder aufnahmen und ihnen gehorchten, und das alles dankbar und aus freiem Willen, und sich ohne Belohnung oder sonstige Bedingungen zu Christen bekehrten und es noch sind und Ihre Hoheiten […] sie dementsprechend wie die anderen Untertanen und Vasallen behandeln ließen, so seid ihr zu dem gleichen gehalten und verpflichtet.“ Aus dem Requirimiento[1]
Enthusiastische Dilettanten
Treffen sich zwei Historiker. Sagt der eine zum anderen, Sag‘ mal, wollen wir nicht zusammen ein Spiel basteln? Was so anfängt, ist entweder ein skurriler Witz oder aber der Beginn eines Experiments. Was kommt dabei heraus, wenn besagte Historiker nicht nur über digitale Spiele mit historischem Hintergrund schreiben, sondern sich auch in die Pflicht nehmen, selbst eins zu entwickeln? Wenn man die Mittel hat und den Aufwand nicht scheut, vielleicht etwas wie Valiant Hearts.
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Lassen sich Zusammenhänge zwischen der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung eines Landes und einer populistischen Regierung feststellen? | Blogreihe Populismus #8
− Nachdenken über Italien unter Silvio Berlusconi − von Ralf Hocke Wie können wir wirtschaftliche und soziale Auswirkungen populistischen Regierungshandelns feststellen? Anhand welcher Indikatoren können wir Veränderungen erfassen? Wie denken wir darüber nach? Um diesen Fragen nachzugehen, muss zunächst eine Definition von Populismus gefunden werden, die einen…
Ich geh‘ im Fasching als Vegetarianer
… dachten sich manche Wiener/innen im 19. bzw. Anfang des 20. Jahrhunderts: So trat 1881 beim Narrenabend des Männergesangvereins in den Sofiensälen eine Gruppe auf, die sich „mit allerlei Gräsern umhangenem Gewande“ und einem Banner mit „vegetabilischen Emblemen“ als Vegetarier verkleidet hatte[1].
Fasching in Wien
Das Gschnas des Männergesangvereins war eine der beliebtesten Faschingsveranstaltungen in Wien in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und wurde mit großem Aufwand inszeniert[2]: Bereits die Ankunft der in Gruppen organisierten Verkleideten wurde auf der Straße von Neugierigen bestaunt. Den Auftakt zum Narrenabend machte der feierliche Einzug der Kostümierten in den Saal, darauf folgten humoristische Gesangseinlagen und eigens komponierte Musikstücke. Beim Auftritt der Vegetarier 1881 erklang der „Narrenwalzer“ von Eduard Kremser (Musik) und Joseph Weyl (Text). Joseph Weyl war auch der Autor des Textes des Donauwalzers (Musik: Johann Strauss / Sohn), der 1867 ebenfalls bei einer Faschingsliedtafel des Männergesangvereins uraufgeführt wurde. Das wohl berühmteste Musikstück Österreichs feiert damit heuer seinen 150.
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Papst Innocenz VI. und das Reich 1361
Nicht alle Papstregister liegen dort, wo man sie erwarten würde, nämlich im Vatikanischen Archiv. Einen Band mit Briefen Innocenz’ VI. aus dem neunten Pontifikatsjahr (Beginn 1360 Dezember 18 nach der Wahl, Dezember 23 nach der Krönung) besitzt heute das Staatsarchiv in Rom. Die Bestellsignatur lautet „Collezione acquisiti e doni b. 23, n. 4“. Die Handschrift wird freilich nicht am systematischen Ort verwahrt, sondern unter den Zimelien des Hauses, nei preziosi. Die Briefe in der einschlägigen Registerserie waren „littere secrete et patentes quam clause, que cameram transierunt“. Für die ersten acht Pontifikatsjahre findet man diese Bände im Vatikanischen Archiv, Registra Vaticana 235-241. Der Band für das zehnte Pontifikatsjahr fehlt.
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Promotion plus: Zeitmanagement für nebenberuflich Promovierende
Eigentlich ist es schon eine merkwürdige Vorstellung, Zeit zu „managen“ Ist sie doch mehr etwas subjektiv Wahrgenommenes, eine reine Anschauungsform. Trotzdem waren erstaunlich viele „nebenberuflich Promovierende“ bei der Veranstaltung des Bonner Graduiertenzentrums (BGZ) der Universität Bonn im Rahmen des Weiterbildungsprogramms „Promotion plus“.
Vor dem Seminar – Mein bisheriges System
Neben der Promotion bin ich im NS-Dokumentationszentrum (NS-Dok) Köln 10 Stunden in der Woche am Projekt „Opposition und Widerstand“ beteiligt und für ein bis zwei Stunden in der Museumspädagogik. Seit dem 01.02. arbeite ich außerdem noch zwanzig Stunden pro Woche für ein Stuttgarter Unternehmen. Diese Tätigkeiten kann ich meist sehr gut miteinander Verknüpfen, so liegen beispielsweise im Landesarchiv in Duisburg nicht nur Akten, die ich für die Dissertation brauche, sondern auch die für das Projekt des NS-Dok Köln.
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Javelwasser und die poetische Funktion der Sprache
In den letzten Monaten, die ich in Paris verbrachte, war es dann schließlich so weit: Der Kloreiniger, den ich bis dahin resourcenschonend verwendet hatte, und den ich noch von der Vormieterin geerbt hatte, war endgültig zu neige gegangen. Ich machte mich daher, sobald ich Zeit hatte, auf den Weg zum nächsten Carrefour bei mir um die Ecke, um für Ersatz zu sorgen. Einkäufe von Alltagsgegenständen, insbesondere von Dingen, die man normalerweise komplett ignoriert, waren immer schon ein Horror für mich, wenn ich im Ausland war. Alle Routinen, die man sich über die Jahre angewöhnt hat, werden auf einmal über den Haufen geworfen, und man muss sich nicht nur mit den Standards einer fremden Kultur in einem Bereich auseinandersetzen, der gewöhnlich sehr fern von Unescos Kulturwelterbeliste angesiedelt wird, sondern man wird auch schnell an seine eigene Borniertheit und Abhängigkeit von Alltäglichkeiten erinnert, denen man normalerweise ja kaum Beachtung schenkt.
Als ich vor dem Regal mit WC-Reinigern im Carrefour stand, gingen mir genau diese, und viele andere Gedanken durch den Kopf. Ich dachte an die Seife aus Marseille mit ihren diversen Varianten, viele davon mit Gerüchen von Pflanzen, die ich gar nicht kenne. Lavendel gefällt mir immer am besten, aber vielleicht auch nur, weil ich ihn kenne. Ich dachte auch an eine Studie, die ich gelesen hatte, in der stand, dass wir kulturell geprägt unterschiedliche Gerüche mit Sauberkeit und Hygiene verbinden: In Deutschland denkt man bei Sauberkeit und Keimfreiheit wohl am ehesten an Zitrone, und je weiter man in den Süden geht, desto eher strahlt Chlorgeruch Sicherheit aus, der mich selbst immer eher an Schwimmbäder erinnert, die ich selten mit Sauberkeit verbinde. Ich fragte mich, ob Paris jetzt eigentlich schon südlich genug sei, oder ob sich die Studie dann doch eher auf Spanien und Italien bezogen hätte.
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Quelle: https://wub.hypotheses.org/47
Die Soziale Frage in den Künsten: Heinrich Heine und der Weberaufstand von 1844
Der folgende Text befasst sich mit der zeitgenössischen künstlerischen Reflektion von Ursachen und Folgen der Industrialisierung und den dadurch ausgelösten sozialen Verwerfungen im 19. Jahrhundert.
Der Begriff der Industrialisierung bezeichnet zunächst eine grundlegende volkswirtschaftliche Veränderung, die zahlreiche europäische Staaten seit ungefähr der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert durchlaufen haben. Der vermehrte Einsatz von Maschinen steigerte die gewerbliche Produktion der vorhandenen Betriebe und neuen Fabriken signifikant. Durch die entstehende Massenproduktion verloren die Agrarwirtschaft und das Manufakturwesen an relativer wirtschaftlicher Bedeutung. Diese Entwicklung hatte relevante Folgen auf die Gesellschaft.
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Die Bundessozialhilfe von 1962 bis 1989 – Ermöglichung eines würdevollen Lebens?
Auf den ersten Blick scheint das Bundessozialhilfegesetz (BSHG) von 1962 eine neue Ära der Fürsorge eingeläutet zu haben, stellte es doch vor allem die Prämisse auf, SozialhilfeempfängerInnen gemäß Artikel 1 des Grundgesetzes ein menschenwürdiges Leben ermöglichen zu wollen. Doch bewirkten das BSHG und seine Novellierungen in den Folgejahren tatsächlich eine Abkehr von der bis dato stärker vorherrschenden Disziplinierung oder gar Diskriminierung und im Umkehrschluss eine Hinwendung zu mehr Dienstleistung?
Nach der Verabschiedung der Rentenreform von 1957 widmete sich der Deutsche Bundestag einer in Fachkreisen längst als überfällig betrachteten Reform des Fürsorgebereichs. Dessen Regelungen, die noch auf die (mehrfach novellierte) Reichsfürsorgepflichtverordnung von 1924 zurückgingen, sollten modernisiert und mit dem Grundgesetz in Einklang gebracht werden. Die Leistungen schienen in Zeiten wirtschaftlichen Wohlstands anpassungswürdig. Außerdem befürworteten mehrere Gerichte schon seit längerer Zeit eine umfassende Reform zur Vereinfachung des Rechtsbereichs. Politische Brisanz und Öffentlichkeitswirksamkeit entwickelten die Reform und auch ihre ersten Novellen bis Mitte der 1970er Jahre allerdings nicht. In den Jahren des Wirtschaftswunders schien für viele Akteure Armut als strukturelles, große Teile der Bevölkerung betreffendes Problem überwunden zu sein. Die Arbeitslosigkeit in der BRD verschwand zeitweise nahezu (zwischen 1950 und 1970 lag die durchschnittliche Anzahl von Arbeitslosen bei 150 000).
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Gerichte sollten sich aus dem wissenschaftlichen Rezensionswesen raushalten!
Mir liegt die in HSOZKULT zurückgezogene Rezension (siehe hier) vor (sie ist übrigens auch in den USA online). Nichts steht meines Erachtens darin, wogegen sich ein Gericht begründeterweise wenden könnte. Ein hysterisch überzogene Auslegung des Persönlichkeitsrechts verkürzt die Wissenschaftsfreiheit, die gerade im Rezensionswesen einen von Einschüchterung freien Diskurs braucht. Rezensenten müssen einen sehr weiten Beurteilungsspielraum haben, wobei Tatsachen (dürfen nicht unwahr sein) und Meinungten (sind grundrechtlich geschützt, sofern nicht Schmähkritik) sich so durchdringen, dass es am sinnvollsten ist, allenfalls für gröbste Entstellungen den Rechtsweg vorzusehen. Wieso dürfen Schul- und Hochschullehrer sich im Prüfungsrecht auf einen gerichtlich nicht überprüfbaren Beurteilungsspielraum berufen, wenn ein solcher im Wissenschaftsrecht Rezensenten verwehrt wird?
Das Landgericht Hamburg wird seinem besonders miesen Ruf wieder einmal gerecht, wie sich aus der Darstellung bei HSOZKULT ergibt:
Vor dem Landgericht Hamburg erwirkten [Julien] Reitzensteins Anwälte am 27. Juli 2016 im Eilverfahren ohne mündliche Verhandlung einen Unterlassungsbeschluss. Ein Rechtsvertreter von Flachowsky war am Verfahren nicht beteiligt.
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