Der Hype um das Internet, die digitale Welt und der ganze Rest #rkb13

Die Titelgrafik der RKB-Tagung basiert auf einem Design von Moma Propaganda, São Paolo. www.momapropaganda.com.br

 

Die RKB-Tagung in München ist gerade vorüber. Wer nicht dabei sein konnte, hatte via Twitter und über hypotheses.org die Möglichkeit “live” dabei zu sein und auf dem neuesten Stand zu bleiben. Nun freut es umso mehr, dass sich die Süddeutsche Zeitung ausgiebig mit dem Thema der Wissenschaftskommunikation befasst (Ausgabe 29 vom 4.2.2013, S. 9).

Exempli gratia ist der Publikationsprozess, samt vorgelagerter Erarbeitung von Informationen, wobei die Reduktion auf den Begriff “filtern” eher zu pauschalisierend ist, bis zur Thesenentwicklung und anschließendem Schreibprozess. Schlagwörter wie “Open Access” dürfen in diesem Zusammenhang nicht fehlen. Der Rückgriff auf die Infrastrukturen als Allheilsbringer der Geisteswissenschaften geht dann doch etwas weit. Hier werden wissensgenerierende Methoden zu stark mit dem Output der Wissenschaften verknüpft, mit dem Paper, mit dem Buch, mit der Online-Publikation. Denn auf einen solchen Output hinzuarbeiten, dürfte keinem Infrastrukturprojekt als Ziel dienen. Wenn dies so wäre, dann würden Infrastrukturen zu stark an einzelne Projekte und Forschungsvorhaben gebunden sein. Das dem nicht so ist, sollte klar werden, schaut man auf die heterogene Nutzerlandschaft, die gesamten Geisteswissenschaften.

Aber allein durch die Nutzung digitaler Tools wie Mendeley, Geobrowsern oder Visualisierungsumgebungen wie Gephi beginnt keine neue Epoche. Die Fragestellungen sind – ja, sie dürfen es auch explizit sein – die gleichen wie zuvor. Denn das bestätigen oder verwerfen alter Thesen ist ein guter Anfang um schließlich neue Fragestellungen zu entwickeln und diese auch an einer großen Masse an Daten überprüfen zu können. Erst an dieser Stelle kommt die Infrastruktur ins Spiel, deren Rolle zwar zentral ist, die aber den nach wie vor analogen Vorgang der Hypothesenbildung wenn überhaupt nur ein wenig unterstützen kann. Das bedeutet, dass das überaus kreative Vorgehen und Arbeiten in der Wissenschaft nach wie vor nicht von Maschinen ersetzt werden kann.

Der Spiegel schrieb im April 1957 im Zusammenhang mit Roberto Busas Corpus Thomisticus von “Text-Analyse durch Elektronen-Gehirne” (S. 62) und die innerkirchliche Diskussion – zu den vom Teufel persönlich entsandten Maschinen – blieb nicht aus. Vielleicht ist die aktuelle Diskussion davon nicht so weit weg. So klingt es zumindest etwas esoterisch, wenn vom “magischen [...] Vorsprung” durch Technik geschrieben wird; im SZ-Artikel und auch in den Tweets.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=1248

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#HistMonast oder: Über das Verschlagworten von Tweets

Für immer mehr Wissenschaftler ist das Twittern bereits Teil ihres Alltags geworden – ein Teil ihrer Kommunikation mit  Kollegen und/oder einer breiteren Öffentlichkeit. Zunehmend beteiligen sich auch Historiker und Kunsthistoriker daran; Mareike König hat dazu im letzten Jahr einen sehr lesenswerten Leitfaden für Historiker/innen verfasst. Auch zur Geschichte von Klöstern und Orden wird bereits von einigen Wissenschaftlern getwittert – und es werden immer mehr; darunter sind auch einige Autoren unseres Blogs. Einige haben sich nun neu angemeldet, einige hatten bereits einen Account und nutzen Twitter [...]

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/1336

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Ö1 zu Pataphysik

Mittwoch, 6.2.2013, 21:00-22:00 im Salzburger Nachtstudio auf Ö1:

"An der Grenze des Lachbaren - Pataphysik und andere fröhliche Wissenschaften"
Gestaltung: Michael Reitz

"Pataphysik" geht zurück auf den französischen Schriftsteller Alfred Jarry, der ihn Anfang des 20. Jahrhunderts einführte. Er meint die Parodierung wissenschaftlicher Theoriebildungen. In bester pataphysischer Gesellschaft befinden sich heute eine Reihe von Forschungsprojekten, die sich selber nicht so ernst nehmen - aber trotzdem betrieben werden. Dabei ist die Grenze zwischen strenger Wissenschaftlichkeit und gewolltem Jux manchmal nicht so genau auszumachen. Fällt der Toast tatsächlich meistens mit der gebutterten Seite nach unten? Warum stehen wir im Stau immer in der falschen Schlange? Wie viel Benzin wird in Entenhausen verbraucht? Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass Silvio Berlusconi der Antichrist ist?
Die Rückverzauberung der Welt, Kampf gegen die Lustfeindlichkeit der Wissenschaften - Ziele, die die fröhlichen Wissenschafter interessieren. Wichtig ist die dabei: es handelt sich nicht um Scharlatane, sondern in der Regel um Akademiker, die sich über sich und ihre Disziplinen lustig machen - und dabei streng wissenschaftlich argumentieren.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/235549932/

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Li Hongzhang in New York: Meeting the “The Yellow Kid” (1896)

Li Hongzhang 李鴻章  (1823-1901), einer der bedeutensten Staatsmänner der späten Qing-Zeit, nahm 1896 an der Krönung von Zar Nikolaus II. teil und reiste dann durch mehrere europäische Staaten – unter anderem besuchte er Bismarck in Friedrichsruh – und in die USA. Alle Phasen dieser Reise wurde von den Medien genauestens beobachtet, jeder Schritt des Gastes aus China wurde ausführlich beschrieben, manche sonderbar wirkenden Elemente dem Publikum erläutert. Die Zeitungen waren voll mit Berichten und Analysen; und auch in satirischen Blättern und Comic Strips taucht der Besuch aus China immer wieder auf. Auf 井底之蛙 erinnert Alan Baumler in dem Beitrag Yellow Kid an einen Comic von Richard F. Outcault (1863-1928) aus dem Jahr 1896.

Li Hung-Chang Visits Hogan's Alley

Li Hung Chang Visits Hogan’s Alley (6.9.1896)  [Quelle: SFCGA - San Francisco Academy of Comic Art Collection, The Ohio State University Billy Ireland Cartoon Library & Museum]

Der one-pager “Li Hung Chang Visits Hogan’s Alley” (6.9.1896 | → full size/zoomable image) gehört zu den bekanntesten Yellow-Kid-Seiten [1] und taucht in den unterschiedlichsten Kontexten auf. In Darstellungen zur Comic-Geschichte im Zusammenhang mit Copyright-Fragen. Baumler findet die Qualität der Schrifzeichen beachtenswert. Wolfgang Höhne [2] sieht das Bild als Beispiel für “die Welt vor 1945″ und sieht “eines der vielen ärmlichen Einwandererviertel mit seinen viergeschossigen Backsteinbauten und den offenbar schon damals obligatirischen [sic!] Feuerleitern.” [3]Dabei unterbleibt eine Auseinandersetzung mit dem Entstehungskontext und die sich daraus ergebende Deutung – der Witz geht damit verloren …

Li Hongzhang kam Ende August nach New York, er reiste nach Philadelphia und Washington und traf mit dem US-Präsidenten Stephen Grover Cleveland (1837-1908, Präsident 1885-1889 und 1893-1897). Die New York Times berichtete im August 1896 ausführlich über die Vorbereitungen und dann Ende August und Anfang September ausführlich über den Verlauf des Besuchs. Am 28. August 1896 wurde ausführlich über die Vorbereitungen für den Empfang und das Programm des Besuchs in New York berichtet: “Awaiting the Viceroy [...] ‘Chinatown’ to Celebrate with Fireworks. [4] Genauso ausführlich wurde über Lis Besuch am Grab von Gen. Grant (31.8.1896) [5] und Lis andere Aktivitäten berichtet. Der Besuch wurde in mehreren Filmen dokumentiert. [6]

Richard Felton Outcault (1863-1928) gilt mit Hogan’s Alley als ‘Erfinder’ des modernen Comic Strips. Seine Arbeiten erschienen in den Sonntagsbeilagen großer Tageszeitungen The Yellow Kid ist eine Schlüsselfigur in Hogan’s Alley, einer Seire, die zwischen 1895 und 1898 (zunächst in der New York World, später im New York Journal) erschien. Die one-pager greifen in der Regel aktuelle Themen der vergangenen Woche auf und bewegen sich an der Grenze zwischen Comic und Karikatur – so auch “Li Hung Chang Visits Hogan’s Alley” (New York World, 6. September 1896):

Das Bild zeigt die typische Straßen-Szene der Hogan’s Alley, die – dem Anlass entsprechend – mit zahlreichen chinesischen Lampions geschmückt ist. Die explodierende Feuerwerkskörper erleuchten die Szenerie. Im Zentrum des Bildes sitzt eine männliche, als Chinese markierte Gestalt auf einem etwas merkwürdigen Karren, der von einem Ziegenbock gezogen wird. Der Bock wird vom Yellow Kid am Bart geführt. Wie in jedem Yellow Kid-Comic erzählt der (wie üblich mit zahlreichen orthographischen Fehlern behaftete) Text auf dem gelben Kleid die Geschichte: “Me & LI has made a big hit with each oter. Say! He tinks I’m a Chinaman – don’t say a woid. I’m goin ter give a yellow tea fer him – I know my Q.”
Rechts spielen “The Hogan’s Alley Guards” für den Gast, links und im Hintergrund sieht man zahlreiches Publikum – mit Lampions an Stangen, Klapp- und Faltfächern, mit Stars & Stripes und einer “chinesischen” Fahne
[7]- eine eigentlich recht idyllische Szene …

Liest man die Texte auf Plakaten, Fächern, Wimpeln, Transparenten etc., ergibt sich ein ganz anderes Bild.

  • Einer der Sänger, die vor der Kapelle marschieren singt nach anderen Noten
  • An dem Bretterzaun hängt ein Plakat “The new song / Did you  ever get the money that you loaned? / Or / Where are all your Friends? – A Park Row Ballad.”
  • Das Mädchen vorne links trägt einen Blattfächer mit der Aufschrift: “HURRAH! FER LIE-HANG-CHUNK.
  • Darüber sieht man ein großes Plakat “Quiet Corner Club Picnic fer Li-Hung-Chang in Ryan’s Vacant Lot next Thursday – Gents 50 cents, Ladies 25 [cents], real Ladies free”, in der Ecke das Schriftzeichen 李 [Li].
  • Der Hund im Vordergrund rechts balanciert auf seinem Schwanz, am Halsband ein Etikett “I am leading an upright life. We are all at our best Today”
  • Links vorne steht ein “gepinseltes” Banner: “Bee Gee!” Nothing so much fun as lots of noise”
  • Rechts vorne: “Quit yer kiiddiin.”

Die dargestellte Szene mit all ihren Widersprüchlichkeiten lässt sich durch die Sprechblase bei der kleinen Ziege am Dach des Hauses deuten: “They are giving him some genuine Chinese music.”

In die Neugierde, mit der man dem seltenen Gast begegnete, mischen sich gängige Klischees und Vorurteile und Anspielungen auf die aktuelle politische Lage – u.a. die schwierige finanzielle Lage Chinas, der Umgang mit chinesischen MigrantInnen in den USA (der Chinese Exclusion Act von 1882, der 1892 erneuert worden war, beschränkte deren Einwanderung) massiv. Lampions, Feuerwerke und (dissonante) Musik evozieren das Leben in den Chinatowns – obwohl auf dem Bild außer Li niemand als Chinese oder Chinesin markiert ist.

Li Hongzhang (der durch die Überschrift und den Text auf dem gelben Kleid zusätzlich identifiziert wird) selbst ist eine Mischung aus Fakt und Phantasie, aber durchaus erkennbar, wie ein Vergleich mit einer Photographie aus dem Jahr 1896 zeigt. Zwei Elemente erscheinen merkwürdig: die gelbe Kleidung – die im Qing-zeitlichen China den Angehörigen des Kaiserhauses vorbehalten war – und die Pfauenfedern, die an Lis Hut steil hochstehen. Diese Pfauenfedern sind ein Element, das in Karikaturen mit China-Bezug häufig auftaucht, aber nur selten so, wie sie tatsächlich getragen wurden: Die Federn – Auszeichnungen, die Beamten für ihre Verdienste verliehen werden konnten (lingzhi 翎枝) – wurden tatsächlich mit einer Öse am Rangsknopf befestigt und hingen nach unten. [8]

Yellow Kid gilt zwar als Urform des modernen Comic Stips, steht aber in Form und Inhalt an William Hogarths Beer Street and Gin Lane (1751) [9], wo sich hinter einer vordergründig heiteren Szene beißende Ironie und Satire verbergen, die dem oberflächlichen Betrachter verborgen bleiben …

[1] Zu “The Yellow Kid” vgl. Mary Wood: The Yellow Kid on the Paper Stage.

[2] So u.a. bei Wolfgang Höhne: Technikdarstellung im Comic. Der Comic als Spiegel technischer Wünsche und Utopien der modernen Industriegesellschaft [online] (Diss, Univ. Karlsruhe 2003).

[3] Wolfgang Höhne: Technikdarstellungen im Comic (2003) – Bildteil online: http://www.ubka.uni-karlsruhe.de/volltexte/2003/geist-soz/1/html-1/3-welt/fr-w-02.html.

[4] U.a.:  The Arrival of Li Huang Chang (imdb), Li Hung Chang Driving Through 4th St. and Broadway(imdb), und Li Hung Chang at Grants Tomb (imdb).

[5] New York Times, 28. Augst 1896.

[6] New York Times, 31. August 1896.

[7] Die “chinesische” Fahne ist hier dreieckig mit gezacktem/geflammtem Rand. Sie zeigt eine art von Drachen oder Fabelwesen und erinnert an die dreieckige Variante der “Gelbe-Drachen-Flagge” [huanglongqi 黃龍旗], die zwischen 1862 und 1889 von der Marine und von “offiziellen” Schiffen verwendet worden war, bevor die viereckige Form in Gebrauch kam.

[8] Zu den Abstufungen: Present day political organization of China. By H.S. Brunnert and V.V. Hagelstrom; rev. by N. Th. Kolessoff ; tr. from the Russian by A. Beltchenko and E.E. Moran (New York : Paragon [s. d., Foreword dated Foochow, 1911] Nr. 950 (p. 498).

[9] William Hogarth, Beer Street and Gin Lane (1751) – Kurzbeschreibung und kurze Erläuterung → The British Museum.

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/270

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Stimmen der Kulturwissenschaften: Interview mit Nacim Ghanbari

Daniel Meßner hat für die Stimmen der Kulturwissenschaften die Germanistin und Kulturwissenschafterin Nacim Ghanbari interviewt. Es geht um (soziale) Netzwerke und Patronage.

Der Begriff des sozialen Netzwerks taucht lange vor Facebook in soziologischen Studien der 1950er Jahre auf. Es war der Versuch, soziale Beziehungen jenseits von Klassen- oder Gruppendynamiken zu beschreiben. Die Kulturwissenschaftlerin Nacim Ghanbari untersucht Netzwerktheorien und wendet sie an für die Zeit der Aufklärung. In dieser Episode spricht sie über die Anwendung von Netzwerktheorien in den Kulturwissenschaften, über Patronage als (soziales) Netzwerk im 18. Jahrhundert und über den fast vergessenen Sebaldus Nothankar.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/235548488/

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Wirtschaftspolitik im Dritten Reich, Teil 1

Von Stefan Sasse

Arbeitslosenzahlem von 1933 bis 1939
Die Wirtschaftspolitik des Nationalsozialismus ist von Mythen umrankt. Das ist verständlich, denn die NSDAP kam im Umfeld der größten Wirtschaftskrise mehrerer Generationen an die Macht und stabilisierte ihre Herrschaft auch durch scheinbare wirtschaftliche Erfolge, der größte davon eine nominelle Vollbeschäftigung. Und zum Ende waren nicht nur die Alliierten verwundert, wie das zusammengebombte Dritte Reich es schaffte, immer noch eine Rüstunsmaschinerie am Laufen zu halten. Im Folgenden soll deswegen der Wirtschaftspolitik des Dritten Reichs auf den Grund gegangen werden - sowohl im Frieden als auch, später, im Krieg.

Zu Beginn stehen die Konzepte. Die wichtigste Idee der Nationalsozialisten war die Autarkie. Sie verstanden darunter die Fähigkeit Deutschlands, völlig ohne Importe auszukommen und einen in sich geschlossenen Wirtschaftskreislauf zu schaffen. Diese Idee fußte auf zwei gleichermaßen fixen Ideen. Die erste war das grundsätzliche Misstrauen gegenüber marktwirtschaftlichen Strukturen, besonders im Handel mit anderen Nationen (eine Haltung, mit der die Nazis in den Protektionismus-geplagten 1920er und 1930er Jahren allerdings nicht alleine standen), die zweite das Bewusstsein, dass man es auf einen Krieg anlegte und in einem solchen eine Abhängigkeit vom potenziell feindlichen Ausland verheerend sein würde. Der Autarkismus sah die Schaffung eines eigenständigen Wirtschaftsblocks vor, der nicht nur aus Deutschland bestand, aber klar von Deutschland dominiert wurde. Die NS-Planer dachten an eine Art Kolonialreich, modelliert an einem völlig idealisierten Bild des britischen Weltreichs. Deutschland würde Rohstoffe aus nachgeordneten Staaten besziehen - vor allem in Osteuropa und auf dem Balkan - und diese für seine eigene Wirtschaft nutzen. So wäre es komplett unabhängig vom Welthandel.

5 Reichsmark, 1942
Das Konzept diente natürlich nicht der bestmöglichen Versorgung der Bevölkerung und ihrem Wohlergehen, sondern war den Interessen der so genannten Wehrwirtschaft untergeordnet - die Autarkie war lediglich ein wenn auch entscheidender Wegstein zur Vorbereitung eines Krieges. Sie musste instande sein, genügend Ressourcen für den militärischen und die Aufrechterhaltung eines rudimentären zivilen Sektors zu beschaffen (hierzu später mehr), den Treibstoff für die Fahrzeuge bereitszustellen, eine Infrastruktur aufzubauen, die schnelle Truppenverlegungen ermöglichte und all das auch finanzieren.

Den Nationalsozialisten war klar, dass die Errichtung dieser Wehrwirtschaft klar zulasten einer zivilen Wirtschaft, besonders der Konsumgüterindustrie, gehen musste. Stets das Schreckbild des Zusammenbruchs 1918 vor Augen definierten sie die zuverlässige Versorgung der Bevölkerung mit den Gütern des täglichen Bedarfs als höchste Priorität, die auch in der Tat wesentlich zum langen Durchhalten Nazi-Deutschlands beitrug. Die Versorgung mit Lebensmitteln musste gesichert werden, ebenso mit den Gütern, die zur Aufrechterhaltung des Propagandapperats notwendig waren - Zeitungen, Radios, Kinoeintritt u.ä. Des Weiteren wurden einige propagandistische Programme wie der Volkswagen initiiert, mit denen das Volk gegenüber dem Regime positiv gestimmt werden sollte. Vordringlichstes Ziel musste daher die Beendigung des Brüning'schen Austeritätsprogramms und die Herstellung von Vollbeschäftigung sein. Die Verbreitung bestimmter wirtschaftlicher Güter, vor allem Autos, sollte propgandistisch die Leistungsfähigkeit des Regimes herausstreichen. 

Saalebrücke bei Hirschberg - Man achte auf den regen Verkehr.
Mit diesen Zielsetzungen ging das Regime an die Planung seiner Wirtschaft. Aufbauend auf den Weimarer Programmen zum Infrastrukturausbau trieben die Nationalsozialisten den Ausbau der Autobahnen voran. Um möglichst schnell die Arbeitslosigkeit abbauen zu können, nutzten sie eine künstliche Manualisierung der Arbeit: mit primitiven Werkzeugen wie Hacken und Schaufeln, ohne großartigen Maschineneinsatz, wurde der Arbeitskräftebedarf künstlich vervielfacht. Tausende von schlecht ausgebildeten Arbeitslosen konnten hier zum Einsatz kommen. Da die Arbeit hart, schlecht bezahlt und von widrigen Umständen begleitet war - die Arbeiter mussten ihre schäbigen Unterkünfte selbst bauen - gab es kaum Freiwillige, weswegen das Regime die Arbeitslosen einfach zum Einsatz zwang. Die Maßnahme war vor allem propagandistisch erfolgreich und brachte eine sechsstellige Zahl Arbeitsloser in Arbeit; die Autobahnen selbst waren wegen der geringen Motorisierung unbedeutend; Truppenverlegungen geschahen ohnehin per Eisenbahn.

Die Nationalsozialisten gingen außerdem zügig daran, eine Kernforderung der Unternehmer zu erfüllen - die ihnen natürlich auch gelegen kam - und zerschlugen noch im Mai 1933 die Gewerkschaften vollständig. An ihre Stelle trat die DAF, die "Deutsche Arbeitsfront", die aber kein effektives Verhandlunsorgan war.  Als Ausgleich wurde die KdF, die "Kraft durch Freude", aufgebaut, eine Organisation, die Urlaubsreisen für Arbeitnehmer organisierte. Den größten Effekt auf die Arbeitslosigkeit aber hatten zwei Maßnahmen, beide 1935: die Einführung des "Reichsarbeitdiensts", in den Männer bis zum Alter von 24 eingezogen wurden und der effektiv unbezahlte, körperliche Arbeit darstellte, und die Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht, die die Zahl der Soldaten von 100.000 auf eine Million steigerte - und die Arbeitslosigkeit unter jungen Männern praktisch vollständig beseitigte. Ein effektiver Preisstop fror dazu die Löhne und Preise etwa auf dem Niveau von 1933 ein - der Lebensstandard im Reich lag damit unter dem von 1928, aber natürlich deutlich über dem der Jahre 1930-1932, die für die meisten Menschen den einzig gültigen Vergleichssmaßstab darstellten. 

Speisung im Obdachlosenasyl 1932
Es ist wichtig an dieser Stelle den Unterschied zwischen relativem und absolutem Wohlstand zu verstehen. Den Menschen ging es zu Beginn der nationalsozialistischen Diktatur im allgemeinen besser als während der Wirtschaftskrise, aber schlechter als in der Weimarer Republik. Nur war dieser feine Unterschied natürlich rein akademisch - wer drei Jahre lang in grausamen wirtschaftlichen Umständen gelebt hat erinnert sich nicht mehr realistisch an das, was vorher war (besonders wenn dieses Vorher ohnehin beständig denunziert wird). Bewusst war vor allem eines: die Massenarbeitslosigkeit war vorüber, und praktisch niemand mehr musste Angst davor haben, kein Brot auf den Tisch zu bekommen. Angst betraf einige andere Gruppen, vor allem ehemalige aktive Demokraten, Kommunisten und Juden. Diese Gruppen verloren enorm an wirtschaftlicher Sicherheit, allen voran die Juden.

Neben den propagandistischen Maßnahmen - vor allem der in Szene gesetzte Autobahnbau und die Einführung des Reichsarbeitsdiensts - fanden im Hintergrund umfrangreiche Richtungswechsel in der Wirtschaftspolitik statt. Diese Richtungswechsel wurden mit großem Aufwand vor der Öffentlichkeit innerhalb wie außerhalb Deutschlands verborgen, denn sie waren alles andere als hasenrein. Letztlich ging es Hitler darum, dass die Wirtschaft möglichst schnell einen akzeptablen Lebensstandard bereitstellte und andererseits in der Lage war, die geplante Aufrüstung zu schultern. Dies konnte nur mit einer expansiven Wirtschaftspolitik erreicht werden, doch diese würde unweigerlich destabilisierend wirken. Eine trabende Inflation aber konnte man sich genausowenig leisten wie eine Aufnahme von größeren Schuldenbeträgen. Letzteres war in der Weltwirtschaftskrise mangels Kreditgebern ohnehin nicht möglich. Der Vorsitzende der Reichsbank, Hjalmar Schacht, brauchte also dringend eine Möglichkeit, die ab 1935 rasch ansteigenden Rüstungsausgaben mit einer Art Schattenwirtschaft zu finanzieren, denn die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Landes reichte eigentlich gerade aus, um den Lebensstandard der Deutschen wieder auf das Niveau Ende der 1920er Jahre zu bringen (das übrigens im ganzen Dritten Reich nie wirklich erreicht wurde).

Funktionsweise der Mefo-Wechsel
Zu diesem Zweck grüdnete er zusammen mit vier namhaften deutschen Unternehmen - Siemens, Gutehoffnungshütte, Krupp und Rheinmetall - die "Metallurgische Forschungsgesellschaft", eine reine Tarnfirma. Diese "Mefo" diente lediglich einem Zweck: eine zweite Unterschrift für Wechsel bereitzustellen, mit denen diese zum gesetzlichen Zahlungsmittel werden konnten. Offiziell deckten diese vier Unternehmen also von der Reichsbank ausgegebene Wechsel, die nicht auf Gold oder anderen Werten basierten, wie es die Reichsmark offiziell tat. Die Eigenkapitaleinlage der Mefo betrug gerade einmal eine Million Reichsmark - bedenkt man, dass bis 1938 Wechsel über insgesamt 11,9 Milliarden Reichsmark ausgestellt wurden erkennt man den gewaltigen Hebel, mit dem hier gearbeitet wurde.

Da hinter den Wechseln keine echten Werte standen, konnte das Reich die damit getätigten Einkäufe natürlich kaum bezahlen. In der Realität wurden daher nur rund 40% der mit den Wechseln getätigten Einkäufe tatsächlich bezahlt. Die restlichen 60% wurden als Anteile auf spätere Einnahmen und Steuernachlässe gutgeschrieben. Dies führte zu zwei Entwicklungen: zum einen gruben die Mefo-Wechsel dem Reich innerhalb kürzester Zeit die Steuerbasis ab, weil ja gewaltige Steuergutschriften aufliefen. Und zum anderen entstand eine kurzfristig in die Zukunft verlagerte Notwendigkeit, neue Einkommensquellen zu erschließen, um die Wechsel zu bedienen. In den Firmen selbst wurde das System natürlich schnell durchschaut. Da mit nur 40% des Warenwerts kaum gewirtschaftet werden konnte, begannen die Firmen in gewaltigem Umfang die Bilanzen zu frisieren und um ein vielfaches höhere Preise abzurechnen. Das ab 1934 von Hermann Göring gesteurte Wirtschaftsministerium konnte dagegen wenig unternehmen - die Mefo-Wechsel hatten eine gegenseitige Symbiose geschaffen. Weder konnte das Wirtschaftsministerium die Bilanzfälschungen anprangern noch die Firmen die Wechsel einlösen. 1938 wurde die Ausgabe der Wechsel gestoppt, ermöglichte bis dahin aber die Aufrüstung auf ein Niveau, das in etwa dem der Nachbarstaaten entsprach.

Bildnachweise: 
Arbeitslosenrate - Hedwig Klawuttke (CC-BY-SA 3.0)
Reichsmarl - Bildarchiv der Deutschen Bundesbank, Frankfurt am Main (gemeinfrei)
Autobahnbrücke - Bundesarchiv, Bild 146-1979-096-13A / CC-BY-SA
Obdachlosenasyl -  Bundesarchiv, Bild 183-R96268 / CC-BY-SA
Mefo-Wechsel - Guido Golla (CC-BY-SA 3.0)

Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2013/02/wirtschaftspolitik-im-dritten-reich.html

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aventinus recensio Nr. 35 [31.01.2013]: William E. Metcalf (Hrsg.): The Oxford Handbook of Greek and Roman Coinage, Oxford University Press 2012.

Mit diesem Handbuch legt der routinierte amerikanische Numismatiker William Metcalf ein wichtiges Werk vor, das seit langer Zeit als Desiderat gilt. Zwar kann und will es nicht klassische Einführungen in die Numismatik ersetzen. Doch die Menge des behandelten Stoffs geht weit darüber hinaus. http://www.aventinus-online.de/recensio/altertum/art/Rezension_Willi/html/ca/view

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2013/01/3833/

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aventinus bavarica Nr. 24 [31.01.2013]: Denkmäler erzählen Geschichte(n)! Die Feldherrnhalle in München Nationale Begeisterung — Instrumentalisierung — Alltagsgeschehen [=Bayernspiegel Nr. 5-6/2012]

Überquert man in Zeiten hektischer Betriebsamkeit den Münchner Odeonsplatz, wird die Feldherrnhalle für gewöhnlich nur am Rande wahrgenommen. Ihre facettenreiche Geschichte bleibt im Verborgenen oder wird auf Hitlers Marsch auf die Feldherrenhalle konzentriert. http://www.aventinus-online.de/bavarica/neueste-geschichte/art/Denkmaeler_erz/html/ca/view

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2013/01/3829/

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